Statt einer Webseite mit Kinderpornografie soll künftig ein Stoppschild im Internet zu sehen sein. So erklärte es Familienministerin Ursula von der Leyen in mittlerweile unzähligen Pressekonferenzen. Im Internet schlugen die Wellen dabei hoch wie nie zuvor. Die Petition gegen das Zugangserschwerungsgesetz erreichte mit 134.000 Unterzeichnern einen neuen Rekord. Am 18. Juni nahm der Bundestag einen Vorschlag an, der deutlich vom ursprünglichen Gesetzesvorschlag abweicht. Vorgesehen ist, dass das BKA eine Sperrliste erstellt und diese an Internetprovider mit mehr als 10.000 Kunden weitergibt. Die Provider müssen daraufhin den Zugang zur Seite erschweren, Stoppschilder aufstellen und anonymisierte Zugriffsstatistiken an das BKA zurückschicken. Überprüft werden soll die Liste von ein Gremium mit fünf Experten, wobei mindestens drei die Befähigung zum Richteramt haben müssen.
Der Verein Trotz Allem, der sich um Frauen mit sexualisierten Gewalterfahrungen kümmert, wandte sich nach der Verabschiedung mit einem offenen Brief an von der Leyen:
Entgegen aller Experten Meinungen haben Sie es geschafft ein unnützes und sinnloses Gesetz durchzuboxen.
Ihre Aussage „das wollen wir nicht sehen“, ist sehr wohl bei uns angekommen. Aber als Familienministerin ist es Ihre Verantwortung und Ihre Pflicht genau dort hinzusehen und alles in Ihrer Macht stehende zu tun sexualisierte Gewalt an Kindern zu verhindern.
Der Verein hatte seine Meinung bereits im Mai in einem offenen Brief (PDF) dargelegt. Sie argumentieren, dass niemand zufällig auf den Seiten lande und die meisten völlig anders organisiert seien. Außerdem lassen sich die Sperren leicht umgehen lassen und, einmal vom Seiteninhaber entdeckt, diesen nur warnen. Schließlich stünde die betroffenen Server in Ländern mit Gesetzen gegen Kinderpornografie und die Auswertung der Zensurlisten anderer Länder habe ergeben, dass auch viele andere, legale Seiten gesperrt werdn. Trotz allem e.V. stellte daher folgende Forderungen:
Opferschutz muss immer vor Täterschutz gehen – Internetseiten sperren heißt Täterschutz!
Wir brauchen qualifizierte Pädagogen/-innen, Therapeuten/-innen und Schulsozialarbeiter/-innen
Personelle Verstärkung insbesondere auch für die Jugendämter
Dass die Bundesregierung tatsächlich über keinerlei Kenntnisse zu den Länderstandorten oder dem Ausmaß der kommerziellen Verbreitung verfügt, ergab im Juni eine Anfrage der FDP-Fraktion. Der Verein Missbrauchsopfer gegen Internetsperren (MOGIS), der sich gegen die Verwendung des Begriffs Kinderpornographie wendet und „dokumentierten Kindesmissbrauch“ vorzieht, hat ferner die polizeiliche Kriminalstatistik von 2009 ausgewertet:
Am erfreulichsten ist folgender Fakt: Trotz erhöhten Ermittlungsdruckes ist die Fallzahl für die Straftat 1316 “schwerer sexueller Kindesmissbrauch zur Herstellung und Verbreitung” im Jahr 2008 auf 81 Fälle gesunken (von 103 im Jahr 2007).
Ein schwieriges Thema.
„Dass die Bundesregierung tatsächlich über keinerlei Kenntnisse zu den Länderstandorten oder dem Ausmaß der kommerziellen Verbreitung verfügt, ergab im Juni eine Anfrage der FDP-Fraktion.“
Das kann ich nicht glauben, wo doch allgemein bekannt ist, dass die meisten Server in Demokratien, in den USA und einige auch in Deutschland liegen. Darauf ist die Bundesregierung doch oft genug hingewiesen worden. Auch darauf, wie leicht es ist, diese „Stoppschilder“ zu umgehen. Denn wie Du schon anbrachtest: zufällig landet keiner auf diesen Seiten.
Ich finde, das ist ein Fiasko. Denn wie schon angedeutet, es werden auch Seiten gesperrt, die keine Kinderpornographie verbreiten. Und die Möglichkeit unliebsame Meinungen über Stoppschilder mundtot zu machen, ist nun einfacher denn je.
Na ja, die Anfrage der FDP an die Bundesregierung ergab, dass sie keine Erkenntnisse über Serverstandorte habe, noch solche Erkenntnisse in Erfahrung bringen wollte. Siehe hier.
Ansonsten ist es vielleicht ein wenig doof, in die Zukunft zu verweisen, aber trotzdem. Ich habe von gestern bis morgen eine Blogreihe zum Buch „The Authoritarians“ geschrieben. Zensursula kommt zwar erst morgen dran, aber kluge Menschen (also Frauen) können sicher auch selbst extrapolieren, wenn sie die ersten beiden Beiträge (gestern und heute) gelesen haben. Jedenfalls wird dann, hoffe ich, klar, wie beispielsweise die Internetzensur durchgewunken wurde, trotz Opferverbänden, die sich dagegen aussprachen, oder erwiesener Nutzlosigkeit der Sperren, oder dem Missbrauch bei anderen Listen, oder… also wider besseren Wissens.
Einem möchte ich oben widersprechen, ich weiß allerdings nicht, ob da vielleicht nur ein „nicht“ zuviel ist. Sie argumentieren, dass niemand zufällig auf den Seiten lande und die meisten völlig anders organisiert seien. Ich klicke über die Woche gesehen viele Links an, die mit tinyurl verschlüsselt oder hinter html verborgen sind. Da gerate ich auch schon mal auf Seiten, die ich gar nicht sehen will. Bislang keine Kinderpornografie, aber ausschließen will ich das nicht.
Zumal das ja nach dem neuen Jugendschutzgesetz auch wieder schwammig ist und beispielsweise jung aussehende, volljährige Frauen und Männer oder vielleicht sogar Zeichnungen darunter fallen können.
Hallo Mädchen,
wie kommt es, dass Ihr schreibt „Therapeuten/-innen“ und „Schulsozialarbeiter/-innen“ aber nur „Täter“, also die männliche Form?
Wo sind bei Euch die Täterinnen?
Laut „Zartbitter“ beträgt der Anteil von Frauen bei Kindesmissbrauch 25%: http://e110.de/artikel/detail.cfm?pageid=65&id=27608
@Jonas: Die Forderungen in den Punkten sind ebenfalls Zitate des Vereins Trotz Allem.
“Zartbitter”
Die Informationen dieser selbsternannten Kinderschützer sind mit mehr als nur Vorsicht zu geniessen. Diese Vereine tragen maßgeblich dazu bei, dass in den Medien völlig unsinnige Zahlen auftreten, die gar nicht stimmen. So spielen sie der Politik in die Hände.
„Unsinnige“ Zahlen inwiefern? Und wie spielen sie der Politik in die Hände? Kannst du das bitte etwas näher erläutern?
Na was gibts da noch zu erklären? Völlig übertriebene Opfer-Täter-Zahlen, angebliche Kinderpornoringe usw., der ganze Lügenkomplex eben, der von der Politik für den Abbau von Bürgerrechten und die Verschärfung des Sexualstrafrechts benutzt wird. Die meisten Tatverdächtigen bei Kindesmissbrauch sind übrigens, mit großem Abstand, zwischen 14 und 16 Jahren alt, seit einvernehmlicher Sex zwischen Jugendlichen und Kindern verboten ist.