Frauentag abschaffen?

Anlässlich zum Internationalen Frauentag schreibt Alice Schwarzer: „Schafft den 8. März ab!“ Mit gewohnt spitzer Feder geht sie der Geschichte des Frauentages auf den Grund und konstatiert, dass dieser in einer frauenfeindlichen Tradition stehe – und deshalb abgeschafft werden sollte.

Der 8. März ist eine sozialistische Erfindung, die auf einen Streik von tapferen Textilarbeiterinnen zurück geht und 1910 auf der 2. Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen in aller Form beschlossen wurde. „Genossinnen! Arbeitende Frauen und Mädchen!“ schrieb Clara Zetkin 1911 in der (k)Gleichheit, „der 19. März (der später zum 8. März wurde, Anm.d.Red.) ist euer Tag. Er gilt eurem Recht!“

Doch gerade die Frauenbewegung entstand bekanntermaßen Anfang der 1970er Jahre im Westen nicht zuletzt aus Protest gegen die Linke. Eine Linke, die zwar noch die letzten bolivianischen Bauern befreien wollte, die eigenen Frauen und Freundinnen aber weiter Kaffee kochen, Flugblätter tippen und Kinder versorgen ließ. Und die realsozialistischen Länder waren in den obersten Etagen bekanntermaßen auch frauenfrei. Unter diesen Vorzeichen ist die Übernahme des sozialistischen Muttertags als „unser Frauentag“ für Feministinnen, gelinde gesagt, der reinste Hohn.

Schaffen wir ihn also endlich ab, diesen gönnerhaften 8. März! Und machen wir aus dem einen Frauentag im Jahr 365 Tage für Menschen, Frauen wie Männer.

Was denkt ihr? Ist die von Schwarzer konstatierte frauenfeindliche Tradition ein Grund, diesen abzuschaffen oder ist es wichtig, einen Internationalen Frauentag als Symbol für den Kampf um die Gleichberechtigung zu behalten?

In der Rubrik “Grundsatzfragen” diskutieren wir Grundsätzliches zum Feminismus. Wenn ihr Vorschläge für Grundsatzfragen habt, dann mailt sie an mannschaftspost(at)web.de.

18 Kommentare zu „Frauentag abschaffen?

  1. Der Weltfrauentag ist vom Datum her zwischen Tag zum Schweinebraten und Barbies Geburtstag angesiedelt. Ich gebe Alice Schwarzer recht, wir Frauen haben mehr als nur einen Tag verdient. Die Gedenktage überlasse ich gerne dem Schweinebraten und der Barbiepuppe.

  2. Die hier zitierte Argumentation der Schwarzer macht mir den Eindruck, als ginge es um ein Problem, dass sie mit linken Bewegungen hat. Das Problem hätte sie doch aber anders als mit Flugblattabtipperei erklären können, weil sie damit sehr viel Angriffsfläche für Männer bietet („Wir haben ja auch getippt.“, „Ihr habt euch immer freiwillig dazu gemeldet“, „Ihr hättet euch auch jederzeit inhaltlich einbringen können“ oder was weiß ich, was man darauf erwidern könnte.)

    Ich habe das Problem mit der Linken nicht. Klar gibt’s da noch genug zu bemängeln, aber den Feminismus habe ich über linke Strömungen entdeckt. Und Gesellschaftskritik schließt für mich feministische Kritik genauso wie Kapitalismuskritik ein.
    Von daher sehe ich die Abschaffung des 8. März überhaupt nicht ein.
    Problem ist doch die heutige Bedeutung dieses Tages, oder? Gedenktag? Finde ich auch überflüssig. Und also muss er eine neue Bedeutung bekommen, eine wie: „Schaut her, wo es überall noch an unseren Rechten hapert!“ Das wäre vielleicht auch in Clara Zetkins Sinne.

    Stattdessen tue ich mich nach wie vor mit Muttertag und Vatertag schwer. Ich finde, hier werden fragwürdige Rollenbilder viel mehr verfestigt.

  3. frau schwarzer irrt an mehreren punkten:
    – die frauenbewegung entstand nicht aus protest gegen die linke, sondern innerhalb der linken gegen teile innerhalb der linken.
    – der zeitraum von 1911 bis zur frauenbewegung der 1970er jahre ist ja teil der geschichte, den kann sie nicht einfach ausblenden
    – realsozialismus hatte nichts linkes
    – das war gerade kein „sozialistischer muttertag“, sondern ein kampftag, den sich frauen selbst erkämpft haben

  4. Ich habe den Weltfrauentag auch nie als Gedenktag begriffen, sondern immer als wichtigen Tag um auf die immer noch bestehenden Probleme in der Gleichberechtigung aufzuzeigen. Ich kann Alice Kritik auch verstehen aber ich denke dieser Tag ist wichtig, weil man dann auch die mediale Aufmerksamkeit für dieses Thema hat. Des weiteren muss man natürlich auch sich bemühen, dass das Thema nicht vergessen wird und jeden Tag zu einem „Frauentag“ zu machen.

  5. Irgendwie muss man ja seine Werbung für die Bildzeitung peu a peu ideologisch untermauern. Schwarzer kann erstens keine Linken leiden (vielleicht weil sie im Gegenteil zu ihr bestreiten, dass Magda Goebbels und Leni Riefenstahl keine Täterinnen, sondern Opfer gewesen wären) und muss ausserdem ihren heiligen Mythos vom ewigen Opfer Frau, die keine aktive Rolle spielt, aufrechterhalten (deswegen schreibt sie immer Innen, was ja richtig ist, aber nur Islamisten).

  6. Frau Schwarzer glaubt auch an den Mythos vom Textilarbeiterinnenstreik, den man sich in den 50ern herausgekramt hat, um in den USA diesen Tag von der sowjetischen Vorgeschichte zu lösen. Da in der westlichen Welt Internationaler Frauentag offensichtlich immernoch schwer über die Zunge geht, spricht man auch vom Weltfrauentag. Naja, nach mir soll es den Tag bis ans Ende aller Zeit geben. Immerhin darf man nicht vergessen, es ist der Tag zu Ehren aller Frauen, die sich jemals für Gleichbehandlung und Würdigung der Frau eingesetzt haben. Frau Schwarzer paßt möglicherweise nicht, das Clara Zetkin drauf gekommen ist. Doch während in der östlichen Hemisphäre mit ausreichend Krippen- und Kindergartenplätzen Frauen erst richtig die Möglichkeit hatten trotz Familie unbeschwert gleichberechtigt zum Mann arbeiten zu gehen, ist doch bis heute in den gebrauchten Bundesländern noch oft ein verstaubtes Weltbild anzutreffen. Darin steht die Frau ihr Leben lang am Herd und hütet die Kinder. Sind die raus, gibt es Homeordertelevision bis der Mann in den Vorruhestand geht und daheim das Ganztagskommando übernimmt. Nun, wenn Frau Schwarzer den Frauentag abschaffen will, dann soll das Frauenwahlrecht gleich mit abgeschafft werden und den Aufwand mit der Frauenqote in den Führungsetagen kann man sich auch sparen.
    Geht es aber nach mir, würde der Tag wieder ein freier Tag, zumindest für die Frauen und den Haushaltstag führen ich auch gleich mit ein. Der wurde nämlich wegen Ungleichbehandlung der Geschlechter abgeschafft. Nun bei aller Gleichmacherei, Frauen bekommen nun mal die Kinder woran auch ein Frau Schwarzer nichts ändert und den zusätzlichen freien Tag im Monat gönn ich den Müttern gern.

    Warum schaffen wir eigentlich nicht das rührselige Weihnachten ab, machen wir aus den 2 besinnlichen Tagen im Kreis der Lieben am Ende eines jeden Jahres, Ostern, 3. Oktober, 9. November oder den amerikanischen Unabhängigkeitstag und und und lieber 365 Tage Alltag ohne Zäsur und ohne besondere Anlässe und vor allem ohne Geschichte. Absurd….

  7. Ich stimmte mit Alice Schwarzer in ihrer Aussage überein, wonach der 8. März ein „gönnerhafter Tag“ ist. Über ihre historische Argumentation kann mann zu Recht streiten und ich habe die Diskussion hier mit Interesse verfolgt.
    Für mich ist Folgendes problematisch: Da gibt es einen Tag, an dem die Frauen eine Rose bekommen und beglückwünscht werden (ist mir heute im Büro passiert) und danach gehen wir alle wieder zurück zu Los und machen weiter wie zuvor. Vielleicht noch schön einen frauenfeindlichen Witz gerissen, ist ja nicht so gemeint.
    Vielleicht hat das Argument seine Berechtigung, wonach es einen Tag geben sollte, an dem es mal besonders um die Rechte der Frauen geht, ich bin aber vielmehr der Ansicht, solange das auf diese Weise besonders behandelt wird, wird das Thema Frauenrechte und v.a. das Thema „gleiche Rechte und Chancen“ zu einem „besonderen“ Thema, für das kein Platz im täglichen Alltag ist. Und das sollte nicht so sein.
    Vielmehr muss sich endlich die Überzeugung durchsetzen, dass hier täglich Bedarf besteht zu handeln – auf männlicher wie auf weiblicher Seite. Ja, ich weiß, einfach gesagt. Und: Frauen sind ja durchaus auch selbst dafür verantwortlich, dass Probleme benannt und Lösungen gefunden werden, aktuell geht ja z.B. die Zahl 23 um, Frauen verdienten 2008 durchschnittlich 23% weniger als Männer. Und das leider nicht nur an einem, sondern an 365 Tagen im Jahr. Da kann man jetzt lange über die Strukturen lamentieren, die uns so sehr benachteiligen (ja, ich tue das auch gerne) – aber das ist ja keine Lösung, und dafür, dass solche gefunden werden, sind Frauen auch selbst zuständig. Auch an 365 Tagen im Jahr.

  8. Objektiv gesehen hat Frau Schwarzer vermutlich recht.

    Allerdings würde ich dem Frauentag eine innovative, neue Idee entgegensetzen, ohne primär den 8. März zu bekämpfen. Z.B. ein Women’s Festival im Stil der früheren Feierlichkeiten für die Göttin ISIS.

    „Abschaffen“ (bekämpfen) würde ich nur gezielt Frauenfeindliche Tage. Der 8. März schadet den Frauen aber nicht und deshalb würde ich keine Energie verwenden gegen diesen Tag zu votieren.

  9. @Siri: „aktuell geht ja z.B. die Zahl 23 um, Frauen verdienten 2008 durchschnittlich 23% weniger als Männer. Und das leider nicht nur an einem, sondern an 365 Tagen im Jahr.“
    Genau diese Zahl „23“, die jetzt immer durch die Medien spukt halte für gefährlich: Schließlich werden da Äpfel mit Birnen
    Vollzeit mit Teilzeit, Jurist mit Kassiererin etc verglichen. Jeder der sich ein bisschen mit der Thematik auseinandersetzt
    kann einem die 23 % zerpflücken.
    Vor einiger Zeit war hier im Blog mal ein Beitrag in welchen gleiche Jobs miteinander verglichen wurden und dort dann
    ein Gehaltsunterschied von 12 % rausgekommen ists.
    http://maedchenmannschaft.net/gleichstellung-im-berufsleben/
    Das finde ich dann noch erschreckender. Darüber wird aber seltsamerweise nie berichtet.

    Da in den „großen Zeitschriften“ (Spiegel, Sueddeutsche etc) meist eh nur reißerische Artikel zum Weltfrauentag und man
    die guten mit der Lupe suchen muss kann man den Weltfrauentag auch abschafffen.

  10. hello,

    ich finde immer, dass man auch über die 23 % reden darf – muss – soll! weil sie ein problem darstellen: Frauen machen weniger karriere, arbeiten weniger und hängen immer noch überdurchschnittlich in den schlecht bezahlteren berufen (woran sich die frage anschließt, warum diese berufe schlechter bezahlt sind, denn viele sind imho nicht weniger WERT). hinter den 23 % steckt eine gesellschaftliche und strukturelle benachteiligung von frauen, die es immer noch gibt. nur weil die 12 % noch viel offensichtlicher zum himmel stinken, sollte man die 23 % sind aus der diskussion aussparen.

  11. Warum ist der 8. März gönnerhaft? Hat irgendwie ein männliches Kommitee diesen Tag zum Frauentag erklärt? Für mich ist der 8. März kein Muttertag oder Valentinstag, und auch kein reiner Gedenktag.

    Und wenn eine glaubt, dass sie nur am 8. März gegen ihre Unterdrückung protestieren dürfte, dann weiß ich nicht wie sie darauf kommt. ArbeiterInnen streiken auch im ganzen Jahr und nicht nur am 1. Mai.

  12. @Katrin: ich fände es besser, wenn die verschiedenen Aspekte auch einzeln beleuchtet werden.
    Also eben auch das von dir angesprochene, warum ein „Frauenberuf“ weniger „Wert“ ist als ein „Männerberuf“.
    Das derzitige Vorgehen ist IMHO so:
    Es kommt ein Artikel raus “ Frauen verdienen 23 % weniger“
    Dann kommt ein Artikel „ABER, Frauen arbeiten Teilzeit und studieren das „Falsche““.
    Man liest das und denkt sich „Aha, Problem erkannt. Dann sollen sie doch mal das „Richtige“ studieren und alles ist gut.“
    Zurück zur Tagesordnung, Problem gelöst :(

    Ich glaube, wenn man konkreter die Probleme auführlich beleuchtet, dass dann weniger Angriffsfläche geboten wird.
    (Hey, ich darf doch träumen ;) )

  13. das stimmt wohl. liegt aber imho an den medien und dass sie das thema eigentlich inkompetent beackern (wie von dir geschildert, sind die „23%-Artikel“ oft sehr ungenau). Man könnte in den 23% auch die Chance sehen, sie als Symbol für sehr viel schieflage in der Geschlechterfrage anzusehen – weil eben in dieser Zahl aufsummiert viele Probleme zu Tage treten.

  14. Nach den bisherigen Beiträgen merkt man ziemlich deutlich, dass es mit der Gleichberechtigung von Frauen in diesem Land immer noch nicht weit her ist.
    Der Frauentag wird also nach wie vor gebraucht, als Anstoß zum Nachdenken und vor allem Tun, damit es den Rest des Jahres nicht nur bei symbolischen Willensbekundungen bleibt.

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