Vor einigen Tagen hat das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern (heißt derzeit: eine Frau* und ein Mann*, die miteinander mindestens ein gemeinsam gezeugtes Kind haben) beschlossen. Bei unverheirateten Eltern liegt das Sorgerecht bisher automatisch bei der Mutter, für das gemeinsame Sorgerecht müssen die Eltern nach erfolgter Vaterschaftsanerkennung eine gemeinsame Erklärung beim Jugend- oder Standesamt abgeben. Dabei war bisher die Zustimmung der Mutter explizit erforderlich. Für den Vater soll es nun einfacher sein, auch dann gemeinsames Sorgerecht zu beantragen, wenn die Mutter des gemeinsamen Kindes das nicht möchte. Widerspruch ist nur innerhalb einer kurzen Zeitspanne und auch nur dann möglich, wenn das Kindeswohl zur Debatte steht. Wenn es Streit um das Kindeswohl gibt, muss ein Familiengericht entscheiden.
Spontan könnte man ja jetzt erstmal denken: na, das ist doch prima – gemeinsames Sorgerecht, das klingt nach Fürsorge, Partizipation und Gleichberechtigung, und wenn ein Vater sich um sein Kind kümmern will, wer in aller Welt könnte etwas dagegen haben? In diese Kerbe schlagen auch die zahlreichen Medienkommentare, die den Beschluss als Meilenstein der Gleichberechtigung zugunsten der Väter preisen. Allerdings sollte man nicht übersehen, dass „Sorgerecht haben“, also vor allem das Recht und die Pflicht, bei bestimmten Entscheidungen, die das Kind betreffen, mitzureden, und „tatsächliches Kümmern“ nicht dasselbe sind und noch nicht einmal etwas miteinander zu tun haben müssen. Denn das Umgangsrecht besteht unabhängig vom Sorgerecht, auch ein Elternteil ohne Sorgerecht hat grundsätzlich das Recht auf, ja sogar die Pflicht zum Umgang mit seinen Kindern.
Auch bleibt die keineswegs rhetorische Frage, in wiefern eine verwalterische Zwangsmaßnahme den Weg zu einer guten familiären Lösung und befriedigenden Eltern-Kind-Beziehungen ebnen kann. Der Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter e.V. (VAMV) sieht den Beschluss entsprechend kritisch:
„Dass seit 1998 immer mehr nicht verheiratete Eltern gemeinsam die Verantwortung für ein Kind übernehmen wollen und dies durch eine übereinstimmende Sorgeerklärung ausdrücken, ist eine positive Entwicklung. Eine solche gemeinsame Entscheidung jedoch durch einen gerichtlichen Beschluss nach Aktenlage ohne Anhörung der Beteiligten zu ersetzen, ist der falsche Weg“, gibt [die Bundesvorsitzende des VAMV, Edith] Schwab zu bedenken. Denn geben nicht miteinander verheiratete Eltern keine gemeinsame Sorgeerklärung ab, sind oftmals Konflikte der Grund. […] „Die Hoffnung, dass diese durch das gemeinsame Sorgerecht vermieden werden können, ist trügerisch. Im Gegenteil, eine Auseinandersetzung schürt das Streitpotenzial weiter“, befürchtet Schwab. […] „Ein neues beschleunigtes Verfahren bei Sorgerechtsstreitigkeiten mit dem Ziel eines gemeinsamen Sorgerechts um jeden Preis geht ausgerechnet zu Lasten der Kinder, deren Eltern sich nicht einigen können“.
Jana Frielinghaus resümiert in der Jungen Welt:
Die neue Regelung wird in einigen wenigen Fällen engagierten Vätern – und ihren Kindern – zu mehr Gerechtigkeit verhelfen. In der Mehrheit der Fälle, in denen es Konflikte zwischen den Eltern eines Kindes gibt, werden diese durch die Neuregelung eher verschärft. Und nicht zuletzt wird der Alltag Alleinerziehender – zu 90 Prozent sind dies Frauen – erheblich erschwert. Denn mit der Neuregelung muß für jede Entscheidung, von Schulwechsel bis zu einem geplanten Umzug, aber auch für weit Banaleres, das Einverständnis des leiblichen Vaters vorliegen, sofern dieser auf seinem Sorgerecht besteht. Festzuhalten bleibt: Die Neuregelung schafft in einigen wenigen Fällen Gerechtigkeit. Vielfach bringt sie alleinerziehenden Müttern jedoch zusätzlichen Druck und weitere Belastungen – und den betroffenen Kindern weiteren Streß.
Auch die Zeit findet es (nebst einigen seltsamen Bemerkungen, z.B. über „intakte Familien“) ganz ok, dass es kein automatisches gemeinsames Sorgerecht für Nichtverheiratete gibt:
Warum sollte ein Mann automatisch das Sorgerecht für ein Kind erhalten, das ihn nicht interessiert? Ihn einmal sagen zu lassen: „Ja, ich will mich um dieses Kind kümmern“, ist angemessen. Man könnte den Antrag auf das Sorgerecht also wie ein Bekenntnis betrachten, statt es als diskriminierend abzustempeln – und als feierliches, möglichst unbürokratisches Ritual begehen. Mutter und Vater verpflichten sich, die Sorge zu tragen, genauso wie sie dem Kind einen Namen geben und den offiziell registrieren lassen. Konsequent wäre es allerdings im Sinne der Gleichberechtigung, dass die Mutter ebenfalls offiziell bestätigt, dass sie das Sorgerecht übernehmen will.
Das, was hier im letzten Satz anklingt, nämlich die Tatsache, dass Mütter einfach automatisch immer zuständig (und im Zweifelsfall auch gerne mal: Schuld) sind, wird viel zu selten hinterfragt – außer eben, um ihre vermeintliche familiäre Allmacht zu kritisieren. Und es wäre fatal, wenn anlässlich der oben genannten Reform jetzt lang und breit über die armen Männer debattiert würde, die nun endlich eine Handhabe gegen die übermächtigen Frauen haben, die sie aus reiner Boshaftigkeit von ihrem Kind fernhalten. Nicht, weil es diese Fälle nicht gäbe – die gibt es wohl sicher, und sie müssen furchtbar schrecklich für alle Beteiligten sein, vermutlich auch für die betreffenden Mütter, die wahrscheinlich in den allerseltensten Fällen aus reinem Spaß an der Freude ihrem Kind den Vater vorenthalten. Full disclosure: Auch ich habe schon heulend vor TV-Dokus über Väter, die ihre Kinder nicht sehen oder nicht mal kontaktieren dürfen, gesessen.
Mein Punkt ist: Unabhängig davon, wie man die neue Sorgerechtsregelung inhaltlich beurteilt, sollten diese Fälle nicht den Diskurs über diese Regelung bestimmen.
Es ist nur schwer erträglich, wenn über Väter als solche gesprochen wird wie über eine insgesamt benachteiligte Gruppe (nochmal zur Klarstellung: Das ist was anderes, als individuellen Vätern, die mies dran sind, abzusprechen, dass sie mies dran sind). Denn das ist unangebracht. Und wer spricht über all die Mütter, die alles geben, um ihrem Kind auch nach der Trennung der Eltern eine gute Beziehung zum Vater zu ermöglichen, egal wie es um die Beziehung zwischen ihr und ihm bestellt ist – die bisweilen die schmerzlichsten Verletzungen und hinderlichsten Umstände hintanstellen, mentale und nicht selten auch finanzielle Ressourcen ohne Ende aufwenden, um den Vater mit seinem Kind zusammen zu bringen? Schon ganz allein deshalb, weil das Kind sich das wünscht – egal, wieviel Engagement der Vater selbst zeigt, egal ob er Unterhalt zahlt oder nicht oder ob gemeinsames Sorgerecht vereinbart wurde oder nicht. Sowieso scheint die Initiative zum gemeinsamen Sorgerecht nicht selten von den Müttern auszugehen.
Schön wäre es darüber hinaus, mal etwas über eventuelle Rechte von Kindern an ihren Eltern zu lesen statt immer nur den umgekehrten Fall. Oder auch, wenn die besagte familienrechtliche Neuerung als Anstoß dazu genutzt würde, Konzepte von Familie und ihre juristische Verfasstheit grundsätzlich unter die Lupe zu nehmen und zu erneuern.
Seit wann braucht es einen Verwaltungsakt, um sich für einen Menschen zu interessieren? Väter können sich grundsätzlich erstmal auch ganz wunderbar um ihre Kinder kümmern, wenn sie kein formales Sorgerecht haben – wenn es ihnen denn in erster Linie um die Vater-Kind-Beziehung geht und weniger ums Beharren auf eigenen Rechten. Die Annahme, alleinige elterliche Sorge der Mutter bedeute, dass sie dann auch den Umgang des Kindes mit dem Vater komplett nach eigenen Vorstellungen regeln oder sogar unterbinden könne, ist unzutreffend. Und väterliches Sorgerecht garantiert kein väterliches Engagement.
Wie gesagt: Eine abschließende Bewertung der Sorgerechtsneuregelung möchte ich hier nicht treffen. Aber warum ich, wenn wir schon über Familie ausschließlich als Vater-Mutter-Kind-Konstrukt reden, nicht über die armen Väter, sondern lieber über die Rechte der Kinder und die Leistungen der Mütter sprechen will, fasst Birgit Gärtner bei heise online/Telepolis folgendermaßen zusammen:
Frauen, Mütter zumal, haben keine Lobby. Männer schon. Und Väter allemal, denn Männer, die sich um ihre Kinder kümmern wollen, denen böse Mütter das aber verwehren, stehen gesellschaftlich und medial sehr hoch im Kurs. Die Fälle, über die wir hier reden und über die Richter letztendlich zu befinden haben, sind Konfliktfälle. Konfliktfälle, in denen Väter ihre Ansprüche gerichtlich durchsetzen wollen: zum Wohle des Kindes – oder doch eher gegen die Kindsmutter?
Ich finde den Artikel sehr gut, Anna-Sarah. Mir scheint, als würde vorab, bevor sich die Mehrheit der Männer in Sachen Kindererziehung und tatsächlicher Sorge um die Kinder bewährt haben, wird erstmal die Machtfrage geklärt. Ich finde das ungerecht, zumal ich feststelle, dass Männer diese Macht durchaus auch missbrauchen, um ihre EXpartnerinnen zu bestrafen. Und ganz abgesehen davon bin ich der Meinung, dass die Mutter, die ein Kind austrägt, das Kind unter schwerstem körperlichem Einsatz auf die Welt bringt, prioritär behandelt werden muss in dieser Frage. Aber in einem Patriarchat muss frau vorsichtig sein mit sölchen Äußerungen…Einem Kind den Vater vorenthalten geht natürlich auch nicht, wenn er da sein will…aber das ist eine andere Frage
Was gar nicht geht: Die Kürze der Widerspruchsfrist. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass eine Frau noch aus dem Wochenbett heraus diesen Kampf aufnehmen soll/muss, wenn sie die alleinige Sorge haben will.
Prinzipiell stimme ich Dir absolut zu, dass die Abstufung von Sorge- zu Umgangsrecht in Deutschland noch nicht besonders gut funktioniert. Auch wenn ich mir die gemeinsame Sorge auch für unverheiratete Paare als Normalfall wünsche, so sollte es einfach(er) sein, die gemeinsame Sorge gerichtlich überprüfen zu lassen, wenn ein Elternteil ganz offensichtlich nur die Macht, nicht aber die Pflichten haben will. Um eben diesem Elternteil dann das Sorgerecht abzuerkennen und erstmal das Umgangsrecht/die Umgangspflicht zur Annäherung zwischen Elternteil und Kind einzusetzen.
Dazu müssten die deutschen Gerichte sich allerdings von ihrer mehrheitlich imho vertretenen Denkweise lösen, dass das Sorgerecht „automatisch“ aus biologischen Gründen besser bei der Mutter aufgehoben ist oder dass ein einmal erteiltes gemeinsames Sorgerecht nicht einfach wieder kassiert werden kann – ohne Fristen und so einen Quatsch.
Und es sollte für Elternteile die Möglichkeit geben einvernehmlich mit der/dem PartnerIn auf die gemeinsame Sorge zu verzichten – dem Kind zuliebe.
Dieser Satz fasst ziemlich perfekt mein Unbehagen mit der ganzen Debatte zusammen, danke dafür, Sakine – auch für das Lob :)
@Sakine
„Und ganz abgesehen davon bin ich der Meinung, dass die Mutter, die ein Kind austrägt, das Kind unter schwerstem körperlichem Einsatz auf die Welt bringt, prioritär behandelt werden muss in dieser Frage.“
Würde mich interessieren wie du das begründest. Halte ich für mehr als problematisch.
@Anna-Sarah
Danke für den Artikel. Geht ein kleines Licht bei mir auf.
Eine sehr wichtige Differenzierung zweier verschiedener Probleme. Einerseits muss jeder Vater das Recht haben der Mutter gleichgestellt zu sein, andererseits betrifft die Problematik von sich daneben benehmenden Vätern sicherlich mehr Personen (nämlich Mütter und Kinder), und die medial weniger gewichtige Berichterstattung ist somit mehr als ein Ärgernis.
Ich finde den Artikel auch toll! Der Kern des Problems ist auch meiner Meinung nach der Gegensatz der Herstellung von formaler Gleichheit, was die Medienberichterstattung in den Mittelpunkt rückt („endlich gleiche Rechte für unverheiratete Väter“) und des völligen Fehlens der materiellen Gleichheit, also der tatsächlichen Übernahme von Pflege, Erziehung und Betreuung. Ich bin auch der Meinung, dass schließt die Herstellung formaler Gleichheit natürlich nicht aus, erklärt aber das Unbehagen mit der Regelung. Es ist halt ein Riesenunterschied, ob man mitbestimmen darf, auf welche Schule das Kind geht oder ob man die Brote schmiert, es hinbringt und danach Hausaufgaben macht.
Die Möglichkeit, den gleichen Anteil der Betreuung oder auch nur Umgang ab und zu gegen den Willen des anderen Elternteiles durchzusetzen, gibt es nicht. Darüber habe ich letztes Jahr bei Missy Magazine gebloggt: http://missy-magazine.de/2011/09/18/rechtliche-vs-biologische-vater-rechtskampfe-um-vaterschaft/
Ich finde auch, dass der VAMV einen wichtigen Punkt anspricht, wenn sie argumentieren, dass es um eine Regelung für die Minderheit der Fälle geht, in denen Konflikte zwischen den Eltern die einvernehmliche gemeinsame Sorgeerklärung verhindern. Das Recht muss ja gerade in Konfliktfällen einen Interessenausgleich für alle Beteiligten erreichen und dann mit kurzen Fristen zu arbeiten wird die Problemlage wohl kaum entschärfen.
Tisch: die Argumentation liegt auf der Hand. Ich weiß nicht, ob du eine Frau bist, noch ob du jemals ein Kind geboren hast. Aber das, was die Frau für die Mutterschaft in Kauf nimmt und von vorne herein quasi investiert, ist mit nichts zu vergleichen, was Väter tun. Sie können natürlich nach der Geburt versuchen eine eigene und damit gleichberechtigte Beziehung zum Kind aufzubauen, aber sie können die Mutterschaft in der Regel nicht aufholen. Schließlich kann abgesehen von allen Schmerzen, von allen Unannehmlichkeiten während der Schwangerschaft jede Geburt theoretisch auch tödlich enden. ich denke, Väter müssen nach der Geburt sehr viel tun und sich sehr viel um das Kind kümmern, um beim Kind ein gleichberechtigtes Mitspracherecht zu erhalten. Was nicht heißt, dass Mütter sich generell und prinizipiell um die Kinder kümmern müssen. Aber die Frage der Macht sollte schon in erster Linie in der Hand der Frau liegen. Aber davon sind wir weit entfernt natürlich.
Da (wie erwartet) nun diverse Kommentare eintreffen, die versuchen, Väter- und Mütterrechte gegeneinander auszuspielen bzw. aufzuwiegen, dabei zu dem Ergebnis zu kommen meinen, dass Frauen der per se machtvollere Part in dieser Konstellation seien und für eine Stärkung von Väterrechten plädieren, möchte ich nochmal kurz auf folgendes hinweisen:
Ich würde mir wünschen, dass ganz unabhängig von Machtfragen zunächst mehr Anstrengungen und Überlegungen in die Frage fließen würden, mit welchen Mitteln sich dem unbestritten vorhandenen Bedarf sehr vieler Kinder (und Mütter) nach mehr väterlicher Verantwortlichkeit Rechnung tragen ließe. Ich messe daher auch die Neuregelung des Sorgerechts zunächst daran, ob sie dazu beiträgt, mehr Kindern als bisher eine gute Beziehung zu ihren Vätern zu ermöglichen. Nach allem, was bisher dazu gesagt wurde, erscheint das aber zumindest fraglich. Gemeinsam mit dem skizzierten Väter-als-Opfer-Diskurs ergibt sich daher leider der Eindruck, dass es hier möglicherweise tatsächlich mehr um Machtfragen gehen könnte als um Kinderrechte. Denn wie Maria sagt:
– anders als nun beim Sorgerecht.
@Sakine
Sei mir nicht böse, aber wenn du durch Schmerzen, Unannehmlichkeiten und dem Risiko zu sterben, welches du auf dich nimmst, für eine Person, „Macht“ über diese Person erlangst, dann entsteht daraus allerlei Absurdes. Diese Macht wäre dann quasi ein Ausgleich (oder sogar ein Lohn?) für die Strapazen der Mutter. Damit gehst man eben nicht von dem Kind aus, wenn eine Entscheidung zu treffen ist, sondern von der Mutter.
Frauen, die keinen Bock haben, sich 18 Jahre lang von einem (womöglich Wildfremden), mit dem sie nichts zu tun haben wollen, reinquatschen zu lassen: Nennt den Namen des Vaters nicht. Dazu kann euch niemand zwingen. Und das bisschen Unterhalt, das eine andernfalls vielleicht bekäme, macht den Kohl auch nicht fett.
Aber noch was ganz anderes: Diesen neuen Fokus aufs (u.U. vermeintliche) Kindeswohl finde ich spannend. Wer hat eigentlich festgelegt, dass es für das Kind am besten ist, wenn das Sorgerecht bei den leiblichen Eltern liegt? Wie kommen die Gerichte und die Gesetzgebungsorgane darauf?
@Name (notwendig):
– das ist natürlich eine Frage des Maßstabs bzw. des jeweiligen Haushaltseinkommens…
Und zur Frage
– ich bin keine Familienrechtsexpertin, würde aber einfach mal vermuten, dass diese Prämisse neben biologistischen und moralischen Wertemaßstäben auch einer gewissen Praktikabilität folgt: Bei wem sollte es sonst per default liegen, wenn nicht zunächst bei den leiblichen Eltern? Bei irgendeiner staatlichen/öffentlichen Stelle? Wäre mir persönlich vorsichtig formuliert sehr unlieb. Und es gibt ja auch durchaus Fälle, in denen beiden Elternteilen das Sorgerecht aberkannt wird, auch wenn dazu einiges passieren muss. Aber ich nehme mal an, grundsätzlich geht dein Kommentar in dieselbe Stoßrichtung, auf die ich mit dem Link zum Mesquita-Interview hinaus wollte, nämlich das Hinterfragen des (Bio-)Vater-(Bio-)Mutter-(Bio-)Kind/er-Standards?
@Name (notwendig)
Deinem erstem Absatz fehlt jegliches Niveau. Lohnt sich nicht drauf einzugehen.
Interessante Frage im zweiten Absatz. Findet in der Regel ein zeugender Akt (welcher Art auch immer) nicht zwischen zwei Personen statt, die ihr Handeln zu verantworten in der Lage sein sollten, in einer aufgeklärten Gesellschaft?
Sollte eine solche Gesellschaft nicht in der Lage sein davon abweichende Ausnahmen zu handhaben? Ich denke daran lohnt es sich jedenfalls politisch zu arbeiten.
Sollte es nicht möglich sein die Personen, die an diesem Akt beteiligt sind, schon rechtzeitig in der Schule verantwortungsbewusst zu erziehen?
Ich wüsste nicht einen Grund warum das Sorgerecht nicht in erster Wahl an die Beteiligten gehen sollte.
volle Zustimmung zum Artikel!
rechtlich gesehen, würde mich interessieren, was passiert, wenn zwei Entscheidungen gegeneinander stehen – z.B. alleinerziehende Mutter will zu neuer/m Lebenspartner/in oder Job ziehen, Vater möchte, dass das Kind an bisherigem Ort bleibt. Wer hat das Letztentscheidungsrecht?
Und der Aspekt der Kinderrechte – dürfen Kinder über ihr Wohl auch selbst entscheiden, oder wer weiß am besten, was das „Kindeswohl“ ist? Was ist, wenn ein Kind ein geschiedenes Elternteil nicht mehr sehen will? Wird es dann zum Kontakt gezwungen? (irgendwo gibt es ein Land, dass Kindern ermöglicht, sich von ihren Eltern zu scheiden – wurde auch schon in Anspruch genommen)
@Tisch: Der Kommentar von Name (notwendig) mag kontrovers sein, das hat mit Niveau aber erstmal nix zu tun. Bitte trotz des möglicherweise recht hohen emotionalen Impacts des Themas nicht persönlich werden. Danke!
@ Anna-Sarah: Vielen Dank für Deine Antwort. Klar ist es erstmal praktisch, wenn greifbare Verantwortliche (also fast immer die leibliche Mutter) erstmal für ebendiese Verantwortung herangezogen werden. Aber die Tatsache, dass ein Mensch Verantwortung für ein Kind übernimmt, muss ja nicht automatisch mit dem Wohl desselben identisch sein. Diese Ineinssetzung von „Sorge durch leiblich Eltern“ und „Kindeswohl“ finde ich interessant. Es ist auffällig, dass das (mutmaßliche) Kindeswohl neuerdings in der Rechtsprechung stärker betont wird. Da frage ich mich, wo das herkommt. Es muss da ja eine Entwicklung geben (vll. weiß @Maria mehr?). Was hinzukommt ist das, was @Medusa sagt: Kleine Kinder können ja noch gar nicht entscheiden, was gut für sie ist. Da entscheiden dann Richter_innen. Kann das dann überhaupt noch als „Kindeswohl“ bezeichnet werden? Das ist dann doch ein Konstrukt, ein „das, was wir denken, was gut fürs Kind ist“.
@ Tisch: Du musst nicht beleidigend werden, nur weil ich auf geltendes Recht hinweise. Zu deinen anderen drei Fragen: 10 – 15% der Kinder werden von ihren (leiblichen) Eltern regelmäßig körperlich misshandelt. Über leichte Fälle von Kindesmisshandlung sowie über Vernachlässigungen gibt es nichtmal belastbares Zahlenmaterial. Nein, ich glaube nicht, dass diese Gesellschaft dieses Problem adäquat handhabt und ich glaube nicht, dass eine Gleichsetzung von „Sorgerecht der leiblichen Eltern“ mit dem „Kindeswohl“ und die damit einhergehende Banalisierung von Sorgepflichten hilfreich ist.
@Tisch, und warum sollten Männer diese Macht bekommen, obwohl sie gar nichts leisten, außer ein paar spermien zur verfügung zu stellen?
ich schließe mich tisch an.
bin der meinung dass beiden elternteilen das sorgerecht zusteht.
es gibt schlechte väter, das stimmt. aber es gibt genauso schlechte mütter die dem vater das kind vorenthalten.
es wird auch immer menschen geben die rechte ausnutzen. das heisst aber nicht dass man einem geschlecht solch rechte vorenthalten sollte nur weil es schlechte beispiele gibt.
@Medusa
Wenn ich die aktuellen Entwwürfe zu dem Thema richtig verstanden habe, würde es mindestens ein Veto-Recht geben, dass im Falle eines Umzuges (des Kindes) greift. D.h. ein Umzug währe ohne die Zustimmung beider Elternteile nicht möglich und die Entscheidung müsste an ein Gericht (oder eine sonstige Schiedstelle) übergeben werden.
Darin sehe ich auch die eigentliche Schutzintention der Regelung, die beide Seiten dazu zwingt zu verhandeln anstatt eine Seite alleine entscheiden zu lassen. Ob das jetzt in allen Fällen so schlau ist, das sei mal dahin gestellt.
Zum allgemeinen:
Die Idee mit dem Kindeswohl, dass sich ja auch schön an Entscheidungen wie dem Beschneidungsverbot zeigt, erscheint mir eine Folge der Idee der Freiheit einer Person.
Das Kind soll nicht mehr nur der Entscheidung der Eltern (oder eines Elternteiles) unterliegen, sondern stärker geschützt werden, bis es selber entscheiden kann. In dem die Regelung die Eltern zu einem stärken austausch „zwingt“ soll ein „besseres“ Ergebnis erziehlt werden als es eine Person alleine entscheidne könnte.
@Name (notwendig)
Wenn es für dich allgemeingültig ist, dass Mütter, die keinen „Bock“ haben sich von einem vorhandenen Vater „reinquatschen“ zu lassen, mit dem SIE nichts zu tun haben wollen, dann beleidigt das alle Väter, die du schlicht übergehst. Denn so ein Vater könnte jeder sein. Einer der sich mit der Mutter nicht versteht (ergo sie keinen Bock auf ihn hat), einer der findet, dass seine Kinder keine sechs Stunden am Tag fernsehen sollten und nicht zu den Scientologen-Treffen mitgehen sollten (ergo reinquatscht).
Ich betone: Es geht mir hier vor allem um die Wortwahl, die m.M.n. ziemliche Verachtung transportiert und somit ein Mindestniveau für einen Diskurs nicht erfüllt. Im Umkehrschluss muss man sich fragen warum Männer überhaupt darin investieren sollten sich um ihre Kinder zu kümmern, wenn es für eine Mutter schon moralisch reicht, keinen Bock auf den Vater zu haben um diesen komplett auszuschalten.
Das alles heißt nicht, dass man Frauen dazu zwingen sollte den Vater des Kindes zu informieren. Wenn eine Mutter Angst vor dem Vater hat oder glaubt dieser sei gewalttätig, kann es natürlich sein, dass die Begebenheit, dass der Vater von dem Kind nichts weiß, ihr gutes hat.
@Anna-Sarah
Ich habe nicht gesagt, dass Name (notwendig) kein Niveau hat, sondern nur der erster Absatz, da hier unzulässig pauschalisiert wird. Mir liegt es fern persönlich zu werden.
@ Sakine
Mir geht es nicht darum, dass irgendjemand Macht bekommt, sondern ich hoffe, dass kein Richter je entscheidet, dass eine Person allein das Sorgerecht bekommt, weil sie Strapazen auf sich genommen hat, um ein Leben zu ermöglichen.
@peter:
Ich finde halt die Frage interessant: Warum? Klar, spontan und ungeachtet jeglichen Kontextes leuchte das erstmal ein: gleiches Recht für alle, kein Generalverdacht. Aber wenn ich weiterdenke als bis zur Antwort „Aus Prinzip.“, stellt sich mir vor allem die Frage: Wem nützt es, wenn ein Vater (gegen den Willen der Mutter) das gemeinsame Sorgerecht erhält, und in welcher Weise? Zur Beantwortung dieser Frage ist es dann eben wichtig, sich den Kontext anzuschauen, vor dem die Frage gestellt wird. Gleiches Recht für alle ist prima und gerecht, so lange für alle die gleichen Ausgangsbedingungen gelten – das würde bedeuten, dass wir in einer Gesellschaft leben würden, in der Frauen* und Männer* die gleichen Möglichkeiten hätten, selbstbestimmte Elternschaft zu leben, in der die Lasten, Freuden und Risiken des Elternseins gerecht und gleichmäßig auf Mütter und Väter verteilt wären. So ist es aber faktisch und strukturell betrachtet nicht. Daher kann formale Gleichberechtigung durchaus faktische Benachteiligung der strukturell schwächeren bzw. faktische Stärkung der ohnehin schon strukturell begünstigten Position bedeuten, siehe auch die Anmerkungen weiter oben von Maria. Mein Punkt ist deshalb, das man sich derartige Neuregelungen, die auf den ersten Blick gerecht erscheinen mögen, und ihre praktischen gesellschaftlichen Auswirkungen erst einmal genauer anschauen sollte, bevor man „Juhu, mehr Gleichberechtigung!“ ruft.
@Medusa, Blaubart: Wo das Kind lebt, bestimmt der Elternteil, welcher das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat. Das ist in der Regel der Elternteil, welcher auch das Sorgerecht innehat, oder es sind eben beide Eltern. Es kann aber auch unabhängig davon vergeben werden – so kann es sein, dass ein Elternteil das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zugesprochen bekommt, obwohl gemeinsames Sorgerecht vereinbart wurde. Entscheidungsgrundlage soll auch hier das Kindeswohl sein. Aber klar, dafür braucht es natürlich im Zweifelsfall einen Gerichtsbeschluss.
@Kommentator_innen, die sich fragen, warum ihre Beiträge nicht erscheinen:
Danke für euren Input, aber ich möchte an dieser Stelle nicht darüber diskutieren, ob Väter oder Mütter per se die besseren Menschen/Eltern sind. Ich unterstelle pauschal erstmal allen Menschen, die gewollt Kinder bekommen, dass ihnen diese sehr sehr wichtig sind und ihnen deren Wohlergehen am Herzen liegt – das ist aber hier nicht der Punkt. Der Punkt – über den ich auch nicht zu diskutieren bereit bin, da er sich mit wenig Rechercheaufwand leicht bestätigen lässt – ist: In unserer Gesellschaft liegen die Belastungen, die hier und heute mit Kinderhaben verbunden sind, ganz überwiegend auf Seiten der Mütter. In den allermeisten Fällen, in denen sich ein Elternteil deutlich weniger um sein/e Kind/er kümmert als der andere und deutlich weniger, als das Kind und der andere Elternteil das wünschen, ist dieser Elternteil der Vater, vor allem nach einer Trennung der Eltern. In Sachen Reproduktions- und Familienarbeit besteht kein level playing field zwischen den Geschlechtern (siehe meine Antwort weiter oben an peter und meinen Kommentar von gestern abend). Und das ist der Hintergrund, vor dem ich Aspekte wie die Neuregelung des Sorgerechts vorrangig diskutieren möchte.
Vielen Dank für den Beitrag. Auch wenn ich mich mit Familienrecht nicht besonders gut auskenne, möchte ich doch ein paar Dinge zur Regelung und zu einigen Kommentaren Anmerkungen.
1. Der einzige Grund, warum unverheirateten Müttern bislang das alleinige Sorgerecht zusteht, ist die (wohl nicht völlig aus der Luft gegriffene ;-)) Tradition, dass die biologische Mutter sicher, der biologische Vater aber unsicher ist. Das ist auch heute noch so, vorbehaltlich eines Tests. Bei verheirateten Paaren wird diese Unsicherheit qua Fiktion überwunden: Der verheiratete Mann gilt als Vater. Folge: gemeinsames Sorgerecht.
2. Das Sorgerecht hat faktisch eine Machtwirkung, denn es ermöglicht den Inhabenden, weitgehend über die Entwicklung des Kindes, den Aufenthalt des Kindes etc. zu bestimmen. Aber es dient schon immer nur einem Zweck: Dem Kindeswohl. Das gilt für alleiniges Sorgerecht ebenso wie für das gemeinsame Sorgerecht (s. nur § 1697a BGB).
3. Dem Missbrauch des Sorgerechts kann begegnet werden: Denn die Berechtigten haben auch die Pflicht(!) zur (gemeinschaftlichen) Sorge für das Kind, §§ 1626 I 1, 1627 S. 1 BGB. Hier entsteht gelegentlich der Eindruck, es handele sich ausschließlich um ein Recht. Es gibt die Möglichkeit, Meinungsverschiedenheiten bei der Sorge gerichtlich zu klären (§ 1628 BGB). Maßstab: Kindeswohl. Außerdem besteht bei gemeinsam Sorgeberechtigten, die nicht nur vorübergehend getrennt leben, die Möglichkeit, alleiniges Sorgerecht zu beantragen (§ 1671 BGB). Maßstab: Kindeswohl. All‘ diese Regelungen werden, soweit ich das sehe, durch den Entwurf nicht berührt. Es wird lediglich eine zwischen den Eltern ausgeglichene Ausgangsposition ermöglicht, die die Mutter nicht mehr (wie bisher) einseitig verhindern kann. Über den Bestand des Sorgerechts ist damit noch nichts gesagt.
4. Ich bin einigermaßen entsetzt, dass hier das Argument kommt, das Recht der Mutter auf das Sorgerecht fließe aus dem investierten Aufwand bei der Geburt. Dies ist nicht Teil der sorgerechtlichen Konzeption und war es auch nie. Dieses Argument dürfte aber einer der Hauptgründe sein, warum der Reformvorschlag notwendig wurde. Denn die Familiengerichte scheinen durchaus „im Zweifel“ in Sorgerechtsfragen die Mutter zu bevorteilen. Entsprechend haben sich mir gegenüber jedenfalls schon mehrere Familienrechtler in Ansehung ihrer Praxis geäußert, auch wenn das sicher nicht statistisch belastbar ist.
5. Dass die Widerspruchsfrist sehr kurz ist, finde ich nicht problematisch- immerhin geht es um Rechtssicherheit. Die Mutte rmuss ja im schlimmsten Fall auch schon vom Wochenbett aus schwerste Entscheidungen über das Kind treffen (Durchführung von Notoperationen als Beispiel). Da scheint mir die Frage „Widerspruch oder nicht“ noch vergleichsweise geringfügig zu sein.
6. Fazit: Ich finde den Reformvorschlag sehr nützlich. Ob er sich in der Praxis bewährt, wird man abwarten müssen.
@ Flocke84
Dafür dass Du Dich mit Familienrecht nicht auskennst hast Du aber eine ganz schön dezidierte Meinung zu Herleitung und Bewertung einigen höchst komplexen und kontroversen Fragen, deren ausführliche Ausbreitung Dir ja auch wichtig zu sein scheint. Das finde ich – ich formulier es mal neutral – bemerkenswert. Viele von den Dingen die Du schreibst, hat Anna-Sarah im Text und in den Kommentaren ja auch schon thematisiert, nur scheinen sich daraus eben auch andere Schlüsse ableiten zu lassen, als Du es tust (Stichworte „ausgeglichene Ausgangssituation“, „gemeinsame Sorge“, „Kindswohl“, „einseitige Verhinderung“ durch Mütter etc.). Deine Wochenbett-These find ich auch recht eigentümlich vor dem Hintergrund um was es hier geht und ob die Vergleichbarkeit zu „Notoperationen am Kind“ o.ä. wirklich gegeben ist und der Tatsache, was Wochenbett und nachgeburtlicher Zustand für die Frauen in körperlicher und mentaler Hinsicht häufig bedeutet (ich weiß ja nicht, wie Dein persönlicher Erfahrungshorizont da so bestückt ist). Und zu Deinem ersten Punkt: weder wird mir klar, worauf der im hiesigen Kontext hinaus will, noch glaube ich dass die von Dir gegebene Einschätzung richtig ist. Wie gesagt: Wenn man selbst schon einräumt, wenig Ahnung von Familienrecht zu haben, sollte man vielleicht etwas vorsichtiger mit so finalen und fixierten Aussagen sein, wie Du sie hier zu einigen Punkten tätigst. Meine Meinung.
@Flocke84: Meine Rückfrage:
– das kann ich mir zwar gut vorstellen, dass das so ist, aber meine Frage wäre auch hier wieder: Warum sollten sie es nicht tun? Wem würde das inwiefern nützen? Und die Antwort: „Weil es nunmal so ist, dass Recht gleichermaßen für alle gelten muss“, fände ich angesichts seiner gesellschaftspolitischen Implikationen hier erstmal nicht vollends befriedigend.
Du weist zu Recht auf den Pflicht-Aspekt hin, der dem Sorgerecht inhärent ist. Doch wie bereits mehrfach gesagt wurde, ist es in der Praxis wesentlich schwieriger, den Anspruch darauf gegen den Willen der sorgepflichtigen Person durchzusetzen, sowie auch, einmal abgegebenes alleiniges Sorgerecht zurück zu erstreiten, als es nun ist, Anteil am Sorgerecht zu erhalten. Sorgerecht haben und sich wirklich kümmern – faktisch zwei paar Schuhe. Jetzt mal flapsig-bissig formuliert: Jeder noch so semi-engagierte Vater kann sich jetzt einfach erstmal das Sorgerecht sichern, selbst wenn er sich einen feuchten Kehricht um tatsächliche Mitsorge scheren sollte, Hauptsache er muss im Zweifelsfall gefragt bzw. um sein Einverständnis gebeten werden (und hat somit Macht, in erster Linie über die Kindesmutter). Ob es mehrheitlich so kommen wird, bleibt tatsächlich abzuwarten.
@ Tisch: Ja, die Wortwahl war polemisch. Das hat weniger mit Verachtung für Männer meinerseits zu tun, als damit, dass ich mich an Realitäten für Frauen orientiere. Worin die bestehen, hat Anna-Sarah sehr umfassend benannt. Zu deiner Frage: Das Problem ist, dass „Kümmern“ und „Sorgerecht haben“ zwei verschiedene Sachen sind.
@ Flocke84: Zu Deinem ersten Punkt: Noch in den 70ern lag das Sorgerecht für Kinder unverheirateter Mütter beim Jugendamt. Wenn ich mir den Artikel in der Zeit ansehe, scheinen Manche dahin zurückzuwollen.
Zu Deinem dritten Punkt: Hast Du mal mit alleinerziehenden Müttern mit geteilter Sorge gesprochen? Es ist alles andere als leicht, die Alleinsorge zu bekommen. Selbst wenn der nichterziehende Elternteil nach Australien auswandert und so für wichtige Entscheidungen nicht jederzeit greifbar ist, gehen Gerichte nicht davon aus, dass das dem Kindeswohl abträglich ist.
Ich denke auch, dass die geteilte Sorge in der überwiegenden Mehrheit der Fälle gut funktionieren würde und auch schon funktioniert. Die Frage ist ja, wie mit Streitfällen umgegangen werden soll – und da sehe ich durch die Neuregelung keinen wirklichen Gewinn.
@ Anna-Sarah: Das hat sich überschnitten, ich wollte Dir nicht das Wort aus dem Mund nehmen.
@ Betti, danke für den Kommentar.
Der erste Punkt sollte eigentlich nur verdeutlichen, wie man rechtlich auf die Idee des alleinigen Sorgerechts der uvnerheirateten Mutter kam. Sollte dies im hiesigen Zusammenhang nicht nötig oder gelungen sein, ziehe ich die Anmerkung gerne zurück. Es geht sicher nicht primär um dieses Thema.
Mit dem Familienrecht musste ich mich im Rahmen meiner Ausbildung beschäftigen, aber nicht in derselben Tiefe wie mit anderen rechtlichen Themen. Insofern kenne ich mich damit nicht so gut aus wie mit den anderen Materien. Und sollte ich juristisch etwas falsch dargestellt haben, lasse ich mich gerne korrigieren.
Das Wochenbettargument finge ich einfach nicht einschlägig, da es der gesetzlichen Wertung nicht zu Grudne liegt. Diese orientiert sich ausschließlivch am Kindeswohl. Allerdings wollte ich dazu nicht polemisieren und entschuldige mich, wenn das so angekommen sein sollte. Ich wollte nicht in Frage stellen, dass eine Schwangerschaft und eine Geburt für die Mutter eine harte und gefährliche Zeit ist. Nur ergeben sich daraus per se keine Rückschlüsse auf das Kindeswohl.
Ich finde das Thema einfach spannend, ebenso wie die hiesige Diskussion.
@ Anna-Sarah, danke für die Rückfrage. Ich verstehe dieses „Gerücht“ (statistische Daten sind mir nicht bekannt, worauf ich auch hingewiesen habe) so, dass die Gerichte sich die Frage des Kindeswohls derzeit eher einfach machen, wenn es um das gemeinsame bei Unverheirateten geht. Etwa nach dem Motto „Oh, unverheiratet. Gesetzlicher Regelfall alleiniges Sorgerecht der Mutter. Keine Anzeichen, dass die Mutter ihre Sorge nicht wahrnimmt. Also wird das schon zum Wohle des Kindes sein, dass sie das alleine macht.“ Wenn dieses Verständnis (und das Faktum) zutreffen sollte, dann trägt der Reformvorschlag im Idealfall dazu bei, dass das Kindeswohl unabhängig vom Status der Eltern und der gegebenen Sorgerechtssituation entschieden wird. Ob das tatsächlich so kommt, wird sich in der Praxis zeigen. Ob dieser (von mir vermutete) Effekt ein Gewinn in Streitfällen ist, weiß ich nicht. Zumal die Mutter ja widersprechen kann (was ich völlig richtig finde).
@ Name (notwendig): Dein letzter Satz ist sicher zutreffend. Darüber muss ich noch einmal nachdenken. Ich weiß es nicht.
Dass das Jugendamt die Ausgangssorge bekommt, fände ich auch nicht besonders erstrebenswert.
Dass es nicht so einfach ist, die Alleinsorge (wieder) zu bekommen – für keinen Elternteil -, ist dem System eigentlich immanent: Die Frage, was dem Kindeswohl dient und was nicht, ist sicher nicht einfach zu beantworten und letztlich in erster Linie eine Frage des Einzelfalls. Das kann natürlich zu Folgen führen, die sehr merkwürdig aussehen (Dein Australienbeispiel zB). Andererseits bedeutet aber die Abwesenheit eines Sorgeberechtigten nicht automatisch, dass er seine Sorgerechte- und -pflichten überhaupt nicht mehr ausüben kann.
Was ich allgemein mal als Frage in den Raum stellen möchte: Was ist mit den Fällen, in denen die allein sorgeberechtige Mutter ihren Pflichten nicht nachkommt und der biologische Vater die (Mit-)Sorge möchte? Ist in derartigen Fällen der Entwurf nicht interessengerecht bzw. ein Fortschritt zur jetzigen Rechtslage? Damit möchte ich nicht behaupten, dass solche Fälle der Regelfall der Anwendung der neuen Regelung sein werden.
Die Leistungen der Frau vor der Geburt abzuwerten,um auf dieser Grundlage ein gleichberechtigtes Sorgerecht zu verlangen, ist sehr patriarchalisch. Und zu behaupten, das die Debatte um das geteilte oder gleichberechtigte Sorgerecht nichts mit Macht zu tun habe, ist naiv. Im übrigen, kenne ich jetzt schon Männer, die aus Rache ihren Expartnerinnen den Kontakt zu ihren Kindern verwehren. Und das mit Hilfe von Richtern, die ein vermeintlich gleichberechtigtes Sorgerecht durchsetzen wollen. Ich denke, hier geht es vor allem um eins: den Frauen eine Trennung schwer zu machen, die Privilegien der Männer zu erhalten, sich nämlich wenig um ihre Kinder kümmern zu müssen, sich aber dennoch als gleichberechtigtes Elternteil bezeichnen zu können. Denn wie leicht trennt sich eine Frau, wenn sie sich darum sorgen muss, dass das Leben nach der Trennung wohlmöglich noch schwerer wird, als es ohnehin schon ist. Irgendwie muss ich hier an Zwangsehen denken, na ja.
und tisch: ich denke, dass du nicht verstehst. wahrscheinlich bist du ein mann und/oder hast noch kein eigenes kind auf die welt gebracht. es geht nicht darum, macht verliehen zu bekommen, weil man strapazen auf sich genommen hat. es geht darum, dass die mutter bereits mit der schwangerschaft und der geburt gezeigt hat, dass sie bereits ist, zum wohle des kindes sehr wohl selbstlos zu handeln und das wohl des kindes vor ihr eigenes zu stellen. und darum sollte es ja gehen beim sorgerecht. doch selbst nach der geburt, stehen nachts in der regel die frauen auf, wenn das kind weint oder bauchschmerzen hat. und von den beruflichen nachteilen, die ein kind für die frau mit sich bringt, will ich hier gar nicht erst anfangen….
@Flocke84:
– und wieder meine Frage: Warum sollte es angesichts der bestehenden problematischen Implikationen des formalen väterlichen Mitspracherechts nicht dabei bleiben? Erstmal vorauszusetzen, dass die Mutter sich dem Kindeswohl entsprechend verhält, solange keine anderweitigen Hinweise vorliegen, jedenfalls nicht weniger als der Vater, erscheint mir erstmal als eine ganz lebenspraktisch-vernünftige Annahme…
Das stimmt ja auch nur begrenzt, denn wenn der Vater gemäß dem neuen Entwurf gemeinsames Sorgerecht beantragt, erhält er es auch, eine nähere Prüfung, in wiefern das dem Kindeswohl zuträglich ist, ist eben gerade nicht mehr vorgesehen. Es sei denn, die Mutter versucht, dagegen gerichtlich vorzugehen (was ja kein Sonntagsspaziergang ist). Und dann haben wir wieder einen dieser Streitfälle, denen mit der Neuregelung eigentlich entgegen gewirkt werden soll…
Wie oben im Text – speziell in den verlinkten Kommentaren vom VAMV und J. Frielinghaus – steht, ist es ja gerade wichtig, einzelfallbezogen auf die individuellen Gegebenheiten zu schauen. Und sicher kann in konkreten Fällen das Ergebnis sein, dass es als dem Kindeswohl zuträglicher beurteilt wird, wenn der Vater (zumindest gleichermaßen) sorgeberechtigt ist. Praktisch relevant im Sinne von beziehungsstiftend ist das natürlich auch nur dann, wenn es nicht beim „Sorgerecht haben um des Sorgerecht-Haben Willens“ bleibt. Das ändert natürlich nichts daran, dass man sich im Zweifelsfall vor Gericht auseinandesetzen wird müssen (mit allen damit verbundenen Konsequenzen), wenn in einer bestimmten Entscheidung, an der dann beide Eltern beteiligt sein müssen, keine Einigung erzielt wird.
Der Punkt ist ja gerade, dass ausschließlich solche Streitfälle hier zur Debatte stehen und sich der Entwurf vor allem daran messen lassen muss, ob er in diesen Fällen irgend etwas besser macht – die Mehrheit der unverheirateten Eltern vereinbart wie gesagt ohnehin gemeinsames Sorgerecht oder kann sich anderweitig einigen.
@Anna-Sarah
Die Vorraussetzung deines Kommentars, dass sich Mütter automatisch mehr an dem Wohl des Kindes orientieren erscheint mir ein wenig sehr wunschdenken zu sein.
Natürlich kümmern sich mehr Mütter um Kinder als Väter (gerade im Kontext alleinerziehende) dass jetzt aber Mütter die besseren Menschen/Erzieher sind, ich weiß nicht recht…
Darüber hinaus ist die Frage was „das“ Kindeswohl denn ist ja gerade so umstritten, dass es keine Objektivität gibt. Soll das Kind auf die Gesamtschule oder das Gymnasium, soll das Kind beschnitten werden oder nicht.
Kein Mensch kann jemals wissen ob die gefällte Entscheidung „richtig“ war, da letztlich ja nur krasse fehlentwicklungen gesehen werden können. Ob die alternative Lösung nicht zu irgendeinem Zeitpunkt besser gewesen wäre lässt sich ja nicht mehr vergleichen.
Da fnde ich die Idee nicht eine Person alleine entscheiden zu lassen, sondern im Zweifel darüber verhandeln zu müssen für gar nicht so dumm. Auch wenn es natürlich immer Fälle geben wird in dem die Regelung für bestimmte Situationen unfair sein wird.
Das gilt aber genau so für Sakines Wunsch den Vater völlig auszuschließen.
Hallo Andreas,
in meinem Kommentar von 11:26 Uhr habe ich erklärt, warum ich bestimmte Kommentare nicht freischalte. Dabei werde ich es auch belassen, zumal die Punkte, die du bisher angebracht hast, fast sämtlich bereits behandelt wurden. Ich möchte dich außerdem bitten, vor weiteren Kommentaren den Begriff „Zensur“ nochmal nachzuschlagen und dir unsere Netiquette zu vergegenwärtigen.
Danke.
@Blaubart:
Hab ich (bis auf den Punkt, mit dem du deinen zweiten Satz beginnst) nie behauptet – auch hier nochmal der Verweis auf meine Kommentare von 11:26 und 13:48.
Deshalb tun genau das ja auch fast alle Eltern, und zwar auch ohne dass es ihnen das per Gerichtsbeschluss verordnet wird. Die Frage, wie zuträglich es dem Kind und seinem Wohl ist, im Zweifelsfall Gegenstand eines Rechtsstreits zu sein, fällt in deinen Überlegungen übrigens unter den Tisch…
Exakt. Und wenn sich eine Neuregelung auf die Fahnen schreibt, mehr Fairness herzustellen, muss geprüft werden, inwiefern sie das wirklich leisten kann. Und genau darüber diskutieren wir hier.
@ Sakine
„und tisch: ich denke, dass du nicht verstehst. wahrscheinlich bist du ein mann und/oder hast noch kein eigenes kind auf die welt gebracht.“
Ok, was alles liegt sonst noch so in diesem Universum der Dinge, die man nicht versteht, wenn man ein Mann ist oder noch kein Kind zur Welt gebracht hat? Und sollte man Männern deswegen das Wahlrecht aberkennen?
„es geht darum, dass die mutter bereits mit der schwangerschaft und der geburt gezeigt hat, dass sie bereits ist, zum wohle des kindes sehr wohl selbstlos zu handeln und das wohl des kindes vor ihr eigenes zu stellen.“
Dass eine ertragene Schwangerschaft als Beweis nötiger Bereitschaft für Selbstlosigkeit hinreicht, bezweifle ich hart. Damit sagst du: Alle Mütter stellen das Wohl ihres Kindes über das eigene. Das ist offensichtlich falsch.
„doch selbst nach der geburt, stehen nachts in der regel die frauen auf, wenn das kind weint oder bauchschmerzen hat. und von den beruflichen nachteilen, die ein kind für die frau mit sich bringt, will ich hier gar nicht erst anfangen….“
Aber das wollen wir doch alle ändern. Wenn du sagst: „Frauen sollten automatisch das Sorgerecht bekommen, Männer nicht unbedingt, wegen des höheren Einsatzes und der vielen Nachteile die Frauen bisher in unserer Gesellschaft haben“, dann erlaubst du auch den Umkehrschluss.
Im Übrigen wertet niemand hier die Leistungen der Frau vor der Geburt ab („ach hör doch auf mit deinen theatralischen Wehen“, absurd.), aber ich verlange, dass das Kind unabhängig von den Leistungen, die jemand anderes tat bevor es geboren wurde ein Recht auf beide sorgewilligen Elternteilen hat. Dein Beispiel des sich rächenden Sorgerechtinhabenden gibt es auch in weiblich, genauso wie den Vater, der sich nicht von seiner Freundin zu trennen traut, weil diese ihm droht das Kind nur noch alle zwei Wochen sehen zu dürfen. Ich finde deine Verallgemeinerungen unerträglich.
@Tisch:
Was ich nicht ganz verstehe: Was meinst du in dem Fall mit „Umkehrschluss“?
wenn ich als Freund der Mutter oder werdenden Mutter nur bedingt (ich gestehe ich die Bedingungen solcher Fälle in der Praxis nicht voll kenne) damit rechnen kann, dass ich bei Sorgerechtvergabe gleich behandelt werde, weil der gesellschaftliche Zustand des Kümmerns und die Tatsache der Schwangerschaft größtenteils bzw. ganz bei der Frau liegen, dürfte ich auch davon ausgehen, dass die Schwangerschaft UND das Kümmern von der Frau übernommen werden. Ich kümmere mich aber gern und kann nicht Schwanger werden. Insofern brauchen wir die Gleichberechtigung und damit auch das Recht des Kindes auf beide gleich stark.
Was mich noch interessiert an der Rechtsprechung: Kann bei einer gewissen Verweigerung sich kümmern nicht auch das Sorgerecht entzogen werden?
@Tisch: Dass wir Gleichberechtigung brauchen: absolut d’accord – nicht zuletzt deswegen machen wir ja hier dieses Blog und das ganze Drumrum ;) Die Frage ist nur, was Gleichberechtigung konkret bedeuten kann und auf welchem Wege sie zu erreichen ist. Ich habe deinen Punkt glaube ich noch nicht ganz verstanden:
Wieso meinst du, diesen Schluss ziehen zu können? Es wurde ja nun schon mehrfach besprochen, dass „das Sorgerecht haben“ weder eine notwendige noch eine hinreichende Voraussetzung für Kümmern ist.
Ja, wenn ein Familiengericht feststellt, dass durch Nichtkümmern das Kindeswohl gefährdet sei, kann es auch dazu kommen.
Mich würde einmal interessieren, wie oft – statistische gesehen – das Sorgerecht von Vätern dazu missbraucht wird, der Mutter unnötige Umstände zu bereiten oder Druck auf sie auszuüben. Wenn ich es richtig verstehe, sind solche Entscheidungen, bei denen das Sorgerecht betroffen ist, eher selten (Umzug, Schulwechsel, besonders schwerwiegende medizinische Eingriffe). Nach meinem subjektien Empfinden würde es da eher selten zu langen Kämfen mit gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen, und in solchen (seltenen?) Fällen würde ich sogar ein echtes Interesse des Vaters am Kindeswohl vermuten.
Meinem Gefühl nach sollten beide Eltern – Mütter und Väter – die Sorgerechtsfrage etwas gelassener sehen.
Ergeben sich die meisten Streitigkeiten nicht ohnehin eher bei Fragen des Umgangsrechts?
P.S.: Interessant wäre auch, wie Gerichte bei Sorgerechtsstreitigkeiten entscheiden. Ich glaube kaum, dass Väter da bevorzugt werden.
Ich glaube schon, dass der Kampf vieler Väter ums Sorgerecht ein verkappter Machtkampf ist. Aber der reelle Machtgewinn dürfte in den meisten Fällen gering sein. Mir scheint, dass in dieser Auseinandersetzung die Psycholgie eine große Rolle spielt.
P.P.S:
Sorry, da hab ich sehr missverständlich formuliert:
P.S.: Interessant wäre auch, wie Gerichte bei Sorgerechtsstreitigkeiten entscheiden. Ich glaube kaum, dass Väter da bevorzugt werden.
Mit Sorgerechtsstreitigkeiten meine ich Streit um Umzug, Schulwechsel etc.
@stefle:
Es spielt für die Diskussion zwar eigentlich eine untergeordnete Rolle, und hier muss sich natürlich auch erstmal niemand erklären, aber ehrlich gesagt, angesichts von Sätzen wie
oder
würde mich interessieren, in wieweit du selbst bereits konkrete Erfahrungen mit real existierenden getrennt lebenden Familie gemacht hast. Ich meine das nicht herablassend, es ist nur so, dass manche deiner Bemerkungen sich nur schwer mit mir bekannten Erfahrungen in Einklang bringen lassen – was natürlich wenig beweist, aber dennoch zu Einwänden von meiner Seite führt. Erstmal:
Ich bestreite gar nicht, dass es dieses Interesse gibt – das bedeutet aber nicht automatisch, dass die aufgezwungene Mitsprache des Vaters bei diesen Entscheidungen, zumal wenn sie primär das Leben der Mutter und des Kindes betreffen, wirklich hilfreich ist (zumal wenn ihm vielleicht erst anlässlich einer von ihm abzusegnenden Entscheidung oder angesichts eines Konflikts einfällt, dass er ja eine wichtige Rolle im Leben seines Kindes spielt). Und was „unnötige Umstände“ sind, ist natürlich auch sehr relativ… Dann: Mag sein, dass es in der Praxis insgesamt um eher seltene Entscheidungssituationen geht – nur sind diese dann eben auch oftmals besonders bedeutungsvoll für die Beteiligten, entsprechende Beispiele nennst du ja. Und auch ein „seltener“ Rechtsstreit, zumal mit Kinder-Involvierung, ist für die beteiligten Personen eine krasse Angelegenheit, die massig Ressourcen verschlingt, die man erstmal haben muss – nicht zuletzt Zeit, wodurch manche eventuelle Konflikte (z.B. über jobbedingt anstehende Wohnortwechsel) sich natürlich möglicherweise auch von selbst erledigen können…
Zu deiner Frage:
Das kann ich im Moment nicht beantworten, würde es aber auch vermuten.
Ich bitte darum, Sätze von mir wie
Meinem Gefühl nach sollten beide Eltern – Mütter und Väter – die Sorgerechtsfrage etwas gelassener sehen.
nicht überzuinterpretieren. Ich will zunächst einmal zum Ausdruck bringen, dass es bei Streitereien viel häufiger um Fragen des Umgangs geht – das ist jedenfalls mein Gefühl. Es geht mir nicht darum, das Sorgerecht als unwichtig zu bezeichnen.
Wenn sich die Eltern nicht verstehen, kann jede Kleinigkeit Anlass für stressige Auseinandersetzungen sein. Wenn das Sorgerecht ein Problem ist, dürfte – in der überwiegenden Zahl der Fälle – die Gestaltung des Umgangs erst recht ein Problem sein. In nicht wenigen Fällen scheitert hier bereits jegliches Einvernehmen. Dieses Problem erscheint mir so gravierend, dass ich mich frage, ob hier das Sorgerecht noch viel ausmacht.
Wohlgemerkt: ich bin mir nicht sicher. Ich würde meinen Meinung sofort ändern, wenn es Erfahrungswerte gibt, die gegen meine Vermutung sprechen. Deshalb war meine erste Frage:
Mich würde einmal interessieren, wie oft – statistische gesehen – das Sorgerecht von Vätern dazu missbraucht wird, der Mutter unnötige Umstände zu bereiten oder Druck auf sie auszuüben.
Gibt es da Zahlen oder Schätzungen?
Zu meinen Erfahrungen:
Ich bin selbst geschieden, habe Sorgerecht (ohne dass ich je davon Gebrauch gemacht hätte), Umgang klappt nicht, den ganze Stress wegen Umgang bekommen die Kinder voll mit.
Etwas einfache:
Alle Eltern mit gemeinsamen Sorgerecht betrachten und schauen, wieviele gerichtliche Auseinandersetzungen bestehen bezüglich
a) Sorgerecht
b) Umgangsrecht
Diese Relation würde mich interessieren.
@stefle: Ah, danke, mir ist dein Punkt jetzt klarer geworden!
– Finde ich einen berechtigten Hinweis. Müsste ich nochmal drüber nachdenken, in wiefern sich das auf meine bisherige Sicht auf die Debatte auswirkt. Danke für deine Erläuterungen.
Vielen Dank für die gut moderierte Diskussion!
Als mein Freund uns ausdachten, dass wir ein Kind zusammen (großziehen) wollen und ich weniger über die rechtliche Lage Bescheid wusste als er, fragte er mich, (fast in Art eines Antrags) ob ich mir das Sorgerecht mit ihm teilen wolle. Ich fand das gut. Ich fand gut, dass er mir die Autonomie darüber zusprach, ich fand gut, dass es etwas war, über das wir redeten, das wir nicht für selbstverständlich nahmen. Weil es ein guter Start war, um über andere Sachen zu reden, die damit zu tun haben, sich gemeinsam um ein Kind zu kümmern, es zu erziehen.
Then again: Idealfall. Wenn das Gesetz dazu da ist, Konfliktfälle auszuloten, ist meine Anekdote nicht so hilfreich. Doofi.
Was ich mich frage: Wenn ein Vater alleine sein Sorgerecht beantragt, woher weiß das Familiengericht, dass er der Vater ist? (Weiter gesponnen: wenn mehrere Männer das Sorgerecht beantragen? Wenn der Lebensgefährte der Mutter, der nicht der biologische Vater ist, das Sorgerecht beantragt? Was passiert dann?)
@von Horst:
Deine Geschichte kommt mir vertraut vor, wenn auch mit andersrummen Rollen :) Die Situation dann im Standesamt, als alles unter Dach und Fach kam, haben wir beide tatsächlich irgendwie als „verheiratend“ erlebt. Zu deiner Frage: Bevor der Vater das Sorgerecht beantragen kann, muss er die Vaterschaft anerkannt haben. Der anerkannte Vater ist für’s Gericht dann erstmal der Vater. Falls es mehrere Männer gibt, die behaupten, der Vater zu sein und dementsprechend Sorgerecht für sich beanspruchen, weiß ich gar nicht genau, wie das dann läuft, denn meines Wissens kann eine Mutter bisher nicht gezwungen werden, Auskunft über den leiblichen Vater zu geben. Da wissen andere hier eventuell mehr?
Ich finde es etwas schade, dass es hier in einigen Kommentaren auch wieder hauptsächlich um die Machtfrage geht. Das habe ich im Bekanntenkreis schon zu genüge erlebt, wenn auch hauptsächlich aus der anderen Perspektive. Wer sich mit dem Thema nicht genauer beschäftigt, sondern bei dem Stichwort ausschließlich die Geschichten vor Augen hat, in welchen Mütter Väter aus dem Leben ihrer Kinder ausschließen, neigt natürlich spontan dazu es für richtig zu halten, dass diese Väter jetzt endlich die Möglichkeit bekommen, ihr Recht auf das Kind durchzusetzen.
Diese Sichtweise ist mir allerdings zu unreflektiert und vereinfachend. Denn erstens sollte die Diskussion in meinen Augen nicht über Rechte der Eltern sondern aus Perspektive der Rechte des Kindes geführt werden, das, weil es noch nicht oder noch nicht vollständig in der Lage ist selbst seine Rechte wahrzunehmen, besonderen Schutz durch das Gesetzt bedarf. Außerdem bezweifle ich stark, dass wenn der Streit zwischen den Eltern so ausartet, nur ein Elternteil dafür verantwortlich ist (bis auf wenige Ausnahmen vielleicht).
Für meine Meinung, dass diese Gesetzesreform nicht nur richtig sondern längst überfällig ist, sind andere Gründe entscheidend. Meinem Eindruck nach spiegelt entstammt die bisherige Regelung einem veralteten und konservativen Familienbild, in dem Kinder in einer Familie mit Vater und Mutter aufwachsen, die selbstverständlich verheiratet sind. Dass unverheiratete Frauen Kinder kriegen hat nicht vorzukommen, aber notgedrungen musste halt eine Regelung dafür getroffen werden. Das beinhaltete natürlich die Vorstellung, ein unverheirateter Vater habe prinzipiell kein Interesse an seinem unehelichen Kind, sonst würde er die Mutter ja heiraten. Dass die Mutter nicht automatisch den Vater ihres Kindes heiraten möchte, nur um einen Ernährer zu haben, oder dass sich Paare bewusst und einvernehmlich dagegen entscheiden, zu heiraten, kommt in diesem Gesellschaftsbild nicht vor.
Glücklicherweise haben sich die gesellschaftlichen Vorstellungen in den letzten Jahrzehnten doch etwas gewandelt, was auch in anderen Bereichen bei der Anpassung von Regeln bezüglich unehelichen Lebensgemeinschaften an die für verheiratete Paare geltenden Vorschriften ihren Niederschlag gefunden hat. Dazu kommt, dass ich der Meinung bin, dass die Sorge für das Kind (das Wort „Sorgerecht“ finde ich sowieso etwas unglücklich, da da natürlich nicht nur Rechte sondern prinzipiell auch Pflichten dahinter stehen) gemeinsame Aufgabe beider Elternteile ist, und zwar unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind, in einer unehelichen Lebensgemeinschaft oder getrennt leben. Die Änderung setzt in meinen Augen nicht nur ein Signal gegen das oben angesprochene überkommene Familienbild sondern auch gegen die immer noch gängige Meinung, dass es primär die alleinige Aufgabe der Mütter ist, sich um die Kinder zu kümmern.
Name(notwendig) fragte:
[i]“Es ist auffällig, dass das (mutmaßliche) Kindeswohl neuerdings in der Rechtsprechung stärker betont wird. Da frage ich mich, wo das herkommt.“[/i]
Ganz einfach: Nach langer Blockade hat auch Deutschland die Vorbehalte zur UN-Kinderrechtekonvention zurückgenommen und diese vollständig ratifiziert, wovon sich ein wichtiger auf die Kinderrechte gegenüber ihren Eltern bezog.
Daher werden Kinder zunehmend als Subjekte mit eigenen Rechten berücksichtigt und weniger als bloßes Objekt elterlichen Handelns (was auch gut ist).
Hier scheint die Perspektive von Kindern noch wenig beachtet, was sich vielleicht stark an den zitierten Medien-Beiträgen im Ausgangsbeitrag festmachen läßt, die das nur als „Elternrechte-Macht-Spiel-Handel“ betrachten.
Daher die Fragen:
Hat ein Kind einen per se anderen Erziehungs- und Fürsorgeanspruch gegen einen bestimmten Elternteil als gegen den anderen?
Wer darf darüber entscheiden, welchen (und wieviele) Anspruch/e auf praktizierte Elternverantwortung das Kind geltend machen darf?
Wenn das Kind ein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung hat, welche „Familie“ darf es dann beanspruchen und an wen kann sich dieser Anspruch richten?
[b]Welche „Familie“ darf ein Kind verlangen? [/b]
Haben Erwachsene die (in der weit überwiegenden Regel) freiwillig ein Kind zeugen oder empfangen, nicht bereits zu diesem Zeitpunkt eingewilligt, dass sie potentielle Adressaten solchen kindlicher Forderungen sein werden?
Weshalb (aus welchen Gründen) könnte ein Kind etwas andres verlangen als gemeinsame Elternverantwortung?
@Jo: Ich teile grundsätzlich deine Auffassung, dass es gilt, veralteten Gesellschafts- und Familienbildern entgegen zu treten – sowohl auf gesellschaftlicher als auch individueller Ebene – und finde es auch überfällig, dass an den Privilegien der Ehe gerüttelt wird, besser gesagt, dass diese auch anderen Beziehungsformen zugänglich gemacht werden. Ich bewürworte daher grundsätzlich auch absolut die gemeinsame elterliche Sorge. Ich bin allerdings aus den genannten Gründen skeptisch, dass es in Konfliktfällen nützlich oder hilfreich ist, gegen den Willen der Mutter und ohne jegliche Einzelfallprüfung das gemeinsame Sorgerecht durchzudrücken, weil ich die Befürchtung hege, dass in der Praxis den betroffenen Müttern durch diese Art der väterlichen Verantwortungsübernahme das Leben noch schwerer gemacht werden könnte – und nicht zuletzt auch den Kindern. Und diese Befürchtung überlagert für mich die Hoffnung auf eine mögliche positive Signalwirkung, die ich natürlich auch sehe. Dieses Signal erschiene mir übrigens stärker, wenn das gemeinsame Sorgerecht automatisch ab Geburt eingeführt würde.
Ich finde es schade, dass sich dieser Artikel letztlich genau im Feld der traditionellen Geschlechterrollen bewegt: Auf der einen Seite die Väter, die Machtspiele spielen und keinen Unterhalt zahlen, auf der anderen Seite die Mütter, die wissen, was gut für das Kind ist (warum sonst sollten sie automatisch das Sorgerecht erhalten?), für die Rechte ihrer Kinder kämpfen, Leistung erbringen etc.
Dabei übersieht die Autorin meinem Eindruck nach, dass dieser Gesetzesentwurf genau den Vätern hilft, die diese Rollen überwinden wollen und eine aktive Väterrolle (d.h. mehr als ein wöchentlicher, zeitlich begrenzter Umgang) anstreben. Die eben nicht den Familienversorger spielen wollen, sondern auch eine emotionale Bindung zum Kind haben.
Der Kommentar des VAMV ist in dieser Hinsicht sehr aussagekräftig: Statt sich mit einem Konflikt konstruktiv auseinanderzusetzen, wird eine einfache Lösung auf der Basis der Annahme, dass eine Frau „natürlich“ näher am Kind ist, bevorzugt. Das ist auch die Annahme, auf der die Gerichte über das Sorgerecht entscheiden – im Zweifel für die Mutter.
Ich möchte nicht in Frage stellen, dass statistisch gesehen die Anzahl desinteressierter Väter, die weder Unterhaltsverpflichtungen noch Umgangsrecht wahrnehmen, größer ist. Aber meiner Meinung nach ist dieser Gesetzesentwurf ein Schritt in die Richtung, den Vätern eine aktivere Rolle zuzugestehen und zuzuschreiben und aus diesem Grund begrüßenswert.
@Verena: Meines Erachtens liegt hier ein deutliches Missverständnis vor. Bei den Vorbehalten gegenüber der Neuregelung geht es weder mir noch dem VAMV (wenn ich das Statement richtig gelesen habe) um die Vorstellung, die Mutter wüsste automatisch qua Naturgesetz besser, was gut für das Kind ist – es geht darum, dass in den meisten Fällen, in denen sich Eltern trennen oder nie zusammen gelebt haben, die Mutter mangels Alternativen überwiegend für das Kind ZUSTÄNDIG ist (ob sie möchte oder nicht). Dementsprechend steht vor allem ihre Lebensgestaltung, die Einfluss auf die des Kindes hat und umgekehrt, zur Debatte, wenn der Kindesvater dort Mitsprachrecht erhält. Keine Ideologie, reine Praxis. Vielleicht zur Veranschaulichung, auch wenn ich so Umkehr-Analogien oftmals problematisch finde: Ein Kind lebt bei seinem Vater, seit Jahren, vielleicht seit Geburt, und der Vater kümmert sich tagtäglich um alles, um was man sich halt so kümmern muss – im Rahmen des Üblichen läuft alles einigermaßen rund, der Vater sieht zu, dass immer genug zu essen da ist, dass die Miete gezahlt wird, dass das Kind alles hat, was es so braucht, sucht den Kindergarten aus, geht mit dem Kind zur Ärztin, nimmt Urlaub, wenn der KiGa zu ist oder das Kind krank, verhandelt mit seiner Vorgesetzten über familienfreundlichere Arbeitszeiten, schränkt seine Freizeitaktivitäten ein und richtet auch sonst seinen Alltag kindgemäß ein. Das Kind hat auch eine Mutter, aus welchen Gründen auch verhält diese sich aber familientechnisch eher passiv und übernimmt maximal gelegentliche sonn- und feiertägliche Sonderschichten. Der Vater hat sich inzwischen neu verliebt, auch das Kind hat eine Beziehung zu diesem Partner aufgebaut und man möchte sich nun die doppelten Haushaltskosten sparen und in eine gemeinsame Wohnung ziehen, die praktischerweise auch näher an der Arbeitsstelle des Vaters liegt. Nun kommt aber die Mutter und sagt, halt stopp, das will ich nicht. Das Recht dazu hat sie. Aber macht es sie zur „aktiveren“ Mutter, wenn sie es wahrnimmt?
Das Statement des VAMV als Befürworten einer „einfachen Lösung“ zu werten, geht an der Lebensrealität getrennter Familien in meinen Augen vorbei. Dass eine Mutter formal das alleinige Sorgerecht hat, heißt ja noch lange nicht, dass sie sich nicht mit dem Vater des Kindes austauscht, berät, auseinander setzt, Lösungen und Kompromisse sucht etc. – in der Praxis oft alles andere als einfach.
Aktive Vaterrolle – her damit! Dass viele Väter diese nicht einnehmen, liegt meines Erachtens aber nicht in erster Linie daran, dass sie ihnen qua Gesetzgebung bisher nicht ausreichend zugestanden würde. Wie nun schon mehrfach gesagt wurde: Sorgerecht haben und aktive Rolle einnehmen sind nicht per se dasselbe, und unter einer aktiven Vaterrolle stelle ich mir mehr vor als das Bestehen auf Vetorechten im Zweifelsfall, ohne dass geklärt ist, in wiefern sie dem Kind nutzen.
Will die bislang mMn wirklich sehr gut und themengeleitet moderierte/geführte wirklich nicht derailen (bei entsprechender Einschätzung gern nicht freischalten), bin aber drüber gestolpert und deswegen eine kurze Nachfrage an @Anna-Sarah:
„finde es auch überfällig, dass an den Privilegien der Ehe gerüttelt wird, besser gesagt, dass diese auch anderen Beziehungsformen zugänglich gemacht werden“
Ähm, wieso? Wieso sollten vom Staat an die Entscheidung, sein_ihr Leben temporär oder dauerhaft in amouröser/anderweitiger Verschränkung mit anderen Menschen zu teilen (oder auch Kinder zu haben), etwaige – ich nehme mal an Du meintest steuerliche, versicherungsrechtliche, vermögensrechtliche u.ä. – Privilegien geknüpft werden? Warum sollte „der Staat“/ „die Gesellschaft“ die bewusste oder durch äußere Umstände herbeigeführte Entscheidung gegen ein Leben in etwaigen Partner_innenschaften quasi „bestrafen“ dürfen durch das Vorenthalten dieser Privilegien? Also mir ist schon klar, was da gesellschaftsideologisch dahintersteht, aber ich bin mir ja sehr sicher, dass Du das mit den egoistischen Singles, die nichts zur Stärkung des Volkskörpers beitragen und so, auch so siehst :) – deswegen nochmal die Nachfrage, was Du genau damit meintest…
Wenn die Sätze so kompliziert werden, dass man selbst den Überblick verliert…
Im ersten Satz fehlt die „Diskussion“ und im letzten Satz fehlt natürlich das „NICHT“ von dem „auch so siehst“!
@Anna-Sarah
„Wieso meinst du, diesen Schluss ziehen zu können? Es wurde ja nun schon mehrfach besprochen, dass “das Sorgerecht haben” weder eine notwendige noch eine hinreichende Voraussetzung für Kümmern ist.“
Ich weiß nicht ob ich jetzt auf irgendeinem Schlauch stehe, aber ich hatte das gestern Abend nur als Umkehrschluss formuliert, und zwar des Argumentes das Sakine gebracht hat:
“doch selbst nach der geburt, stehen nachts in der regel die frauen auf, wenn das kind weint oder bauchschmerzen hat. und von den beruflichen nachteilen, die ein kind für die frau mit sich bringt, will ich hier gar nicht erst anfangen….”
Ja, letztendlich geht es hier wahrscheinlich schlicht um die Frage, ob Ungleichbehandlungen durch den Gesetzgeber in Ordnung sind, wenn sie vermeintlich in der Lage sind eine gesamtgesellschaftliche Gleichbehandlung zu fördern. Ich habe dazu keine absolute Meinung, kann mir aber vorstellen, dass der Belang entscheidend sein könnte. Insofern halte ich z.B. Quoten in der Arbeitswelt (als potentielle Ungleichbehandlung einiger Männer) als Instrument auf Zeit für tragbar, da es hier NUR um Arbeitsplätze geht, aber halte ,allein schon der symbolischen Kraft wegen aber vor allem weil es hier um Kinder geht, eine gesetzlich prinzipielle Ungleichbehandlung in Sachen Sorgerecht für untragbar.
„Kann bei einer gewissen Verweigerung sich kümmern nicht auch das Sorgerecht entzogen werden?
Ja, wenn ein Familiengericht feststellt, dass durch Nichtkümmern das Kindeswohl gefährdet sei, kann es auch dazu kommen.“
Bei dieser ganzen Kümmer-Diskussion frag ich mich (jetzt erst) was eigentlich den Gesetzgeber sonst zur Vergabe des Sorgerechts bewegt, wenn nicht die Sorgebereitschaft. Könnte man die Probleme, die nun vielleicht der neuen Regelung wegen, vermehrt auf Mütter zukommen, nicht an dem Schopfe anpacken? Was sonst sind Kriterien? Ein Vater der zu nicht mehr bereit ist als sich einmal im Monat an einem Sonntag um sein Kind kümmert, weil er sonst seine Karriere nicht meistern kann, kann doch schlecht argumentieren, dass er sich in hohem Maße um sein Kind sorgt. Was macht er wenn es keine Mutter gäbe? Und wie will er wissen welche Schule für sein Kind am besten ist, wenn sein Kontakt mit Kind für dieses doch ein Spezialereignis darstellt.
Man sollte m.M.n. also direkt beim Kind ansetzen – und zwar nicht erst wenn es um Gefährdung geht – um das sich zu sorgen gilt und nicht indirekt durch Ungleichbehandlung. (Ähnlich absurd wie man Kinder indirekt über Ehe zu unterstützen versucht)
Hab jetzt irgendwie das Gefühl was vergessen zu haben was mir gestern Nacht noch irgendwie wichtig schien. Ein bisschen wirr vielleicht?
@Betti: Ich meinte damit eigentlich, dass die Privilegien, die Verheirateten zugestanden werden, allen Menschen offen stehen sollten (sowas wie Aufenthaltsrecht zum Beispiel)- aber einige davon werden halt erst wirksam, sobald es um Bezüglichkeiten zu anderen Menschen geht, wie eben das Sorgerecht oder die Vaterschaftsthematik, worüber wir hier ja gerade vor allem sprechen. Unter „Beziehungsform“ verstehe ich in dem Fall „alles, was mich und mein irgendwie auf Verbindlichkeit und gegenseitiges Füreinandereintreten ausgerichtetes Interagieren mit anderen Menschen“ betrifft, nicht ausschließlich Liebes-/Paar-/Kernfamilienkonzepte. Und ich sehe es genauso wie du, dass Singles nicht für ihr „Alleinstehen“ staatlich sanktioniert werden sollen. Sorry, wenn das missverständlich war.
@Tisch:
Genau darum geht es, ich hatte gehofft, das wäre klar geworden… Und auch, dass ich diese Frage eben pauschal erstmal mit „ja“ beantworten würde (mit Vorbehalten, was die Formulierung „vermeintlich“ angeht). Ansonsten würden wir diese Diskussion hier gar nicht führen :)
Okay, entschuldige, der Schlauch unter meinen Sohlen…
@Anna-Sarah
Du zitierst den VAMV folgendermaßen:
„Denn geben nicht miteinander verheiratete Eltern keine gemeinsame Sorgeerklärung ab, sind oftmals Konflikte der Grund. […] “Die Hoffnung, dass diese durch das gemeinsame Sorgerecht vermieden werden können, ist trügerisch. Im Gegenteil, eine Auseinandersetzung schürt das Streitpotenzial weiter”, befürchtet Schwab. […] „Ein neues beschleunigtes Verfahren bei Sorgerechtsstreitigkeiten mit dem Ziel eines gemeinsamen Sorgerechts um jeden Preis geht ausgerechnet zu Lasten der Kinder, deren Eltern sich nicht einigen können”
– d.h. die beste Lösung für Konflikte ist keine konstruktive Auseinandersetzung zwischen den Ex-Partnern, sondern der Ausschluss des Vaters.
Während du in deinem Artikel sehr viel über Mütter schreibst, tust der Vorwurf der Benachteiligung von Vätern mit dem Verweis auf Birgit Gärtners Telepolis-Artikel als „unangebracht“ ab (Bitte korrigiere mich, falls ich etwas überlesen habe). In diesem Artikel, der schon aussagekräftig mit „Jammernde Väter“ heißt, schreibt die Autorin über den Umgang der Väter mit ihren Kindern: „An diesen Wochenenden spielen viele Väter Daddy-Cool, stopfen ihre Kinder bei Mac Doof mit Beinahe-Essen voll oder bringen sie zu Mama. Zu ihrer Mama.“ – dass das unsachlich und diskriminierend ist, muss ich nicht ausführen.
Und ich finde auch, dass dein Beispiel/deine Analogie sehr einseitig ist. Zu jeder Mutter, die sich um ihr Kind kümmert, gehört auch ein Expartner/Vater, der mehr oder minder freiwillig auf die allermeiste Zeit mit seinem Kind verzichtet. Der sich nicht „aus welchen Gründen auch“ „familientechnisch eher passiv“ verhält und „maximal gelegentliche sonn- und feiertägliche Sonderschichten“ übernimmt, sondern rechtlich nicht mehr zugestanden bekommt als diese Sonderschichten, auch wenn er sich vielleicht wünscht, mehr Zeit mit seinem Kind zu verbringen. Und der zusehen muss, wie sein Kind eine engere Beziehung zu einem fremden Mann aufbaut und evtl. auch noch in eine andere Stadt zieht, was es ihm zusätzlich erschwert, eine Beziehung zu dem Kind aufrecht zu erhalten.
Einen Satz wie „Seit wann braucht es einen Verwaltungsakt, um sich für einen Menschen zu interessieren?“ finde ich vor diesem Hintergrund wirklich respektlos.
@Verena: Das Zitat aus dem Telepolis-Artikel ist natürlich polemisch – es unterstellt aber nicht allen Vätern so zu sein, sondern bildet die andere Seite der anekdotischen Evidenz ab. Verallgemeinernd ist dagegen Deine Aussage, jeder(!?) Vater, der seine Kinder nur selten sehe, sei in dieser Lage, weil ihm rechtlich nicht mehr zugestanden würde.
@Verena: Ich finde es relativ schwierig, Aussagen von mir zu erklären, die ich so gar nicht gemacht habe, zumal du in deinen eigenen Aufassungen teilweise auch recht pauschal bist… Ich wiederhole nochmal, dass es mir hier nicht um einen Bester-Elternteil-Contest geht, sondern um eine Einordnung der Sorgerechtsneuregelung und ihrere möglichen Auswirkungen vor ihrem gesamtgesellschaftlichen Hintergrund. Ich teile auch nicht deine Interpretation des VAMV-Zitats, dass ich ja übrigens nicht nur auszugsweise in meinen Artikel eingefügt, sondern verlinkt habe, damit es komplett nachgelesen werden kann. Um das vielleicht abzukürzen: Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, dass es insgesamt (!) keine strukturelle (!) Benachteiligung von Vätern als Gruppe (!) gibt und bin der Auffassung, dass es für diese Auffassung viel stützendes belastbares Indikatorenmaterial gibt. Du siehst das anders, und da wir von derartig unterschiedlichen Grundlagen aus argumentieren, denke ich nicht, dass wir durch einen weiteren Austausch von Argumenten zu einer inhaltlichen Annäherung kommen, egal wie detailiert wir uns erklären.
@Helga
Es tut mir leid, wenn ich das missverständlich formuliert habe. Die Ausführungen waren als direkte Antwort an Anna-Sarahs Beispiel gemeint und beziehen sich natürlich nicht auf alle Väter. Allerdings gehe ich erstens nicht davon aus, dass jeder Vater sein automatisches Sorgerecht in Anspruch nehmen würde, und zweitens meine ich, dass nicht jeder Vater, der es in Anspruch nimmt, das tut, um der Mutter zu schaden.
Und den Telepolis-Artikel halte ich aus diversen Gründen für unsachlich, aber ich denke, darauf einzugehen, würde vom Thema wegführen?
@Anna-Sarah
Ja, du hast Recht. Ich würde noch gerne klarstellen, dass mir bewusst ist, dass alleinerziehende Mütter unter vielfältigen Belastungen leiden und die Väter oft genug zu diesen Belastungen zählen (oder zumindest nichts abnehmen) und ich das in keiner Weise abstreiten will oder wollte. Mehr werde ich dann auch nicht schreiben.
@Verena
Das meine ich auch nicht, wie ich eigentlich schon mehrfach gesagt zu haben meine. Mir geht es nicht primär um böse Absichten, sondern um konkrete praktische Auswirkungen. Und über „jeder“ und „alle“ müssen wir auch nicht reden, sondern es geht um Konfliktfälle.
Ich bin aktuell gerade schwanger und für mich war von Anfang an klar, dass mein Partner das Sorgerecht bekommt (noch bevor der Gesetzesentwurf durch war).
Dessen ungeachtet habe ich ein deutliches Unbehagen, was diesen Gesetzesentwurf betrifft. Es hat sicher mit der Machtfrage zu tun, aber auch damit, dass im Zusammenhang mit diesem Gesetz die ganze Zeit von Väterrechten geredet wird und nicht von Väterpflichten. Wenn die Väter in diesem Land für ihre Kinder berufliche Einschränkungen, finanzielle Verluste und Einbußen in der Rente hinnehmen würden, wäre dieses Unbehagen gewiss nicht so groß. Aber Fakt ist leider immer noch, dass die Frauen einen großen Teil der Last der Kindererziehung tragen. Kinder sind vor allem für Frauen ein Armutsrisiko, nicht für Männer. Und der Gedanke, dann auch noch womöglich das Sorgerecht mit einem Mann zu teilen, der im Gegenzug nicht bereit ist, die Pflichten genauso halbe-halbe zu teilen, finde ich eine ziemliche Zumutung.
Sicher schere ich „die Väter“ über einen Kamm. Aber ich erlebe leider immer noch zu viele Beziehungen, in denen die Frau mit den Kindern da sitzt, wie der Fährmann, der am Ruder stehen bleiben muss, und nicht weg kann.
Mein Partner hat schon zwei Kinder aus einer anderen Beziehung und ich habe das Glück, dass ich erleben konnte, wie er als Vater und Ex-Partner ist. Die Kinder leben die Hälfte der Zeit bei ihm/uns, er ist ein engagierter Vater und auch erstaunlich kooperativ bei seiner Ex (ich wäre das nicht …). Ich denke schon, dass mir das die Entscheidung leicht macht, ihm das Sorgerecht zu geben. Aber das ist meine Einschätzung, von der ich glaube, dass sie richtig und zukunftsfähig ist. Ich finde den Gedanken ätzend, wenn mir der Staat diese Entscheidung aufgezwungen hätte. Denn der Staat muss nicht die Konsequenzen dieser Entscheidung tragen.
Väter haben Rechte, Mütter haben Pflichten…so ist es leider meistens. Und gesetzlich wird dies mehr und mehr gestützt. Wie wäre es endlich mit dem Sorgerecht auch eine Sorgepflicht zu koppeln. Oder bleiben wir im Patriarchat?
@Jasmina: Volle Zustimmung zu deinem ersten Satz. Doch rein juristisch ist das Sorgerecht wie gesagt bereits an eine Sorgepflicht gekoppelt, auch für Väter. Nur ist die Frage, wie sich eine solche Pflicht dann in der Praxis durchsetzen lässt, falls ein verpflichteter Elternteil dieser Pflicht nicht nachkommt. Deine Aussage
ist in sofern also nicht ganz richtig, als dass ja durch den erleichterten Zugang zum Sorgerecht für den Vater rein juristisch auch die Inpflichtnahme des Vaters erleichtert wird. Auf der faktischen Ebene stimme ich dir aber zu, aus den bisher schon erörterten Gründen. Das Problem der unterschiedlich verteilten Zuständigkeiten lässt sich halt nicht allein durch das Recht klären.