Das OLG Stuttgart hat bereits im Dezember letzten Jahres über einen Fall der Einlassverweigerung aus rassistischen Gründen entschieden und einem Betroffenen Schadensersatz zugesprochen. Damit hat erstmals ein Oberlandesgericht in dieser Frage geurteilt, Antidiskriminierungsverbände unterstützen weitere entsprechende Klagen. Dieser Beitrag informiert über die Entscheidung und stellt dar, welche Schritte wichtig sind, wenn jemand aus vermutlich rassistischen Motiven nicht in einen Club oder eine Disko gelassen wird.
Der typische Fall
Der typische Fall der Diskriminierung an der Diskotür trifft Männer, welche als nicht „weiß“ bzw. nicht „deutsch“ wahrgenommen werden. Es handelt sich nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz um einen Fall von Mehrfachdiskriminierung (§ 4 AGG), wo Geschlechterdiskriminierung und rassistische Diskriminierung zusammentreffen. Typische Begründungen sind beispielsweise (wenn überhaupt begründet wird), aufgrund schlechter Erfahrungen oder Angst vor Gewalt werde nur eine bestimmte Anzahl von „Ausländern“ hereingelassen. Eine stichprobenartige Untersuchung des Antidiskriminierungsbüros Sachsen in Leipzig hat ergeben, dass über 50 Prozent der getesteten Diskotheken und Clubs „nicht-deutsch“ aussehenden Gästen den Eintritt verweigerten.
Doris Liebscher, Vorständin im Antidiskriminierungsbüro Sachsen in Leipzig, das zur Zeit einen politischen Schwerpunkt auf rassistische Einlasspolitiken setzt und Betroffene bei anhängigen Klagen unterstützt beschreibt das Problem so: „Rassistische Einlasskontrollen heißt: Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe, vermuteten Herkunft oder ihrer Nationalität abgewiesen oder müssen im Unterschied zu anderen Gästen ihren Pass, einen Studi-Ausweis oder eine Aufenthaltsbescheinigung zeigen. Oftmals sind nur als „ausländisch“ definierte Männer von rassistischen Einlasskontrollen betroffen. „Ausländische“ Frauen hingegen sind als „exotisch“ willkommen. Das ist nicht weniger rassistisch, führt aber deutlich seltener zu einer Ablehnung an der Tür.
Schadensersatzhöhe und Beweislast
Im entschiedenen Fall sprach das OLG Stuttgart dem Mann, dem der Einlass verweigert worden war, Schadensersatz in Höhe von 900 Euro zu. Er klagte, nachdem er mit den Worten „schon genug Schwarze drin“ an einer Diskothek abgewiesen worden sei. In der ersten Instanz sprach das Landgericht Tübingen dem Kläger kein Schmerzensgeld zu, denn eine solche Demütigung könne im Alltag jedem passieren und sei noch nicht schwerwiegend genug, um Schadensersatzansprüche auszulösen. Der Kläger habe lediglich einen Anspruch darauf, in Zukunft nicht mehr wegen seiner Hautfarbe abgewiesen zu werden. Das sah das OLG Stuttgart nun anders. Der Kläger hatte einen Zeugen, der sich aber im Detail nicht mehr an alles erinnern konnte, was an dem Abend vorgefallen war. So war dem Türsteher auch nicht nachzuweisen, ob er den zitierten Satz tatsächlich so gesagt hatte. Ein anderer junger Mann war aber am gleichen Abend ebenfalls abgewiesen worden – vermutlich ebenfalls aus rassistischen Motiven, während seinen weißen Freunden der Eintritt gewährt worden war. Aus diesem Grund kam das Gericht zu dem Schluss, dass zumindest während eines bestimmten Zeitraumes des Abends Gästen aus rassistischen Motiven der Einlass verwehrt worden war. Die Zeugenaussage hätte außerdem zu einer Beweislastumkehr geführt – wenn der Kläger Indizien für eine Diskriminierung vorweisen kann, dann muss der Betreiber beweisen, dass er nicht diskriminiert hat (§ 22 AGG). Das konnte die Diskothek im entschiedenen Fall nicht. Nach dem AGG muss Schadensersatz abschreckend sein, um in Zukunft Diskriminierungen zu verhindern. 900 Euro hielt das Gericht in dem Fall für abschreckend, dies entspreche immerhin 150 Eintrittsgeldern.
Was Antidiskriminierungsverbände raten
Doris Liebscher, rät Betroffenen und Beobacher_innen solcher Vorfälle: „Wer das Gefühl hat, diskriminiert zu werden oder eine rassistische Einlassverweigerung beobachtet, sollte auf jeden Fall ruhig aber bestimmt nachfragen und sich beschweren. Wichtig ist es, Umstehende darauf hinzuweisen, Zeugen_innen zu finden, das Geschehene zu dokumentieren und sich Unterstützung zu organisieren. Es kann ein Gespräch mit der Geschäftsführung verlangt werden, ein Beschwerdebrief verfasst werden, örtliche Antidiskriminierungsstellen und Behörden sollten informiert werden.“
Mit dem Argument, der Betreiber könne aufgrund seines Hausrechts beliebig Gäste ablehnen, brauche man sich nicht zufriedengeben, wenn rassistische Gründe hinter der Entscheidung vermutet werden: „Grundsätzlich haben Clubbetreiber_innen ein Hausrecht. Sie können entscheiden, welche Musik läuft, welche Kleidung akzeptabel ist, ob eine Veranstaltung offen oder geschlossen ist, wann sie beginnt, wann sie endet wie viel der Eintritt kostet, etc. Und – sie haben das Recht, Gästen den Zutritt zu verweigern. Aber: Die Gründe für die Verweigerung sind wichtig. Die individuellen Gestaltungsfreiheiten werden begrenzt durch grundlegende Menschenrechte wie Menschenwürde und Gleichbehandlung unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Identität etc. Die Verweigerung des Zutritts aus rassistischen Gründen ist somit verboten. So wie ein Betreiber einen Gast trotz Hausrechts in seinen Räumen nicht einfach beschimpfen darf, so wenig darf er einen Gast nur wegen seiner (zugeschriebenen) Herkunft diskriminieren und beispielsweise am Zutritt hindern.“
Mehr Informationen finden sich auf der Webseite des ADB Sachsen, welches auch die wichtigsten Fragen in einem Infoblatt zusammenfassend beantwortet. Betroffene von rassistischen Einlassdiskriminierungen können sich an das ADB Sachsen oder lokale Antidiskriminierungsverbände wenden.
Ich finde es schwierig, hier von doppelter Diskriminierung zu sprechen. Sicherlich ist die männlich gelesene Person vor der Tür hier am Ende schlechter dran, als die weiblich gelesene im Club. Die Begründung des ganzen bleibt aber sexistisch: *Männer bekommen Macht zugesprochen, die in Verbindung mit Rassismus zur Ausgrenzung führt, *Frauen werden als machtlose und dementsprechend unproblematische Deko-Objekte hineingelassen. Das ist für mich eine doppelte Diskriminierung, auch wenn sie hier nicht mit Ausgrenzung verbunden ist.
Ja das stimmt, deshalb weist ja auch Doris Liebscher darauf hin, dass die Konstruktion als „exotisch“ sexistisch und rassistisch ist. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz erfasst aber eben Fälle, in denen eine Benachteiligung eintritt, im Sinne vom „ich lasse hier zwar jede/n rein, aber mit dir schließe ich keinen Vertrag“. Mehrfachdiskrimnierung im Sinne des AGG heißt dann eigentlich nur, dass es umso schwieriger wird, die Ungleichbehandlung (also in unserem Fall die Einlassverweigerung aus rassistischen Gründen) zu rechtfertigen.