Dafür brauche ich eigentlich keine Studie, aber bitte sehr: Viele Frauen haben oft und gerne unverbindlichen Sex.
Jocelyn Wentland, Masterstudentin am Institut Family Relations and Human Development an der Guelph University in Ontario in Kanada stört es schon seit Längerem, dass Studien zum Thema Sex und Frauen häufig sexuelle „Fehlfunktionen“ erforschen, nicht mehr aktuell sind und/oder das Thema Sex sehr geschlechtsstereotyp behandeln.
Wentland beobachtet außerdem, dass sexuelle Verhaltensweisen, die nicht den traditonellen Erwartungen an das männliche und weibliche Geschlecht entsprechen, (immer noch) als Anomalie dargestellt werden. Eine Frau, die sich nicht wie das ’nette Mädchen‘ verhält und die nur Sex hat, wenn sie in einer festen Beziehung ist, bekommt den Vorwurf, sie verhalte sich ‚wie ein Mann‘. Bei Männern gilt wohl umgekehrt: Eine 25jährige männliche Jungfrau ist vielleicht nicht gerade der Obermacker der Truppe.
Laut Wendland sei die langweilige dichtome Vorstellung eines sexhungrigen und nimmersatten Mannes und einer zu erobernden, treuergebenen Frau nicht nur in den Köpfen der Menschen sondern auch immer noch in der Wissenschaft präsent. Um den Frauen eine Stimme zu geben, die nicht dem Bild der sexuell passiven Frau entsprechen, konzipierte Wentlands eine Online-Umfrage, die sie bewusst auf Seiten zur Verfügung stellte, auf denen sie sexuell aufgeschlossene Frauen finden würde. Ihre Ergebnisse sind demnach nicht repräsentativ für „die Durchschnittsfrau“, sondern bieten einen Einblick in die Erfahrungswelten von über 1.500 sogenannten „sex-positiven“ Frauen, von denen die Hälfte zwischen 20 und 30 Jahren ist. Hier sind ein paar ihrer Ergebnisse (Achtung, es wird heiß!):
93% der Befragten finden, dass Sexfantasien erregend sind
91% der Befragten haben kein schlechtes Gewissen beim Masturbieren
90% der Befragten machen gerne den ersten Schritt
88% der Befragten sind leicht sexuell zu erregen
82% der Befragten genießen es bis zum Orgasmus zu masturbieren
70% der Befragten berühren sich beim Sex gerne selbst
58% der Befragten mögen Sexspielzeuge
55% der Befragten benutzen Sexspielzeuge mit ihren Partner_innen
42% der Befragten, die gelegentliche Beziehungen führen, haben einen fuck buddy
32% der Befragten, die gelegentliche Beziehungen führen, haben einen regelmäßigen Sexpartner oder eine Sexpartnerin, mit dem oder der sie keine Beziehung führen
27% der Befragten haben ein oder zweimal die Woche Sex
Hm, wenn ich „sex-positiven“ Frauen „sex-positve“ Fragen stelle – was genau habe ich dann herausgefunden?
Herausgefunden: Nichts.
Bewiesen: Dass es sie gibt.
Für einige Frauen sicher eine beruhigende Nachricht: Es gibt noch mehr die so „unglaublich abgedreht“ und „mackerhaft“ und „irgendwie auch gruselig“ sind wie du! (Zitate entstammen meiner privaten Liste, „was Leute über mich sagen, nachdem ich über Sex geredet habe“).
Mh, tatsächlich bin ich mir ob des Effekts solcher „Studien“ auch unklar. Also zunächst ist es ja so, dass Stereotype die sexuelle Kommunikation innerhalb der Mehrheitsgesellschaft nach wie vor dominieren. Der Mainstream der Nischen oder sex-positive Feminist_innen hin und her. Fraglich ist, wie geht mensch damit um? Es ist ja auch nicht so, dass das Konstatieren von einem Prozentsatz von einer bestimmten Gruppe Frauen als sex-positiv meine konkrete Lebenswelt irgendwie tangiert. Abseits davon, dass genau das Thema immer ganz vorne ist bei Argumentationen über Feminismus. Und bei mir sorgt das für Unbehagen, wenn an denn gegeben Strukturen vermehrt kritisiert wird, dass kein Platz/Raum für die eigene Sexualität sei. Abseits davon, dass es im Gegenteil ja den Verhältnissen wie sie sind entgegenkommt, wenn bspw. nun auch ein Marktsegment für Sexspielzeuge für Frauen wächst. Und das Verhandeln (selbst in feministischen Kontexten) von Lebensqualität primär über die Einstellung „sex-positiv“ geschieht; dann ist die Kritik auch schnell in dem Schema drin, mit welchem auch AXE o.ä. suggestiv eine einseitige Kommunikation betreibt, nur mit „anderen Körpern“ und vermeintlich „anderen Bedürfnissen“.
Für diejenigen, die sich in ihrer Lebensrealität nicht das nehmen können was sie wollen und sich damit schlecht/unterdrückt fühlen, denen die aufgrund von Stereotypen an Lebensqualität verlieren, würde ich gerne etwas anderes mit an die Hand geben als eben diese Stereotype und ein paar Zahlen… auch wenn das hier gerade keine_r behauptet: das kann doch nicht alles sein :(
Netter Artikel. Feminismus kann ja auch anders.
Jetzt kommen wir uns langsam näher, nicht weil es um Sex geht, sondern weil mal nicht gegen die schlimmen Machos gewettert wird. Ein entspannter Blick ins Private kann auch mal die Fronten aufweichen.
Danke dafür.
Vielleicht noch als eine Art Zusatz: es sollte m.E. ja einfach außer Frage stehen, dass jede_r seine_ihre Sexualität ausleben kann wie sie_er will, insofern die Beteiligten nicht negativ beeinflusst werden. Aber mit bzw. aus solchen Studien wird das in meinen Augen irgendwie nicht deutlich.
Mh, also ich finde es eigentlich ziemlich gut, wenn ich solche Sachen lese, so nach dem Motto „Aha ok ich bin nicht die einzige …“ Ich bin fast versucht zu glauben, das die meisten dieser Punkte sowieso auch auf die meisten Frauen zutreffen, also nicht nur diejenige die sich selbst als „sex-positiv“ bezeichnen, sondern auch die „Otto-Normalverbraucherin“, der Unterschied ist vllt einfach nur, dass die einen es eher breitwillig zugeben und die anderen noch etwas eher diesen Mythos von der passiven Frauen vorspielen.
Mal ne Frage: Wo genau ist der Unterschied zwischen einem „fuck buddy“ und „einen regelmäßigen Sexpartner oder eine Sexpartnerin, mit dem oder der sie keine Beziehung führen“ ?
@Zoe: Dito. Die Zitate könnten aus meinem Freundeskreis oder auch von meinem Freund stammen :)
Ich mag übrigens das Bild. Ich glaube, ich brauch so ein T-Shirt :)
In meinem persönlichen Umfeld erlebe ich es eher andersrum. Das Bild der „passiven Frau“ ist uncool, die „sex-positive“ Frau, wie in der Studie beschrieben, ist modern. So sollte eine junge Frau sein!
Aber ist das kreieren einer zweiten/neuen Norm zum Thema „Wie Frauen mit ihrer Sexualität umgehen sollten“ wirklich ein hilfreier Schritt in Richtung „Jeder so wie er möchte“?
schließe mich Fräulein Provokant an.
„frauen mögen sex“ ist genauso pauschalisierend wie „frauen mögen keinen sex“. nicht alle frauen mögen/brauchen sex, und solange das kein problem für sie persönlich darstellt sollte es auch von niemandem sonst zum problem gemacht werden.
also als ich gelesen hab, dass ganze 42% einen fuck buddy haben, war mein erster gedanke: krass und warum hab ich dann keinen?
aber ein zitat von der autorin:
„Of the women who are casually dating and did not identify that their last sex partner was a committed partner – almost 32 percent have a regular casual sex partner, 42 percent a ‘fuck buddy’ or ‘friend with benefits,’ nine percent a ‘booty call,’ and 17 percent had had a one-night-stand.”
also geht’s nicht um 42% der befragten, sondern um 42% der „casually dating“ befragten. na dann. ok.
quelle:
http://nocureforthat.wordpress.com/2010/05/05/women-have-lots-of-casual-sex-get-over-it/
schade, dass ich die originalstudie mit den originaldaten nicht finden konnte. ich wüsste auch gern auf welchen seiten konkret diese umfrage gelaufen sind.
@Lori
ich glaub der unterschied ist das „regular“. ein fuck buddy muss ja nicht notwendigerweise ein „regelmäßiger“ sexpartner sein.
Ich glaube, dann liegt es wirklich an der Lebensrealität, am Freundeskreis usw.
Ich kann mir schon vorstellen, dass Frauen sagen: Ich will auch nicht, dass jemand mir sagt, ich solle gefälligst sex-positiv sein, nur weil ich jung und Feministin bin.
Unter Druck gesetzt zu werden, weil mensch zu wenig Sex hat oder nicht offen genug darüber spricht, kenne ich aber auch – bloß immer nur im Bezug auf Männer. Dass es anders rum auch funktionieren kann, leuchtet mir ein, habe ich aber einfach noch nie erlebt.
Deswegen meine erst mal positive =) Meinung zu der Umfrage – da ich jetzt anderes höre, muss ich das wohl revidieren.
Nur weil eine bestimmte soziale Gruppe befragt wurde, heisst das nicht, dass eine Studie nicht relevant sei! Es sagt uns vielmehr etwas ueber die spezielle Gruppe aus und gibt dann Anlass, daraus bestimmte Schlüsse zu ziehen. (Wie z.B. B. Zitrone der/die die Frage aufwirft, ob die Sexspielzeug-Industrie nicht von diesen Frauen profitiert). Studien wegen ihrer Ergebnisse oder Relevanz zu kritisieren, ist schlichtweg wissenschaftliche Arroganz – Studien sind nicht dazu da, fuer alle relevante Ergebnisse zu produzieren.
Übrigens steht nirgends im Text, dass *alle Frauen* viel und oft Sex hätten. Und auch nicht, dass sie *sollen*. Es zeigt lediglich auf, dass es diese Frauen gibt.
@ Judith: Danke fuer den Hinweis, habe es hinzugefuegt.
@Magda: ich beziehe mich nicht auf den text über die studie, sondern auf die überschrift. die finde ich eben unpassend.