Starke Schmerzen

Teresa Bücker, im Netz auch unter Fräulein Tessa bekannt, ist Femininja und bloggt seit mehreren Jahren auf Flannel Apparel. Seit einiger Zeit schreibt sie für die FAZ-Online-Kolumne Deus Ex Machina über Kommunikation, Beziehungen und Digitales und arbeitet nebenher für die SPD. Ihre Kritik an den kürzlich in großen Medien erschienenen Artikeln über Männer/bilder in der Krise veröffentlichen wir hier mit freundlicher Genehmigung.

Mich hat in den Reaktionen, die ich zu Nina Pauers Text über Schmerzensmänner beobachtet habe, besonders irritiert, wie viele Männer ihr zustimmten und einstimmten in einem Kanon à la: “Nur Arschlöcher bekommen Frauen ab, die netten Jungs nicht.” (Schuld daran sind natürlich die bösen Frauen)

Das Gelabere von der “Krise der Männlichkeit” (Wir erinnern uns: The Atlantic: “The End of Men”, oder Claudius Seidl, der in der FAS gar vom “November der Männer“ sprach) verschleiert eine Kernaussage unter einer versuchten Mitleidserregung für “weichere” Männer: durch den Wandel der Geschlechterrollen und das Erstarken von Frauen in der Gesellschaft seien Männer in Zweifel an ihrer Rolle geraten. Um diese wieder zu stabilisieren, braucht es eine Rückkehr in traditionelle Rollenmuster << das ist die Hidden Agenda. Wo aber bleibt der Diskurs unter Männern über die vielfältigen Rollen, die sie einnehmen könnten (und auch schon immer tun). Eine Rückkehr in alte Rollenmuster wünscht sich scheinbar auch Nina Pauer. Schade. Wir sind immer alle so emanzipiert (in der Theorie) und sobald es hart auf hart kommt, nämlich in Beziehungen, wenn Menschen Familien gründen, bröckelt es. Ja, da können Frauen sich fragen, warum es ihnen plötzlich doch etwas ausmacht, den ersten Schritt zu machen, das Haupteinkommen zu verdienen, die Kinder loszulassen. Das kann aber nicht losgelöst davon gesehen werden, dass Frauen nach wie vor in diese Position gedrängt werden. Dass Frauen auf den kühnen Prinz warten, ist harte Sozialisation. Dass "Männlichkeit" in vielen Facetten gelebt werden kann und akzeptiert wird, dafür ist jedoch nicht der Feminismus zuständig. Wie das geschehen kann, sollten Männer (laut) überlegen. Ich bin gespannt. Denn das Verlangen nach starken Männern zeigt zweierlei: es braucht den Feminismus noch, und zwar sehr. Aber auch eine Entsprechung für die Herren. --- Hinweis: Der Spiegel schreibt über die „Verweichlichung einer Generation junger Männer“ und in der FAZ sind die „Geschlechterrollen im Wandel“.

9 Kommentare zu „Starke Schmerzen

  1. Ich habe Pauers Text als bodenlose Frechheit empfunden, wohl auch, weil mir persönlich keine Frauen bekannt sind, die jemals einen „sensiblen Mann“ als „Waschlappen“ o.ä. bezeichnen würden. Seltsamerweise hat auch mein sensibler, bärtiger, musisch begabter und weniger als ich verdienender Freund (lt. Pauer also theoretisch so ein armes Schwein, dass NIE zu einer Frau kommt) nach dem Studium dieses seltsamen Textes nur eine Augenbraue hochgezogen und die ganze Sache seltsam und nicht sonderlich realitätsbezogen gefunden. :)
    Und die Kommentare der offensichtlichen Frauenhasser hat sich die gute Frau wirklich verdient – muahahaha…

  2. Abgesehen von allen anderen Aspekten muss ja auch mal klar gesagt werden: Die von Nina Pauer wortreich beschriebene (selbst erlebte?) Patt-Situation ist nicht gerade das häufigste Problem in neuen Beziehungen, und die vermeintlich „weichen“ (tatsächlich: kulturell besonders ehrgeizigen) Männer sind immer noch eine kleine Minderheit.

  3. Und natürlich sind die Frauen und der Feminismus wieder an allem Schuld! /facepalm

    Was mich ganz besonders nervt: „Männlichkeit“ wird in vielen Facetten gelebt und akzeptiert! Es wird nur nicht wahrgenommen, weil’s nicht in den Mainstream/Nice Guy Mythos von den pöööhsen Frauen passt, die ja angeblich nur Arschlöcher wollen.

  4. Wenn es so etwas wie eine Krise geben sollte (wenn sie gefühlt wird, dann gibt es sie, aber eigentlich sind das Hetero-Probleme…), dann kann es nicht nur auf ein Geschlecht abgewälzt werden. Es scheint viel eher eine Neukonfiguration der Geschlechter untereinander zu geben, deren Aushandlung nicht reibungslos funktioniert.

    Mit einer „Krise der Männlichkeit“ muss auch zwangsläufig eine „Krise der Weiblichkeit“ entstehen (die Unentschlossenheit Frau Powers…sorry, Frau PAUERS ist ein Anzeichen), denn die Relationalität der Rollen zwingt beide zur jeweiligen Anpassung an den anderen/die andere.

    Ich habs jetzt mal einfach so in den Raum geworfen: Gibt es eine Krise der Geschlechter und damit AUCH eine Krise der Weiblichkeit?

    (oh, das ist gut! Dazu schreib ich auch einen Beitrag, hahaha!)

  5. Halte das auch für eine Scheindebatte. Als ob es kompliziert wäre, Cis-Mann zu sein. Mal ehrlich: ist es nicht. Im Gegenteil: ruhige und zurückhaltende Verhaltensweisen sind durchweg akzeptiert, besser: egal. Keine Ahnung, warum mensch das anders sehen könnte. Hier wird geradezu krampfhaft versucht, ein Fass auf zu machen. Das schwemmt natürlich Frustrierte an die Oberfläche, wodurch der gesamte Diskurs nach ein paar Kommentaren bei „Frauen wissen nicht, was sie wollen“ und „Männer werden massiv benachteiligt“ anlangt. Ziemlich kalter Kaffee.

  6. Schon wieder Männerdämmerung?:)
    Man sollte trotz allem nicht vergessen, dass auch das Feuilleton 2.0 auf Clicks angewiesen ist und die werden nunmal durch Artikel, bei denen die Leser viele Kommentare schreiben, in die Höhen gejagt. Denn jeder der was postet, geht mindestens noch einmal auf die Seite um sich die Reaktionen auf seinen Post anzusehen. Das ist auch der Grund, weshalb mittlerweile jedes noch so konservative News-Portal in regelmässigen Abständen Artikel publiziert, die Kastrationsängste provozieren; schliesslich sind die überwiegende Mehrheit der Leser von Online Medien nach wie vor männlich. Inwiefern dieser ‚Missbrauch‘ der Gleichstellung schadet, vermag ich nicht zu beurteilen.

    BTW, bei wievielen eurer Geschichten hat der erste Kuss in einer Bar stattgefunden? Bei mir wars ein einziges mal, aber auch nur weil wir die einzigen Gäste waren..

Kommentare sind geschlossen.

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