Liebe Medien, liebe Familienpolitiker_innen, liebe Menschen so im allgemeinen,
ich wollte mal kurz aber nachdrücklich eins festhalten: Meine letzte Beziehung ist nicht gescheitert. Sie ist vorbei, aber nicht gescheitert.
Wobei, lasst mich vielleicht doch ein bisschen weiter ausholen.
Wenn ich hier „Beziehung“ schreibe, meine ich damit eigentlich nur eine ziemlich klar festgelegte Form dessen, nämlich eine „herkömmliche“ Paarbeziehung, zwei Personen (oftmals sind 1 Frau* und 1 Mann* gemeint), Romantik/Liebe/Erotik, verbindliches, meistens exklusiv zweiermäßiges Miteinander. Das ist ja schon so das, was landläufig meistens mit „Beziehung“ gemeint ist. Warum es gerade im Kontext feministischen Handelns wichtig ist solche Eingrenzungen zu hinterfragen, dazu wird immer wieder viel Kluges gesagt, ich kann mir das an dieser Stelle also sparen, zumal ich mich hier jetzt auf Diskurse beziehe, die sich überwiegend um das oben beschriebene Beziehungskonzept drehen.
Worauf ich dabei hinaus will: Trennung und Scheitern sind nicht dasselbe. Jedenfalls für mich nicht, und ich weiß inzwischen dass es vielen so geht.
In letzter Zeit ist mir diese Gleichsetzung wieder ziemlich oft über den Weg gelaufen – ich glaube das ging mit den Debatten um die rechtliche Gleichstellung von lesbischen und schwulen Beziehungen einher, da wurde ja auch wieder viel über Hetero-Ehen gesprochen (schließlich darf niemals vergessen werden, wessen Anliegen die wichtigen sind, nech?), aber auch mit Berichten über Familienpolitik und der zunehmenden Aufmerksamkeit für sogenannte Ein-Eltern- und Patchwork-Familien. Da wird dann von den soundsovielen Prozent aller Ehen gesprochen, die heutzutage scheitern. Und mich nervt diese permanente Gleichsetzung von „eine Beziehung hört nach außen hin sichtbar auf“ und „eine Beziehung scheitert“ unglaublich. Und ich würde mich freuen wenn das aufhört.
So viel Gedöns mal wieder um so ein einfaches kleines Wort? Ja genau, und ich versuche mal zu erklären, warum.
Erstens: Mit der Idee, es gäbe „die“ richtige erfolgreiche™ Beziehung, gehen Diskurse und handfeste Praktiken einher, die so manche Formen menschlichen Zusammenlebens benachteiligen und entwerten. Zwei Frauen*, die ein gemeinsames Kind haben? Schön und gut, aber doch keine vollwertige Familie. Männer* die Männer* begehren? Schön und gut, aber Blut spenden lieber nicht, weil wir wissen ja, „die“ und ihr Risikoverhalten… Heiratswillige Paare, von denen einer Person der deutsche Pass fehlt? Ein-Eltern-Familien, denen die angebotenen Familienrabatte nichts bringen, weil die Familie dafür zu wenige Erwachsene vorweisen kann – obwohl gerade alleinerziehende Mütter oftmals finanziell ziemlich begrenzte Möglichkeiten haben und umso mehr drauf angewiesen wären? Na, und so weiter und so fort.
Zweitens: Die Idee, eine Beziehung müsse für immer™ halten, um ihren Zweck erfüllt zu haben, mag unter ökonomischen oder juristischen Aspekten in gewisser Weise nachvollziehbar sein – immerhin gibt es Beziehungen, speziell dazu gedacht: Ehen, die Beteiligten eine gewisse Sicherheit in Sachen Lebensunterhalt und Altersversorgung bieten, und wenn das durch eine Trennung wegbricht, ist das neben den vielleicht zerbrochenen Lebensplänen und -idealen natürlich ein handfestes Problem. Gerade in einer Gesellschaft, wo die Auswirkungen ungerechter Strukturen so stark individualisiert werden wie in der unsrigen – und viele gar nicht erst die Möglichkeit haben, überhaupt zu versuchen, sich über eine Ehe abzusichern, weil ihnen diese Institution von vornherein verschlossen ist. Ich will auch keinesfalls jemandem absprechen, die eigene Trennung für sich als Scheitern einzuordnen, egal unter welchen Bedingungen.
Allerdings trifft der materielle Aspekt längst nicht für alle Beziehungen zu. Und so folgt diese Rede vom Scheitern einer moralisch-romantisierten Norm, die man ja durchaus mal hinterfragen könnte. Ich habe zum Beispiel noch nie jemanden sagen hören, Weihnachten sei gescheitert, egal wie toll man gefeiert hat und wie super die Geschenke waren, nur weil es nach drei Tagen vorbei war. Zugegeben, diese Analogie ist nicht wirklich eine, aber ich denke ihr versteht worauf ich hinaus will: Warum ist etwas automatisch erfolglos, nur weil es zeitlich begrenzt ist? Egal was vielleicht trotz eventuellen Leids alles Tolles dabei rausgekommen ist – an Projekten, Erlebnissen, Erinnerungen, wertvollen Erfahrungen und Selbst_Erkenntis?
Drittens: Warum ist unbegrenztes Bestehen von Beziehungen an sich ein Erfolg und ihr Ende ihr Scheitern? Was ist mit dysfunktionalen, destruktiven oder einfach unbefriedigenden Beziehungen – Menschen die sich aus solchen lösen, empfinden das oft viel mehr als Erfolg denn als Scheitern. Es soll sogar Leute geben, die ihre Scheidung feiern… Manchmal können ehemalige Partner_innen bessere, wertschätzendere Beziehungen mit einander führen, nachdem sie sich „getrennt“ haben. Und womöglich trennen sich Menschen bisweilen nicht, obwohl sie in der Beziehung eigentlich nichts mehr hält, weil sie nicht als gescheitert da stehen wollen, weil sie ein solches Scheitern nicht mit ihrem Selbstbild vereinbart bekommen. In heteronormativen Kontexten wird nach wie vor vor allem Frauen* die Verantwortung für das Aufrechterhalten sozialer Beziehungen, auch Liebesbeziehungen, zugeschrieben, ebenso wie das größere Bedürfnis nach Beziehungen, und ihr Wert wird vor allem daran gemessen, wie attraktiv sie von Männern* gefunden werden, so dass sie das Scheitern-Narrativ umso stärker betrifft. Und Menschen die teilweise mühsam gelernt haben, ihren Lebenssinn und ihr Selbstwertgefühl nicht an Zweierbeziehungen zu knüpfen und damit unglaublich viel an Selbstbestimmung gewinnen – alle gescheitert?
Und viertens: Statistiken zufolge wachsen immer mehr Kinder heute mit getrennt( lebend)en Eltern auf. Auch Kinder hören ständig von „gescheiterten Beziehungen“. Und sie lernen gleichzeitig, dass Familie „Vater, Mutter, Kind(er)“ bedeutet. Trotz sich ändernder Lebensrealitäten lernen sie das oft so. Und trotz dieser vielfältigen Realitäten hören sie vom „scheitern“. Sie selbst, oftmals sichtbarer, lebendiger „Output“ einer (wie auch immer gearteten) Beziehung, werden so zu Manifestationen, zum wandelnden Ausdruck dieses Scheiterns etikettiert. Ich frage mich, wie sich das wohl anfühlt. Es ist bekannt, dass Kinder sich oft selbst die Schuld geben, wenn ihre Eltern sich trennen, denn Kinder beziehen oftmals die Dinge um sie herum stark auf sich selbst. Ich finde die Vorstellung sehr gruselig, dass einem Kind wenn auch vielleicht nur halb bewusst ein Gedanke kommen könnte wie: „Hm, Mama und Papa sind gescheitert? Aber sie haben doch mich auf die Welt gebracht? War das also ein Misserfolg? Bin ich ein Misserfolg?“ Plakativ, ok – aber naheliegend, finde ich.
Also, ich hoffe es ist klar geworden: Bitte sagt nicht „gescheiterte Beziehung“, wenn ihr „beendete Beziehung“ meint. Jedenfalls nicht wenn ihr über anderer Leute Beziehungen redet. Denn letzendlich läuft es auf die einfache Frage hinaus: Warum muss man komplexe zwischenmenschliche Beziehungen überhaupt in so herrlich neoliberal anschlussfähigen Begrifflichkeiten von Leistung, Erfolg und Misserfolg beschreiben?
Danke an Antje, Nicole, Ragni, Sharon und somlu für die Anregungen, die in diesem Text stecken! :)
schöner Text. bin im nachhinein glücklich über jede meiner Beziehungen – und Freundschaften – und Affären – welche war jetzt eigentlich welche oder alles zugleich oder nacheinander…? kommt durchaus vor ;) aber umsonst war da nichts – jede Liebe ein Teil von mir. und das Abschütteln des Scheiterns kann ich nur unterstützen: sehr befreiend. Gescheitert wird ja an Erwartungen, nicht wahr? Und die kann ich auch ändern, wenn ich einsehe, dass sie nicht realistisch sind.
Wenn ich mal so die mediale Darstellung von „Trennung einer Paarbeziehung“ Revue passieren lasse fällt mir jetzt auch auf, dass dies immer nur von einer Person auszugehen scheint. Daher vielleicht ein „Scheitern“, weil eine Person diese Beziehung noch gerne weitergeführt hätte…
Kennt irgendjemand Beispiele für die Trennungsdarstellung, bei der beide (oder vielleicht auch mehr) Partner_innen das befürworten?
Sehr guter und wichtiger Text! Absolut, dieses Wort ist manchmal echt unerträglich und reiht sich ein in die raumgreifende Einordnung aller Dinge in Sieg- und Niederlagekategorien.
@furly: Klar gibt es auch Beziehungen, die im Einvernehmen von mehreren Partner_innen beendet werden, weil sich alle Beteiligten darüber einig sind, dass sich zB Dinge (Situationen, Gefühle, Dynamiken) verändert haben, Affären sich einfach nicht mehr gut anfühlen, …. wenn ich Deine Frage richtig verstanden habe. Ja, das hab‘ ich schon gehört und auch schon selbst erlebt.
Was es alles zu reflektieren gibt – unglaublich. Auch ich habe mich bis jetzt gerade als gescheitert betrachtet, wobei ich das professionelle Scheitern da durchaus in den Kontext von Individualismus und Leistungsgesellschaft einordnen konnte. Das Scheitern an einer mal großen Liebe, das habe auch ich in gewissen Zügen sehr auf mich bezogen, mit dem Ergebnis, dass mein Selbstwertgefühl irgendwie angeknackst ist und ich mit dem Gefühl zurückbleibe, nun noch viel mehr verkorkst zu sein als eh schon.
Danke also, für diesen wichtigen Arikel, wir werden doch anscheinend immer und überall von unseren/den gesellschaftlichen Vorstellungen durchdrungen.
Sehr, sehr wichtig finde ich den Hinweis auf das (mögliche) Verstehen einer Trennunsgsituation durch ein Kind. Dass es sich selbst als Produkt von etwas sieht, das ja „gescheitert“ ist, ist gar nicht so plakativ. Das ist eine naheliegende Folgerung, gerade für ein Kind, dass in einigen Bereichen noch nicht in der Lage ist, die Aussagen/Botschaften der Eltern einzuordnen oder gar infrage zu stellen. Hier ist als Erwachsene_r große Umsicht geboten, was/wen man als „gescheitert“ bezeichnet, und sei´s noch so laipdar dahingesagt.
Sehr interessant!
Darüber hab ich ehrlich gesagt noch nie so richtig nachgedacht.
Danke für den Denkanstoß :]
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„Da wird dann von den soundsovielen Prozent aller Ehen gesprochen, die heutzutage scheitern. Und mich nervt diese permanente Gleichsetzung von “eine Beziehung hört nach außen hin sichtbar auf” und “eine Beziehung scheitert” unglaublich. Und ich würde mich freuen wenn das aufhört.“
Nun, prinzipielle ist Ehe als lebenslängliche Verbindung zweier Menschen angelegt. Dass manche nur deshalb heiraten, damit sie den „Spaß“ auch mal gemacht haben, ist n anderes Thema. Soundsoviel Prozent Ehen scheitern. Wenn das Ziel dieses Konzepts nicht erreicht wird, dann darf man das durchaus scheitern nennen. So einfach wie treffend.
Das ganze Konzept „Ehe“ ist im Grunde gescheitert, wenn man sich vor Augen hält, dass die durchschnittliche Ehedauer bei ca. 10 Jahren liegt, weit weg jedenfalls vom Ziel…
Jeder mag das Scheitern seiner Ehe selbst als Gewinn betrachten, ich tut es auch. Immerhin weiss ich jetzt, welcher Unfug Ehe ist. Ich hätte das natürlich besser vorher gewusst und mir diesen ganzen Quatsch einfach erspart…
@alle die mit dem Text was anfangen konnten: Danke für euer Feedback! :)
@XRay: Tut mir leid, dass es offenbar in deinem Leben Dinge gab die anders gelaufen sind als erhofft. Ob Ehe an sich deshalb Unfug und Quatsch ist, möchte ich mir nicht anmaßen zu beurteilen – mir geht es bei Ehekritik eher um Institutionen- und Systemkritik. Ich habe den Eindruck, dass nicht ganz klar geworden ist, worauf ich mit dem Text hinaus will, denn genau das was du über das Konzept Ehe als lebenslange Verbindung schreibst, kritisiere ich hier. Siehe insbesondere den Abschnitt „Zweitens“.
@Jody: Aha.