Die Süddeutsche Zeitung berichtet in ihrer heutigen Ausgabe (jetzt auch online), dass es eine erste Klage gegen einen Arbeitgeber wegen Geschlechterdiskriminierung gibt. Die 38-jährige Sule Eisele war bis 2007 beim Versicherer R&V angestellt. Ende 2006 informierte sie ihren Chef über ihre Schwangerschaft und bat um drei Monate Mutterschutz – Erziehungszeit wollte sie nicht in Anspruch nehmen, da ihr kranker Mann zuhause die Kinder betreut. Trotzdem wurde ihr an ihrem letzten Tag ihr Nachfolger vorgestellt, die Hochschwangere erlitt einen Nervenzusammenbruch.
Einige Monate später sprache Eisele noch einmal mit ihrem Chef und bestand darauf, wieder in das Unternehmen einzusteigen. Er bot ihr jedoch nur einen vergleichsweise schlechteren Job an. Außerdem sperrte er ihren E-Mail-Account und versagte ihr eine anstehende Schulung. Sule Eisele entschloss sich, ihren Arbeitgeber, die R&V, zu verklagen: auf 500.000 Euro.
Das ist die erste Klage seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes 2006. Demnach darf niemand wegen seines Geschlechts, Herkunft, Religionszugehörigkeit oder seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Der Fall wird Vorbildfunktion haben für zukünftige Schadensersatz-Urteile und -Summen. Die Anwälte von Sule Eisele haben die Klagesumme absichtlich so hoch gesetzt, da zum Beispiel EU-Vorgaben ausdrücklich eine abschreckende Wirkung der Strafe vorsehen. Und mit einer halben Million wäre die R&V noch gut bedient: In Amerika wurden 2005 einer Brokerin 29,3 Millionen Dollar wegen Diskriminierung zugesprochen, deren Chef sie eine „alte, hässliche Frau“ nannte.
Auf jeden Fall ist der Mut der Sule Eisele zu bewundern, denn wer seinen Arbeitgeber verklagt, kann sich damit durchaus die gesamte weitere Karriere verbauen. Und anders als in den USA gibt es in Deutschland keine ausgeprägte Klagefreudigkeit. Aber gewinnt sie den Fall, werden sich Arbeitgeber in Zukunft zweimal überlegen, eine Hochschwangere vor die Tür zu setzen. Wirklich bewundernswert mutig!
Korrigiert mich, wenn ich mich täusche, aber IMHO darf man einer schwangeren Frau so oder so nicht kündigen, jedenfalls nicht ohne verdammt guten Grund. Vielleicht habe ich aber auch den Fall nicht ganz verstanden.
„Drei Monate Mutterschutz“ kann der Arbeitgeber ja auch gar nicht geben, höchstens unbezahlten Urlaub im Anschluß an den gesetzlich vorgeschriebenen Mutterschutz. Oder?
Nee, sie ist wirklich nur in den gesetzlich vorgeschriebenen Mutterschutz gegangen (das war von mir nicht präzise ausgedrückt), aber anscheinend war das dem Chef schon zu viel des Guten. Im Prinzip hat er es wirklich mehr als provoziert, verklagt zu werden. Weil: Einer Schwangeren kündigen – also hallo? Mitdenken hätte etwas geholfen.
Wahrscheinlich ist auch der SZ-Text nicht ganz korrekt; jedenfalls kann man nicht „drei Monate Mutterschutz nehmen“, wie beim BMFSFJ nachzulesen ist:
Wahrscheinlich ist genau das gemeint. Und da hat der Arbeitgeber jetzt echt schlechte Karten; denn es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, die Frau dann nicht wieder ins alte Beschäftigungsverhältnis zu übernehmen.
Genau darum geht es auch. Frau Eisele nahm vor dem Mutterschutz ihren Resturlaub und wollte nach Ende des Mutterschutzes wieder ihre alte Arbeit aufnehmen. Ohne Elternzeit in Anspruch zu nehmen.
Frau Eisele wurde auch nicht gekündigt. Sie erhält nur keine Gelegenheit, zur Arbeit zu gehen. Deshalb ja auch „Stille Kündigung“.
Ihr Lieben, danke für die Präzision der Dinge. Sule Eisele hat uns noch einmal selbst von ihrem Fall erzählt: Hier lesen
ich habe einen Pressespiegel erstellt:
http://wiki.mobbing-gegner.de/Sule_Eisele