Das fast riesigste Ding in den USA – neben Wahlkampf, Waffen und Geschlechtskrankheiten – ist die Prom, das große Schuljahresabschlussfest, dass die Oberstufen der amerikanischen High Schools traditionell ausrichten. Wir Mitteleuropäer kennen die Extravaganza aus High School-Filmen, wo es oft darum geht, dass irgendwelche hässlichen Entleins von tollen Quarterbacks eingeladen werden und dann die Königinnen des Abends werden und ihre Jungsfäulichkeit unter dem Buffet verlieren o.Ä.
Das wichtigste an der Prom ist das Kleid. Es wird mindestens ein Jahr im Voraus geplant (gemeinsam mit dem Date, der Limousine und dem Gesteck und der Mani/Pedi) und kostet normalerweise ein Vermögen, weil es aus viel Stoff und einem raffinierten Schnitt bestehen muss. Für Amerikanerinnen ist dieses Kleid so essenziell, dass zum Beispiel ich, die ich ja nie in den USA gelebt habe, mit 16 ebenfalls mein Prom Kleid plante, in der vollkommen abwegigen Hoffnung, dass sich mir irgendwie eine Gelegenheit bieten würde, es zu tragen.
Die Schülerin Marche Taylor wurde letzte Woche vor ihrer Prom verhaftet, weil sie ein falsches Kleid anhatte. Es bestand weder aus viel Stoff und der Schnitt, naja, war eher reduziert als raffiniert. Seht selbst:
Der Türsteher wollte Marche damit nicht einlassen wg. zuviel SEXY und als sie Stress machte, rief er die Polizei und das Mädchen wurde in Handschellen auf die Station gebracht. Ich meine, bloß weil jemand ein hässliches Kleid anhat, wird sie in-haf-tiert. Ach ja, das Land der unbegrenzten Freiheit.
Aber mal ernsthaft: Es kann ja wohl nicht angehen, dass man überall und ständig halbnackte Frauenkörper sieht, die für Produktwerbungen eingesetzt werden und post-pubertären Mädchen dann der Eintritt auf ihr eigenes Abschlussfest verwehrt bleibt – bloß, weil sie nicht gecheckt haben, dass das, was scheinbar alle anderen Frauen tun, nämlich sich entblößen und SEXY sein, sie nicht sollen. Oder wie?
Na ja, inhaftiert war ja wegen „Stress machens.“ Natürlich ist es saucool, jetzt ein „I’m too sexy for my prom“ t-shirt tragen zu können („too hawt for school“ ist halt noch mal anders als „too cool for school“), aber gegen „jahre lang entgegen gefiebert und dann nicht bekommen“ stinkt es vermutlich ab. Und der dress-code war ja wohl im voraus bekannt. (In dem Alter hat ja fast niemand Stil.) Nichtsdestotrotz stimme ich Dir im Kern der Sache natürlich 100 % zu, den ich für „damned if you do, and damned if you don’t“ halte.
Nebenbemerkung: Ich weile gerade in Berlin (offenbar nicht dem von ijb), und nirgendwo anders anders in Deutschland habe ich so abgerissen herumlaufende Menschen gesehen. (Naja, Bassermannsche Gestalten halt. :) Das ist unerwartet angenehm. Dieser völlige Mangel an dem Gefühl, dumm aufzufallen wenn man mal eben unfrisiert und/oder -geschminkt auf die Strasse geht.
Das Kleid ist ja wohl nicht wirklich hässlich, sondern eben nur seeehr knapp. Die Beurteilung nach REIN ästhetischen Geichtspunkten führt wohl nicht mal in der USA zur Verhaftung, in Verstoss gegen die prüden Sitten allemal. Du schreibst ja selbst, zu viel sexy und zu viel Stress. Freiheit in USA ist die Freiheit der Mehrheit oder die derjenigen die genug Geld und/oder macht und/oder öffentliches Ansehen/Ruhm haben. Insofern braucht sich niemand aufregen darüber. Das ist allein Sache der Amerikaner/innen endlich mal ein wenig Toleranz nach innen zu üben. Dauert halt noch ein paar hundert Jahre … Naja, mit Obama könnte es vielleicht schneller gehen, wenn er denn noch lange genug lebt.
@Azundris: Die „Bassermannschen Gestalten“ (im vorletzten Jahrhundert als als Synonym für „abgerissene Galgenvögel“ gebraucht, auch schon wieder ein fragwürdiger Begriff!) waren Teil des völlig unschuldig verarmten und ausgebeuteten Proletariats und nicht freiwillig „mal eben unfrisiert“ herumlaufende Wohlstandsmenschen mit einem „völlige[n] Mangel an dem Gefühl, dumm aufzufallen“.
PS: Mir heutige „abgerissene Galgenvögel“ wie Punks etc. immer noch lieber als wohlfrisierte Abzocker und Arschkriecher.
Jessica Valenti schrieb in „Full Frontal Feminism“ sehr schön: tagsüber in der Schule Abstinence-Only-Education, abends im Fernsehen „Girls Gone Wild“ – Doppelmoral ahoi!
@bernd: grrm, die überschrift war ein – zugegeben hilfloser – versuch, ironisch zu sein. naja. aber findest du nicht, dass man sich darüber zumindest wundern kann, was da für doppelstandards angelegt werden?
also ich war für ein jahr in den USA und weiß daher, dass es an jeder amerikanischen schule eine kleiderordnung gibt. „schultern bedeckt, rock nicht zu kurz,…blablabla…“ und diese kleiderordnung galt auch für die schulischen feste (also auch prom).
vermutlich ist die dame wegen der klausel in der schulordnung mit dem herrn aneinandergerasselt.
davon kann man jetzt halten, was man möchte, aber das ganze jetzt negativ für die USA auszulegen („land der unbegrenzten möglichkeiten, haha“) finde ich, pardon, ein bisschen sehr ignorant!
Hätte ich auch nicht reingelassen. Wie alt ist die SEXY lady? Wie schnell hätte sie sich abfüllen usw. lassen? Wo war die Prom? Wie hat sie rumgestresst? Fragen über Fragen.
Ich behaupte der Türsteher hat seinen Job richtig gemacht.
zu viel aufhebens um nix *schulternzuck*
das mädel ist wie alt? 16? wie azundris schon sagte: in dem alter hat keiner stil. und wir sind damals auch in zu-kurz-zu-knapp-zu-sexy-whatever rumgerannt…gehört zum erwachsen-werden dazu, so what??
und dass die usa in sachen prüderie und sex doppelmoralisch veranlagt sind ist auch schon lange bekannt. stichworte: porno-industrie als umsatzstärkste branche der usa, springbreak, etc.
vielleicht hätte man statt der polizei einfach die verantwortlichen erziehungsberechtigten bemühen sollen. und kein schwein hätte sich drum gekümmert…
hallo meredith, warum grummelst du? wundern übder die doppelstandards oder besser doppelmoral tue ich mich bestimmt. aber nie lange, denn wie alle schreiben. das sind eben die usa. an manchen orten horte der freiheit an anderen orte des grauens. im schnitt, mindestens spiessig ….
ps: ich hätte das mädel reingelassen. die sieht indisch aus, da passt auch das kleid einigermassen. könnte als lokalkolorit oder folklore im weitesten sinne durchgehen.
hallo bernd, ich grummele ob der tatsache, dass mein ironieversuch irgendwie nicht da angekommen ist, wo ich ihn haben wollte.
und was die folklore betrifft: hihihi