Am Freitagabend fanden gleich zwei Diskussionen zum Thema Frauen in der Musikbranche statt. Wenngleich die ursprünglichen Intentionen, die hinter der Organisation dieser Runden standen, verschiedene waren, so brachten sie doch ein und das selbe Dilemma ans Licht: Frauen haben es in der Hiphop- und Techno-Szene schwer. Aber von vorn:
Ich selbst war Freitag Gast bei der Diskussion „Feminism – government’s mission? Economic factor? Insurrection?“ bei „Femmes ‚R‘ US“. Eingladen waren vor allem Queer Theory-Wissenschaftlerinnen aus der ganzen Welt, daneben gab es eine kleine Performance des Berliner Künstlers Tim Stüttgen aka Timi Mei Monigatti. Die Hauptfrage, um welche die Redebeiträge kreisten, war, inwiefern der heutige Feminismus mit der Vielschichtigkeit der Geschlechterfrage zurechtkommt, sie genügend behandelt und vertritt, wie sehr auch Rasse und Klasse sich mit in die vielen Diskriminierungs-Mechanismen einmischen und ob der Feminismus auch queere Lebensformen, also jenseits einer einfacher Mann-Frau-Dichotomie, vertreten kann.
Angesichts dieser wirklich schwierigen Fragestellung schien es den verschiedenen Rednerinnen schwer zu fallen, auf eine gemeinsame Diskussionsschiene zu kommen. Viele Nebenschauplätze wurden eröffnet. Rosa Reitsamer aus Wien zum Beispiel berichtete von einer Studie, in der sie die Lage und die Vernetzung weiblicher DJs analysiert hatte. Unter den 10 weltweit bestbezahlten DJs ist bis heute keine Frau. Frauen haben es nach wie vor in der Szene schwer und das, so die Rednerin, unabhängig von ihrem Können, sondern vor allem aufgrund ihres Geschlechts und fehlender Netzwerke für dieses. Die Netzwerke, die es gäbe, seien zudem meistens ehrenamtlich strukturiert und orientierten sich an nichtkommerzieller Vermarktung, was ja ein großmütiges Vorhaben ist, aber leider nicht gewinnbringend. Vom Auflegen zu leben ist daher für Frauen immens schwerer, als für Männer.
Tiina Rosenberg aus Schweden knüpfte an diesem Bericht an und forderte, der Staat (die Staaten) müssten diese nichtkommerzielle Musik viel mehr finanzieren. Für sie sei die Rolle des Staates absolut klar. Das gelte nicht nur für Frauen, sondern und vor allem auch für queere KünstlerInnen. An dieser Behauptung, der Staat müsse klar zahlen, tat sich dann ein Streitpunkt auf, denn in manchen Staaten ist es bislang überhaupt nicht üblich, Kunst öffentlich zu finanzieren, in anderen wird diese öffentliche Finanzierung nur zurückgefahren und bezieht sich zu 80 Prozent auf klassische Musik. Woher sollen die Staaten das Geld nehmen? Gibt es nichts wichtigeres, als feministische und queere Kunst zu finanzieren? Müssen die Frauen nicht vielmehr in die ökonomische Zitrone beißen und sich ebensolche kommerziellen Netzwerke erarbeiten, wie die Männer? Und wenn ja: Wie sollen sie das schaffen, wenn in der Szene doch eine passive Diskriminierung vorhanden ist?
Hier schließt sich wieder der Zirkel zur Diskussion in der Alten Feuerwache in Kreuzberg (Bericht bei Spiegel.de), an der Alice Schwarzer teilnahm und mit zwei weiblichen MCs, MC Pyranja alias Anja Käckenmeister und MC Sookee, über das Frauenbild im Hiphop diskutierte. Natürlich ging es vor allem um Sido und Bushido in Deutschland und die kaum bekleideten Popo-Wacklerinnen, die in US-Hiphop-Videos als Deko für böse guckende Rapper fungieren und „ihre eigene Erniedrigung“ feiern, wie Schwarzer es ausdrückte. Die deutschen Frauen im Hiphop versuchen, gegen solche Frauenbilder zu rappen und damit zu protestieren.
„Ist das echt, was ihr wollt, eine kaputte Nutte? Ist es das, was ihr wollt, eine Eva-Herman-Show?“, rappt Jeenez, die 2004 die erste Frauen-Rap-Crew in Deutschland gründete. (Spiegel)
Natürlich kamen Schwarzer und die beiden MCs nicht so ganz auf einen Nenner. Zwar schien die Ikone des Feminismus sehr positiv gegenüber ihren Mitdiskutantinnen eingestellt, so lässt zumindest der Spiegel-Artikel vermuten, doch ein wenig muss sie doch wieder in die Rolle der Belehrenden und der „das wissen wir doch schon lange“-Argumentation geraten sein. Laut Spiegel-Artikel endeten dann die beiden Positionen – traditionaler Feminismus vs. „Geschwisterlichkeit statt Schwesternschaft“ – in Argumentationssackgassen, aus denen nicht mehr viel Neues und Innovatives zu erwarten war.
Interessant ist für mich vor allem der Rundumschlag zur Diskussion bei Femmes ‚R‘ Us: Sowohl die Hiphop-Frauen, als auch die weiblichen DJs haben es schwer, sich gegen die männlichen Kollegen zu behaupten, mit ihnen gleich zu ziehen. Der Spiegel resümiert die Lage der Rapperinnen:
(…) exotisch, von den Medien in die „Frauen“-Schublade verfrachtet, von Rappern und ihren Fans argwöhnisch beäugt.
Und Alice Schwarzer ergänzt:
„Eine der härtesten Männerbranchen, ihr habt mehr Gegenwind als wir damals.“
Wo sind die Lösungsansätze für dieses Problem? Ein einfaches: Der Staat muss sie bezahlen, muss sie fördern? Wie kann die „Geschwisterlichkeit statt Schwesternschaft“, die MC Sookee fordert, erreicht werden? Muss die Frauen-Schublade überwunden werden, damit Frauen eine gleichwertige Chance auf dem Markt und in den Clubs bekommen? Fragen über Fragen. Leider konnte keine der beiden Runden so richtig gute Antworten darauf, zumindest aber viele Denkanstöße geben.
Ein kleiner Link zu dem Thema nach Hamburg:
http://www.frauenmusikzentrum.de/
Wir tun unser bestes! :D
Danke für den Bericht, Katrin!
Der Genderblog war auch da:
http://genderblog.de/index.php/2008/08/10/hip-hop-girlz-meet-alice-schwarzer/
Es ist von der Geschichte her so ein Männerding sich in der Öffentlichkeit zu artikuliern, nach dem Motto: „I‘ am a man, I can talk about it“, Geschichte/n wurde/n, wie man lesen kann (in Büchern der Mönche und später auch in Druckerzeugnissen) von den Männern gemacht, was die Entscheidungsbefugnis anbelangt. Die Kommunikation mit Botschaften hat eine fem. Komponente, die sich … in einem Random/Vakuum im Netz ausdehnt, was folgender Song gut rüberbringt: Mellowbag & Freundeskreis feat. Mr. Gentleman – Tabula Rasa