Heute wird Alice Schwarzer 70 Jahre alt und eigentlich wollte ich dazu nicht viel sagen. (Um genau zu sein hat Nadia das schon perfekt zusammengefasst.) Aber andere haben zu dem Anlass natürlich ganz viel zu erzählen. Zum Beispiel im Radio.
Gleich zwei Mal habe ich so heute erfahren, dass es mich nicht gibt. Das hat mich verwundert. Nicht, dass dies in den deutschen Medien verbreitet wird. Aber als ich so an mir herunterschaute, auf meinen Bauch, meine Beine, mich in den Oberarm kniff, da fühlte ich mich doch sehr existent.
Doch welchen besseren Anlass hätten die Medien finden können als den Geburtstag „der deutschen Feministin“, um alle anderen Feminist_innen wegzuschreiben und wegzureden. Eine Taktik, die ja sowieso nicht unbeliebt ist: Alice Schwarzer wird zu einem Thema interviewt und schon ist die feministische Perspektive da.
Wahrscheinlich gab es einige Jubelsprünge in den Redaktionen dieses Landes, dass ganz hilfreich für die Medien auch noch ein Buch herauskommt, in dem eine Autorin über Alice Schwarzer schreibt und das nichts mehr ist von „der Frauenbewegung“. Das Buch heißt „Alice im Niemandsland, Wie die deutsche Frauenbewegung die Frauen verlor“ und die Autorin Miriam Gebhardt. Deutschland Radio Kultur nahm dankend den hingeworfenen Köder an und rezensierte heute. Radio Eins hatte gleich Gebhardt zu Besuch.
In Deutschland, weiß Gebhardt, haben wir eine Monokultur, wo es nur Alice Schwarzer gibt. Eigentlich wiederspricht sie sich auch, wenn sie zugesteht, dass ab und an einmal „junge Frauen“ Bücher veröffentlichen würden (scheinbar auch die einzig legitime Form als Feminist_in), aber diese hätte keine Relevanz. Es gibt also keine Feminist_innen nach Schwarzer. Und die, die es gibt, haben keinen Einfluss. Vielleicht muss ich das nicht verstehen. Aber ich sehe genau, was hier passiert: Verschiedene Medien nehmen genau die Narrative auf, die gut ins Bild passt. Und da wird dann bei Deutschland Radio Kultur geschrieben:
Miriam Gebhardt fordert deshalb eine Abkehr vom „Schwarzer-Feminismus“ und plädiert dezidiert für eine echte Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Problemen.
Und wieder blicke ich mich um. Da sehe ich Blogs, huch ich tippe gerade sogar in einem, die sich täglich mit „zeitgenössischen Problemen“ beschäfftigen. Da sehe ich LaDIY-Feste und Zines. Ich höre feministische Bands. Alles sehr aktuell. Alles sehr real. Und alles sehr abkehrend von vielen von Schwarzers Thesen. Nur sehr anders, als was sich das Gebhardt vielleicht vorstellt.
Denn statt Radikalität wünscht sie sich bei Radio Eins lieber kleinere Forderungen zu stellen und schiebt da den Feminist_innen der 70iger Jahre in die Schuhe, dass wir bis heute die Abtreibungsregelungen haben, die wir haben. Sie haben eben damals zu viel gewollt. Und die heutigen Gegner_innen werden mal wieder erst gar nicht benannt. Außerdem solle doch auch den Männern gezeigt werden, dass Feminismus toll für sie ist. Denn Feminismus bringe ja für beide Geschlechter etwas. (Bzw. für alle. „Einige sprechen ja heute sogar von mehr Geschlechtern“. Danke für diese aktuelle Einsicht).
Ein bißchen „Was ist mit den Männern?“, ein wenig „Früher war eben auch alles so krass, kein Wunder, dass das heute keine_r mehr gut findet“. Eine gut verdauliche Dosis für die Mainstream-Medien. Gut kalkuliert von Gebhardt.
Aber mich gibt es trotzdem. Und ich weiß, dass es schon immer unterschiedliche feministische Gedankenströmungen in Deutschland gab. Weiß, dass das Wellenmodell, wie es ja auch von Gebhardt runtergebetet wird, unzureichend und ausschließend ist. Weiß um meine Existenz, meine Kämpfe. Und die vieler anderer Feminist_innen unterschiedlichster Hintergründe. Ideen und Kämpfe, die nicht immer zusammenpassen. Die sich mal ausschließen. Eben Vielfalt. Und wenn ich davon nichts in den Mainstream-Medien finde, dann auch deshalb, weil sie statt die These, dass es keine andere Feminismen gibt, zu überprüfen, lieber dazu beitragen, dass dieses Bild in der breiten Öffentlichkeit so bleibt.
Ok. Alice Schwarzer ist schuld. Das habe ich nun verstanden. Für das Buch das Gebhardt geschrieben hat. Für das Medieninteresse an ihrem Geburtstag. Das sie sich (Überraschung) nicht für feministische Strömungen einsetzt, die sie nicht vertritt und natürlich auch daran, dass es angeblich keine anderen Feministinnen ins Blitzlichtgewitter geschafft haben. (Ich habe z. b. gestern Stevie Schmiedel bei RTL über die bescheuerte „Billig“-Werbung sprechen hören. ) Das ist bestimmt ihre Taktik, das Frauen und Feministinnen unsichtbar bleiben und sie auf dem Thron sitzt. Weil es da so Spaß macht zu sitzen, oder doch nicht? Also ich bin dankbar für das Engagement das sie seit mehreren Jahrzehnten aufbringt, auch gegen Kritik aus dem eigenen Lager. Frau muss nicht alles was sie tut und sagt, gut finden, aber dieses generelle Abgewatsche, erscheint mir doch sehr ungerecht. Ist es etwa gerade en vogue gegen die „ollen alten Feministinnen“ zu sein? Das die Mainstream-Medien sich nicht so dolle für den Feminismus interessieren und deshalb lieber auf Schwarzer zurück greifen als mehr zu recherchieren wen es das noch so gibt, ist doch nicht ihr anzukreiden. In dem Medium was sie beinflussen kann, der Emma, lese ich über viele tolle, starke Frauen aus allen Bereichen.
Liebe Charlott, vielen dank für deinen Beitrag.
Das, was ich da bei dir lese, lässt mich, wie so oft, wieder so richtig wütend werden.
Denn verdammt noch mal, und ob es uns gibt!! Genau wie du sagst: Vielseitig und verschieden. Doch eines verbindet uns Feminist*innen alle: Wir sind wütend! Und diese Wut kann uns nicht genommen werden.
Ich wurde nie gefragt, ob ich Feminist*in sein möchte. Für mich war es immer ein unumgänglicher Teil meines Lebens. Gäbe es den Feminismus nicht, gäbe es mich garnicht.
So. und vielleicht sollte auch Frau Gebhardt dazu über gehen, über Dinge zu schreiben, von denen sie Ahnung hat bzw. vielleicht sollte sie einfach mal Anfangen, sich mit aktuellen feministischen Debatten auseinanderzusetzen um festzustellen, wie viel Potenzial in der heutigen Bewegung steckt. Und das sicherlich auch ohne Alice Schwarzer.
Habe eben im Deutschland Radio Kultur eine Sendung dazu gehört. Der erste Anrufer (nix gegendert, das war nämlich ein ECHTER Mann ™) vertrat die Ansicht, sowas wie gleiche Bezahlung bei gleicher Leistung sei ja eine Selbstverständlichkeit, für sowas bräuchte man eine Schwarzer nicht aber Abtreibung ist Mord und das Schlimmste überhaupt, deshalb gratuliert er Schwarzer nicht zum Geburtstag. Und überhaupt, die sei ja auch keine richtige Frau ™. Also, er wisse jetzt nicht, ob sie verheiratet sei, aber einen echten Mann bekäme die ja eh nicht, der sich unterordnen müsse…
Also, echte Frau ist man nur, wenn ein echter Mann dem man sich unterordnet eine dafür hält und bereit wäre, sie zu heiraten. Spätestens bei solchen Statements erübrigt sich doch die Frage, ob Feminismus nicht mittlerweile überflüssig sei.
Ärgerlich: Die Frage, welche Themen denn heute noch „unter Frauen“ diskutiert werden sollen, als seien Feminismus in einer diskriminierenden, sexistischen Gesellschaft ein peinliches Frauenproblem, über das man am besten nur untereinander spricht… Und die auch von der Moderatorin in den Raum geworfene Idee, dass „der Feminismus“ überholt sei, weil es ja nicht mehr DIE große Galeonsfigur gebe.
@Elaria: Schwarzer hat ja tatsächlich schon mehr Einfluss als nur in der Emma und den nutzt sie bei weitem nicht immer ohne problematisch zu sein (und das ist noch untertrieben).
Die Kritik aber an Schwarzer in den Mainstream-Medien ist in erster Linie eine Kritik am Feminismus (in einer herbei imaginierten Form). Das habe ich auch versucht in dem Text anklingen zu lassen: Es gibt sehr viel feministische Kritik an Schwarzer (und die gab es auch schon in den 70iger Jahren!), nur wird von dieser auch viel übersehen, da die Kritiker_innen nicht nur solche sind, die mehr mit weißen hetero cis-Männern zusammenarbeiten wollen, sondern auch solche die das fehlende Bewusstsein hinsichtlich Rassismus, *trans und weiteren Kategorien anprangern. Die aber findet sich natürlich nicht im Mainstream wieder. Da sie sie eben noch mehr an Grundfesten wackelt.
Danke für deinen Kommentar, @Elaria.
Ich verstehe Charlott’s Unmut darüber, dass kaum andere Feminist_innen medial wahrgenommen werden, aber ich finde es traurig, dass hier wieder einmal ein Kausalzusammenhang zu Alice Schwarzers Person hergestellt wird. Oder interpretiere ich das falsch, weil ich schon gar nichts anderes mehr erwarte? Dann tut es mir Leid.
Ich wünsche Alice jedenfalls nur das Beste zum Geburtstag und hoffe, sie kämpft noch lange weiter für unsere Sache. Ja, _unsere Sache_ – denn trotz verschiedener Strömungen sind wir uns doch in so vielem einig!
Und klar, ich hätte nix gegen eine_n „Nachfolger_in“/Mitstreiter_in an vorderster Front. Ich hoffe, es findet sich jemand mit ähnlich dickem Fell und lustvoller Streitbarkeit.
Habe diesen Menschen mit sehr merkwürdiger Meinung auch live gehört, hat mich sehr wütend gemacht. Schön dass es nicht unkommentiert bleibt.
was habt ihr gegen Frau Schwarzer?
Ich finde, wir können und müssen Alice Schwarzer kritisieren, denn sie ist und bleibt (bisher) eine Galionsfigur des deutschen Feminismus, und das, obwohl sie in den letzten Jahren sehr viele fragwürdige Positionen vertreten hat (ich erinnere an „Die große Verschleierung“), die meiner Meinung nach in einem modernen, intersektionellen Feminismus nichts verloren haben. Nichtsdestotrotz fällt es mir nicht schwer, Schwarzer für ihren damaligen Einsatz für die Frauenbewegung der 70er zu loben und für die Erfolge dankbar zu sein. Für mich ist das kein Widerspruch. „We can walk and chew gum at the same time“, wie Jill Filipovic von Feministe einmal sagte.
@Bette: In meinem Text geht es eigentlich nicht konkret darum, welche Rolle jetzt Alice Schwarzer wirklich hat (das wäre noch einmal ein anderer Text), sondern wie dankbar von Mainstreammedien bestimmte Dinge aufgegriffen werden.
Aussagen mit für „unsere Sache“, in denen von einem Kollektiv Frauen ausgegangen wird, welche alle gleiche Probleme haben, finde ich aber schwierig. Denn so ist es nicht. Und wenn Alice Schwarzer mit ihrem Feminismus eine ganze Reihe von Menschen ausschließt, dann ist das nicht meins.
Und meine Kritik an ihr und das ich sie nicht bejubeln möchte, hat auch nichts mit einer Generationsfrage zu tun. Denn wer_welche das aufmacht, übersieht auch leicht, wie sehr Alice Schwarzer auch zu Beginn ihres Aktivismus bereits in der Kritik anderer Feminist_innen stand, die andere Standpunkte vertreten haben. Wie Nadine in ihrem Blogposte fragte:
Wieso sollte ich Alice Schwarzer nicht dankbar sein, die sie soviel für Frauen (nicht nur) meiner Generation erreicht hat?
Da verstehe ich gerade Deine Kritik nicht: klar haben nicht alle Frauen genau die gleichen Probleme, aber gerade darin liegt doch begründet, dass eine Bewegung nie alle Menschen einschließen kann.
Also, so umstritten Fr. Schwarzer auch ist – wir können ihr dankbar sein, sonst wären wir nicht hier wo wir jetzt sind.
Und Danke Charlott für den tollen Beitrag! Manchmal habe ich das Gefühl, dass absichtlich Fr. Schwarzer der gesamte Feminismus in die Schuhe geschoben wird, damit es den Anschein macht, als handele sich beim Feminismus um eine einseitige Randerscheinung.
Das sind wir aber nicht! Und wir brauchen die unterschiedlichen Strömungen. Nur diese sorgen wir Diskurs und letzendlich zum Nachdenken. Wir wollen nicht blinden Propaganda-Sprüchen nachrennen (das will auch Fr. Schwarzer sicher nicht) – sonst haben wir doch nichts gelernt!
@Anna: Ich fänd’s ja schon mal super, wenn manche erst einmal zu der Einsicht kämen, dass Der Feminismus (TM) und auch die deutsche Frauenbewegung der späten 1960er und 1970er nicht allein aus Alice Schwarzer bestanden. Ich finde nicht, dass man Schwarzer konkrete Verdienste (z.B. §218 so ins öffentliche Bewusstsein zu rücken wie sie es getan hat) abspricht, wenn man feststellt, dass das, was für Frauen* erreicht wurde, dem Engagement vieler Feminist_innen geschuldet ist, und nicht allein einer öffentlichen Gallionsfigur, wie auch immer man zu ihr stehen mag. Das schließt persönliche Dankbarkeit nicht aus, aber Dankbarkeit lässt sich meiner Meinung nach auch ohne strategischen Personenkult (gekoppelt mit der kompletten Ausblendung anderer Aktivist_innen, aus Gründen…) und Mystifizierung ausdrücken.
Und genau weil Alice Schwarzer und andere aber behaupten (bzw. unwidersprochen so dargestellt werden), Den Feminismus (TM) zu vertreten, ist Charlotts Kritik wichtig. Man kann nicht alle Menschen einschließen in sozialen Bewegungen – aber aktiv viele auszuschließen bzw. bevormunden zu wollen und sich dann als deren Sprachrohr zu generieren, ist ein Problem. Das bezieht sich nicht allein auf Schwarzers berühmte, pauschalisierende „Kritik“ [sic] an kopftuchtragenden Menschen, die für sie alle unwissende „Opfer“ oder antifeministische agents provocateurs zu sein scheinen (…hier sei angemerkt, dass von feministischen Standpunkten her Kritik an jedweden fundamentalistischen, frauenfeindlichen Politiken meiner Meinung nach legitim und wichtig ist, und Kulturrelativismus weder solidarisch noch hilfreich; das ist aber nicht das ist, was Schwarzer und andere tun – hier werden im Namen eines vermeintlichen Universalfeminismus Symbolpolitik und rassistisch-konnotiertes „Othering“ betrieben, und jede_r und alles über einen Haufen geworfen; und diejenigen, für die man meint, sich zu engagieren, kommen erst gar nicht zu Wort bzw. dienen nur als Feigenblatt), sondern auch auf Schwarzers Umgang mit anderen Feministinnen (…die gescheiterte EMMA-Redaktionsübergabe ist ja nur eine von vielen Anekdoten).
Das Dilemma, das Charlott aufzeigt, ist doch letztlich, dass sich ein solch vermarkteter Schwarzer-Feminismus hervorragend mit nicht-feministischem Mainstream vereinbaren lässt (…nicht umsonst findet Schwarzer ja auch Merkel großartig), während man radikale(re) Forderungen diverser Feminist_innen dezent unter den Tisch fallen lassen kann: Andere Feminist_innen existieren nämlich schon gar nicht mehr.
…und mehr dazu gibt’s übrigens auch auf Nadias Blog Shehadistan: „Die EMMA und die idealen Leser_innen.“
Würden die sogenannten Alpha-Mädchen und Ich-will-aber-auch-mal-ins-Fernsehen-Feministinnen ihre Energie in Aktionen stecken anstatt in krampfhafte Abgrenzung zu Alice Schwarzer, käme vielleicht auch mal was Medienwirksames dabei raus.
Denn es ist nun mal so, dass die Medien auf Plakatives anspringen, und in dessen Fahrwasser können auch die kleineren Dinge laufen und wirken. Solche Diskussionen wie nach der MM-Geburtstagsfeier sind sicher wichtig für die eigene Standortbestimmung, taugen aber nicht dazu, eine breite Öffentlichkeit ins Boot zu holen.
Weiters fällt mir immer wieder auf, dass ganz viele Abgrenzungsversuche A.S. Positionen unterstellen, die sie gar nicht vertritt. Wenn die „neuen“ Positionen letztlich doch nur alte sind, ergibt das einfach keinen Sinn.
Was nicht die bisherige Leistung speziell dieses Blogs schmälern soll. Nur: Wenn Ihr in die Medien wollt, dann macht was. Wenn Ihr auf die Medien pfeift und lieber an der Basis arbeitet, dann eben das. Aber hört bitte auf mit dieser sinnlosen Feindbildarbeit. Ja, ich weiß, der Text soll sich gegen die einseitige Wahrnehmung von Feminsmus = A.S. richten und weniger gegen die Person. Warum nur kommt das nicht rüber und muss noch mal gesondert erklärt werden?
Ich für meinen Teil habe das jährlich zu diesem Datum wiederkehrende Genöle ziemlich satt. Abgrenzung an sich (so sie denn überhaupt wirksam erfolgt) ist noch lange keine eigene Position.
@Anna: „Da verstehe ich gerade Deine Kritik nicht: klar haben nicht alle Frauen genau die gleichen Probleme, aber gerade darin liegt doch begründet, dass eine Bewegung nie alle Menschen einschließen kann.“
Wenn der Ausschluss aber de facto Diskriminierung von anderen Menschen bedeutet, noch dazu von einer Person, die sich ihrer Privilegien bewusst sein sollte, kann ich Frau Schwarzer leider nur noch mit gemischten Gefühlen gedenken. Es sit nicht so, dass hier nur Leute von der „Bewegung“ Frau Schwarzer „vergessen“ werden, sie werden diskriminiert. Ich werde durch ihre Äußerungen diskriminert. Genauso wie von den Leuten, mit denen Frau Schwarzer sicher nicht in einem Atemzug genannt werden will. Und dass sowas dann in feministischen Kreisen immer wieder als nicht so schlimm abgetan wird. Finde ich -> schlimm. Und unsolidarisch.
@Sarina
Den Widerspruch in diesem Satz erkennst Du aber schon, ne? Und wer sind eigentlich diese Alphamädchen und Fernseh-Feminist_innen (…außer vielleicht Alice Schwarzer)? Im übrigen frage ich mich, wie Du denn diesen Blog und weitere Aktionen der MM wahrnimmst, wenn Du sagst, man beschäftige sich hier nur mit „krampfhafter Abgrenzung zu Schwarzer“ statt mit konstruktiven Aktionen? Charlotts Artikel ist eine Reaktion auf ein Interview, das feministische Strömungen unsichtbar gemacht hat – die MM hat sich bisher aber nicht als exklusiver Anti-Schwarzer-Blog profiliert. Im Gegenteil: hier wird Energie in Aktionen gesteckt, nämlich ganz viel Freizeitenergie verschiedener Menschen: ins Bloggen, in Beiträge in Printmedien, in Interviews, in Öffentlichkeitsarbeit, in Veranstaltungen.
Dass bei diesem Diskurs keine „kleineren Dinge laufen und wirken,“ hat das Interview, das Charlott hier kommentiert, und seine Mainstream-Rezeption leider gezeigt – außer Schwarzer gäbe es keinen Feminismus in deutschland. Und solche Diskussionen wie die nach der MM-Geburtstagsfeier sind ein grundsätzliches Anliegen nicht nur für die eigene Standortbestimmung, sondern für innerfeministische Auseinandersetzungen, und zumindest den Versuch eines konstruktiven Umgangs mit antirassistischer Kritik. Die wird nämlich auch schon seit 30 Jahren u.a. an Schwarzer-inspiriertem Feminismus geübt, und hat sich nicht erst mit der deutschen Rezeption von Critical Whiteness Studies oder was auch immer entwickelt. Dass es schwierig ist, mit solchen Diskussionen eine „breite Öffentlichkeit ins Boot zu holen“, da würde ich Dir zustimmen – ich würde aber zugleich in Frage stellen, ob das bei solchen spezifischen Diskussionen überhaupt der springende Punkt ist, und ob ich „die breite Öffentlichkeit“ überhaupt in meinem Feminismus-Boot haben will, wenn das gleichzeitig bedeutet, wichtige inhaltliche Abgrenzungen und Grundsätze sprichwörtlich über Bord werfen zu müssen, um niemandem Angst zu machen. Antirassismus und Antifaschismus sind für mich nicht nur optional – und hier vermisse ich die Solidarität, die sonst (auch gerade von der EMMA) „zwischen Frauen“ angemahnt wird.
Die von Charlott und auch mir kritisierten Positionen sind sowohl in der EMMA als auch in Interviews und Publikationen mit/von Alice Schwarzer nachzulesen (Ergänzung: und neuerdings in Schwarzers Artikel „Wieder auf Null?“ auf ihrem eigenen Blog, in dem sie es sich nicht nehmen lässt, die so gefürchtete Antirassismus-Keule der Mädchenmannschaft und anderer Berliner [sic] „Sektierer_innen“ mit antifeministischem, islamistischem und faschistischem Querfrontaktivismus zu vergleichen). Die eigenen Positionen der Mädchenmannschaft (die nicht uniform ist, sondern heterogen), sind auf diesem Blog nachzulesen, sowie auf den Freizeitblogs und -projekten und -veranstaltungen ihrer Autor_innen und Kommentator_innen zu erfahren. Ich finde also, dass die MM deutlich mehr macht, als zu „nölen“ (…fände das aber auch legitim :)), und würde mich freuen, wenn wir Charlotts Text nun inhaltlich besprechen könnten, statt dessen Legitimität in Frage zu stellen – das erscheint mir nämlich äußerst sinnlos und ermüdend (…so viel zum Thema Energie in Aktionen stecken…). Das heißt also: Ende des derailings.
Liebe Kommentatorinnen, es gäbe viel zu sagen, aber das steht schon alles in meinem Buch. Nur eines: Es gibt natürlich junge Feministinnen, die bloggen, und das ist auch wunderbar, aber wenn ich meine Nachbarin frage, welche Feministin sie in Deutschland kennt, dann fällt nur ein Name, und der lautet nun mal Alice Schwarzer. Jetzt könnt Ihr sagen, macht nichts, lass‘ Alice Schwarzer nur machen, aber wer sich nur ein bisschen mit der Bedeutung von Symbolik und Repräsentanz beschäftigt hat, und dazu braucht es kein kulturwissenschaftliches Studium, weiß: Es ist kein Zufall, welche Symbolfigur wir haben. Anders gesagt: Solange Feminismus mit Alice Schwarzer gleichgesetzt wird, haben wir auch eine ganz bestimmte Vorstellung davon, was Feminismus ist.
@Miriam Gebhardt:
Eben. Und genau dieses Problem besprechen wir hier; dieses Narrativ und diese Stilisierung einer Symbolfigur wird hier kritisiert. Im übrigen geht der feministische Aktivismus vieler feministischer Blogger_innen durchaus weiter – dass das unter den Tisch fällt, ist leider ebensowenig Zufall.
@Miriam Gebhardt: Wie accalmie sagt, steht im Artikel oben so ziemlich das, was Sie in Ihrem Kommentar zusammen fassen. Und ich frage mich, warum Ihr Buch dann nicht diesen Punkt analysiert und ihm etwas entgegenhält, sondern am Mythos (zu dem – siehe accalmie – auch gehört, das „junge Feministinnen“ ausschließlich in Blogs zu finden seien) mitstrickt.
@Frau Gebhardt: Wieso muss es denn diese eine Feministin als Gallionsfigur überhaupt geben? Damit die den gleichen Zerrissen in der Öffentlichkeit standhalten muss wie Frau Schwarzer? Und wie lange hält man das durch? Pinkstinks hatte einige Medienmomente in diesem Jahr, aber wenn Medienaufmerksamkeit ohne Personalisierung ginge, wäre ich so was von dankbar. Ich ziehe meinen Hut vor Frau Schwarzer. Femen schafft es, als Gruppe aufzutreten, die Mädchenmannschaft ist als Gruppe bekannt und gefragt, und Missy Mag kommt immer mehr im Mainstream an, ohne, dass man es unbedingt mit seinen wunderbaren Chefredakteurinnen in einem Atemzug erwähnt. Und das ist eine Riesenchance und neu. Ich sehe Pinkstinks als Teil eines sehr diversen Netzwerkes, ohne das wir nicht so viele Menschen erreicht hätten (DANKE Mädchenmannschaft, DANKE drop the thought, DANKE TERRE DES FEMMES, DANKE Missy Magazine, DANKE an alle Mädchensozialarbeitsorganisationen!), und wir bereiten gerade eine Petition vor, die schon 15 dieser diversen Organisationen unterschrieben haben. Ich finde, dass im letzten Jahr sehr, sehr viel passiert ist, viele öffentliche Diskussionen (Kinderspielzeug!, Quoten!) geführt wurden, und ich freue mich riesig auf 2013 mit euch. Frau Gebhardt – machen Sie uns sichtbar! Als Gruppen! Als Bewegung, die diskutiert, die nicht einheitlich ist, die verschiedene Feminismen atmen lässt. ‚Cause here we come!