Feminismus als antiislamisches Argument

Die Journalistin und Buchautorin Hilal Sezgin kommentiert heute im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung die Tatsache, dass viele, die für ein Kopftuchverbot sind oder zum Beispiel in der Schweiz gegen den weiteren Bau von Minaretten gestimmt haben, dies mit der „Unterdrückung der Frau“ begründen.

Wir hatten ja auch hier schon Diskussionen um Burka-Verbote und Kopftücher. Sezgin macht sich nun ganz konkret Gedanken um diese feministischen Anwandlungen, die es in der Bevölkerung zu geben scheint. Scheint. Denn:

93 Prozent der Deutschen (…) denken beim Stichwort Islam an „Unterdrückung der Frau“. Diese 93 Prozent sind mitnichten sämtlich ungebildet oder rechts; sie sind aber leider auch nicht alle Feministen. Die Frauenbewegung könnte einen späten Sieg feiern, erblickten 93 Prozent der Deutschen Geschlechterungerechtigkeit, sobald sie im Lebensmitteldiscounter vor einer unterbezahlen Kassiererin stehen oder einem stets von männlichem Priester geführten katholischen Gottesdienst beiwohnen.

Stattdessen erkennen die meisten deutschen Männer und Frauen ein Opfer des Patriarchats nur, wenn es unterm Kopftuch daherkommt; dann allerdings völlig unahängig davon, ob dieses sich selbst als Opfer fühlt oder was an eigenen Gedanken in dem Kopf unterm Tuch vorgehen mag. Mit Kopftuchfrauen spricht man nicht, man bemitleidet sie einfach.

Mit diesen Worten bringt sie gut auf den Punkt, was nicht nur in den letzten Wochen bei der Volksabstimmung zum Bau von Minaretten in der Schweiz verwundert hat, sondern auch schon in den letzten Monaten und Jahren immer wieder zu merkwürdigen Allianzen zwischen Islamophoben und einzelnen Feministinnen geführt hat: eine gewisse Art von Arroganz zu wissen, was anderen Menschen gut tut und eine Eindimensionalität in der Betrachtung von komplexen Problemen.

Und Sezgins Erstaunen, wie schnell sich ein so großer Teil der Deutschen zu feministischen Inhalten bekennt, teile ich absolut.

22 Kommentare zu „Feminismus als antiislamisches Argument

  1. Soso. Feministinnen werden also charakterisiert durch eine gewisse Art von Arroganz zu wissen, was anderen Menschen gut tut und eine Eindimensionalität in der Betrachtung von komplexen Problemen.

  2. Toller Text!

    @ karrierefrau,

    Soso. Feministinnen werden also charakterisiert durch eine gewisse Art von Arroganz zu wissen, was anderen Menschen gut tut und eine Eindimensionalität in der Betrachtung von komplexen Problemen.

    Ich denke nicht, dass Susanne von *allen* FeministInnen spricht… es gibt jedoch einige FeministInnen, die besonders präsent in den Medien sind und gerne auf diese schwierige Kombination Feminismus&Islamophobie zurückgreifen.

  3. Danke, ja.

    Hatte letztens ein „interessantes“ Gespräch mit einem – ähm – „Antideutschen“ (oder so?), der seine islamophobe Haltung ebenfalls mit der Unterdrückung der Frau im Islam rechtfertigte.

    Meine Anmerkung, dass er selbst evt. sexistisch sein könnte und Sexismus vielleicht nicht nur ein Problem des (von ihm konstruierten?,) Harem-besitzenden und täglich vergewaltigenden Muselmanen sei, wies er so vehement von sich, dass er mich zum Zwecke seiner Selbstverteidigung fünf mal unterbrechen musste und dann als „total uneinsichtig“ bezeichnen musste – er selbst sei nämlich überhaupt kein Sexist und habe das alles reflektiert (schrie er mir, nachdem ich meinen vorhergehenden Satz nicht zu Ende sprechen konnte, mit hochrotem Kopf und wild mit den Armen fuchtelnd ins Gesicht).

    Na dann ist ja alles super. Zum Glück trag ich kein Kopftuch.

  4. @karrierefrau: Keine Ahnung, wie du auf DIESE Interpretation kommst – wäre ja schon sehr merkwürdig, wenn jemand (ich), die sich als Feministin bezeichnet, posten würde, dass Feministinnen (so ganz generell, also ich selbst eingeschlossen), charakterisiert werden „durch eine gewisse Art von Arroganz zu wissen, was anderen Menschen gut tut und eine Eindimensionalität in der Betrachtung von komplexen Problemen.“

    Kann man vielleicht dann in dem Text lesen, wenn man genau das lesen will. Aber man muss nicht. Und vorsichtshalber ergänze ich den Text mal um ein „einzelnen“ – damit niemand auf dumme Gedanken kommt.

    @Neeva: Danke für den Link! Bei jetzt.de stehen die SZ-Text zwar immer nur ein paar Tage online, aber besser als nix. Habe gleich mal verlinkt.

    Nachtrag 18.12.:
    Jetzt ist der Text auch auf sueddeutsche.de online, deswegen führt der Link im Post nicht mehr zu jetzt.de, sondern direkt zur SZ.

  5. Mein Beitrag geht ein bisschen am Thema vorbei. Ein Zeitungsartikel in der der FAZ handelt von Tabus im Iran und davon, dass Männer in den Tschador gesteckt werden, um sie durch diese Emaskulation der Lächerlichkeit preiszugeben; und um vergewaltigte Männer. Ich finde den Artikel nicht wirklich gut geschrieben, aber er zeigt doch zumindest deutlich, dass, wenn Männer wie Frauen behandelt werden, das eine wie das andere, das Frauenbild wie auch das Männerbild ins Wanken geraten.

  6. @Alé Torik: Ich hab den Link eingügt, lange Links (ohne -) zerschießen immer noch das Layout und ich hab das leider noch nicht beheben können.

  7. es ist eine treffende und richtige formulierung für das problem.
    ich glaube allerdings nciht, dass sich 93 prozent der deutschen tatsächlich sorgen um frauen mit (oder sogar ohne) muslimischen glauben und kopftuch machen, sondern vielmehr, dass diese sorge ein kontrukt, ein vorwand ist um ein eigenes unbehagen gegenüber dem „fremden“ islam zu rationalisieren.

  8. In den ersten Tagen nach dem Minarett-Verbot wurden in zig Medien immer wieder „Fachleute“ zitiert, hinter denen ganz überwiegend der Politologe Michael Hermann steckte. Obwohl er selbst zugab, dass es noch keine empirischen Daten gebe, interpretiert er munter vor sich hin: „Ich kann mir vorstellen, dass Frauen, die den Islam mit Kopftüchern, der Scharia und der allgemeinen Unterdrückung der Frauen in Verbindung bringen, für ein Minarett-Verbot gestimmt haben“ und „Es sind gerade Frauen, die sonst eher links orientiert sind, die dafür gestimmt haben.“. Richtig ärgerlich ist, wer dieses Meinungsbild alles als quasi Tatsache abgedruckt hat. Siehe die Verlinkungen unter http://watch-salon.blogspot.com/2009/12/linke-feministinnen-gegen-minarette.html

  9. Am Gruseligsten finde ich eig noch die Kommentare unter dem jetzt.de Text, vor allem das erste: Mohammedanerkram, gute Heimreise usw …
    Nazi Troll?!

  10. Ich lehne jede Religion ab, die Menschen etwas aufzwingt und die sich selbst intolerant verhält. Der Islam gehört dazu. Das Christentum auch. Nur gibt es diese Christen schon viel länger und die können – Hathor sei Dank! – nicht mehr so agieren wie im Mittelalter.

    Beim Islam ist das anders:
    http://www.dailymail.co.uk/news/worldnews/article-1235763/Pictured-Islamic-militants-stone-man-death-adultery-Somalia-villagers-forced-watch.html

    Man mag nun sagen, dass es gute und böse Moslems gibt, wie überall sonst auch. Natürlich, aber man sollte den Grundgedanken einer Religion im Sinn haben, wenn man sie gesamt beurteilen will.

    Die Frauen, die sich so sehr für das Kopftuch einsetzen leben alle in vergleichsweise freien Ländern oder sind zum Islam konvertiert. Jedenfalls habe ich noch keine Frau kennengelernt, die Iran & Co verlassen hat und hier lebt das Kopftuch verteidigt.

  11. Man muss bei der Kopftuchfrage sehr genau unterscheiden zwischen Ländern, in denen z.B. die Kleiderordnung vom Staat verordnet wird (z.B. Iran, Saudiarabien) und Ländern, in denen der Brauch aus den Familien kommt während der Staat sich neutral bis ablehnend verhält. (Ägypten-neutral, Türkei-offiziell ablehnend).
    Es gibt wohl mehr Türkinnen, die aus freiem Willen und Traditionsverbundenheit ein Kopftuch tragen, als Iranerinnen.

  12. Wer seine Abneigung gegen den Islam mit der Unterdrückung der Frauen begründet,
    liegt bestimmt in manchen Fällen damit nicht ganz im Unrecht. Jedoch sollten sich wohl so einige erst einmal, wie man so schön sagt, an die eigene Nase fassen. Denn es ist immer leicht Kritik an anderen zu üben, als sich der Selbstkritik zu widmen.

  13. Ich persönlich fand Frau Szegins Text weniger gut. Da werden verschiedene Punkte bunt durcheinandergewirbelt.

    Ich selbst sehe die Auslegung des Islams wie er von vielen hier in Deutschland getrieben wird auch als kritisch (ja, ich sehe auch die christlichen Kirchen nicht weniger kritisch) und deswegen kein Nazi.

    „Deutschland haben den Nachzug von Ehefrauen aus Ländern wie der Türkei stark eingeschränkt“
    Meines wissens nach besteht die Beschränkung darin, dass die Ehefrau volljährig sein muss und zudem grundlegende Deutschkentnisse haben muss. Hand aufs Herz, Deutsch ist nicht so schwer wie allgemein behauptet wird. Es ist durchaus lernbar…

  14. Ich denke, man sollte nicht den Islam als Religion verteufeln bzw. dann sehr vorsichtig sein. Es gibt die unterschiedlichsten Auslegungen des Koran und Aussagen von Musliminnen, der Islam selbst sei eine sehr tolerante Religion, weil er eben so viele Auslegungen erlaubt (auch fundamentalistische).

    So kenne ich eine Libanesin, die kein Kopftuch trägt, weil sie meint, das stünde so nicht im Koran und einen Muslimen, der das Gegenteil behauptet, und meint Kopftücher seien Pflicht. Ich bin bei weitem keine Expertin, aber ich vermute, dass das mit den unterschiedlichen Interpretationen einiger Übersetzer zusammenhängt. Als nicht-arabisch sprechender Mensch kann ich nicht nachprüfen, was genau im Koran steht (wenn sachkundige Menschen das hier lesen, wäre ich für Aufklärung dankbar!).

    Fazit bleibt also, dass man doch eher Auslegungen des Islam kritisiert bzw. gesellschaftliche und politische Umsetzungen. Kritisiert man den Islam als Religion, dann schafft man Polarisierung und ein Feinbild, dem einige Muslime nicht entsprechen (und die sich dadurch auch verletzt fühlen). Ich finde, an der Stelle sollte man vorsichtig sein.

  15. @ steve, the pirate zur Beschränkung des Familiennachzugs:
    Da gibt es halt zwei Probleme:
    1. Diese Beschränkungen gelten bei einer Ehefrau/ einem Ehemann, die/der aus den U.S.A. oder Japan kommt, nicht. Hier sollte m.M.n. dann doch jede/r gleich behandelt werden.
    2. Ja, Deutsch lernen ist nicht so schwer, wenn man die richtigen Ressourcen greifbar hat. Vernünftig Deutsch lernen – und zwar so, dass man den Test auch besteht – kann man eigentlich nur bei den Goethe-Instituten. Davon gibt es in der Türkei genau drei (und die sind seit der Verschärfung der Gesetzeslage in D auch noch hoffnungslos überlastet).

  16. @turbo:
    Das Amerikaner und Japaner kein Deutsch können müssen finde ich einen ziemlichen Skandal.
    Das sehe ich genauso: Gleiche Behandlung für alle.
    ( Da kenne ich auch ein paar Amerikaner und Briten, die nach 20 Jahren in Deutschland
    noch kein Wort deutsch können und sich dann noch darüber beschweren, dass nicht
    jeder Deutsche perfekt englisch spricht :( )

    Dann muss der hier lebende Ehepartner seiner/m Zukünftigen/m Bücher
    /kassetten/CDs etc. schicken, damit er oder sie deutsch selbst lernen kann und bei Besuchen, des in
    Deutschland lebenden bringt dieser den noch in der Türkei/China/… lebenden Ehepartner
    deutsche Konversation bei.

    Wenn ich mir vorstelle ohne Sprachkenntnisse in ein türkischen Dorf zu ziehen, so finde
    ich die Vorstellung ganz schön erschreckend. Man ist doch ohne Kentnis der Sprache total
    hilflos. Ich wüsste nicht mal, wie ich eine öffentlichen Toilette finde.

  17. ich stelle mir grade vor, wie liebende welcher sprache usw.usf. auch immer sich beim trauten miteinander in einer fremden sprache nach dem weg zur öffentlichen toilette fragen …. für nicht-liebende stell ich mir das auch vor …

    und das dann per casette gelernt zu haben ist der nachweis für die befreiung der frau vom kopftuch und von bevormundung aller sorten gleichermaßen?

Kommentare sind geschlossen.

Betrieben von WordPress | Theme: Baskerville 2 von Anders Noren.

Nach oben ↑