Selbermach-Sonntag (1.11.09)

Für alle, die wie das neue Layout die Nacht überlebt haben, nun eure Ideen, Meinungen, Zusammenfassungen der vergangenen Woche im Selbermach-Sonntag!

Viel Spaß und schönen Sonntag!

4 Kommentare zu „Selbermach-Sonntag (1.11.09)

  1. Habe mir gestern „Männerherzen“ angesehen, und fand den Film gar nicht soooooo schlecht. Die allgemeine Verwirrungslage der meisten Männer wird visuell vor allem durch zwei nebeneinander hängende Poster ausgedrückt – auf der einen ein Hausmann, auf der anderen ein Mann neben dem Sportwagen, dem zwei Frauen hinterher schauen – und am Ende gewinnt die Liebe, wie bei der Rosamunde, aber das wohl vor allem deswegen, weil der Film ja eigentlich für Frauen gemacht ist, wie man im Kino sehen konnte, und was mir ungläubige Blicke an der Kasse eingebracht hat, als ich nur eine Karte gekauft habe. Diese Zielgruppe ist ein kleines Problem für den Film.

    Aber Frauen sind interessanterweise meist nur Nebendarstellerinnen in der hier stattfindenden männlichen Selbstbefragung – sobald *mann* es denn hinbekommt, ihnen hallo zu sagen, ohne nach Tierfutter zu fragen. Der „jüngste Berliner Gewerbeaufsichtsbeamte“, von Christian Ulmen karikiert, ist aber beleibe keine so seltene Erscheinungsform der Gattung Mann. Von ihm steckt mehr in den meisten von uns, als uns lieb ist – was natürlich auch das beharrliche Ignorieren dieses Typus erklärt – und wo er auftaucht, wird er als „Hampelmann“ dargestellt.

    Was war noch interessant? Die Gewaltdiskussion und die Kindergärtnerinnen wurde schön dargestellt. Roland, ein S-Bahn-Fahrer, der sich rührend und verantwortungsbewußt um seinen dementen Vater kümmert, wird aggressiv und gewalttätig, als er nicht damit zurecht kommt, daß ihm eine Frau vor die Bahn springt. Seine Beziehung hält dem Druck nicht stand. Er hat aber gelernt, daß *man/n* immer kämpfen muß. Und das bringt er seinem Sohn (Martin?) am Wochenende auf dem Fußballplatz bei. Der wird dann von der Kindergärtnerin nach Hause geschickt, weil er sich mit einem anderen Jungen geprügelt hat. Und dann sieht man ihn mit seiner Mutter, die ihm sagt „Du weißt doch, daß man andere nicht schlägt, warum hast Du das denn gemacht?“.

    Wo die meisten Gehirne schon vor kognitiver Dissonanz die Arbeit eingestellt hätten, setzt der Kleine noch einen drauf: „Weil der Tommy (oder so) gemein zur Jasmin war“. Da streichelt ihm die Mama über den Kopf und lächelt. Soviel zum Thema „gute und böse“ Männlichkeit (…where have all the cowboys go-hone…) . Von der Kindergärtnerin erfährt man dann noch, daß „man/n“ Stolz darauf sein soll, verliebt zu sein, und der Tommy nur aggressiv sei, weil er eifersüchtig ist. Mag ja sein – ändert aber nichts daran, daß der Tommy für sein Verhalten vom Martin eins auf die Nase verdient hat, damit er kapiert, daß sowas eben auch von seinesgleichen nicht als cool empfunden wird. Die Prügelei ist für beide gut – da steht das Interesse der Rechtschutzversicherung des Kindergartens und der Kindergärtnerin und der Eltern, die ihre Jungs sicher gerne ohne Gebrauchsspuren abholen würden, gegen das Interesse beider Kiddies.

    Da waren noch eine Menge anderer Gemengelagen. Da war der Arbeitslose, der sich genötigt sieht, endlich etwas zu unternehmen, um seiner schwangeren Freundin wirtschaftliche Sicherheit zu geben, um sie von der Abtreibung abzuhalten, und dem Til Schweiger, der erkennt, daß es besser ist, nicht mehr Jerôme zu heißen, sondern Hans-Jürgen, und daß es besser ist, die vom Ehemann verlassene erste große Liebe wieder zu finden, als mit Sabrina rumzuficken, die eigentlich Steffi heißt, aber gerne Sängerin werden will. Irgendwie belügt sich da jeder selbst und alle anderen, in diesem Teil des Stücks. Und die Botschaft ist irgendwie dann auch zu heimelig: Der Werbefritze, der mit der Schauspielerin fremd geht, weil ihm sein Lebensplan zu langweilig geworden ist, bekommt beim Anblick ihrer Schlabberhose (und nachdem sie im Schlaf gerülpst hat) ein schlechtes Gewissen: „wenn schon Schlabberhose, dann doch *die eine* Schlabberhose).

    Das sind dann so die Stellen, wo die Zielgruppe zum großen Problem wird. Denn für *uns* ist das Problem, daß sich unser Leben zwischen den zwei von den Postern symbolisierten Polen abspielt, zwischen dem Wunsch zu Erobern – Frauen natürlich, und auch ein politisch korrektes, klimaneutrales Fast-Food-Imperium (schöne und subtile Satire), und dem Wunsch nach Nestwärme, ja nicht gelöst, indem wir ihn mal formulieren und dann mit der von der Rosamunde vorgegebenen Antwort versehen – auch wenn die Frau des Fremdgehers für interessantere Antworten eher aufgeschlossen scheint als er.

    Und damit wären wir beim nächsten Problem: Die im Film vorgenommene Archetypisierung ist zwar nicht falsch, im Gegenteil, aber Menschen, wir, sind eben nicht NUR Archetypen. Wir sind sicher alle irgendwo stereotyp, aber an anderer Stelle eben nicht. Und das ist eine Komponente, die mir in dem Film ein ganzes Stück gefehlt hat – die Entwicklung der Charaktere ist, höflich vormuliert, vorhersehbar. Wenn Til Schweiger die Rolle von Christian Ulmen gespielt hätte, statt sich ein weiteres Starvehikel zu bauen für das ihm sogar Frank Schirrmacher auf die Schulter klopfen wird, das wäre schon mal ein Anfang gewesen.

    Überhaupt. Ein Anfang. Der Film ist ein Anfang, keine Abrechnung mit „Männerherzen“. Aber er ist ein Zeichen, daß das Thema männliche Orientierungslosigkeit so langsam wirklich gesellschaftliche Beachtung findet. Jetzt müssen wir nur noch sehen, daß solche Filme auch tatsächlich mal für *Männer* und nicht deren Freundinnen gemacht werden, und die sie sich dann auch ansehen. Und das, ohne an der Kasse komisch angesehen zu werden – und damit wären wir wieder beim Kernproblem – der Sache mit den Postern, und der Tatsache, daß man den Eindruck hat, daß Männer jede Art von Definitionskompetenz über das Mannsein abgegeben haben, um durch die Vermeidung eines Gesprächs darüber wenigstens vor uns selbst noch einen Rest von Gefühl davon Aufrecht erhalten zu können.

    Ein ganzes Stück weit ist das Problem die Sache mit dem nice guy und dem bad guy und so weiter – in f-word schrieb Abby O’Reilly letztes Jahr weise aber vermutlich unabsichtlich – daß Frauen gut und böse sein können, während die Jungs tendenziell entweder oder sind.

    „It we like the bad boy, then we can’t like the nice boy. However, while the old adage that “nice guys finish last” has been dusted off and thrust back into the gender politics circuit, is it not true that while us ladies may not want a kind thoughtful man as a shag-buddy or a one-night stand, we are more likely to want to settle down and build a life with them? Is it not true that while the patriarchal womaniser may get more action, the nice guy gets consistency and quality and love, and so is the latter not in a better position?“

    Und mehr davon … Coupling…

    “- … Women want somebody with command; with confidence. Somebody who won’t take no for an answer. We want somebody arrogant and gorgeous, with a terrifying sexual appetite and an amazing range of sexual technique. But when it comes right down to it, d’you know what? We’ll settle for a man.
    – So have you settled for me, then?
    – Aww, don’t be paranoid, Steve. Of course I have!”

    und noch mehr… „Wie werde ich ein richtiger Mann“ (Buch) – (zitert von mir in diesem Kommentar- http://maedchenmannschaft.net/wie-werde-ich-ein-richtiger-mann/#comment-4103) –

    “Weißt Du, es ist ganz einfach. In der Gegenwart eines Mannes muss eine Frau vor allem ein Gefühl haben: Sie muß sich sicher fühlen. Das ist das Allerwichtigste. Und das kriegt ihr Jungs nicht mehr hin.”

    Kognitive Dissonanz. Jede Menge. Aber jetzt fängt vielleicht die Diskussion an.

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