Kein Zugang zu Abtreibungen und Abtreibungsverbote – da wird sehr häufig auf andere Länder gezeigt (USA, Irland, um nur zwei zu nennen). Immer wieder habe ich in Gesprächen erlebt, wie Menschen – gerade Personen, die nicht in feministischen Kreisen aktiv sind – das Gefühl haben, in Deutschland gebe es eigentlich kein Problem. Wenn eine dann erklärt, dass Abtreibungen in Deutschland rechtswidrig sind und nur unter Umständen nicht strafverfolgt werden, sind viele auch durchaus erstaunt.
Wie gefährlich diese Rechtskonstruktion ist, zeigen Feminist_innen auf seitdem es die entsprechenden Paragraphen gibt. Dass ein Recht auf Abtreibung kein gesellschaftlicher Konsens ist, lässt sich nicht nur aus den juristischen Formulierungen herauslesen, sondern zeigt sich auch bei den großen Protesten von Abtreibungsgegner_innen, deren Präsenz im Netz und beispielsweise Anwesenheit auf Jugendmessen.
Wie in der Praxis der Zugang zu Abtreibungen plötzlich nicht mehr vorhanden sein kann, beschreibt die taz in einem aktuellen Artikel. Im Landkreis Schaumburg in Niedersachsen werden die drei bisher existierenden kleineren Krankenhäuser zusammengelegt zu einem Kreiskrankenhaus. Abtreibungen wurden bisher in zwei der Krankenhäuser durchgeführt (Arztpraxen, die den Eingriff vornehmen gibt es im Landkreis nicht). Das dritte Krankenhaus wird von einem Betreiber (Agaplesion) geführt, der sich auf christliche Grundsätze beruft und nun das neu geschaffene Kreiskrankenhaus betreiben wird. Abtreibungen sollen keine mehr durchgeführt werden (außer in den wenigen Fällen, in denen das Krankenhaus eine „seelische Gefährdung“ anerkennt). Da es kein Recht auf Abtreibung gibt, können Krankenhäuser selbst entscheiden, ob sie die Prozedur anbieten oder nicht und so gehen hier weitere Privatisierung des Gesundheitssektors mit der Einschränkung reproduktiver Rechte Hand in Hand. Betroffene Personen im Landkreis Schaumburg müssen nun also wesentlich weitere Wege auf sich nehmen (was natürlich nicht nur mit mehr Aufwand, sondern auch Kosten und Organisation verbunden ist).
Unter der jetzigen Rechtskonstruktion ist der Zugang zu (sicheren) Abtreibungen immer prekär, jederzeit auf der Kippe. Davon einmal abgesehen, dass die jetzige Fristenregelung und das erzwungene Beratungsgespräch ebenfalls Barrieren herstellen, die vor allem der Schikane dienen.
Beschwerden sind hier an einigen Stellen angebracht, zum Beispiel bei der Agaplesion AG (willkommen@agaplesion.de) oder dem Kreistag, der die Zusammenlegung beschlossen hat (eine Liste der Mitglieder und deren Kontakdaten gibt es hier). Auch macht der Fall einmal mehr als deutlich, warum wir weiter kämpfen müssen für eine Änderung des Abtreibungsparagraphen!