Es ist das Jahr 1971 und Nora (Marie Leuenberger) lebt mit Mann, zwei Söhnen und dem mürrischen Schwiegervater in einem kleinen Dorf in der Schweiz. Sie kann sich freuen, wenn der Schwiegervater, die Beine hebt, wenn sie staubsaugt. Regelmäßig fährt sie mit dem Fahrrad zum Hof des Schwagers, wo sie mit dessen Frau, Theresa (Rachel Braunschweig), Wäschen zusammenlegt. Theresas Tochter hingegen übt ein wenig den Aufstand: mit lauter Musik und dem mehr oder weniger heimlichen Treffen mit Jungs.
Richtig durcheinander gerät das Dorf- und Familienleben durch die Debatte rund ums Frauenwahlrecht, denn über dieses sollen demnächst die Schweizer Männer abstimmen. Nora, die feststellen muss, dass ihr Mann sie weniger unterstützt als was ihr lieb ist und ihr nicht erlaubt wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wird plötzlich zur sichtbarsten Frauenwahl-Fürsprecherin im Ort – und bald ist sie in diesem Kampf nicht mehr allein, sondern findet u.a. in der älteren Vroni (Sibylle Brunner) und der italienischen Gastwirtin Graziella (Marta Zoffoli) begeisterte Mitstreiterinnen.
Die göttliche Ordnung schafft einen warmen, humorvollen Blick auf eine sich politisierende und organisierende Gruppe von Frauen, die nicht nur immer genauer ihre Probleme analysieren, sondern auch im weiblichen Zusammenhalt neue Stärke und Zuversicht finden. Dabei weist der Film auch darauf hin, dass das (fehlende) Frauenwahlrecht nicht allein das Problem ist, sondern Teil eines Gesamtsystems, in dem Männer entscheiden, ob ihre Ehefrauen arbeiten dürfen, junge Frauen weggesperrt werden, wenn sie sich außerhalb enger Normen bewegen, aber auch einige Männer an den starren Geschlechtervorstellungen zerbrechen.
Die Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe hat lange für den Film recherchiert, Archivmaterial gesichtet, mit Akteur_innen gesprochen. Als Ergebnis versucht der Film sich von allzu platten, einfachen Erzählungen zu trennen. Das klappt nicht immer, aber ist doch sehr erfolgreich, wenn als wortgewandte Gegnerin der Frauenwahlrechts-Befürworterinnen eben kein Mann auftritt, sondern Frau Dr. Wipf (Therese Affolter), die Vorsteherin des „Aktionskomitees gegen die Verpolitisierung der Frau“ und Chefin von Noras Mann. Volpe dazu: „Es waren oft sehr gebildete Frauen, Akademikerinnen, Dorfköniginnen, die sich ganz gut eingerichtet hatten, und die vielleicht einfach nicht wollten, dass ihre Köchin auch etwas zu sagen hat. Wenn man Interviews mit ihnen anschaut, kann man von einem fast schon lustvollen Unterwerfungsgestus sprechen. Eine Frau zu zeigen, die auf der Seite der Gegner ist, fand ich spannender, weil es eben mehr Fragen aufwirft.“
Für Die göttliche Ordnung standen nicht nur vor der Kamera viele großartige Frauen, sondern waren auch sonst bei der Filmproduktion viele Frauen (z.B. Judith Kaufmann (Bildgestaltung), Annette Focks (Musik) und Su Erdt (Szenenbild)) beteiligt – in der bis heute eben männlichen dominierten Filmbranche weiterhin hervorhebenswert und auch Volpe betont, dass sie in ihrer Funktion als Regisseurin dazu beitragen kann, dass Frauen Jobs bekommen und ihnen etwas zugetraut wird. Wie schön, wenn bei einem Film, die inhaltlich repräsentierten Politiken auch in der Produktion widerspiegeln.
Ist der Film perfekt? Nein, sicher nicht (so wird beispielsweise die Italiener_innen-feindliche Einstellung vieler gezeigt, aber teils sehr einfach aufgelöst, andere Themen bleiben nur oberflächlich benannt und das Hetero-Kleinfamilien-Glück zentrales Ziel). Doch für einen unterhaltsamen, auch aufbauenden Kinoabend mit den Freund_innen passt dieser Film sehr gut – und die wunderbaren Szenen im Streikhaus der Frauen sind nicht so schnell zu vergessen.
Die göttliche Ordnung läuft ab heute in den Kinos.