Die heutige „Feminismus im Recht“-Kolumne wird nicht von Maria beigesteuert, sondern von Kollegin Dr. Anja Schmidt, die am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie der Uni Leipzig arbeitet. Sie hat für uns netterweise einen Erfahrungsbericht zum Feministischen Juristinnentag verfasst.
Der 39. Feministische Juristinnentag (FJT) fand vom 3. bis zum 5. Mai in Berlin in Berlin statt. Besonders habe ich mich über die offene und konstruktive Atmosphäre gefreut, in der unterschiedliche feministische Positionen und geschlechterkritische Perspektiven Raum hatten.
Den Eröffnungsvortrag hielt Dr. Laura Adamietz von der Uni Bremen. Sie ließ die Rechtsprechung des Bundesverfassungsrechts zu den Rechten von Trans*-Personen Revue passieren, kritisch und unter Beleuchtung der Fortschritte, die sie für die Anerkennung des wirklichen Geschlechts dieser Menschen gebracht hat. Dass es im Bundestag bis zur im Herbst anstehenden Wahl wahrscheinlich nicht mehr gelingen wird, das eigentlich nur noch als Torso geltende „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen. Transsexuellengesetz“ an die verfassungsrechtlichen Vorgaben anzupassen oder es besser neu zu ordnen, ist mehr als beschämend, zumal hierzu bereits seit der vorigen, 16. Wahlperiode verschiedene Gesetzesentwürfe eingebracht wurden.
Die nachfolgenden AG und Foren spiegelten die Bandbreite juristisch-feministischer Themen wieder, unter anderem ging es um Gewalt gegen Migrant_innen, die Strafverfolgung bei sexualisierter Gewalt, die Reform des Sorgerechts nicht miteinander verheirateter Eltern und die Rechtslage von intersexuellen Menschen. Ich besuchte die AG „Selbstbestimmungsrecht im Personenstandsgesetz? Ein Diskurs in INTER*-Realitäten“, geleitet von der Juristin Juana Remus (Uni Bremen) und von Lucie Veith, der zwangstransexualisiert wurde und der 1. Vorsitzender des Bundesverbandes Intersexuelle Menschen ist.
Juana Remus referierte sehr sorgfältig und pointiert zur Inter*-Personen betreffenden Rechtslage. Lucie Veith brachte sehr eindrücklich und kraftvoll die Erfahrungen und Perspektiven eines Inter*-Menschen ein und insistierte nachdrücklich darauf, dass das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit vollumfänglich auch für Inter*-Kinder realisiert werden muss. Diese Forderung ist in der aus der AG hervorgegangenen Fachstellungnahme ebenso enthalten, wie die Forderung, Eingriffe in die Geschlechtlichkeit des Kindes und die Entfernung hormonproduzierender Organe zu unterlassen, bis das Kind eigenverantwortlich entscheiden kann sowie die Forderung nach einem besonderen Schutz von intersexuellen Kindern in ihrer geschlechtlichen Selbstbestimmung und die Forderung nach der Abschaffung des Geschlechtseintrages im Personenstandsregister.
(genauer unter http://www.feministischer-juristinnentag.de/Resolutionen.html).
In dem anschließenden Forum „Verfügung über Kinderkörper: Kinderkörper und chirurgische Intim-Eingriffe“ wurden die Perspektive von Inter*-Personen, die feministischen Positionen zur Genitalbeschneidung von Mädchen und Positionen zur religiös motivierten Beschneidung von Jungen in einem gemeinsamen Diskurs zusammengeführt. Ein sehr mutiges Unternehmen, da insbesondere die Diskussion um die Beschneidung von Jungen sehr emotionalisiert geführt wird und hinsichtlich der unterschiedlich motivierten Intimeingriffe an Kindern verschiedene feministische / geschlechterkritische Perspektiven aufeinanderprallen. Von Standpunkten, die sich gegen Diskriminierung aus religiösen Gründen wenden und die Beschneidung an Jungen verteidigen, bis hin zu Standpunkten, die sich aufgrund von Erfahrungen von Interesex*-Personen und von beschnittenen Frauen und Mädchen strikt gegen Eingriffe an den Genitalien von Kindern wenden.
Ich bin sehr froh, dass dieses Unterfangen gewagt wurde, auch wenn spürbar war, dass die Diskussion sehr heikel ist. Nicht zuletzt aufgrund der gut organisierten Moderation von Lucy Chebout ist es gelungen, alle Perspektiven zu Wort kommen zu lassen und zu verdeutlichen, dass dem Konflikt zwischen dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit des Kindes und dessen Recht auf negative und (!) positive Religionsfreiheit (sein Recht, nicht auf eine Religion festgelegt zu werden, und sein Recht, religiös eingebunden aufzuwachsen) nicht leicht beizukommen ist. Ich hatte den Eindruck, dass jedenfalls das Verstehen der jeweils anderen Position vertieft wurde und dass damit die Basis für sachliche Diskussionen, die noch nicht zu Ende geführt sind, gestärkt wurde.
Zur geschlechterkritischen Perspektive passend schloss der FJT mit einem Beschluss zur Einladungspolitik des FJT, wonach er „offen für alle Frauen, alle, die sich als Frauen fühlen, und alle, die sich keinem der herkömmlichen Geschlechter zuordnen können oder wollen“ ist. Ich freue mich auf den Jubiläums-FJT Anfang Mai 2014 in Leipzig!