The Avengers – feministisch oder nicht?

Dieser Text ist Teil 6 von 57 der Serie Die Feministische Videothek

Vielen Feminist_innen war Regisseur Joss Whedon seit Jahren ein Begriff – mit dem gigantischen Erfolg von The Avengers dürfte er jetzt endgültig zum Superstar avancieren. Seine feministische Reputation beruht dabei vor allem auf starken Frauenfiguren und nicht-heterosexuellen Charakteren. Also all dem, was selbstverständlich sein sollte, im TV aber bis heute zu kurz kommt. Auch in den Interviews zum Film geht er auf entsprechende Fragen ein. Aber wie feministisch ist The Avengers wirklich?

Die schlechte Nachricht zuerst: Auch dieser Film besteht den Bechdeltest nicht. An keiner Stelle sprechen zwei Frauen mit Namen miteinander. Die Frage, über was sie sprechen erübrigt sich damit. Es wäre auch schwierig, immerhin gibt es mit Black Widow/Natasha Romanoff (gespielt von Scarlett Johansson) nur eine Superheldin. Daneben gibt es nur noch Agent Hill (Cobie Smulders); bis auf ihren Chef Nick Fury (Samuel L. Jackson) dominieren weiße Männer das Bild. Bei einer Comicverfilmung ist auch nichts anderes zu erwarten. Denn leider sind Frauen und Schwarze in diesem Genre bis heute deutlich unterrepräsentiert. Schwarze Frauen, Intersektionalität lässt grüßen, sind noch einmal seltener.

Aus diesen denkbar schlechten Ausgangsbedingungen macht Whedon dennoch einen erfrischenden Film. Sowohl Romanoff, als auch Hill laufen die meiste Zeit in Ganzkörperanzügen herum, statt in die üblichen sexualisierenden Stoffreste gesteckt zu werden. Anders als die meisten Kostüme sind diese sogar so robust, dass sie den ganzen Film lang nicht zerreissen. Und obwohl die Anzüge wirklich hauteng sind, wird dies nie durch langen Fokus auf Brüste oder Hintern ausgenutzt. Im Gegenteil zu einen Plakat, das dafür zu Recht bereits parodiert wurde. Immerhin gibt es auch vernünftige Plakate.

Oben das offzielle Plakat von The Avengers, unten die Parodie in der alle Superhelden ihren Hintern präsentieren
Ausgewogen ist auch die weitere Entwicklung der beiden Charaktere. Manchmal müssen sie gerettet werden, dann retten sie sich selbst und manchmal retten sie Männer. Damit sind sie auch tatsächlich in die Handlung eingebunden, statt deplatziert die unnütze Quotenfrau zu geben. Dass Black Widows Fähigkeiten Gedanken zu lesen und Menschen zu manipulieren klischeehaft sind, dämpft den Spaß zwischen ihren beeindrucken Kampfszenen leider etwas.

Dennoch macht der Film Spaß. Die Actionszenen sind gut choreografiert und übersichtlich (*hust* Michael Bay *hust*). Die Charaktere, von denen einige schon in eigenen Filmen vorgestellt wurden, werden weiterentwickelt, doch auch „Neugucker_innen“ kommen mit. Von Tony Stark (Robert Downey Jr.) und Pepper Potts (Gwyneth Paltrow) abgesehen verzichtet der Film zum Glück auf eine Romanze – immer eine gute Entscheidung, bevor sie aufgesetzt und hineingequetscht wirkt.

Ein feministischer Film ist The Avengers leider noch lange nicht, doch aus äußerst sexistischen Ausgangsbedingungen holt Whedon einen relativ unsexistischen Film heraus. Dass er trotzdem so großen Erfolg hatte und besonders viele Frauen in die Kinos holte, gibt den Studios hoffentlich zu denken. Vielleicht schafft Whedon es dann endlich, auch Wonder Woman wieder auf die große Leinwand zu holen – als Avenger oder sogar in einem eigenen Film.

7 Kommentare zu „The Avengers – feministisch oder nicht?

  1. Ich pack mal etwas Nerdhintergrund dazu: Tatsächlich hätte man noch ein paar weibliche Charaktere zur Verfügung gehabt. Zu den Avengers gehörte recht früh schon Scarlett Witch, eine schwarze Frau wäre mit Monica Rambeau plazierbar gewesen. Später waren noch She-Hulk und Tigra in den Avengers.

    Insgesamt haben die X-Men mit Storm (zum Thema Intersektionalität) und Rogue da etwas mehr Potential.

    Wonder Woman ist von DC Comics, nicht von Marvel. Macht ihr Auftreten als Avenger ziemlich unwahrscheinlich. Aber bei DC wäre mit Batwoman noch ein interessanter Charakter da, was Diversität angeht.

    Fairerweise muss man sagen, dass alle weiblichen Charaktere in Superheldencomics hinter ihren Badenanzugoutfits meistens erstaunlich gut ausgearbeitete Charaktere sind, die sich oftmals nicht Stereotypen beugen.

  2. Da ich andere Werke (v.a. Firefly, Dollhouse) von Joss Whedon sehr schätze habe ich mir the Avengers natürlich gleich angesehen.

    Ich stimme der Autorin zu: ein feministischer Film ist das nicht. Aber das war bei der Comicvorlage wohl auch kaum zu erwarten.
    Insgesamt finde ich gelingt Whedon aber eine „moderne“ Interpretation des Superhelden Genres bei dem auf unnötige Klischees (nicht nur aus der sexistischen Mottenkiste) weitgehend verzichtet wird.

    Was übrigens diesen Aspekt angeht finde ich die Serie „Dollhouse“ (leider nicht auf deutsch verfügbar) besonders stark. Sie bietet viele interessante weibliche Figuren, und besteht auch den „Sprechen zwei benannte Frauen miteinander“-Test problemlos.

    Mein Eindruck ist allerdings auch das Whedon nachdem seine letzten beiden Projekte (Firefly/Serenity, Dollhouse) nicht den kommerziellen Erfolg hatten den sie verdient hätten, nun endlich mal mit einem Blockbuster richtig Kasse machen wollte.
    Verdenken kann ich es ihm nicht.

    Ich hoffe allerdings das er sich in Zukunft wieder interessanteren, vielschichtigeren Stoffen zuwenden wird als dem Superhelden Genre :-)

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