Alex kommt aus dem Ruhrgebiet, lebt zur Zeit in Heidelberg und besucht seit März eine Modeschule in Mannheim, um Modedesignerin zu werden. Nebenbei bloggt sie auf ihrem Blog Some Girls Are Bigger Than Others, auf dem es um Plus Size Fashion und Fat Acceptance geht. Auf der Mädchenmannschaft durften wir im letzten Jahr ihren kritischen Artikel zu der Mode-Fernsehsendung Shopping Queen veröffentlichen. Mit Alex sprach ich über Plus Size Mode, mangelnde Repräsentation von dicken Menschen in der Modeindustrie und inspirierende dicke Bloggerinnen.
Zu Mode und Shopping fallen mir als Modefan mit Größe 46/48 so einige Anekdoten ein – viele davon ganz schön nervig. Wie sieht’s bei dir aus?
Mode hat für mich lange Zeit vor allem eines bedeutet: Frust. Als dicker Teenager in den 90ern gab es praktisch nichts, was mir wirklich gefallen hat. Ich habe oft zu schlabberigen Shirts und Jeans gegriffen. Eine Weile habe ich praktisch in einem riesigen schwarzen Kapuzenpulli gelebt. Erst im Netz fand ich Dinge, die mir gefallen haben. In die Stadt zu fahren und dort zu stöbern, etwas anzuprobieren und es dann zu kaufen, ist fast nicht möglich. Hier in der Innenstadt gibt es nur drei Geschäfte, die in größerem Umfang meine Größe führen. Deprimierend, oder?
Mittlerweile heißt Klamotten zu shoppen zum Glück nicht mehr nur Frust. Online sieht es mittlerweile wesentlich besser aus. Es gibt ein paar ausgesuchte Shops, die teilweise richtig aktuelle Mode anbieten, wenn auch für meinen Geschmack oft nicht zeitnah genug und häufig (vor allem in Deutschland) werden Trends zwar aufgegriffen und beworben, aber sind in der Umsetzung so zahm und angepasst, dass sie eigentlich nichts mehr mit dem ursprünglichen Thema zu tun haben. Es ist schon besser geworden, aber wir haben immer noch einen weiten Weg vor uns.
Dank des jahrelangen Darbens bin ich übrigens mittlerweile zu einer Art Kleiderdrachen mutiert und sitze auf vielen geliebten Kleidungsstücken, die ich wie einen Schatz horte.
Deine Liebe zu Mode hat dich und andere Bloggerinnen dazu veranlasst, die Fatty Fashion Fun Challenge ins Leben zu rufen, wo Menschen ab Größe 46 jeden Monat zu einem anderen Thema Fotos von sich und ihren Lieblingsoutfits online stellen können. Ich verstehe solche Aktionen auch als Reaktion auf eine Modeindustrie, die sich nur für bestimmte Körper interessiert. Getreu dem Motto: Wenn die Modeindustrie uns nicht repräsentiert, machen wir das einfach selbst. Was hat dich dazu bewegt, dich trotzdem in das Feld Mode zu bewegen, obwohl wir oft nicht mitgedacht werden?
Ich glaube, ich war es irgendwann einfach leid, dass ich kaum schöne Kleidung gefunden habe und dass von mir als dicke Frau erwartet wird in Sack und Asche zu gehen und möglichst viel von meinem Körper zu verstecken. Oder mich zumindest möglichst „vorteilhaft“ zu kleiden.
Als ich mein Modeblog 2010 gestartet habe, war das zum Teil auch eine Herausforderung, die ich mir selbst gestellt habe. Am Anfang war es mir noch ziemlich unangenehm zu posen und überhaupt Ganzkörperfotos von mir machen zu lassen. Aber ich wollte mir und der Welt beweisen, dass Dicke modisch sind, dass wir auch das Recht haben, uns selbst gut zu finden und uns nicht verstecken müssen. Ein Aspekt, der meiner Meinung nach häufig unterschätzt wird, ist der Effekt, die Kleidung, in der eins sich gut fühlt und die gefällt, auf eine_n haben kann. Gerade wenn ich etwas trage, dass mir gefällt, fühle ich mich besonders wohl und selbstbewusst. Ich finde es so schade, wenn sich eine Person etwas nicht anzuziehen traut, weil es zu auffällig/bunt/kurz/eng/
Wenn ich die Modeschule beendet habe, möchte ich da übrigens auch gern ansetzen und Plus Size Mode entwerfen. Ich weiß auf jeden Fall schon sehr genau wie meine Mode nicht aussehen soll.
Was sind deine bisherigen Erfahrungen in dem Studium: Ist der Anspruch da, für verschiedene Körper und Körperformen Mode zu designen oder stehst du damit eher allein da?
Die Standardgröße am Anfang ist eine 38. Das heißt wir arbeiten an einer Schneiderpuppe in Größe 38 und auch die Berechnungen und Schnitte, die wir anfertigen, sind zunächst zumeist in dieser Größe.
Allerdings arbeiten wir bereits jetzt schon auf unseren eigenen Maße und da bin ich dann sozusagen mein eigenes Versuchskaninchen. Ansonsten fürchte ich, dass da auch viel Eigeninitiative gefordert ist. Wir lernen natürlich die verschiedenen Größen zu bedienen, aber wie viel Zeit bleiben wird, um genauer auf verschiedene Körperformen einzugehen, kann ich noch nicht recht abschätzen, bisher lernen wir ja noch die Grundlagen.
Gerade versuchst du etwas Geld für eine Reise nach Paris zu sammeln. Erzähl uns ein bisschen was davon.
An der Schule gibt es regelmäßig Exkursionen, u.a. zu Messen in Städten wie Florenz oder Paris. Im September findet nun nächste Exkursion statt und es geht zu einer der größten Stoffmessen der Welt, die halbjährlich in Paris statt findet. Ich würde unheimlich gern mitfahren. Nicht nur, dass es dort viel zu sehen und zu lernen gibt, Paris ist natürlich auch noch klassischerweise die Modehauptstadt schlechthin und zufällig eine meiner Lieblingsstädte.
Leider habe ich nicht die finanziellen Mittel, um so eine Reise aus eigener Kraft zu bezahlen und so kamen spontan gleich mehrere meiner Twitterfollowers auf die Idee mich zu crowdfunden. Ich dachte zuerst, dass das nicht klappt, aber dann wollte ich es zumindest probieren, habe einen relativ ausführlichen Beitrag auf tumblr gepostet und einen Paypal-Spendenbutton auf mein Blog gestellt. In den darauffolgenden Tagen haben viele unheimlich nette Menschen bereits ein paar Euro gespendet. Damit hätte ich nie gerechnet und ich hatte öfter Tränen der Rührung in den Augen.
Ich hoffe, dass das Geld für die Reise zusammenkommt! Zuletzt würde ich mich noch über einige Tipps von dir freuen: Wo können Menschen jenseits Größe 42 modische Inspiration bekommen?
Eine meiner allerliebsten Lieblingsbloggerinnen ist Katrin von Reizende Rundungen. Sie hat einen wunderbaren eigenen Stil, Zuckerwattehaare und ist neben ihrer generellen Awesomeness auch noch sehr engagiert was Body & Fat Acceptance angeht.
Eine Bloggerin die mittlerweile zwar weniger Outfits auf ihrem Blog zeigt, dafür umso nachdrücklicher wichtige Themen wie Fat Shaming oder die Fixierung der Gesellschaft auf das Gewicht dicker Menschen aufgreift ist die australische Bloggerin Kath von Fat Heffalump.
Erst Anfang des Jahres habe ich zufällig die großartige Isabell von Dressing Outside The Box kennen gelernt. Sie hat (noch zufälliger) dieselbe Modeschule besucht wie ich und arbeitet jetzt als Designerin in einem bekannten Modehaus und haut mich mit ihrem Stil immer wieder absolut um. Ich liebe jedes einzelne ihrer Outfits!
Rachele ist eine feministische Fat-Aktivistin, die Dinge wie den „How to be a fat bitch“ E-Course gestartet hat. Sie fertigt tolle Portraits von überwiegend dicken Menschen an und kämpft momentan dagegen an, dass ihre Fotos missbräuchlich für Diätkampagnen als „Vorher-Foto“ oder für fettenfeindliche Memes verwendet werden.