In Amerika ist dieser Tage einiges Los: Nicht genug, dass Hurrikan „Gustav“ den Golf von Mexiko erneut in Angst und Schrecken versetzt, nein, er bedrohte auch noch den Erfolg des Parteitags der Republikaner, der unglücklicher Weise gerade heute stattfindet. Aber die Partei weiß auch dieses Unglück für sich zu nutzen, wie Spiegel Online berichtet.
Einen viel größeren Wirbelsturm, nämlich einen der Irritation, löste die Nachricht aus, dass Bristol Palin, 17-jährige Tochter der Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin, schwanger sei. Brisant daran ist, dass Palin Senior als erzkonservative Abtreibungsgegnerin bekannt ist, deren Ernennung zur Kandidatin für den Vizepräsidentschaftsposten gerade von den stark religiösen Republikanern mit Freude aufgenommen wurde. Eben diese aber sind nun irritiert.
Doch Familie Palin hat sich schon einen guten Plan ausgedacht, diese Krise sprichwörtlich als Chance zu nutzen: Tochter Bristol werde natürlich das Kind austragen (geht ja auch gar nicht anders bei so konservativen Ansichten) und natürlich den Vater ehelichen. John McCain selbst setzte dem ganzen Schauspiel die Krone auf, indem er verkündete, dies sei ein Beleg für die Bodenständigkeit der Familie Palin, die eben eine „Amerikanische Familie“ sei (siehe Spiegel-Artikel).
Noch schöner ist der in einem Bericht des Britischen Guardian veröffentlichte Kommentar einer Sprecherin der Republican National Coalition for Life, Jessica Erchard:
The pregnancy made the family „real“ to voters. „It will resonate with women voters because they’ll say, ‚That happened to me, that happened to someone down the street‘,“ she said.
Die Republikaner schaffen es nicht nur, den Hurrikan für sich auszuschlachten, sie versuchen dies sogar mit dieser absolut privaten Geschichte. Sarah Palin gelingt es dabei sehr gut, das alles unter einen Hut zu bringen, denn Gott sei Dank spielt die Tochter das Schmierentheater brav mit. Palin stolz:
„Our beautiful daughter Bristol came to us with news that as parents we knew would make her grow up faster than we had ever planned. As Bristol faces the responsibilities of adulthood, she knows she has our unconditional love and support.“
Was aber die 17-jährige Bristol von all dem hält, kann man nur vermuten (wie es auch Viktoria in ihrem Blog sehr treffend beschreibt). Ganz nach dem Motto: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“ wird ihr sicher zu keiner Sekunde eine eigene Entscheidung offen gestanden haben. Geschweige denn ihrem zukünftigem Ehegatten Levi Johnston: Der verkündete jüngst auf seiner MySpace-Seite (not available anymore), dass er in einer Beziehung sei und keine Kinder wolle. [Achtung Zynismus:] Hoffentlich bekommt er wenigstens ein gutes Sümmchen für sein Parieren. [Zynismus aus]
Das alles ist einfach:
Ohne Worte.
(Bild über Wikimedia Commons)
Und nun lauschen wir dem Geräusch, das tausende amerikanischer Satiriker machen, wenn sie ihren Kopf gegen ihren Schreibtisch hauen, weil ihnen diese Story nicht eingefallen ist.
Danke übrigens, dass dir der Gedanke kam, dass auch der Vater vielleicht nicht unbedingt heiraten will.
Wirklich, Bristol und ihr Freund tun mir tierisch leid. Was bin ich froh, kein Kind von Eltern zu sein, die in der Öffentlichkeit stehen. Und was bin ich froh, noch nie erzkonservativen Eltern erklärt haben zu müssen, dass ich schwanger bin. Eine Hochzeit aus der Angelegenheit springen zu lassen finde ich fast schon grausam. Und es geht die Problematik – wie immer – am falschen Ende an.
Gerade weil man die Kinder der Kandidaten eigentlich rauslassen müsste: Man darf gar nicht daran denken, was für eine Entrüstung aufkäme, wenn dies einer Demokratentochter passiert wäre. So ist es wahrscheinlich das beste, was den Amerikanern passieren konnte. Nach all den verkappten republikanischen Drogenabhängigen, Homosexuellen, Minderjährigenbelästigern und Rudy Guiliani wird wohl langsam auch dem Letzten klar, was deren Fokus auf die heteronormative Kleinfamilie wirklich bedeutet: Nichts.
Ein Nebenaspekt: Wenn die beiden Küken jetzt heiraten, sind sie nicht mehr über ihre Familien versichert. Solange keiner der beiden einen Job mit Krankenversicherung hat, sind sie und das spätere Baby also echt am Arsch. Wie gut dass Palin wie die meisten Reps nicht nur gegen Sexualkundeunterricht, sondern auch gegen „Krankenversicherung für jeden“ ist.
Na ja, ich hoffe mal, dass eine Governeurin genug Geld für eine private Krankenversicherung und eine gute Kinderbetreuung für das Enkelchen hat. So gesehen ist Bristol zumindest wirtschaftlich besser dran als die Tochter einer Facharbeiterin.
Was der Presserummel und der Druck von den Eltern allerdings mit ihrer emotionalen Verfassung anstellen wird, da kann ich mich nur dem allgemeinen Mitleid anschließen. Für beide zukünftigen Eltern.
[Achtung Zynismus:] Hoffentlich bekommt er wenigstens ein gutes Sümmchen für sein Parieren. [Zynismus aus]
Warum meinen eigentlich alle, Zynismus und Ironie immer mit sowas kennzeichnen zu müssen? Zynismus ist entweder offenbar oder es ist keiner
Palin verdient angeblich nur 130.000 Dollar im Jahr. Ich finde die Webseite aber nicht gerade. Aber auch die Bezahlung des Präsidenten ist dort ja nicht allzu gut.
Und ja, es gibt dauernd Leute, die Ironie und Zynismus nicht erkennen. Im Gegensatz zum Atmen ist das Erkennen davon nicht angeboren.
lieber access, ich verzichte auch eher auf solche Kennzeichnungen, aber ich bin hier schon so oft falsch interpretiert worden…
Heute zwei ganz hervorragend aneinander-komponierte Sätze in der SZ gelesen und sehr gelacht:
Na, das hat ja super funktioniert.
Ich finds schrecklich, was diesem Mädchen und ihrem Freund angetan wird. Vermutlich nie richtig aufgeklärt, erste sexuelle Abenteuer erlebt und, schwups, schwanger. Eigentlich ist das ja die Schuld der Eltern, wüssten Teenager 1. wie Verhütung geht und 2. wie man an Verhütungsmittel kommt, wären wohl die wenigsten Teenager schwanger.
Und was macht man mit einem schwangeren, minderjährigen Mädchen? Man verheiratet es schnell. In den USA zumindest scheint diese Lösung gang und gäbe zu sein, ich kenne nun gleich drei Fälle: Bristol Palin, Britney Spears‘ kleine Schwester und noch privat ein Teenie-Eltern-Pärchen, alle drei wurden/werden schnell miteinander verheiratet.
Ob die „Kinder“ damit glücklich werden scheint den bestimmenden Eltern aber sehr egal zu sein, schliesslich hat das Kind einen Fehler gemacht, und Fehler haben nun mal Konsequenzen. Quasi reagierende Erziehung.
Aber mal ehrlich, wieviele von uns sind den noch mit dem Typen zusammen, mit dem sie mit 17 geschlafen haben?
@Laura: Ich! :P Aber gut, ich werd auch erst 20, bin mit meinem Freund zwar schon 4 Jahre zusammen, aber dennoch, ich würde ihn trotzdem nicht heiraten. Jetzt nicht, und mit Unfallschwangerschaft auch nicht. Auch wenn ich das Kind behalten würde. Ich finde es einfach noch zu früh. In 5 Jahren kann man mal – eventuell – darüber nachdenken!
Aber in den USA scheint es doch normaler zu sein, schon mit Anfang 20 zu heiraten. Zumindest unter den Konservativen. Damit das Bettgeflüster endlich legitim ist.
Wirklich traurig sowas.