Wenn Herr Kaiser und seine Freunde mal so richtig feiern

Dass Vorstandsetagen auch im 21. Jahrhundert ein Männerclub sind, in dem Frauen nicht als Kollginnen vorgesehen sind, verdeutlichte 2005 schon die VW-Affäre. Neben „normaler“ Veruntreuung gab man dort auch Millionen für „Lustreisen“ und Bordellbesuche aus. Finanziert aus der Firmenkasse. Anscheinend kein Einzelfall.

So berichtet gerade das Handelsblatt von einer Party der ganz besonderen Art der Versicherung Hamburg-Mannheimer. Die hatte ihre besten Vertreter geladen – ob dort keine erfolgreichen Vertreterinnen arbeiten oder diese schlicht nicht eingeladen wurden, bleibt unklar. Bei der Party in einer Budapester Therme, wären sie auf jeden Fall fehl am Platze gewesen:

„Die Damen trugen rote und gelbe Bändchen“, berichtet einer der Gäste in seiner eidesstattlichen Versicherung. Die einen waren als Hostessen anwesend, die anderen machten durch die Farbe des Handschmucks deutlich, dass sie nicht nur zum Plaudern gekommen waren. Und dann gab es da auch Damen mit weißen Bändchen. Sie waren reserviert für die Vorstände und die Besten der Besten aus der Vertriebstruppe, intern die „Top-Five-Mitglieder“ genannt.

Wem sich hier der Eindruck aufdrängt, Frauen wären mehr als Fleisch und Ware behandelt worden, denn als Mensch – es geht noch gruseliger:

„Jeder konnte mit einer der Damen auf eines der Betten gehen und tun, was er wollte. Die Damen wurden nach jedem solcher Treffen mit einem Stempel auf ihrem Unterarm abgestempelt. So wurde festgehalten, welche Dame wie oft frequentiert wurde“, schreibt ein Anwesender, ebenfalls an Eides statt.

Ich glaube, ich will nicht einmal wissen, warum sie diese Dokumentation an den Sexarbeiterinnen haben vornehmen lassen. Und was ist dort mit der körperlichen Selbstbestimmung passiert? Jeder durfte mit den Frauen tun, was er wollte – auch wenn sie das nicht wollte? In der hauseigenen Mitarbeiterzeitung Profil wurde schließlich mit vielen Bildern über das „Incentive-Event“ berichtet und mit Lob nicht gespart.

Back to the roots – so war es für die einen. Unglaublich, was man in der HMI wirklich erleben kann – so war es für die anderen. Aus welchem Blickwinkel auch immer man diese Mega-Fete betrachtete, ein Mordsspaß war es auf alle Fälle. Jedenfalls haben wir bis zu diesem Zeitpunkt noch niemanden gefunden, der dabei war und nicht sofort wieder loslegen möchte.

Das Handelsblatt hat letzteres übrigens abgetippt für ihren Artikel und den ersten Satz weggelassen. Dabei tun sich hier noch ganz andere Abgründe auf. Ob sich „Back to the roots“ nun auf die Vergangenheit bezieht oder derartige Parties auch auf niedrigeren Ebenen der Versicherung an der Tagesordnung sind – das möchte ich nun doch gern wissen.

25 Kommentare zu „Wenn Herr Kaiser und seine Freunde mal so richtig feiern

  1. Wenn frauen in den vorständen vertreten sind, dann wird die auch prostitution vielleicht geschlechtsneutral, aber bestimmt nicht abgeschafft.

    Genauso wie die frauenquote ja nicht etwa dazu führen würde, dass der klüngel bei der postenvergabe aufhört, sondern lediglich, dass der klüngel geschlechtsneutral ist.

  2. „Die Damen wurden nach jedem solcher Treffen mit einem Stempel auf ihrem Unterarm abgestempelt.“

    Ich bin da normalerweise recht locker, aber bei der Aussage mußte ich auch schlucken… Auch wenn das Stempeln vermutlich nur zur Dokumentation und damit der Abrechnung der in Anspruch genommenen Dienstleistungen diente, so wie beschrieben klingt das extrem entwürdigend… nicht nur, weil es zu sehr an Lilien erinnert.

  3. Wenn jemand in seiner Freizeit zu Prostituierten geht, so ist dies seine Privatsache und die Nachfrage wird sicherlich auch immer ein Angebot schaffen. Wenn so etwas aber von der Firma organisiert wird, ein gewisser Gruppenzwang herrscht, ja, man womöglich noch aufgezogen wird, wenn man nicht daran teilnehmen möchte (Spekulation – aber ich könnte es mir vorstellen) & die Frauen dann auch noch markiert werden – das ist einfach nur abartig, ehrlich. Da fehlen mir die Worte. Mitarbeiter kann man auch anders belohnen und loben als mit organisiertem Rumgeficke.

  4. Tja, da weiss ich ja, welche Versicherungen nächste Woche gekündigt werden. Kein Bedarf dass Gewinne aus meinen Versicherungsprämien für so etwsa genutzt werden.

  5. … „hatten ihre besten Vertreter eingeladen“ …“für die besten der besten reserviert“ ..

    womit auch klar ist, was die entscheidendes Kriterien sind um zu „den besten“ zu gehören. Männlich und hetero. Das finde ich das eigentlich Unappetitliche an der Sache. Das sich die Firma so einen Männerklüngelverein zurechtgezüchtet zu haben scheint, dass Incentives auf die Art und Weise auf die homogene Mitarbeiterschaft zugeschnitten werden können.

  6. Warum sollten die besser als dazumal VW sein?

    Manchmal frage ich mich auch, ob die Gerüchte (und von solchen Ehemaligen gehörten Sprüche) über manche Versicherungsvertreter korrekt sind, nämlich, dass sie gern auch mal die Kundin bei einem Besuch …

    Wenigstens wissen wir wo unser Geld bleibt, wenn die Provisionen der Herren das Puff mitfinanzieren.

    Alles in allem seltsames Gebaren. Gehört wohl auch zu manchen Herren dazu.
    Das wird auch kein Einzelphall sein – egal in welcher Branche, in der Geld gemacht wird.
    Über Moral kann eine streiten, verstehen muss ich Puffbesucher nicht.

    Mir stellt sich die wichtigere Frage, wie freiwillig, legal und gut die Arbeitsbedingungen der Huren und Hostessen waren.

  7. Danke für diesen Artikel – genau dasselbe habe ich mir auch gedacht, als ich heute die Schlagzeile gelesen habe.
    Und mich daran erinnert, dass eine Bekannte von mir schon vor Jahren gesagt hat, dass sie immer Bordell- und Strip-Club-Abende organisieren muss, wenn Kollegen von anderen Filialen oder Geschäftspartner aus anderen Firmen zum „Geschäftsessen“ da haben. Das fand ich damals echt absurd, aber es war wirklich wahr.

  8. notabene: Hamburg-Mannheimer heissen heute Ergo-Versicherungen (ja die mit der nervigen Werbung) und gehören zu 99,xx Prozent zur Munich RE (Münchner Rück), im Endeffekt ist das ähnlich wie Nestlé, es ist sehr schwer, denen aus dem Weg zu gehen, leider.

  9. „womit auch klar ist, was die entscheidendes Kriterien sind um zu “den besten” zu gehören. Männlich und hetero.“

    Bist du sicher? Ich dachte das geht ganz objektiv nach dem erzielten umsatz. Zumindest in diesem fall mal ganz neutral und diskriminierungslos.

    Und da es sich um selbstständige (freiberufliche?) handelsvertreter handelt, sind die möglichkeiten der männerverschwörung schon sehr begrenzt.

    Was natürlich nicht ausschließt, dass frauen gar nicht erst eingeladen wurden, es also die 100 besten männlichen vertreter unter sich sind.

    „Jeder durfte mit den Frauen tun, was er wollte – auch wenn sie das nicht wollte?“

    Das ist eine unnötige, negative spekulation – ich denke es werden edelhuren gewesen sein die an dem abend prächtig verdient haben.

  10. @Der göttinger: Ja, vielleicht sind tatsächlich die 100 besten Vertreter der HMI damals alles heterosexuelle Männer gewesen. Vielleicht hat man auch die besten Vertreterinnen nicht eingeladen und in Kauf genommen, dass homosexuelle Vertreter dort nicht reinpassen oder diese auch in eingeladen. In Fall sind dann tatsächlich die Kriterien, um in diesen illustren Kreis der Besten zu gelangen nicht nur die Umsatzzahlen, sondern auch Geschlecht und sexuelle Orientierung. Und es spielt keine Rolle, wieviel Geld die Sexarbeiterinnen verdient haben, ihr Recht auf körperliche Selbstbestimmung und ihre Würde gehören gewahrt.

  11. @Helga

    Ich bezweifle, dass man sich dort eingehende Gedanken zur poltisch korrekten Zusammensetzung der Partyrunde und der Würde der Sexdienstleisterinen gemacht hat.

  12. Ja Helga ich bin ganz bei dir, und würde es ganz gerne noch ausweiten: Alle berufe mit körpereinsatz haben ein recht auf körperliche selbstbestimmung: Stahlarbeiter, Ölplattformleute, Sicherheitsdienste, etc.

  13. Hast du schonmal von einer Party gehört, bei der die Gäste mit Stahlarbeitern, Ölplattformleuten oder Sicherheitsleuten „machen konnten was sie wollten“?

    Wobei ich in diesem Fall glaube, dass die Formulierung einfach ein Euphemismus für Sex war.

  14. @Neeva: Ja, wahrscheinlich war es ein euphemismus für Sex, aber die wortwahl lässt durchaus Rückschlüsse darauf zu, dass mindestens der mann, der diese aussage gemacht hat, der Meinung ist, dass man mit huren machen kann, was man will.
    @derGöttinger: du vergleichst Äpfel mit Birnen. Mit Menschen, die auf dem Bau, im stahlwerk, auf der Ölbohrplattform,… arbeiten, darf der Arbeitgeber/Kunde nicht machen, was er/sie will. Es gibt arbeitsschutzgesetze, die die körperliche Unversehrtheit sicherstellen. Nur weil jemand einen arbeitsvertrag als BauarbeiterIn unterschrieben hat, darf der/die Auftraggeberin ihn/sie noch lange nicht schlagen. Hier wird doch nicht der Körpereinsatz der huren angeprangert, sondern die einstellung, dass der freier alles mit der hure machen dürfe.

  15. @Göttinger

    Wenn eine gemeinsame Reise zu rumänischen Prostiuierten als Prämie ausgeschrieben wird, ist das eben nur für eine gewissen Gruppe von Mitarbeitern ein Motivationsanreiz, sich diese Prämie zu erarbeiten. Und das ist diskriminierend.

  16. mir wir einfach nur übel wenn ich den beitrage lese. und erst recht wenn ich lese dass es hier schon wieder so abläuft, dass sich einige hier erklären lassen, warum sowas einfach ein totales nogo ist.

    ich persönlich möchte ja in diesem fall weder eine sexarbeiterin sein, noch einer der herren. die einen werden entwürdigt, die anderen sind entwürdigend.

  17. Was kann eine unternehmen, um den Herrschaften klar zu machen, dass ihr Verhalten nicht erwünscht ist? Die Versicherung kündigen? Schwierig, da inzwischen fast alle Gesellschaften miteinander verbandelt sind, so dass eine kaum mehr durchblickt.
    Auf jeden Fall möchte ich derartige Menschenverkaufspartys ungern ungestraft mit meinen Versicherungsprämien finanzieren lassen. Kann ich der Versicherung eine Zweckbindung für die Verwendung von Versicherungsgeldern/-gewinnen aufzwingen? Eine, die verbietet, Gelder für Prostitutionspartys zu verwenden? Was habt ihr für Ideen? Flashmobs vor der Konzernzentrale?

    Anderer Punkt: Ich frage mich, wie es den Mitarbeitern ergangen ist, die gute Umsätze hatten und plötzlich unter dem Gruppenzwang standen, an dieser Ekelveranstaltung teilzunehmen. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass nicht alle der Teilnehmer wirklich völlig freiwillig dabei waren. Ich kann diesen Männern nur raten, sich schleunigst eine_n anderen Arbeitgeber_in zu suchen.

  18. Mal abgesehen von den menschenverachtenden Formulierungen und der Einstellung zur Prostitution ansich, ist es ganz offensichtlich eine Diskriminierung weiblicher HMI-Mitarbeiter, da hier mit zweifelhaften Lockangeboten wohl gezielt (bewußt oder unbewußt) Männer motiviert wurden/werden, noch höhere Leistungen zu erbringen. Oder wie sonst soll man die Exclusiv-Reservierung bestimmter Damen für einen elitären Kreis an Mitarbeitern erklären? Womit werden weibliche Mitarbeiter motiviert? Mit einem Jahres-Abo der Brigitte? Ein Blumenstrauß alle 10 Dienstjahre? Oder gar nicht?

    Des weiteren: Das Ausweichen auf Nebenschauplätze und Apfel-Birnen-Vergleiche ist bei solchen Diskussionen wohl unausweichlich. Aber Hinweise wie, dass andere Berufsgruppen ja auch ihren Körper verkaufen würden, sind absurd und sollen nur ablenken. Mir ist nicht bekannt, dass benannte Berufsgruppen ihren Körper anderen Menschen zur freien sexuellen Benutzung zur Verfügung stellen (müssen).

    „Heute bedauert die Ergo den Vorfall, der „einen gravierenden Verstoß gegen geltende Richtlinien des Unternehmens“ darstelle und nicht toleriert werde. „Die verantwortliche Führungskraft und das verantwortliche Vorstandsmitglied sind für uns nicht mehr tätig“, heißt es in der Stellungnahme von Ergo.“

    Die Reue kommt reichlich spät (nach 4 Jahren) und auch nicht besonders glaubwürdig. Ich glaube ich will gar nicht wissen, was da noch alles hinter verschlossenen Türen für Exclusiv-Angebote gemacht und angenommen werden. Obwohl, eigentlich doch. Je bekannter Menschenverachtung wird, desto besser und angemessener kann man drauf reagieren.

  19. Ja, wenn die Firmen bei so einem jahrelangen gebaren erwischt werden, weinen sie wie kleine Jungs, die auf die Klobrille gepinkelt haben und dann zum putzen gezwungen werden.

    Erstaunlich, dass in Firmen niemand weiß was für „Spesen“ die Leute so abrechnen. In deren Buchhaltung sitzen dann wohl auch die Herren, die Puffs frequentieren?

    Ich könnte mir keine Dame als Freizeitausgleich buchen, mein Finanzbeamter würde das nicht als abzugsfähig gelten lassen.

  20. Was mich bei dieser Diskussion am meisten wundert ist das ignorieren der Tatsache was HMI ist.
    Irgendwie wird so getan, als ob das ein paar Versicherungsvertreter wären, die sich einen Ausrutscher erlaubt haben. Aber vielleicht sollte man sich mal ansehen was die überhaupt so tun. Kleiner Tipp: Versicherungen verkaufen die nicht wirklich.

  21. Klar finanzieren sich manche durch Prostitution das Studium. Das mag ja noch freiwillig sein.

    Aber wenn sich eine am Uniprofs prostituieren muss oder sich missbrauchen, um ihre Doktor- oder Magisterarbeit durch zu bekommen, hört sichs auf. Sowas wird dann eher verschwiegen.

  22. Pingback: Weblese | L-talk

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