Wehrpflicht für alle in Norwegen – Nicht (m)ein feministischer Traum

Aus Norwegen gibt es „Gleichberechtigungs-Neuigkeiten“. Ab 2015 soll der einjährige Militärdienst nicht ausschließlich für Männer sondern für alle gelten. Die Armee an sich soll aber nicht vergrößert werden.

Eingesetzt für diese Änderung hatte sich vor allem eine junge Politikerin, Ingrid Marie Isachsen Sylte, der Sozialistischen Jugend. Sie hatte im März auf dem Parteitag ihrer Partei einen Antrag eingebracht. Diese war dem Vorschlag gefolgt und bald schlossen sich fast alle anderen Parteien der Idee an. Bei der Abstimmung im Parlament in der letzten Woche gab es dann auch nur fünf Gegenstimmen. Einzig die Christdemokraten waren nicht von der „geschlechterneutralen Wehrpflicht“ überzeugt.

Und das ist jetzt toll? Das ist jetzt ein großer Schritt für mehr Gleichberechtigung? Ein „historischer Tag“, wie es Verteidigungsministerin Anne-Grete Stroen-Erichsen verkündete?

Ich finde es geradezu schwer verständlich wie sich aus einer linken (feministischen?) Position heraus voller Begeisterung auf ein solches Projekt gestürzt werden kann. Das Militär ist ein Teil von Kriegsmaschinerie, ein Ort von Gewalt und verbunden mit militanten Männlichkeitsbildern. Doch diese Punkte werden nicht an sich hinterfragt, sondern einfach ein kleiner „Gleichberechtigungs“-Stempel drauf geknallt. Genauso „fair“ wie eine Wehrpflicht, die alle einschließt, wäre ja auch die Möglichkeit gar keine Wehrpflicht – oder sogar gar kein Militär – zu haben.

Frauen in der norwegischen Armee gibt es auch schon länger. Seit 1976 können sie einen freiwilligen Militärdienst leisten. Zur Zeit stellen sie neun Prozent des Militärs. Das Ziel von 15 Prozent Frauenanteil wurde damit aber nicht erreicht. Dazu kommt, dass derzeitig etwa 20 Prozent aller Soldatinnen ihren Dienst abbrechen und dies damit begründen, dass sie gemobbt oder sexuell belästigt wurden. Es scheint also offensichtlich Probleme in den bisher immer noch männlich dominierten Strukturen zu geben. Sollten nicht erst einmal diese angegangen werden bevor man Frauen – zumal unter dem Deckmantel der „Gleichberechtigung“ – derartige Arbeitsbedingungen zumutet?

Ob sich der Anteil der Soldatinnen überhaupt mit dem neuen Gesetz verändert ist jedoch auch fraglich. Schon jetzt wird nur ein Bruchteil des jeweiligen Jahrgangs eingezogen: Ausschlaggebend dafür ist auch die Motivation der Gemusterten. Der großer Umbruch scheint wohl so oder so mehr Symbolpolitik zu sein.

43 Kommentare zu „Wehrpflicht für alle in Norwegen – Nicht (m)ein feministischer Traum

  1. Ich kann dem Artikel nicht ganz folgen;
    der Hinweis, dass man doch erst einmal bestehende sexistische Strukturen im Militär aufbrechen sollte, lässt sich ja auf alle Berufsfelder, wo es solche gibt, übertragen. Und zumindest ich bin nicht der Meinung, dass Frauen erstmal nicht in die Bankenbranche etc.gehen sollten, weil es da ja noch Sexismus gibt…
    Vielmehr ist das jetzt ja gerade eine Chance, den Sexismus im Militär zu beheben. :-)

  2. @Horatio
    Hä? Im Artikel steht doch explizit, dass Frauen* in Norwegen durchaus bereits beim Militär arbeiten – die einzige Neuerung ist eine voraussichtlich mehr öffentlichkeits- als praxiswirksame Erweiterung der Wehrpflicht. Wenn es darum ginge, Frauen* aus allen sexistisch geprägten Erwerbstätigkeitsfeldern rauszuhalten, müsste man Frauen* eigentlich raten, gar nicht arbeiten zu gehen – was das dann wieder für Probleme mit sich bringt, ist klar. Der Punkt ist hier aber: Frauen werden qua Verpflichtung in einen Bereich gezwungen, in denen ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit Übergriffe drohen. Wo da genau per se eine Chance zur Behebung von Sexismus liegt, erschließt sich mir nicht (du nennst ja selbst ein Beispiel dafür, dass das auch in anderen Branchen nicht einfach durch die Partizipation von Frauen* funktioniert). Es gibt diverse Armeen auf der Welt, in denen viele Frauen tätig sind, aber das tut den dort vorwaltenden Strukturen offenbar wenig Abbruch.

  3. Ich stimme dir total und in allen Punkten zu. […] Was für ein [Mist] und ein oberflächlicher Ansatz zur „Gleichberechtigung“.
    Aber das kommt dabei heraus, wenn man/frau die männliche Rolle als Maßstab sieht.
    Das kann es nicht sein. Beim Militär z.B. werden Gefühle von Empathie usw abgespalten, um die Grausamkeiten aushalten zu können, was für ein Rückschritt!
    Es kann muss meiner Meinung nach stärker reflektiert werden, welche Verhaltensmuster überhaupt wünschenswert sind, auch Frauen sind schließlich keine Engel!
    Also, danke für den Beitrag!
    Grüße aus Hamburg
    Anna

    Editiert wegen diskriminierender Begriffe. Bitte auch beim berechtigten Schimpfen darauf achten. (Charlott)

  4. Ich teile deine großen Bauchschmerzen beim Thema, allerdings ist die geschlechterneutrale Wehrpflicht dann eben doch das, was der Feminismus will: Gleiche Rechte und Pflichten für alle, statt Rosinenpickerei.

    Mehr dazu:
    „Endlich: Mordausbildung Pflicht nun auch für Frauen“ – http://goo.gl/9rN2v

  5. Bei der Bundesmarine gibt es seit heute erstmals zwei weibliche Kommandanten von Kriegsschiffen:

    http://augengeradeaus.net/2013/06/die-ersten-kommandantinnen-der-deutschen-marine/

    Ich verstehe die pazifistischen Bedenken, würde da ich selbst keiner bin aber sagen, dass ein Staat idR doch eine Armee braucht und Frauen darin natürlich auch repräsentiert sein sollten. Bewaffnete Macht ist genauso Macht wie wirtschaftliche oder kulturelle, man sollte da genauso Teilhabe einfordern wie in Museen (re diese Geschichte dass die Mehrheit der ausgestellten Akte weiblich sind, aber die Minderheit der ausgestellten Künstler), Chefredaktionen und DAX-Aufsichtsräten.

  6. Völlig berechtigte Kritik am Militär und der Wehrpflicht im Allgemeinen. Meiner Meinung nach geht sie allerdings am Kern der Debatte vorbei. Der herrschende Sexismus trifft (traf) zumindest in der Bundeswehr auch Männer. Nämlich eben jene Wehrpflichtigen, die dem dort aufgebauten Ideal nicht entsprachen oder nicht entsprechen wollten. Das macht den Sexismus gegen Soldatinnen keinesfalls besser, aber es ist eben ein anderer Punkt. Sexismus in den Streitkräften ist ein Problem, keine Frage. Aber der Kernpunkt an dieser Debatte ist meines Erachtens, dass das Auswahlverfahren „Männer: ja; Frauen: nein“ in der Wehrpflicht diskriminierend ist und somit nun völlig zu Recht abgeschafft wurde.
    Dass Wehrpflicht und Sexismus in den Streitkräften kacke sind und ebenfalls behoben gehören, halte ich für einen berechtigten Einwand aber in dieser Frage deplatziert.

  7. @s10n: Du schreibst von der Sache, die „der Feminismus will“. Da es nicht den Feminismus gibt, gibt es natürlich auch nicht die Sache. In meinem Text habe ich ja gerade beschrieben, warum es aus meiner feministischen Perspektive keinesfalls sinnvoll ist, sich für eine Wehrpflicht für alle einzusetzen.

    @gelb: Zum einen können ja bereits jetzt in Norwegen Frauen Soldatinnen werden, Teilhabe ist also längst möglich. Und da nur ein geriner Teil eines Jahrgangs eingezogen wird, und es auch zukünftig wohl darauf ankommt, wer_welche angibt wirklich zur Armee zu wollen. Also auch bei der neuen Regelung wird sich wahrscheinlich nicht so viel an der Zusammensetzung der Armee ändern. Und trotzdem finde ich es wichtig zu diskutieren, woran Teilhabe gefordert wird und wo nicht viel grundlegendere Gesellschaftsveränderungen das Ziel sein sollten. Dabei geht es auch darum nicht ständig alles, was männlich kodiert ist, noch weiter aufzuwerten und als den erstrebenswerten Standard für alle ™ zu halten.

    @ballerocaIch halte es nicht für deplaziert mehre Aspekte eines Themas zu beleuchten. Und wenn ich diskutiere welche Personen von Wehrpflicht betroffen sein sollten, finde ich es wichtig auch zu fragen, warum es überhaupt Wehrpflicht geben soll und falls es Wehrpflicht gibt, wie die Strukturen sind. Außerdem: Nur weil Männer bisher von Wehrpflicht allein betroffen waren, macht das sie nicht zu Sexismus-Betroffenen. Sexismus hat immer auch was mit Macht zu tun. (Davon abgesehen gab und gibt es natürlich Männer, die in Armeen von Heterosexismus betroffen sind).

    @Jo: Wie in dem von dir verlinkten Artikel steht, hat das Parlament den Entschluss erst am 14. Juni getroffen. Davon abgesehen sind wir hier ein Freizeitprojekt und schreiben dann zu Themen, wenn wir Zeit und Interesse daran haben. Wenn Leser_innen „früher“ auf Themen stoßen, können sie jederzeit Gastbeiträge schreiben und an uns schicken.

  8. @Charlott:

    Wenn ich „den Feminismus“ beschreibe, meine ich damit die verkürzte Version eines Konsenses als „Streben nach Gleichberechtigung“ – das mache ich eigentlich auch ziemlich deutlich.
    Gleichberechtigung wiederum bedeutet eben: gleiche Rechte, gleiche Pflichten. Und genau das ist die „geschlechtsneutrale Wehrpflicht“. Sie ist also durchaus „feministisch“. Wehrpflicht nur für Männer und Befreiung für Frauen ist dem Wesen nach also antifeministisch.

    Dass die Mehrheit der Frauen ebenso wie der Männer, ob nun feministisch oder nicht, sicher gegen Wehrdienst und seine Folgen [und Wehrdienst ist nunmal notwendige wie hinreichende Bedingung für Krieg] ist, ist damit so wenig ausgeschlossen wie behauptet.;-)

  9. Sorry, s10n, aber wo hast du dieses Feminismusverständnis denn ausgebuddelt? Und warum ist es an dieser Stelle relevant? Wären wir hier auf Twitter, würd ich jetzt den Hashtag #scheindebatte dranhängen :D

    P.S. In feministischem Kontext ein Blog mit dem total witzigen Titel „Triebtäter“ heran zu ziehen…. well. Der Inhalt des verlinkten Posts spricht dann auch für sich.

  10. Leider finde ich den Artikel ebenfalls etwas undurchdacht…

    Als in Deutschland und Österreich über die Abschaffung der Wehrpflicht diskutiert wurde, wurde nicht ein einziges Mal über die Erweiterung der Wehrpflicht auf Frauen diskutiert. Das lag daran, dass mit der Wehrpflicht ein aus dem 19.Jahrhundert stammendes Bild von Männlichkeit und Weiblichkeit verbunden ist. ( Der Mann war in der Pflicht, dem Kaiserreich als Soldat zu dienen und Frauen waren mit „Mutter“ nahezu gleichgesetzt) Stilblüten, die in modernen Diskussionen in diese Richtung zielten, zeigten sich in der Diskussion dann wenn jemand sagte: „Es ist doch in Ordnung, wenn Männer Wehrdienst machen, Frauen sind ja auch 9 Monate lang schwanger.“ Schauder! Die Ablehnung der Wehrpflicht für Frauen- oder die Tatsache, dass nicht einmal darüber nachgedacht wurde entspringt einem tief sexistischen Weltbild. Mann= Krieg; Frau = Babies. (Selbstredend wurde dabei zweigeschlechtlich gedacht.)

    Natürlich reproduziert Militär überkommene Männlichkeitsbilder, natürlich ist Sexismus in Militärischen Strukturen ein Problem. Und selbstverständlich darf man über die Wehrpflicht nachdenken oder sie generell ablehnen. Das sind aber sekundäre Fragen.

    Entscheidend ist: Wenn ein Staat an einer Wehrpflicht festhält, dann ist die Forderung aus feministischer Sicht nachvollziehbar, dass die Wehrpflicht für beide Geschlechter gelten muss. Denn sonst werden uralte Bilder von Krieger und Mutter reproduziert.

  11. @Lautsprecherin:

    Natürlich reproduziert Militär überkommene Männlichkeitsbilder, natürlich ist Sexismus in Militärischen Strukturen ein Problem. Und selbstverständlich darf man über die Wehrpflicht nachdenken oder sie generell ablehnen. Das sind aber sekundäre Fragen.

    Deine Setzung erscheint mir doch ziemlich willkürlich. Warum sind denn das „sekundäre Fragen“? Warum ist es logischer, Frauen* aus vermeintlich antisexistischen Gründen zum Wehrdienst zu verpflichten als gegen eine generelle Wehrpflicht zu argumentieren (andersrum würde doch in Sachen Stereotypenaufbrechung genauso ein Schuh draus: Männer* raus ausm Krieg und rein in die Familienarbeit würde mindestens genauso „uralte Bilder von Krieger und Mutter“ konterkarieren – komischerweise gilt aber die männliche* Option irgendwie immer als die „neutral-normale“, die die Frau sich anzueignen hat, will sie sich emanzipieren. Warum nicht andersherum? Oder ganz anders?) oder dafür, zumindest zunächst ein level playing field innerhalb der Branche Militär herzustellen? Männlichkeitsbilder und entsprechende Strukturen, z.B. im Militär, bleiben unhinterfragt und unangetastet, aber Frauen werden ihnen unterworfen/sollen sich ihnen anpassen – und das soll dann antisexistische Praxis sein? Finde ich nicht überzeugend.

  12. @Anna-Sarah:

    es sind sekundäre Fragen gemessen an der Faktenlage. In Norwegen gibt es eine Wehrpflicht. Mensch kann es für politisch richtig halten, die Wehrpflicht oder das Militär abzuschaffen. Solange es sie gibt, muss sie für Männer und Frauen gelten.

    Ähnlich ist es beim Ehegattensplitting für gleichgeschlechtliche Ehen. Das Ehegattensplitting ist kritikwürdig und sollte besser heute als morgen abgeschafft werden. Solange es aber ein Ehegattensplitting gibt, muss es für alle Paare gelten.

  13. @Lautsprecherin:

    Mensch kann es für politisch richtig halten, die Wehrpflicht oder das Militär abzuschaffen. Solange es sie gibt, muss sie für Männer und Frauen gelten.

    Und nochmal meine Frage: Warum? Ist es in Stein gemeißelt dass es sowas wie Wehrpflicht geben muss? Warum ist es denkbar und naheliegend, aus Gleichberechtigungsgründen auch Frauen zu verpflichten, aber nicht, aus Gleichberechtigungsgründen die Wehrpflicht abzuschaffen? Warum soll es aus feministischer Perspektive „faktisch“ naheliegender sein ersteres zu fordern als zweiteres? Mir ist das zu affirmativ und zu androzentrisch gedacht um als feministische Perspektive spannend zu sein. Ich finde den Vergleich mit dem Ehegattensplitting rein logisch auch nicht ganz passend. Schon allein wegen der Gewaltförmigkeit der Erfahrungen die Frauen* häufig beim Militär machen (ja, auch ohne Beteiligung an Kampfeinsätzen) und die hier bei einer so einseitigen Maßnahme – Frauen* müssen mitmachen, darüber hinaus ändert sich nix – mindestens billigend in Kauf genommen werden.

  14. @Anna-Sarah:

    ich glaube, es gibt keine wirkliche Meinungsverschiedenheit zwischen uns. Ich beziehe mich darauf was momentan gegeben ist ( Wehrpflicht) und ob eine Ausdehung auf Frauen sinnvoll ist oder nicht, während ich den Eindruck habe, dass du eher eine weitreichende Forderung aufstellst. Beides steht ja nicht in Widerspruch zueinander. Da liegt der Unterschied nur zwischen kurz- und langfristigen Forderungen und Zielen.

    Allerdings finde ich die Argumentation, dass Frauen aufgrund des männlich dominant geprägten Klimas nicht beim Militär tätig sein sollten nicht schlüssig. Ein von hegemonialer Männlichkeit erfülltes Klima dient ja gerade dazu, Frauen strukturell auszugrenzen um hegemoniale Männlichkeit zu reproduzieren. Diese „No Go Areas“, die hegemoniale Männlichkeit u.a. Frauen errichtet, möchte ich in keinem Lebensbereich als gegeben akzeptieren.

  15. @Lautsprecherin, von „nicht beim Militär tätig sein sollen“ redet aber doch niemand. Es *sind* Frauen beim Militär tätig, weltweit. Und das nicht erst seit gestern. Ich argumentiere gegen die Wehr*pflicht*, zumal als feministische Strategie. Und dass die reine Anwesenheit von Frauen sexistische, misogyne Strukturen quasi zwangsläufig verändert, da bin ich nicht so optimistisch.

  16. @charlott
    Ich verstehe deine Argumentation. Wenn man bewaffnete Gewalt grundsätzlich als nicht immer und überall vermeidbar sieht ist aber, glaube ich, die weitere Normalisierung der Soldatenrolle für Frauen über die Einführung der Wehrpflicht nicht ein Versuch, quasi eine männliche Erfindung zum Standard zu erheben, sondern eine Befreiung von Frauen vom sexistischen Tabu auf die Ausübung (relativ) positiv besetzter Gewalt (ggü „krimineller“ Gewalt) durch Frauen. Das „denkbare“ Rollenrepertoire für Frauen wird ein bißchen größer.

  17. Ich würde Lautsprecherins Argumentation unterstützen. Es sind zwei verschiedene Fragen, die im Artikel ineinandergeworfen werden. Die nach der Wehrpflicht und die nach der Gleichstellung.

    Wenn die Wehrpflicht ein Teil des militärischen Systems ist, muss sie gleichgestellt werden. Warum? Weil das Militär und die Wehrpflicht real und einflussreich sind. Nicht nur verteilt die Wehrpflicht Positionen im Militär geschlechtsspezifisch, und das Militär ist Ort und Ausdruck des Gewaltmonopols von Männern gegenüber Frauen zugleich (innerhalb der Gesellschaft, wie weltweit), sie vermittelt auch gewaltbezogene Kompetenzen, die außerhalb des Militärs wirkmächtig sind. Strukturell werden mit einem sexistischen System tendentiell gesellschaftliche Verhältnisse geschaffen zwischen militärisch geschulten, sprich gewalterfahrenen Männern und militärfernen, ohne „Gewaltkompetenzen“ ausgestatteten Frauen.

    Die Wehrpflicht erzeugt diese Ungleichheit trotz der Existenz von Berufssoldatinnen, weil sie auf gesellschaftliche äußerst breiter Ebene wirksam ist. Im Grunde ist diese Maßnahme eine Form radikalen und konsequenten Gender Mainstreamings für eine der einflussreichsten Institutionen der Welt.

  18. Vielen Dank für den Artikel, den ich gerade wegen der Kürze, mit der du die Fakten zusammengetragen hast, sehr genossen habe. Ich finde, der letzte Satz bringt es auf den Punkt: „Der großer Umbruch scheint wohl so oder so mehr Symbolpolitik zu sein.“

    Weil, wie du schreibst, nur ein Bruchteil der Wehrpflichtigen eingezogen wird und Frauen oft ihren Dienst wegen Sexismus abbrechen, ist das System ohnehin nicht gerecht. Daran wird sich durch die formale Gleichstellung allein vermutlich nichts.

  19. @Muff: Eigentlich werden in dem Artikel doch gar keine Fragen gestellt, geschweigedenn in einander geworfen, wenn ich das richtig verstehe. Charlott benennt vielmehr eindeutig ihre Position: ein Verständnis von Feminismus, welches sich mit der Aufrechterhaltung einer Wehrpflicht nicht vereinbaren lässt, und demzufolge auch nicht mit ihrer Ausweitung, zumal unter den gegebenen Bedingungen. Ich finde das geht aus dem Text eigentlich klar hervor.

    Mir ist unklar, was daran so schwer nachzuvollziehen oder zu akzeptieren ist. Warum ist für einige Kommentierende hier eine Kritik, die bestehende militärische Strukturen grundsätzlich in Frage stellt, irgendwie nicht denkbar oder akzeptabel, sondern nur deren ziemlich einseitige Modifikation? Das wiederum versteh ich nicht.

  20. Ich stehe der allgemeinen Wehrpflicht auch kritisch gegenüber, sowohl aus pazifistischen wie auch aus wirtschaftlichen (finanziellen) Gründen. Trotzdem finde ich es einen riesigen feministischen Fortschritt. Die Zeit in der Wehrpflicht ist für viele eine charakterbildende Massnahme. Man lernt, physisch und psychisch an seine Grenzen zu gehen, evtl zu überschreiten, hat Kontakt mit Personen aus völlig anderen gesellschaftlichen Schichten. Frauen sollten in dieser Hinsicht genauso gefordert werden wie Männer, natürlich unter Beachtung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit.

    Zum Sexismus in der Armee: Wenn plötzlich etwa die Hälfte der Wehrpflichtigen Frauen sind, wird es sehr schwierig, ein besonders hohes Mass (d.h. mehr als sonst in der Gesellschaft) über längere Zeit aufrechtzuerhalten, ausser die Frauen sind einfach nur anwesend und lassen es schweigend über sich ergehen. Ich halte das für sehr unwahrscheinlich.

    Man sollte nicht vergessen, dass Armeen durchaus auch pazifistisch verwendet werden können, zb. bei Katastrophen. Zumindest in der Schweiz werden die Wehrpflichtigen manchmal auch auf solche Szenarien vorbereitet. Man könnte statt einer Abschaffung der Wehrpflicht das Programm modifizieren, so dass z.B. das Überleben der Menschheit bei Zombie-Apokalypsen im Vordergrund steht.

  21. @Sina: Hm, zu den Punkten, die du nennst, hab ich ja eigentlich schon mehrfach was gesagt (zum letzten Punkt würde ich erwidern, dass man zu den von dir genannten Zwecken ja nicht per se eine Armee braucht, sondern es eine andere Institution geben könnte, die solche Aufgaben erfüllt), deshalb wiederhole ich das jetzt nicht, aber zu dem Aspekt mit der Charakterbildung muss ich doch mal nachfragen: Angenommen es ist so wie du sagst und und eine militärische Grundausbildung tut vielen Menschen tatsächlich total gut – was ich schonmal bezweifeln würde, aus verschiedenen Gründen, aber nehmen wir das mal als gegeben an: „zwangsbeglückende“ Maßnahmen zu diesem Zweck würdest du ernsthaft befürworten?

    Ich verstehe nicht, wie man einen Zwang (!), dem Menschen, insbesondere Frauen* unterworfen werden, als feministische Errungenschaft betrachten kann. Ging es beim Feminismus, so divers er sein mag, nicht irgendwie auch ganz zentral um (auch körperliche) Selbstbestimmung…?

  22. @ Anna-Sarah:

    Wie ich schrieb, halte ich es für zwei unabhängige Fragen. Solange Wehrpflicht in Kraft ist, sollte sie nicht geschlechtsspezifisch ausgelegt werden. Die Wehrpflicht abzuschaffen sollte für alle Teile der Bevölkerung zugleich durchgesetzt werden.

    Ich sehe das Militär in keinster Weise positiv, sondern finde es ziemlich abstoßend und würde niemals jemandem raten, sich in diese Strukturen zu begeben. Auf der anderen Seite halte ich es für absolut falsch, das Militär in seiner Rolle zu unterschätzen. Es ist DAS Gewaltmittel schlechthin, monopolisiert in Staaten und mit einer langen Historie eines männlichen Monopols (letzlich auf Technologien der Massenvernichtung). Die Frage ist aus meiner Sicht weniger, wie das Militär abzuschaffen wäre (was ich für ausgeschlossen halte, weil es fern jeglicher Realität ist), sondern wie es besser gemacht werden kann. Die homosozialen Männerräume im Militär und seine Mackerkultur aufzubrechen ist ein essentieller Schritt dahin. Es reicht nicht, Frauen* zum Militär zu schicken, sondern es muss für Soldatinnen ein gleichberechtigter Raum geschaffen werden. An diesem Punkt frage ich mich, ob eine Gleichstellung der Wehrpflicht dem nicht doch zuträglich sein kann.

  23. nochmal @ Anna-Sarah:

    Sorry, ich hatte das auch unglücklich formuliert. Im Artikel werden weniger Fragen gestellt, sondern Antworten auf zwei Fragen gegeben und zusammengeworfen, die aus meiner Sicht eine getrennte Betrachtung erfordern.

  24. @Anna-Sarah:

    Wer wirklich nicht zur Armee will, muss das (zumindest in der Schweiz) nicht. Man kann stattdessen Zivildienst machen oder eine Wehrpflichtersatzabgabe leisten. Die Leute machen es nicht weil sie unter schwerer Strafandrohung unbedingt müssen, sondern weil es eben dazugehört, wie die Schulpflicht. Menschen bevorzugen in ihren persönlichen Entscheidungen meistens den Status Quo. Wenn man Aufwand dafür betreiben muss nicht ins Militär zu gehen und Militärdienst der Standard ist, werden die meisten ins Militär gehen.

    Weshalb ich es für eine charakterbildende Massnahme halte: In meinem Kollegenkreis beschwerten sich zwar viele als sie einrücken mussten, aber schlussendlich beurteilten es alle als wertvolle Erfahrung, auch wenn es natürlich Verbesserungspotenzial gäbe. Auch mein Freund ärgert sich jeweils wenn er in den Wiederholungskurs muss, aber was man dort macht ist je nach Einteilung nicht das dümmste. Wenn man täglich im Büro sitzt tut es gut, jedes Jahr drei Wochen auf einem Bauernhof mit der Sense Gras zu mähen, auch wenn man es ohne einen gewissen Druck von aussen nicht machen würde. Ich musste in der Schule etwas ähnliches machen, wenn auch nur für einige Wochen, und nicht so lange wie die gesamte Wehrpflicht. Damals habe ich mich unglaublich aufgeregt, aber im Nachhinein finde ich es sinnvoll.

    Ich halte es schon für wichtig, dass im Fall von Notständen die Zivilbevölkerung (d.h. nicht zum Berufsmilitär oder sonstigen festen Institutionen gehörende) eine Grundausbildung darin hat, wie man sich verhalten sollte, wer für was verantwortlich ist, wie man selbst beitragen kann etc. Ich wüsste das nicht und wäre voraussichtlich völlig nutzlos, während meine Kollegen zumindest ein bisschen Ahnung davon haben. Ich sehe das als einen grossen Nachteil für Frauen, wenn wir als gleich fähige Mitglieder der Gesellschaft wahrgenommen werden wollen, und unser bereits vorhandenes Potenzial ausschöpfen wollen.

    „Mir ist unklar, was daran so schwer nachzuvollziehen oder zu akzeptieren ist.“

    Ich kann Charlottes Argument durchaus nachvollziehen, auch akzeptieren, und finde es einen berechtigten Einwand. Das bedeutet nicht, dass man derselben Ansicht sein muss.

  25. @Sina, ich meinte gar nicht unbedingt, dass eine Perspektive verstehen und sie teilen dasselbe sind, ich find es nur etwas merkwürdig wie hier im Thread immer wieder versucht wurde, die im Text eingenommene Perspektive zu delegitimieren.

    Aber ich denke die unterschiedlichen Argumente/Perspektiven sind nun weitgehend klar und ausgetauscht. Ich möchte aus meiner Sicht nur noch einmal einen Punkt betonen, den ich vorher schon benannt habe, aber den ich in dieser Debatte und an dieser Stelle wirklich wichtig finde: Mir wird hier oftmals zu sehr mit Bezug auf androzentrisch-hegemoniale Normen argumentiert, ohne dass dies immer offen gelegt würde. Ich finde es aus feministischer Perspektive weder überzeugend noch sonderlich spannend, beim Aspekt „Weibliche Partizipation an männlich besetzten Feldern stärken“ (der an sich natürlich seine Legitimation hat, aber meines Erachtens nicht als zentraler Gradmesser für sowas wie Geschlechtergerechtigkeit geeignet ist, wenn man diese Felder an sich erstmal unbearbeitet lässt und nur bei denen ansetzt die dort hinein wollen_sollen) zu verharren – da wird mir zu viel normalisiert und implizit als Standard akzeptiert, wenn man sagt, wir haben nunmal eine Armee und die ist nunmal männlich dominiert, also müssen/sollten Frauen da rein um das zu ändern, für sich selbst und für die Gesellschaft als solche. Ich denke nicht dass das die einzig plausible oder pragmatische Perspektive ist. Ich fände es spannender die Perspektive mal umzudrehen und auch die „männliche“_hegemoniale Seite als zur Disposition stehend, als gestaltbar zu verstehen. Und entsprechend mit gesellschaftskritischen, antisexistischen, emanzipatorischen Ansprüchen in die Pflicht zu nehmen.

  26. Charlott,

    Nur weil Männer bisher von Wehrpflicht allein betroffen waren, macht das sie nicht zu Sexismus-Betroffenen. Sexismus hat immer auch was mit Macht zu tun.

    wenn der Staat einem jungen Menschen mitteilt „Ich reiße Dich für n Monate aus Deinem gewohnten Umfeld, um Dich zum Töten und Sterben auf Befehl ausbilden zu lassen, ich nehme mir das Recht heraus, über Dich, Deinen Körper, Dein Leben (und zwar im engeren Sinne von Leben im Gegensatz zum Tod) zu verfügen, und solltest Du Dich weigern, drohen Dir fünf Jahre Haft“, wenn im Kontext dieser Drohung eine Ärztin diesen jungen Menschen anweist „Jetzt ziehen Sie Ihre Unterhose herunter, bücken sich und spreizen die Gesäßbacken“, dann halte ich die Verteilung der Macht (im Sinne von Kontrolle über das eigene Leben und das anderer) in diesen Situationen für ziemlich offensichtlich, insbesondere, wer hier machtlos ist.

    Sina,

    Wenn man Aufwand dafür betreiben muss nicht ins Militär zu gehen und Militärdienst der Standard ist, werden die meisten ins Militär gehen.

    in den letzten Jahren des Zwangsdienstes in Deutschland haben mehr Männer den Kriegsdienst ohne als mit Waffe abgeleistet (BTW oft im Umfeld klassischer „Frauenberufe“), obwohl dafür Verweigerung und Seelenstriptease nötig waren.

    Und was die Charakterbildung durch Militärdienst angeht: Es ist der Berufsbeschreibung nach eine für einen Soldaten unverzichtbare Fähigkeit, mit einer scharfen, geladenen Waffe auf einen anderen Menschen zu zielen und abzudrücken. Das ist -zum Glück- etwas, das die meisten nicht einfach so können, und ich würde lieber in einer Gesellschaft leben, in der eine diesbezügliche Charakterumformung nicht der Standard ist.
    Aber die Armee ist nunmal nicht der Katastrophenschutz.

    Bombe 20

  27. Über den Aspekt der Musterung (bei mir war es ein weiblicher Arzt für den ich Husten durfte) im Hinblick auf drohende sexuelle Belästigung (es gibt ja schließlich auch männliche Musterungsärzte) z.B. bei zwangsgynäkologischen Untersuchungen müsste gesprochen werden.

  28. @Bombe 20: Du sprichst zwar Charlott an, aber zum ersten Teil deines Kommentars trotzdem auch von mir eine Antwort. Es wurde nun wirklich von Anfang an und immer wieder gesagt, im Artikel selbst sowie ungefähr in jedem einzelnen Kommentar hier im Thread: Die Mädchenmannschaft ist GEGEN DIE WEHRPFLICHT. Nicht zuletzt wegen solcher Dinge, wie du sie beschreibst. Kriegsdienst – ich wiederhole mich – ist menschenfeindlich und Scheiße, Wehrpflicht meines Erachtens ebenfalls. Aber kein Sexismus gegen Männer*. Was eigentlich schon anhand dessen klar wird, wer auch bei der Armee und in zugehörigen politischen Institutionen die machtvollen Positionen innehat: ganz überwiegend Männer*. Sexismus und hegemoniale Männlichkeit sind gesellschaftliche Machtstrukturen, keine individuellen oder branchenspezifischen Phänomene. Bitte nochmal Sexismus nachschlagen bzw. sich vergegenwärtigen, welche Sexismusdefinitionen unserer Arbeit hier zugrunde liegen.

  29. @Anna-Sarah: Mich würde diese Sexismusdefinition die eurer Arbeit zugrunde liegt interessieren, ich habe auf der Seite leider nichts dazu gefunden. Ich für meinen Teil verstehe Sexismus als „Diskriminierung/Unterscheidung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts“
    http://gendertalk.transgender.at/sexismus.htm
    Insofern ist die aktuelle (rein männliche) Wehpflicht sexistisch: Ob man wehrpflichtig ist oder nicht determiniert sich ausschließlich am Geschlecht. Wie man diese Diskriminierung aufgrund des Geschlechts als „kein Sexismus gegen Männer“ klassifizieren kann verstehe ich nicht. Bzw. würde ich gerne wissen wie deiner Meinung nach Sexismus gegen Männer aussehen müsste, wenn Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nicht dazu zählt.

    beste grüße

  30. Kein Sexismus gegen Männer? Sexismus als auf vermeintlich körperliche Verfassung und daran gekoppelte Zuschreibungen und Charaktereigenschaften basierte Machtstruktur ist doch im Rahmen der Wehrpflicht genauso wirksam. Der rechtliche Rahmen, weswegen Männer* und nicht Frauen* zum Wehrdienst eingezogen werden/wurden, ist doch historisch in geschlechtsspezifischen Zuschreibungen, sowohl hinsichtlich unterstellter Geschlechtscharaktere, als auch als angemessen betrachteten Rollenbildern verankert. Das System selbst ist grundlegend sexistisch.

    Die Diskriminierung von Männern* unterscheidet sich im Militär. Bei Erwähnung hegemonialer Männlichkeit muss dann aber konsequenterweise der Blick auch auf verschiedene Männlichkeiten gerichtet werden, die sich zum Teil massiven Formen der Diskriminierung ausgesetzt sehen. Als effeminiert wahrgenommene Männer* und besonders schwule Männer* bspw. profitieren dort nicht von ihrer Kategorisierung als Männer*, sondern dienen eher als Folie gescheiterter und entwerteter Männlichkeit.

  31. @abe: Hast du mal ‚Sexismus‘ hier ins Suchfeld eingegeben? Das ist nämlich wirklich eine Grundsatzdiskussion die immer wieder mal in den Kommentarthreads aufkommt. Kurze Antwort trotzdem: Sexismus gegen Männer* als gesellschaftliche Gruppe gibt es (derzeit) nicht. Als Ausgangspunkt zum weiter schauen finde ich diesen Text auf Feminismus 101 ganz gut geeignet, oder auch diesen.

  32. @muff: Na klar ist das System Militär in sich grundlegend sexistisch, das wurde hier doch aber nun auch schon zigmal gesagt, auch von Charlott. Wie du schon sagst: Es ist feindlich gegenüber Abweichungen von normativen Männlichkeitskonzepten – cissexistisch, heterosexistisch, misogyn. Aber nicht sexistisch gegen Männer* als (konstruierte) Gruppe. Weil: s.o.

  33. @ Anna-Sarah:

    “Kriegsdienst – ich wiederhole mich – ist menschenfeindlich und Scheiße, Wehrpflicht meines Erachtens ebenfalls. Aber kein Sexismus gegen Männer*.“

    Greift aber nicht vielleicht der Begriff – Menschenrechtsverletzung – zu kurz, um zu beschreiben, was von einer Minderheit an Männern, vielen angetan wird? Darunter sind ja auch die vielen Männer, die von dieser Minderheit, nur für ihre Zwecke ausgenutzt werden.

    Ein Beispiel:

    Rußland: Mütter machen mobil

    Was vor zehn Jahren noch undenkbar gewesen wäre, ist heute zu einer ganz Rußland umfassenden Bewegung geworden: Mütter von Wehrpflichtigen schließen sich zusammen, um sich für die Rechte ihrer Söhne einzusetzen.

    http://www.amnesty.de/de/j9707/russland.htm

  34. @Elf, auch hier die kurze Antwort auf deine Frage: Nein.

    Es hat Gründe (logische, politische, analytische…), warum nicht jede Benachteiligung oder jedes Unrecht was Menschen erfahren, als systematische gruppenbezogene Unterdrückungsstruktur (wie z.B. Sexismus) zu labeln ist, und ich würde jetzt wirklich gern vermeiden in eine begriffliche Grundsatzdiskussion abzugleiten. Die ohnehin nicht produktiv sein wird, wenn es dabei bleibt, Definition gegen Definition zu stellen. Ich jedenfalls werde jene, die meiner Arbeit zugrunde liegt, nicht ad acta legen ;)

  35. @ Anna-Sarah: Männer* als Gruppe zu setzen halte ich genauso für verkürzt, wie Frauen* als homogene Gruppe zu setzen. Intersektionale Betrachtungsweisen und die Vielfältigkeit von Geschlecht fällt dabei unter den Tisch und ist aus meiner Sicht nicht weiterführend. Das von Connell geschaffene Konzept diverser Männlichkeitstypen spricht von patriarchaler Dividende, ohne dass diese zugleich alle Männer* in gleichem Maße genießen würden. Jetzt verstehe ich aber die resultierende Definition von Sexismus, die implizit angenommen ist. Eher würde ich in diesem Zusammenhang vom Profit bestimmte Männlichkeiten verkörpernde Männer sprechen, weil damit die Konstruktionsleistung von Geschlecht mitgedacht wird.

  36. @muff: Ehrlich gesagt finde ich, dass die Diskussion hier immer weiter vom eigentlichen Thema abgebracht wird. Wehrpflicht, wie sie jetzt in Norwegen eingeführt werden soll, wird alle betreffen. Natürlich gibt es auch Männer, die besonders schwer von Gewalt in der Armee betroffen sind, dies aber nicht, weil sie Typen sind, sondern eher aufgrund rassistischer, ableistischer, heterosexistischer u.s.w. Strukturen (was auch Connell entsprechen würde, btw). Das ist hier gemeint.

    Keine_r hat hier jemals gesagt, dass alle Männer gleich profitieren, sondern nur, dass Männer profitieren, bzw. in dem aktuellen System besonders Zugang zu Macht haben.

    Und ansonsten schließe ich mich Anna-Sarah in ihren Kommentaren an und würde mich freuen, wenn hier die nächsten Kommentare nicht weiter genutzt werden um feministisches 101 neuauszudiskutieren.

  37. „Keine_r hat hier jemals gesagt, dass alle Männer gleich profitieren, sondern nur, dass Männer profitieren, bzw. in dem aktuellen System besonders Zugang zu Macht haben.“

    Korrekt sollte es doch aber heißen, dass bestimmte Männer, mit einem bestimmten Männlichkeitsset, einen privilegierten Zugang zu Strukturen der Macht haben. Das ist relevant, um die sexistische Praxis der Wehrpflicht und militärischer Strukturen angemessen zu erfassen. Von daher empfinde ich das nicht als unnötigen Exkurs, sondern notwendige (theoretische) Grundlage zur Beleuchtung sexistischer Praktiken, weil in den Blick rückt, welche Formen von Männlichkeit das soziale System des Militärs bestimmen und welche Folgen daraus resultieren.

    Ich wundere mich diesbezüglich, weil ich gerade Mädchenmannschaft als bisher sehr aufmerksam gegenüber intersektionalen Ansätzen empfunden habe. Wir müssen das aber auch nicht weiter ausführen.

  38. Ich hingegen wundere mich, wenn die Perspektive Intersektionalität dafür herangezogen werden soll, male privilege wegzudefinieren.

    Desweiteren wundere ich mich, wie schnell es geht, dass sich eine Diskussion, die sich mit Wehrpflicht aus feministischer Perspektive befasst, vornehmlich ums Thema “Auswirkungen der Wehrpflicht für Männer*” dreht…

  39. Ich fände es als Mann* am fortschrittlichsten im Moment wenn man die Abschaffung der Wehrpflicht für alle fordern würde, damit niemand in irgendeiner Weise gezwungen wäre in einer staatlichen Institutionen zu „dienen“. Es mag einige Männer geben die die Wehrpflicht gut fanden, in meinen Bekanntenkreis haben jedoch alle Zivildienst gemacht, auch diejenigen die zuerst zum Bund gegangen sind, haben nach einiger Zeit gewechselt. Dass Korpsgeist und Untertanentum durch mehr Frauen* „an der Waffe“ verschwinden würde denke ich nicht, man schaue sich nur die Polizei an, wo ich leider nicht die genauen Zahlen kenne, wo aber schon deutlich mehr Frauen* im Dienst sind als beim Bund.

  40. @ anna-sarah: das male privilege wird nicht wegdefiniert, es wird auf eine bestimmte gruppe von männern* fokussiert, weil das machtgefälle, wie die geschlechterforschung der letzten drei jahrzehnte feststellen musste, nicht derart pauschal formuliert werden kann, sondern verbindungen mit anderen sozialen kategorien eingeht. das bedeutet nicht die patriarchalen verhältnisse zu negieren, sondern nicht alle innerhalb geschlechtlicher kategorien als in gleichem maße bevor-/benachteiligt, stützend/destablisierend etc. zu betrachten.

    ich plädierte aus diesem grund ja auch dafür, diese spezifischen formen von männlichkeit(en), die das militär dominieren, in den blick zu nehmen, weil wie einige posts vorher erwähnt, das militär meines erachtens der drastischste ausdruck des tendentiellen gewaltmonopols von männern* gegenüber frauen* darstellt.

    dass die diskussion sich gerade auf männer* fokussiert liegt wohl an der kritik der aussage, dass die wehrpflicht, die nur männer* dazu zwingt militärdienst zu leisten, nicht sexistisch wäre.

  41. @muff

    aussage, dass die wehrpflicht, die nur männer* dazu zwingt militärdienst zu leisten, nicht sexistisch wäre.

    Wer hat denn diese Aussage getätigt? Ich nicht. Ich sage jedoch dass sie nicht sexistisch gegen Männer* ist. Aus den bereits genannten Gründen. Das System Armee ist nicht spezifisch männerfeindlich – es ist menschenfeindlich (so würde ich jedenfalls urteilen) und in sich nochmal feindselig gegen von bestimmten Normen abweichende Männlichkeiten und (Gender-)Identitäten/-Performances sowie gegen Frauen*, Charlott hat es ja auch nochmal geschrieben. Dass Männer* verpflichtet werden, ist ja nicht „Strafe“ für ihr Mann*sein, sondern liegt u.a. in bestimmten Geschlechtskonzepten und Kompetenzzuschreibungen begründet – Konzepte die die männliche Dominanzstruktur an sich erstmal intakt lassen. Ich bleibe dabei, dass es Sexismus gegen die Gruppe Männer*, analog zum Sexismus gegen Frauen*, auch unter intersektionaler Perspektive nicht gibt. Auch nicht beim Militär. Dass sich Kategorien der Dominanz und der Marginalisierung mit einander verflechten, bedeutet ja nicht, dass es keine wirkmächtigen homogenisierenden Zuschreibungen für bestimmte (fremddefinierte) Gruppen gäbe, so dass Konzepte wie white privilege oder male privilege oder Heterosexismus zur Analyse von Machtsrukturen auf einmal hinfällig würden.

    Ich finde, wir sollten wir die Begriffsdiskussion um Sexismuskonzepte jetzt mal beenden – zumal angesichts der Tatsache, dass wir uns in Sachen Ablehnungswürdigkeit der Wehrpflicht überwiegend einig zu sein scheinen und ich gar nicht so recht verstehe, was hier einen derartigen Diskussionsbedarf von mittlerweile über 40 Kommentaren hervorgerufen hat.

  42. Ich sehe es als einen Ausdruck von menschenverachtender Aufrechnungslogik wenn eine Ausweitung der Wehrpflicht auf alle mit dem Argument gefordert/gerechtfertigt wird, dass in der Vergangenheit ausschließlich Männer* dazu gezwungen wurden, sich den im Militär herrschenden patriarchalen Macht- und Gewaltstrukturen zu unterwerfen. Als ob ein Unrecht dadurch kein Unrecht mehr wäre, dass es laut Gesetz allen gleich angetan wird. Dabei von Recht und Gleichberechtigung zu zu sprechen entleert die Begriffe in meinen Augen jeglichen emanzipatorischen Gehalts und verkehrt sie ins Gegenteil.

    Eine Ausweitung des per Wehrpflicht erklärten staatlichen Verfügungsrechts über Menschen (“Es geht darum, unter den Besten und Motiviertesten auswählen zu können.”) als Schritt in Richtung Befreiung zu sehen, fällt mir dann doch sehr schwer bis unmöglich. Wie in dem obigen Artikel geschrieben haben in Norwegen schon seit 1976 auch Frauen* die Möglichkeit, um Macht und Anerkennung innerhalb der gewaltförmigen Strukturen des Militärs zu kämpfen (Teilhabe einzufordern …). Die Ausweitung der Wehrpflicht stellt somit keinen Zuwachs an Möglichkeiten sondern nur eine Festlegung auf sytemkonforme “Gleichstellungsbemühungen” dar.

    Ich glaube nicht an Befreiung durch Zwang.

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