Die Jolly Goods sind „jenes fauchende, bis unter die Säbelzähne mit musikalischem Können bewaffnete laute, triumphierende Schwestern-Duo, einst in Rimbach geboren, um von dort von ihrer Noiserockmusik angetrieben nach Berlin zu fliehen.“ Die Musik von Tanja Pippi und Angy Lord Lott bewegt sich zwischen Riot Grrrl, Noiserock und Folk. Im Interview mit der Mädchenmannschaft sprechen die Musikerinnen über voreingenommene Journalist_innen, hirnrissige Geschlechterprinzipen und über ihr neues Album WALRUS.
Was hat es eigentlich mit eurem Namen “Jolly Goods” auf sich?
Angy: Holly Golightly sagt auf einem White Stripes Album nach dem letzten Song „jolly good. let’s have a cup of tea…“ Jolly Good ist ein altbackener und eher uncooler Ausdruck für „recht gut, prima etc.“, das gefiehl uns. Einerseits die Band mit „prima“ zu betiteln, jedoch mit einem Wort, das eher als “uncool” angesehen wird.
Ihr kommt ganz ohne Bass aus – war das eine musikalische Entscheidung?
Tanja: Wir haben zu Anfang tatsächlich Bassistinnen ausprobiert, aber das Gefühl war dabei nie richtig. Für uns war es viel spannender, die Musik auf das Nötigste zu reduzieren, nur das Gerüst stehen zu lassen, gerade so, dass es noch hält, und dann dieses klappernde Skelett frei tanzen zu lassen. Viel Emotion und Message in so wenige Instrumente wie möglich zu stecken. Auf unserem gerade erschienenen Album WALRUS haben wir damit gebrochen, es ist bei einigen Liedern Kontrabass sowie Orgel und zum Beispiel Vibraphone zu hören, denn wiederholen wollen wir uns nicht.
Vor wenigen Wochen seid ihr beim Ladyfest in Darmstadt aufgetreten. Welche Rolle spielt Feminismus in eurer Musik?
Angy: Wir beschäftigen uns mit der Genderthematik in unserem Alltag, da fließt es ganz natürlich mit in die Musik.
Tanja: Wir achten sehr darauf, wie wir in Magazinen und auf Fotos dargestellt werden. Nur passt das meistens nicht in das Bild, das sich Fotograf_innen oder Pressefuzzies schon vorher von uns zurechtgelegt haben. Manchmal ist es ein Kampf unsere Ideen durchzusetzen. Vor allem bei der ersten Platte haben uns viele Artikel überrascht, aber es scheint wohl tatsächlich auch noch im Jahre 2011 vom Musikjournalismus zuviel verlangt, nicht andauernd auf Geschlecht, Alter und Aussehen herumzueiern.
Als ich mich durch einge eurer Videos auf Youtube klickte, fiel mir ein Kommentar unter dem Video „Hideaway“ auf: „Sexy Stimme, wenn sie bloß nicht immer so schreien würde”. Wenn Sängerinnen gröhlen oder kreischen, ist das für viele erst mal ein Novum. Hört ihr solche Sprüche oft?
Angy: Wir hören schon regelmäßig sehr dumme und verachtende Sprüche, zum Beispiel: “Geht zurück in die Küche”. Auch beim Soundcheck fallen Sprüche: Ich bat den örtlichen Tontechniker, die Base-Drum auf meinem Monitor lauter zu machen und er erwiderte „Hau halt fester drauf!“.
Tanja: Und das passiert auch außerhalb der Bühne: Sobald eine Frau oder ein Mann auf der Straße etwas aus der Reihe fällt, Femininität zeigt – manchmal langt schon eine schwarze Nylonstrumpfhose – wird die Person angemacht. Das Hauptproblem ist eben leider, das diese Probleme nicht klar benannt werden, nicht darüber gesprochen wird, es nie oder zu spät zu einem Denkanstoß bezüglich diesem hirnrissigen dualistischen Geschlechterprinzips kommt – das Männern sowie Frauen schadet. Ich möchte allen im Musikbusiness sagen: Habt keine Angst vor uns, wir sind auch nur Menschen.
Ein wenig erinnert ihr mich an die Riot Grrrls von damals. Könnt ihr etwas mit dem Vergleich anfangen?
Tanja: Wir waren äußerst ermutigt und erfreut von der Riot Grrrl Bewegung, als wir sie irgendwann für uns entdeckten, so sehen wir deinen Vergleich als Kompliment. Inhaltlich sind wir auf jeden Fall von den Riot Grrrls beeinflußt, wobei es uns musikalisch aber nie so sehr interessiert hat.
Euer neues Video “Try” ist sehr minimalistisch. Könnt ihr etwas zur Entstehungsgeschichte und zum Video selbst erzählen?
Tanja: Wir fanden es interessant einen Mann zu zeigen, den der Mainstream als „verkleidet“ wahrnimmt, der dabei jedoch „don’t change your ways“ singt. Es spielt mit Widersprüchlichkeiten. Verändert jemand seine „ways“, wenn er ein Kleid trägt oder vielleicht viel eher, wenn er nie ein Kleid trägt? Der Performer wurde wie eine Frau in einem Mainstream-Video gefilmt: Fokus auf sexy Beine, Ausschnitt und Po – nur wirkt das alles sehr absurd. Fällt einem das bei Videos mit Frauen auch so auf? Wird der Körper von Männern in Sachen optischer Ausbeutung vernachlässigt? Das Photostudiosetting ist in manchen Einstellungen zu sehen, denn es geht auch darum, dass so eine Künstlichkeit befreiend sein kann, dass eine Bühne befreiend sein kann, da darauf keine „Echtheit“ verlangt wird.
Euer neues Album WALRUS feierte letzte Woche Release. Mit welchen musikalischen Leckerbissen können wir rechnen?
Tanja: WALRUS ist sehr abwechslungsreich. Es gibt zum ersten Mal einige Lieder, bei denen ich Klavier spiele und die Gitarre ganz weggelassen wird. Wir haben sehr lange an den Songs herumgebastelt. Es ging uns bei diesem Album viel mehr um den klassischem Song an sich, Melodien und das Erzählen einer Geschichte. Es gab in den 4 Jahren nach unserem letzten Album „her.barium“ viele fertige Songs, von denen alle außer 12 weggeschmissen wurden. Es blieb nur übrig, was uns wirklich am Herzen lag.
Mehr Informationen zu Jolly Goods findet ihr auf ihrer Homepage, auf Myspace und Facebook.
War 2008 mal auf nem Konzert von denen, astrein muss ich sagen, die beiden bringen ihre Musik da noch 1000mal besser rüber.