Gerade wird im Zusammenhang mit Homo- und Trans*feindlichkeit viel über den Unterschied von Toleranz und Akzeptanz geschrieben. Toleranz doof, Akzeptanz gut. Nicht thematisiert wird die Heteronorm, die hinter beiden Worten steckt. Wer toleriert/akzeptiert wen bzw wird dazu moralisch angehalten? Angehalten, weil es sich bei Homos und Trans* ja um eine „Minderheit“ handelt, die (auch) quantitativ gar nicht in der Lage ist, die eigenen Hetero-Selbstverständlichkeite
Damit das Minderheits- und „Kann nicht gefährlich werden“ Dogma aufrecht erhalten wird, redet Mensch wahlweise von Krankheit oder Biologie. Homo und Trans* werden als essentialistische Abweichungen konstruiert. Es gibt sie halt und sie stressen nicht, wenn sie getätschelt werden. Deshalb akzeptieren wir sie.
Dass die tatsächliche „Minderheit“ nur eine solche ist wegen jahrhundertelanger Diskriminierung, Gewalt und Unterdrückung bleibt unerwähnt. Dass Heten sich zur Mehrheit (und damit einhergehend Norm) konstruieren, die großzügig darüber entscheidet, das vorher gewaltsam Zurückgedrängte zu akzeptieren, ist Teil des Problems und nicht der liberale Gleichberechtigungsgestus, für den er sich ausgibt.
Ob Mensch das nun Toleranz oder Akzeptanz nennt, ist dabei völlig irrelevant und letztlich auch nur der Versuch sich gegenüber den rechten, konservativen und fundi Hatern ein Stück besser/aufgeklärter/offener zu fühlen. Ich wurde schon toleriert und akzeptiert, es war etwas angstfreier als wenn das nicht der Fall gewesen wäre, aber die Zurichtungen und Diskriminierungen verschwinden damit nicht, genauso wenig wie das Gefühl anders zu sein und es auch zu bleiben. Solange ich keine Hete bin.
Mein MiniComic zum Thema: „Tolerant sind die Hasen, die das Sagen haben, die legen dann fest, wie der Hase läuft“ .
http://annaheger.wordpress.com/2013/04/30/hasen/
Hi Nadine,
Deinen Punkt kann ich nachvollziehen. Allerdings habe ich die Worte Toleranz und Akzeptanz immer so voneinander unterschiedlich verstanden, dass Akzeptanz etwas ist, das ich gar nicht „entscheide“ (also: aktiv unternehme). Toleriere ich Homosexualität, ist das definitiv (wie Du ja schreibst, wenn ich Dich richtig verstanden habe) anmaßend. Akzeptiere ich Homosexualität aber, so heißt das meinem Verständnis der Begriffe nach doch, dass ich mich damit identifizieren kann, ich es – ganz passiv! – annehme, genauso wie ich z. B. einen Sonnenaufgang akzeptiere.
Vielleicht ist der Begriff Akzeptanz inzwischen aber tatsächlich anders besetzt und es bräuchte einen neuen?
LG Lea
Ich habe eine Verständnisfrage:
„Dass Heten sich zur Mehrheit (und damit einhergehend Norm) konstruieren […]“
„Heten“ sind in der Mehrheit, insofern wüsste ich nicht, was daran konstruiert ist. Oder übersehe ich etwas? Die Frage wäre doch eher, wie künftig verhindert werden kann, dass die Mehrheit sich zur Norm erklärt und andere unterdrückt und zurückdrängt und die „Gnade“ der Toleranz oder gar Akzeptanz erweist.
Hallo Isi,
Mag sein, dass Heten quantitativ in der Mehrheit sind, allerdings kann ich nicht alle Menschen dieser Welt fragen, ob sie sich hetero definieren oder nicht. Für mich ist diese Mehrheit deshalb konstruiert, weil sie permanent als Norm präsentiert und gewaltvoll hergestellt wird. Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine Verteilung von Gender-Identitäten und Begehrensweisen aussehen würde, gäbe es sowas wie die Vorstellung von Mann/Frau, die sich jeweils aufeinander zu beziehen haben, nicht. Auf jeden Fall und soweit lehne ich mich aus dem Fenster, würde sie anders aussehen als jetzt.
@ Isi: Kann Nadines Erklärung nur zustimmen. Die Norm bzw. das Mehrheits-/Minderheitenverhältnis reproduziert sich quasi selbst, nämlich indem das „andere“ (die „Minderheit“) unsichtbar gemacht und aus dem Denken verdrängt wird. Was sich jetzt auch sehr schön an der Lehrplan-Debatte erkennen lässt. Welche Angst davor, die „Minderheit“ sichtbar werden zu lassen – sicher nicht zuletzt deshalb, weil sie dann halt vielleicht nicht mehr Minderheit bleiben würde.
Ich bin bestimmt nicht die einzige (Ex-)“Hete“, die erst in der Auseinandersetzung mit Geschlecht und konstruierter Geschlechterdichotomie gemerkt hat, dass es keinen grundlegenden Unterschied (außer natürlich der durch die Sozialisation gemachte) zwischen Männern* und Frauen* gibt und daraufhin sehr spät ihr eigenes Begehren zum ersten Mal hinterfragt und dabei rausgefunden hat, dass sie sich sehr wohl auch von Menschen des gleichen und Menschen außerhalb des Mann-Frau-Geschlechterschemas angezogen fühlt. Vielleicht – nein, sehr, sehr wahrscheinlich – wäre das leichter gewesen und hätte früher stattgefunden, wenn die Heteronorm nicht so dominant wäre.
Wie wäre es denn in einer Welt, in der völlig außer Frage stünde, dass jeder Mensch sich von jedem Menschen angezogen fühlen und Beziehungen jeder Art eingehen kann und Geschlecht hierbei keine oder eine sehr untergeordnete Rolle spielt, da es sowieso kein eines Geschlecht gibt, das eine_m_r zugeordnet ist? Es bräuchte all die „Homo“, „Hetero“, „Bi“, „Trans“, „Inter“ Begriffe nicht mehr und wie viele Menschen würden sich plötzlich „homo“ verlieben, wenn das normal und anerkannt und gleichwertig gedacht würde? Ich würde mich mindestens so weit wie Nadine aus dem Fenster lehnen – warum soll es „naturgegeben“ sein, dass sich mehr Menschen in „Gegengeschlechtliche“ verlieben oder sie begehren? Wegen Arterhaltung, Fortpflanzung und so? Das wage ich zu bezweifeln. In der Welt, wie sie jetzt ist, ist kaum noch irgendwas „natürlich“ und biologisch erklärbar. Und diese angeblich reine Hetero-Orientierung der großen Masse ist eins der größten Konstrukte in dieser Gesellschaft, glaube ich.