Arbeit von Frauen wird weniger wertgeschätzt

In jeder Diskussion zum Gender Pay Gap kommt es so sicher wie das Amen in der Kirche: „Aber Frauen wählen halt die falschen Berufe, in denen sie schlechter bezahlt werden.“ Dass auch hinter dieser schlechten Bezahlung systematische Diskriminierung steckt, ist manchmal schwer zu vermitteln. Im Interview mit der Badischen Zeitung erklärte das die Gleichstellungsexpertin Karin Tondorf aber mit ein paar sehr anschaulichen Beispielen:

Bei der Bewertung von Arbeit fehlen oftmals typische Anforderungen und Belastungen. Psychosoziale Anforderungen wie Kommunikations- oder Kooperationsfähigkeit werden bei Dienstleistungsarbeit zwar abgefordert, aber nicht bewertet und nicht bezahlt. Verantwortung wird meist einseitig ausgelegt, als Verantwortung für Geld- und Sachwerte oder Führung, während die Verantwortung für Menschen kaum beachtet wird. Ein anderer wichtiger Punkt: Körperliche Anforderungen werden meist nur bei gewerblicher Männerarbeit bewertet, bei weiblichen Angestelltentätigkeiten ist das selten der Fall. Denken Sie an die Altenpflege. Das Heben und Tragen von pflegebedürftigen alten Menschen ist sehr anstrengend. Oder an die Lärmbelastungen von Erzieherinnen, an ständiges Stehen bei Verkäuferinnen. Es ist in Deutschland nicht üblich, solche Belastungen zu honorieren. Das alles führt zu einer Unterbewertung und Unterbezahlung von Frauenarbeit.

Damit wird die Diskriminierung von Frauen selbst in Tarifverträgen fortgeschrieben – obwohl es eigentlich objektive Kriterien gibt, um Arbeit zu bewerten. Viele Infomaterialien und Excel-Tabellen zum selber Nachrechnen hat Tondorf für die Hans-Böckler-Stiftung mitentwickelt, diese gibt es unter eg-check.de.

(via Stop! Talking)

12 Kommentare zu „Arbeit von Frauen wird weniger wertgeschätzt

  1. Zudem wurden „typisch weibliche“ Berufe sich als aus der sozialen Rolle der Frau selbstverständlich ergebend definiert. Dh. die Fähigkeit zur Fürsorge für ältere Menschen und Erziehung von Kindern wurden nicht als anspruchsvolle Tätigkeit verstanden, für die eine gute Ausbildung erforderlich ist, sondern als Tätigkeiten, die ohnehin in der „Natur“ der Frau liegen. Beziehungsweise: als Tätigkeiten, die Frauen in ihrer sozialen Rolle ohnehin ausführen sollten. Das legitimierte, dass man(n) die Arbeit von Frauen im Fürsorge- Reinigungs- und Erziehungssektor nicht als „richtige Arbeit“ verstand und entsprechend keine Notwenigkeit sah, Frauen angemessen zu entlohnen.

    Es gilt, eine Wertschätzung für als weiblich wahrgenommene Berufe zu schaffen und sie als mental und körperlich herausfordernde Tätigkeiten ernst zu nehmen, die eine qualitativ gute Ausbildung erfordern.

  2. Aus gegebenem Anlass, weil ich genau das gerade diskutiere: Gibt es irgendwo harte Fakten dazu? Denn so wie es da oben im Zitat von Tonndorf steht, ist es für mich, die akzeptiert, dass Frauen diskriminiert werden (also nicht, dass ich das gut finde, aber die Tatsache, dass es so ist, stelle ich nicht per se in Frage…), nachvollziehbar. Wenn man das aber mit Menschen diskutiert, die die 23% GPG für eine Nonsenszahl halten, dann reicht diese Erklärung nicht aus, weil dieser Effekt verneint wird. Beliebte Argumentationslinie: „Der TVöD z.B. ist ein bürokratisches Monster, da wird nicht von Krankenschwester oder Müllmann gesprochen, sondern genau definiert, wer mit welcher Ausbildung und welchen Anforderungen, mit welchem Level an Verantwortung und welcher Berufserfahrung in welche Tarifgruppe einzuordnen ist. Der Tarifvertrag ist absichtlich so allgemein geschrieben, dass es gar nicht passieren kann, dass gleichwertige Arbeit anders entlohnt wird.“
    An der Stelle hätte ich gerne ein belegbares Beispiel, von einem klassischen Männerberuf und einem klassischen Frauenberuf, die gleichwertig sind, aber eben in unterschiedlichen Tarifgruppen einsortiert sind. Ob das bei Krankenpflege und Müllentsorgung z.B. tatsächlich so ist, weiß ich nicht. Naiv würde ich hoffen, dass die Krankenpflege besser bezahlt ist, weil neben vergleichbarer körperlicher Anstrengung und ähnlichem Ekelpotential ja dann doch eine fundierte medizinische Ausbildung benötigt wird. Den Job bei der Müllabfuhr kann man wahrscheinlich ohne Ausbildung machen, oder?
    Also, falls jemand einen Link hat, wo man solche konkreten Vergleiche finden kann, her damit!

  3. Nicht Frauen wählen die ‚falschen‘, weil schlecht bezahlten Berufe, sondern anders herum wird ein Schuh daraus:

    Berufe werden schlecht bezahlt wenn und weil viele Frauen sie wählen!

    Als „Sekretär“ noch ein Männerberuf war, war es auch ein angesehener und gut bezahlter Beruf.

    Als sich die Zeiten änderte und aus dem Männerberuf „Sekretär“, der Frauenberuf „Sekretärin“ wurde, war’s vorbei mir Ansehen und guter Bezahlung.

    Frauen sind halt traditionell nichts wert, also ist ihre Arbeit auch nichts wert, also können Berufe, in denen viele Frauen arbeiten ’natürlich‘ auch nichts wert sein, schon gar nicht viel Geld.

    Wenn morgen eine 100%-Frauenquote für DAX-Vorstände käme, würden die Millionengehälter dort von heute auf morgen auf Frisösenniveau fallen. ;-)
    Und die Regeln würden dann ganz schnell so geändert, daß die Entscheidungen nicht mehr im Vorstand sondern im Aufsichtsrat oder sonstwo in trauter Männerrunde fallen.

  4. @Miriam: Würde mich wundern, wenn es so etwas gäbe. „Vergleichbar“ ist ein Begriff, der in höchstem Maße unbestimmt ist. Jede Einordnung von zwei Tätigkeiten als „vergleichbar“ ist in gewisser Weise willkürlich. Wer sollte auch verbindend festlegen können, dass ein bestimmtes Maß an körperlicher Arbeit mit einem bestimmten Maß an Wissen oder einem bestimmten Maß an Führungsanforderungen vergleichbar sind? Es wird schwer werden, für so eine Einordnung objektive Kriterien zu finden.

  5. @steakhouse: Ich glaube, du hast meine Frage nicht verstanden… Es geht doch gerade darum, dass oben klar darauf hingewiesen wird, dass bei z.B. gleicher körperlicher Beanspruchung unterschiedliche Maßstäbe für typische Männer- und Frauenberufe angelegt werden. Es wird doch wohl ein konkretes Beispiel geben, an dem die WissenschaftlerInnen solche Aussagen belegen können.

  6. Hey,

    die ganze Equal Pay Debatte ist meiner Meinung nach ein sehr schwieriges Thema, ich kann beide Seiten gut verstehen! Ich glaube nicht nur die Gesellschaft und Politik muss sich ändern, sondern auch das Denken von den Männern und Frauen im einzelnen. Aus meinem Bekanntenkreis nehme ich wahr, das Frauen sich viel eher sich die Berufe wählen die ihnen Spaß bringen, und kein Geld. Viele Frauen haben auch einfach vor irgendwann Kinder zu bekommen und sich dann um diese zu kümmern. Das berücksichtigt der Arbeitgeber natürlich auch in der Gehaltskalkulation. Gerecht ist das nicht, aber verständlich finde ich es. Bei Gehaltsverhandlungen müssen die Frauen lernen sich mehr zuzutrauen und eventuell ein bisschen frecher werden. Die Ursache für diese Zurückhaltung sehe ich in der generell größeren Zurückhaltung der Frauen, die sich nochmal durch die Männerwelt verstärkt und eingeschüchtert wurde.
    Den Einzigen Ausweg aus dieser Debatte sehe ich nur durch einen sehr starken Eingrifff des Staates in die Gehälter, was ich prinzipiell nicht schlecht finde. Dann sollte man auch berücksichtigen das die Diskrepanzen zwischen einer Krankenschwester und einem Manager nicht zu groß sind. Also generell ein gerechteres System.
    Wie schon gesagt, schwieriges Thema das man nicht einseitig sehen darf und bei dem ich beide Seiten absolut nachvollziehen kann.

  7. @Musenrössle

    Gibt es dafür noch ein anderes Beispiel?

    Ich weiß, das Beispiel selber kommt aus dem Interview, aber ich finde es aus einem relativ einfachen Grund sehr problematisch.

    Es wird eine Zeit zu Grunde gelegt in der nur recht wenig Menschen (Mehrsprachig) schreiben und schriftlich rechnen konnten „der Sekretär“

    Im Vergleich zu einer Zeit in der geschriebene Texte vervielfältigt werden mussten, bzw. einfache Rechenmaschinen bedient werden müssten. Als Zeitdokument ist da z.B. der Film eins, zwei, drei zu nennen, in dem ein „typisches“ Vorzimmer dargestellt wird. „Den Sekretär“ gibt es in dem Film immer noch, er heißt bloß anders.

    Grundsätzlich würde ich der Aussage auch zustimmen, die Rolle des Berufes „Sekretär_in“ hat sich sehr stark gewandelt. Ob sich damit auch das Gehalt geändert hat weiß ich nicht, würde mich aber sehr interessieren. Die Aussage zu treffen, dass ein (nach unten) verändertes Gehalt NUR an dem Geschlecht der Personen festzumachen finde ich als bloße Aussage etwas gewagt. Da fehlen mir einfach noch ein paar Daten und ich wäre sehr dankbar, wenn ihr da einen Link hättet.

  8. Mein Beispiel hat jetzt nicht direkt was mit dem Beruf zu tun, aber zeigt, dass die Leistung von Frauen oft unterschätzt wird:

    Ich lese gerade „Dream Teams: Die erfolgreichsten Seilschaften des Alpinismus“. Dort wird auch die Seilschaft Paula Wiesinger und Hans Steger vorgestellt. Diese beiden Topalpinisten und – kletterer ihrer Zeit gingen unter anderm mit König Albert I. von Belgien bergsteigen. „Paulas Beteiligung an den Bergtouren wurde von dem belgischen König aber auch deshalb gewünscht, weil er dadurch seine Bergtouren – die vielfach als zu gefährlich mit Argwohn betrachtetet wurden – nach außen hin mit der Begründung rechtfertigen konnte, sie seien unbedenklich, weil »sogar ein Mädchen im Stande war mitzugehen«. Dass dieses Mädchen aber eine der besten Bergsteigerinnen ihrer Zeit war und mehr Mut und Erfahrung hatte als die meisten Männer, die kletterten, war damals nur in Bergsteigerkreisen bekannt. “ ( aus http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/paula-wiesinger/ )

  9. @Soda: Nein, das ist alles nicht gerecht. Und nicht mal unbedingt verständlich, Arbeitgeber_innen Frauen benachteiligen, denn es gibt auch genügend Frauen, die Karriere machen wollen. Und Mütter, die ihren Beruf weiter ausüben wollen nach einer Babypause. Warum genau ist es verständlich, ihnen weniger zu bezahlen? Die Arbeit, die sie machen, ist doch genauso viel wert, wie wenn es ein Mann täte! Zu den Berufen die vor allem Frauen machen – leider arbeiten nicht alle Frauen zum Spaß, sondern viele weil sie es müssen, weil sie Geld brauchen. Dass diese Berufe dann noch schlechter bezahlt sind, weil man sie einfach weniger wert schätzt, ist dann ja die traurige Grundaussage des Textes.

  10. es gibt noch einen weiteren grund: frauen werden als anhängsel von männern gesehen, die von diesen versorgt werden müssen. als solche brauchen frauen kein so hohes gehalt wie männer, weil männer für die familienversorgung zuständig sind.

    obiges hab ich selbst erlebt, in einem frauenberuf. tarife galten für die frauen, der lohn der wenigen männer war aber etwa ein drittel höher, für die gleiche arbeit.

    völlig unverständlich ist mir bis heute, warum für diese arbeit überhaupt männer eingestellt wurden, wo doch die frauen viel billiger arbeiteten.

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