Jennifer Livingston, eine Nachrichtensprecherin eines lokalen Fernsehsenders in Wisconsin (USA) bekam „Fanpost“ der besonders ekligen Art: Darin beteuerte ein Mann, dass er sich sehr um ihre Gesundheit sorge und die Wirkung bedenklich fände, die Jennifer als dicke Frau insbesondere auf junge Mädchen hätte. Livingston nutzte dann vier Minuten ihrer Sendezeit, um eins klarzustellen: „Ich bin mehr als die Zahl auf meiner Waage“.
(Ich finde das Video sehr empowernd, auch wenn einige Aspekte für mich problematisch sind: Leider wird in dem Video das Wort ‚übergewichtig‘ gar nicht in Frage gestellt – als gäbe es eine objektive Größe, die bestimmt, was ‚über-‚, ‚unter-‚ und ’normalgewichtig‘ sei. Ich kann auch so etwas wie „sexuelle Präferenz“ (ähnlich wie: sexuelle Orientierung oder Neigung) nicht mehr hören, weil das oft nur benutzt wird, um Begehren jenseits von hetero zu markieren.)
Ich fand das Video auch ganz gut. auch wenn ich mir am Ende dachte: What about the people who don’t have the shouts of many?
@ Chris: Genau für die sagt sie das ja. Hätten alle die „shouts of many“, hätte es dieser Ansage wohl gar nicht bedurft. Ich denke nicht, dass sie ignoriert, dass andere in einer schlechteren Lage sind als sie, im Gegenteil.
@ Magda: Ich finde auch nicht, dass sie die Begriffe vollkommen sorglos verwendet. Zwar diskutiert sie sie nicht wirklich, aber das hätte wohl auch noch ein paar Minuten länger gebraucht. Aber sie sagt ja immerhin „on a doctor’s chart“, was doch soviel heißt wie „nach gängiger Definition“. (Auch wenn das Medizinische daran dem Konzept natürlich eine gewisse Legitimität verleiht, da hast du wohl Recht.)
ich finde wir können jennifer livingston jetzt ruhig mal 5 minuten feiern..
natürlich gibt es immer wieder dinge, die kritikwürdig sind.
in diesem zusammenhang zum beispiel der begriff „bullying“ – über den es auch schon diskussionen gibt.
aber mal ehrlich, bald gehen uns die begriffe aus!
ich bekomme langsam das gefühl, bald nicht mehr mitzukommen. wenn ich sexuelle orintierung sage, dann meine ich ALLES was es in diesem spektrum zu finden ist.
als eine person, die ständig mit möglichst einfachen begriffen arbeiten muss und die sich trotzdem auch gerne gedanken über mögliche implikationen macht, stehe ich manchmal völlig sprachlos da.
und was ihr dicksein betrifft: jennifer livingston bezeichnet sich als dick, sie betrachtet sich als dick. und einmal sagt sie sogar adipös. das mag anhand von allgemeinen kriterien nicht stimmen – aber es ihre definition und ihr körper den sie thematisiert. ich finde das darf sie, auch ohne ihre aussage theoretisch zu untermauern.
Hallo Erna,
ich glaube dir sogar, dass das, was du mit „sexueller Orientierung“ meinst, vieles umschließt. Zum einen sieht das aber für den Großteil der Menschen anders aus (die meisten reden nämlich in der Tat nur davon, wenn es um Begehren jenseits von hetero geht) und zweitens finde ich den Begriff eher nicht so toll, weil er 1. so sehr auf ’sexuell‘ abgeht (Begehren ist aber viel mehr als das, was als sexuell definiert wird) und 2. weil der Begriff so wenig flexibel ist. Orientierung klingt wie: festgelegt und dann ist gut. Deswegen finde ich den Begriff (für mich) eher unpassend.
Und falls der Eindruck entstand, dass ich es nicht OK finde, dass Livingston sich sich als dick bezeichnet: Dem ist nicht so. Wie Menschen sich selbst benennen (ob dick, fett oder gar das von mir kritisierte „übergewichtig“), ist erst mal ihre Sache. Ich „verbiete“ hier ja auch nichts, sondern mache nur darauf aufmerksam, dass gerade der Begriff „übergewichtig“ schwierig ist, weil er impliziert, dass es ein „normal gewichtig“ gäbe. Und das bestätigt ja nur die Norm, dass Menschen einem bestimmten Gewicht entsprechen müssten, um „normal“ zu sein.
@ magda
ok, da hab ich das mit dem dick und dem übergewichtig durcheinander geworfen und verstehe jetzt besser was du meintest.
hast du vorschläge die den begriff sexuelle orientierung ersetzen können?
wenn ich darüber spreche, mache ich auch gerne nochmal eine weitere dimension auf und rede von romantischer orientierung, z.B. in der arbeit mit jugendlichen. ich bin z.B. sexuell bi orientiert und romantisch bisher nur hetero..
das wort orientierung hab ich für mich auch anders verstanden… wo es eine orientierung gibt, kann sich mensch auch umorientieren.
aber das ist ja das problem mit der kommunikation – sender_innen/ empfänger_innen und ihre jeweiligen gedanken.
begriffe die für mich positiv und mit tausend facetten besetzt sind, wirken auf andere eindimensional und beschränkend. ein dilemma.
Liebe Erna,
ich benutze meist Begehren, muss aber zugeben, dass das bestimmt auch nicht überall verstanden wird. Was ich in Gesprächen verwende (bzw. versuche zu verwenden), ist so etwas wie: „Sie oder er lebt hetero oder schwul oder…“. Insgesamt versuche ich allerdings, Begehren nicht so oft zu markieren und wenn, dann eher Heterosexualität, weil das in vielen Kontexten, in denen ich unterwegs bin, so unhinterfragt ist, das schon allein das Benennen von Heterosexualität zu Verwirrung führt.