Sag mir, wie soll ich fühlen?

Der Hype um die „Twilight“-Saga ebbt allmählich ab – stark angesagt bei jungen Leserinnen ist dafür derzeit die „Tribute von Panem“-Trilogie. Und die hat endlich mal eine starke, selbstbewusste junge Heldin zu bieten. Oder?

So langsam ist es ja auch mal gut mit der schönen Bella und ihrem keuschen Vampir. Der letzte Band der „Twilight“-Reihe ist schon eine Weile auf dem Markt, der erste Teil seiner auf zwei Folgen angelegten Verfilmung kam im letzten Winter in die Kinos. Weil Bella darin ihrem schönen Blutsauger Edward das Ja-Wort gab, durfte sie auch endlich mit ihm Sex haben – musste sich dann aber ganz klassisch gleich wieder für ihr ungeborenes Vampirkind opfern. Denn eine Abtreibung kommt in der von einer Mormonin erdachten Geschichte natürlich auch bei Lebensgefahr für die Mutter nicht in Frage. Der zweite Teil soll nun im kommenden Winter die Leinwände erobern. Wer die Bücher gelesen hat, weiß, dass sich am Rollenbild – hier der starke, beherrschte und sich über seine Gefühle stets im Klaren befindliche Mann und dort die emotionale und unsichere, aber durch ihre Intuition alles richtende Frau – nichts mehr ändern wird.

Aber dafür gibt es ja jetzt eine neue Romanreihe für jugendliche Leserinnen. Und für „Die Tribute von Panem“ (im Original „The Hunger Games“) hat sich die Autorin Suzanne Collins wenigstens mal eine starke weibliche Heldin ausgedacht: Die 16-jährige Katniss lebt in einer nahen Zukunft in Panem, dem einstigen Nordamerika, das von Naturkatastrophen und Bürgerkriegen verwüstetet wurde.

Beherrscht wird Panem vom grausamen „Capitol“. Um das Volk gefügig zu halten, haben sich die Tyrannen ein besonders perfides Mittel ausgedacht: die Hungerspiele! Jedes Jahr werden aus allen Distrikten je ein Junge und ein Mädchen ausgelost, die in einer Arena gegeneinander antreten müssen – auf Leben und Tod. Dem Sieger winkt ein Leben in Saus und Braus, doch bis er die anderen zwangsrekrutierten Gladiatoren niedergemetzelt hat, sind alle Einwohner Panems verpflichtet, sich die Spiele live vor dem Fernseher anzuschauen.

Als das Los auf Katniss’ kleine Schwester Prim fällt, meldet stattdessen sie selbst sich freiwillig. Immerhin kann sie mit Pfeil und Bogen umgehen, ihre Chancen stünden also vielleicht gar nicht so schlecht. Nur mit einem hat die eigentlich so toughe Katniss nicht gerechnet: Dass der andere Kandidat aus ihrem Distrikt ausgerechnet ihr netter Klassenkamerad Peeta sein könnte. Und dass Peeta, der eigentlich doch ein tödlicher Konkurrent ist, sich im Verlaufe der Spiele auffallend um sie bemüht, ihr sogar das Leben rettet …

Soweit, so erfrischend wenig schwülstig ist die Handlung des ersten Bandes („Tödliche Spiele“), dessen Verfilmung am 22. März auch schon in die Kinos kommt. Mit Jungstar Jennifer Lawrence („Winter’s Bone“) wurde für die Hauptdarstellerin auch gleich eine Schauspielerin verpflichtet, die eher auf starke Figuren als auch süße Mädels abonniert ist. Und tatsächlich geht es im Roman auch wenig romantisch zu, dafür ist er für einen Jugendroman stellenweise ziemlich gewalttätig: In der Welt, in der Katniss um ihr Überleben kämpft, ist kein Platz für Mitgefühl oder gar Liebe.

Dass trotzdem Gefühle aufkeimen, gehört natürlich zum Wesen eines solchen Romans. Und dagegen ist auch gar nichts zu sagen. Was aber erstaunt: Einmal mehr ist es der Mann, der sich über seine Beziehung zur Protagonistin auf jeder Seite des Romas völlig im Klaren ist – was seinerseits in einem moralisch völlig unantastbaren, ganz auf das Wohl seiner Angebeteten ausgerichteten Verhalten resultiert.

Okay, der weiße Ritter ist natürlich ein altbekannter Geselle aus der Romantik, der in all seinen Erscheinungen stets ein gern gesehener Gast ist – sei er verkörpert vom wuschelhaarigen Robert Pattinson als „Twilight“-Vampir oder vor einigen Jahren (und bald noch mal in 3D) als blonder Leonardo DiCaprio in „Titanic“, der seine Oberschichten-Eroberung nicht nur aus dem eisigen Atlantik, sondern gleich aus ihrem emotional unterkühlten Upperclass-Leben hinanzieht. Und dass sich gerade junge Mädchen mitten in der komplizierten Pubertät auch gerne mal einfach retten lassen würden – geschenkt!

Aber: Beide Romanreihen, sowohl „Twilight“ als auch „Panem“, werden von den Verlagen als Romane, die zwar ursprünglich für Jugendliche geschrieben worden sind, aber reihenweise von Erwachsenen gelesen werden, vermarktet – so wie es „Harry Potter“ als „All age“-Reihe einst vorgemacht hat. Mal ehrlich: Brauchen erwachsene Frauen wirklich noch immer einen tapferen Ritter, der ihnen nicht nur im Ernstfall das Leben rettet, sondern sie auch über ihre Gefühle und über den richtigen Umgang mit ihnen belehrt?

Denn in dieser Hinsicht ist die Kämpferin Katniss der schmachtenden Bella gar nicht so unähnlich: Beide erzählen die Geschichte ja aus ihrer eigenen Perspektive. Und beide beschreiben ihre Handlungen oft als moralisch deutlich weniger einwandfrei als die der männlichen Helden. Auch über ihre eigenen Gefühle scheinen sie sich oft im Unklaren zu sein. Aber kein Problem: Früher oder später werden Edward und Peeta es den Mädels schon erklären und ihnen einen Tipp geben, welche Reaktion jetzt angemessen wäre.

So ist sich Vampirbraut Bella in den „Twilight“-Büchern zwar immerhin sicher, dass sie unsterblich in den untoten Edward verliebt ist. Doch ansonsten verurteilt sie ihr Verhalten, mit dem sie Edward angeblich in Gefahr bringt, andauernd und aufs Schärfste. Noch strenger geht sie mit sich ins Gericht, weil sie ihren ebenfalls dem Übernatürlichen entstammenden besten Freund, den Werwolf Jacob, an der kurzen Leine hält. Als Analogie für ihr Verhalten muss da oft die launische Catherine aus Brontes „Sturmhöhe“ herhalten – als wenn die jemals derart geschmachtet hätte, wie Bella es vier Romane lang tut!

Katniss, die Heldin aus „Die Tribute von Panem“, weiß dagegen noch nicht einmal, dass sie überhaupt Gefühle für ihren Kampfgenossen Peeta hat. Dennoch verbringt sie im Verlaufe des Romans ziemlich viel Zeit damit, genau über diese Frage zu grübeln. Schließlich gibt es ja zuhause noch Gale, den undurchschaubaren, coolen Jungen, mit dem sie auf die Jagd gegangen war.

Doch je mehr die Hungerspiele dem großen Showdown entgegensteuern, bei denen die bisher Verbündeten Peeta und Katniss eigentlich zu Todfeinden werden müssten, um so wichtiger erscheint auf einmal die Frage, was sie für ihn empfindet. Auch der Rest von Panem scheint lange vor ihr erkannt zu haben, dass diese Antwort deutlich spannender ist, als der Ausgang der diesjährigen Spiele – ihr Mentor und „Trainer“, der von außen ins Spielgeschehen eingreifen kann, belohnt sie sogar, wenn sie die Rolle der Verliebten spielt. Doch merkwürdigerweise scheint die Heldin das nicht einmal zu hinterfragen: So kommentiert sie etwa nach Abschluss der Spiele die TV-Zusammenfassung: „Gegen ihn wirke ich herzlos – ich weiche Feuerbällen aus, lasse Nester herunterfallen und sprenge Vorräte in die Luft“. Was zählen Tapferkeit und Klugheit, wenn die Zuschauer (und die Leserinnen) Emotion pur wollen?

Der Mann als standfester, in sich selbst ruhender Charakter, der treu zu seinen Überzeugungen und zu seiner Liebsten steht, und dagegen das wankelmütige, zwar emotional, aber völlig unreflektiert handelnde Weib – das ist nun wirklich 19. Jahrhundert, oder? Klar, das war ja auch die Hochphase der Romantik. Wer jedoch in den angesagten „All ager“-Romanen ein moderneres Rollenbild sucht, dem sei Harry Potters etwas blaustrümpfige Hermine empfohlen: Mit Schlauheit, emotionaler Intelligenz, Mut und Tatkraft hilft sie dem Zauberlehrling diverse Male aus der Patsche – und schnappt sich am Ende trotzdem noch Kumpel Ron!

Allerdings sei an dieser Stelle noch zugegeben, dass die – wirklich gelungene – Verfilmung „Die Tribute von Panem – The Hunger Games“ ihrer Protagonistin Katniss dann doch noch all die Toughness und emotionale Kraft zugesteht, die ihr in dem rein aus ihrer Perspektive erzählten Roman manchmal zu fehlen scheinen. Und in diesem Sinne freuen wir uns natürlich über eine starke Identifikationsfigur für Leserinnen und Kinofans jeden Alters!

9 Kommentare zu „Sag mir, wie soll ich fühlen?

  1. Hast du den zweiten und dritten Teil gelesen? Da passieren nämlich noch so einige Dinge, die Peeta nicht mehr den „ergebenen Ritter“ sein lassen.
    Außerdem ist doch eigentlich schon das erste Buch quasi genau wie twilight, nur die Rollen sind umgekehrt – der ergebend Verliebte (Peeta) muss von der starken, rationalen, aktiven Kämpferin (Katniss) gerettet werden (nur dass Peeta vielleicht noch ein bisschen mehr Eigeninitiative aufbringt als Bella, was daran liegen dürfte, dass sein Leben ganz konkret bedroht ist, und außerdem, dass Collins einfach bessere Charaktere schreibt).
    Ich war zwar auch zwischenzeitlich davon genervt, wie viel Zeit Katniss damit verbringt, rumzujammern, aber 1. behält sie ihre Gedanken ja so ziemlich für sich, und sie ist ja nun mal wirklich in einer unglaublich krassen Situation, und 2. gerät sie ja nie in eine passive Rolle, sondern versucht immer aktiv, ihre Situation zu verbessern, weil sie ihr ganzes Leben gelernt hat, dass ihr nichts anderes übrig bleibt – was ja vermutlich für die meisten Leser eine unbekannte Erfahrung ist.

  2. Sehr gut auseinandergepflückt, danke, Jennifer!

    Ohne dir grundsätzlich widersprechen zu wollen, denke ich allerdings, dass vieles hier von der Erzählperspektive abhängt. Die Erzählerin ist natürlich die Person, von deren Unsicherheiten wir die volle Ladung mitbekommen, weil wir die Welt durch ihre Augen sehen. Zumal es aus literarischer Sicht einen wesentlich interessanteren Konflikt hergibt, wenn die Hauptperson sich ihrer Sache nicht so sicher ist: Zu den ca. 10.000 Schwächen der Twilight-Tetralogie gehört schließlich, dass Bella quasi ab dem Moment, in dem sie Edward zum ersten Mal erblickt, weiß, dass ihr Leben bis dahin inhaltsleer war und dass sie von nun an und für immer alles für ihn opfern wird. Darüber kann man nur schwer ein interessantes Buch schreiben, geschweige denn vier. Ist ja auch nicht gelungen.

    Katniss dagegen scheint mir (bin noch ganz am Anfang der Geschichte) eine Heldin zu sein, die eben genauso unsicher ist wie wir alle. Andere, einschließlich ihres Auserwählten, erscheinen ihr dagegen absolut gefestigt — und das kennen wir doch alle. Alle anderen scheinen immer zu wissen, was sie tun, während wir selbst im Dunkeln tappen. Ein Roman aus der Sicht des männlichen Protagonisten würde vielleicht wiederum dessen Unsicherheiten intensiver darstellen.

    Das ist natürlich ausgesprochen hypothetisch. Aber Harry Potter ist vielleicht (unter anderem) deswegen so spannend, weil es mal ein heranwachsender männlicher Erzähler ist, der die meiste Zeit keinen Schimmer hat, was mit ihm los ist — und dessen Liebste im Übrigen (nachdem die gröbsten Kindereien einmal überwunden sind) ihr Leben voll im Griff zu haben scheint.
    Auch ein Buch aus der Sicht von Hermione (und ich gebe dir vollkommen Recht, sie ist die Beste!) würde uns wohl entsprechend mit ihren Sorgen und Unsicherheiten konfrontieren statt mit Harrys.

    Ich gebe dir Recht, dass Harry Potter gerade für Mädchen die besten Identifikationsfiguren bietet. Die Tribute von Panem mögen da in mancher Hinsichet etwas konventioneller sein. Aber zwischem letzterem und Twilight liegen trotzdem noch Welten.

  3. Ich kann dem hier geschriebenen nur zum Teil zustimmen. Sicherlich wirkt die „Beziehung“ zwischen Katbiss und Peeta auf den ersten Blick sehr klischeebeladen, doch sobald man beim dritten Band der Reihe angekommen ist, sieht man, wie sich die Verhältnisse wenden. Ich will nicht zu viel spoilern, aber durch den Verlauf der Ereignisse wird Peeta sehr unsicher und Katniss bietet die starke Schulter. Allgemein halte ich Katniss für einen stärkeren Charakter als Peeta, aber das ist vielleicht eine Sache der Interpretation :)

  4. interessanter artikel. ich bin auch auf der suche nach kinderbüchern, mit starken protagonistinnen. stoße nur sehr langsam auf brauchbares
    eine anmekrung zur hermine. meinetwegen. hermine hat einige vorbildliche eigenschaften. mut, intelligenz, loyalität, ehrgeiz, selbstbewusstsein, leidenschaft…und doch stellt sie sich freiwillig in harrys schatten. die frau hinter dem mann. und das reicht ihr.
    so eine rolle will ich meiner tochter nicht schmackhaft machen.

  5. @resi
    Auch wenn wir eigentlich über Katniss reden sollen, eine Antwort zu Hermione:
    Hermione ist nicht die Hauptfigur der Romane, und jede Nebenfigur steht gewissermaßen im Schatten der Hauptfigur. Aber Hermione ist die Nebenfigur, ohne die die Hauptfigur verloren wäre, und das wissen sowohl sie als auch Harry als auch andere (z. B. Dumbledore). Harry ist der „Auserwählte“ und muss deshalb eine bestimmte Aufgabe selbst erfüllen, aber Hermione ist jederzeit bereit, ihm die Meinung zu geigen und die Führung zu übernehmen. Sie will nicht „die Frau hinter dem Mann“ sein, sondern tut ihr Bestes, um ein Ziel zu erreichen, das sie mit „dem Mann“ teilt. Sie bekommt zwar nicht ganz so viel Aufmerksamkeit wie Harry, aber Harry steht ja auch unfreiwillig viel mehr im Rampenlicht als er selbst möchte. Hermione erntet in der Zauberwelt eine Menge Anerkennung — so ziemlich jede Figur der Romane sagt ihr zu irgendeinem Zeitpunkt, wie intelligent sie ist. Ihre herausragenden Eigenschaften werden von anderen wahrgenommen und gewürdigt, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass sie zeitlebens „das Mädchen, das mal Harry Potter geholfen hat“ bleiben will, sondern man darf davon ausgehen, dass sie eine eigenständige Karriere plant. Wenn meine (nicht vorhandene) Tochter (oder auch mein Sohn) sich Hermione zum Vorbild nehmen würde, hätte ich nichts dagegen.

    Die anderen Antworten machen mich sehr neugierig auf die weiteren Panem-Bände — ich muss mich wohl ranhalten mit dem Lesen. :) Und werde natürlich auf diesen Aspekt jetzt umso mehr achten.

  6. Ich finde „Die Tribute von Panem“ schon alleine deshalb toll, weil Katniss den Haaren an ihren Beinen nachtrauert, als sie im zweiten Band erneut „aufgehübscht“ werden muss – ich mag die Message an junge Mädchen, dass Haare am Körper nichts Ekliges sind, sondern eher im Gegenteil das Kapitol mit seinen abstrusen Schönheitsvorschriften und – normen sich lächerlich macht und nicht grade schön ist. Des Weiteren werden bei den Spielen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede gemacht – die Tribute werden gleich trainiert, gleich gekleidet und gleich behandelt. Einzig Peeta und Katniss sind als „tragisches Liebespaar“ die Ausnahme, weil Distrikt 12 einfach die Aufmerksamkeit braucht – ist aber alles inszeniert. Grade bei den Spielen wird immer wieder betont, dass auch die Frauen richtig was aufm Kasten haben – Fuchsgesicht ist die Intelligenteste von allen und nutzt das aus, Clove ist ebenso stark (und rücksichtslos) wie Cato, Rue macht das Beste aus ihren Möglichkeiten, die männlichen Tribute sterben genauso wie die Fliegen wie die weiblichen.
    Ich fand „Die Tribute von Panem“ eine extrem wohltuende Abwechslung in der Fantasywelt, wo Frauen entweder wie Bella (absolut nichts können) oder Mary Sues (absolut alles können) sind. Beide Varianten sind nervig und anstrengend zu lesen. Mit Katniss gab es endlich mal eine weibliche Heldin, die wie ein wirklicher Mensch war – Stärken und Schwächen halten sich die Waage, sie ist auch mal auf die Hilfe anderer angewiesen, weiß aber auch genau, was sie kann. Sie versteckt oder beherrscht ihre Gefühle nicht (wie es von Frauen ja immer noch oft genug erwartet wird… bloß nicht austicken, sondern runterschlucken und verarbeiten), wenn es nicht sein muss. Sehr wohltuend fand ich auch, dass es mal nicht die Frau war, die soziale Kompetenzen aufweist und sich einfühlsam um andere kümmert – im Gegenteil ist das genau Peetas Stärke. Ich finde diese Message sehr wichtig, dass man als Frau sich eben nicht um den Gefühlszustand aller anderen kümmern muss – wie es ja leider viel zu häufig grade in der Fantasy gezeigt wird, wo die „Heilerin“ meistens eine Frau ist. Was Katniss‘ Unsicherheit in Gefühlsfragen angeht – sie ist 16 bzw 17 O.o Ich bin inzwischen etwas älter, kann mich aber noch sehr exakt daran erinnern, dass es mir in dem Alter genauso ging. Da das Buch rein aus ihrer Sicht geschrieben ist (auch sehr wohltuend – keine Sichtweisenfehler, also man erfährt nichts, was Katniss nicht wissen kann), wissen wir natürlich nicht, wie es in Peeta genau aussieht. Es wird jedoch oft genug angedeutet, dass auch er sich unsicher ist, dass auch er nicht immer weiß, was er tun soll – da wir jedoch von seiner Gedankenwelt nichts erfahren, bleiben diese Unsicherheiten verborgen. Wäre das Buch umgekehrt aus seiner Sicht geschrieben, wäre auch Katniss als überaus sichere Person dargestellt, die weiß, was sie tut – weil eben ihre tatsächlichen Handlungen dann ohne Zögern und Reue erfolgen. Ihre Unsicherheit beschränkt sich auf ihre Gefühls- und Gedankenwelt, die sich höchstens in Gesprächen mit Einzelpersonen (Haymitch oder Peeta) äußert. Daher kann ich der Kritik mit „der weiße Ritter muss sie retten“ absolut nicht zustimmen.

    Ich kann jedenfalls nur empfehlen, Band 2 und 3 auch zu lesen, alles etwas sacken zu lassen und dann unvoreingenommen ranzugehen und auch die Erzählperspektive zu beachten. Wir kennen nun mal nur Katniss‘ Gedankenwelt und wenn da alles ebenso zielgerichtet und klar ablaufen würde wie die endgültigen Handlungen (sowohl bei ihr als auch bei Peeta), die dann durchgeführt werden, dann wäre sie ne perfekte Mary Sue und langweilig – und auch kein gutes Rollenmodell für junge Mädchen, da sie nur Unsicherheiten schüren würde.

  7. Erst mal: Danke für eure zahlreichen Meinungen!

    Ich habe mich vor allem auf den ersten „Panem“-Band beschränkt, gerade weil mir die Diskrepanz zwischen dieser eigentlich ungewöhnlichen und starken Mädchenfigur und diesem üblichen Muster so stark aufgefallen ist.

    Aber keine Frage: Mir ist eine Figur wie Katniss in einem Jugendbuch auch deutlich lieber als eine Bella. Umso mehr hat es mich erstaunt, dass sich selbst hier noch diese eigentlich doch längst überholt geglaubten Muster finden. Und da wollte ich mal drauf hinweisen …

  8. Ich kann Peeta nicht ausstehen. Ich bin jetzt am Anfang von Band 3 und er wird mir mit jedem Buch unsympathischer. Es fing an mit seinem „Die, die ich liebe, die sitzt da drüben und gegen die muss ich kämpfen.“ an und endete noch lange nicht bei „Wir sind verheiratet übrigens UND sie ist auch noch schwanger!“

    Was im Grunde jedes Mal passiert ist, dass er ihr alle Entscheidungen abnimmt, sie vor vollendete Tatsachen stellt und überhaupt nicht bedenkt, dass sie das vielleicht gar nicht wollen könnte. Und Katniss macht auch noch mit, auch wenn zumindest im ersten Band sehr deutlich ist, dass sie das nicht will. Sie will nicht die tragische Liebhaberin von Peeta sein und sie will nicht die Rolle spielen, die er ihr zugedacht hat. Und all das wird auch noch mit „Ich tu’s doch nur für sie!“ gerechtfertigt. Er nimmt ihr die freie Entscheidung, weil er sie schützen will. Kommt das nur mir wie 19. Jahrhundert vor?

    Gale hingegen nimmt ihr zumindest nicht alle Entscheidungen ab. Er macht deutlich, was er will, aber entscheiden muss sie selbst, was besonders im dritten Teil deutlich wird, als er wartet, bis sie sich entschieden hat, der Mockingjay zu werden (übrigens auch wieder nur durch Peeta veranlasst… HALLO???). Und wen kriegt sie am Ende? Richtig, den Typen, der ihr nicht die Möglichkeit lässt, für sich selbst zu entscheiden, was sie will. Super Message, die Ms. Collins da verbreitet…

    Davon abgesehen geht mir dieses „he’s better than all of us“ und den Keks, weil es nicht STIMMT. Ms. Collins macht einen typischen Show-vs.-Tell-Fehler, indem sie Peeta in AUSSAGEN zum edlen Helden stilisiert… und ihn in der Arena mindestens einen Menschen mit den eigenen Händen umbringen lässt (vermutlich mehr, da er ganz sicher auch getötet haben muss, um am Füllhorn von den Careers akzeptiert zu werden). Niemand, der einen Menschen umgebracht kann „better than all of us“ sein. Es sei denn natürlich, er tut es für seine one twu wuv /ironie. Wieder eine fatale Message. Leute umbringen ist okay und macht dich sogar besser als alle anderen, wenn du es nur für Die Eine (TM) machst.

    Und zu guter Letzt: Wäre es so schlimm gewesen, Katniss‘ Entscheidung im Hinblick auf Kinder zu respektieren? Wirklich? MUSSTE sie am Ende DOCH noch zwei kriegen? Meine Güte…

  9. Ersteinmal: schöner Artikel. Ich find es traurig, wie leicht jugendliche Mädchen unter der Maske der „wahren Liebe“ sich selbst manipulieren lassen. Aber erstmal zu Icke =) Ich fand das Ende auch nicht glücklich, wobei ich jedoch denke, dass zum einen der Kinderwunsch aus der Trauer um ihre kleine Schwester resultierte und das zum andren ihre Entscheidung für Peeta damit zu tun hatte, was sie gemeinsam durchgemacht hatten. Ich persönlich finde ja schon die Tatsache, dass sich die Frau unbedingt für einen von beiden entscheiden muss, so als wäre das Leben erst mit Mann an der Seite komplett, etwas überholt. Aber wenn wir jetzt die Tatsache, dass der Charakter reine Fiktion ist, weg lassen, ist es verständlich nach so einem traumatischen Erlebniss einen Menschen zu wählen, der den eigenen emotionalen Verfall – den ich einfach aus der Ermordung von Kindern, nichts anderes sind 12-16jährige, schließen würde – nach vollziehen kann.
    Zu Panem im allgemeinen: natürlich wünschen wir uns Autorinnen, die in ihren Romanen eigenständige und unabhängige Frauen darstellen. Schlimm genug, dass das nicht unbedingt das ist, was die Jugendlichen von heute lesen wollen. Mensch muss nämlich auch dazu sagen, dass Panem und das Bella-Edward-Fiasko sehr bekannt und somit leicht zu kritisieren sind, es gibt in dem Fantasysektor jedoch auch Bücher, die nicht diesem Klischee entsprechen und aufgrund fehlender sehnsuchtsgeplakter Liebesgeschichten leicht untergehen. Wichtig wäre also, den Raum für mehr Geschichten und Bücher zu weiten, das Interesse der Jugendlichen für Romane zu öffnen, die der Selbstaufgabe für einen Mann kritischer gegenüberstehen. Denn es ist klar, dass eine 14-jährige lieber ein Buch liest, das eh grad beliebt ist und im Kino anläuft als sich auf Theorie.org kritische Feminismustheorie zu bestellen. Aber damit schweife ich wohl etwas ab =)

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