„Nur weil ich schwarz bin“

„Ich musste den Kurs an der Universität abbrechen“, sagt Mariam, als wir gemeinsam mit anderen Teilnehmern einer Konferenz in einem Restaurant sitzen. Wir alle kennen uns nur flüchtig. Dann hält Mariam inne und zögert. Sie zupft an ihrem Kopftuch.

Wir anderen wissen, welcher Satz folgen wird. „Es lag an meinem Kopftuch“, sagt sie, wie erwartet. Ein bisschen betroffen schauen wir, es schwebt Verdacht in der Luft. Misstrauen gegen Mariam, das Opfer. Ist das jetzt eine bequeme Ausrede? Schiebt sie ihren Misserfolg auf andere? Stimmen flüstern in unserem Kopf.

In den nächsten Minuten wird klar, dass der Verdacht in ihrem Fall absolut unbegründet war. „Du hättest klagen müssen“, sagen wir sogar – übereifrig im schamhaften Versuch, unsere Zweifel von vor wenigen Minuten zu vertuschen und die Stimmen zu bestrafen.

Aber der Zweifel war da. Der Zweifel ist da. Denn Rassismus kann man selten beweisen. Er ist subtil. Manchmal ist es der Ton eines Wortes, der Blick, die Art, die Mimik, Gestik, die einem zu verstehen gibt, dass man unerwünscht ist. Ein Unwohlsein macht sich breit. Ein Gefühl, dessen Ursache sich nicht beweisen lässt. Der Hilflosigkeit folgt die Resignation und dieser schließlich der Zweifel: „Vielleicht bin ich ja schuld daran, und vielleicht bilde ich mir das alles ja sowieso nur ein“, sagt sich der Betroffene, und irgendwann wird der Rassismus zur Normalität.

[Trigger Warnung: Victim Blaming]

Und während ich diese vielen Texte über Rassismus schreibe, frage ich mich: Was, wenn Rassismus nicht mehr normal, sondern allein der Vorwurf rufschädigend wird? Wenn sich das potenzielle Opfer plötzlich in der Machtposition befindet?

Potenzielle Opfer sind nicht per se die besseren Menschen. Sie sind nicht davor gefeit, selber Täter zu werden. Unter Türken, Arabern, Schwarzen, Frauen, Juden, Homosexuellen und sonst wie diskriminierten Gruppen gibt es genauso schlechte Menschen wie anderswo auch.

Was also, wenn gerade die nachteilige Unbeweisbarkeit des Rassismus von potenziellen Opfern missbraucht wird?

„Nur weil ich schwarz bin“ war so ein Dauerbrenner in meiner Klasse. Wann immer sich jemand von Lehrern ungerecht behandelt fühlte, murmelte er diesen Satz. Wir lachten dann darüber. Manchmal aber, wenn ein bisschen Ernst dabei war, grinsten wir nur.

Dieser Satz war eine Gratwanderung zwischen dem ewigen Opferdasein und dem schwätzenden Clown. Der eine benutzte ihn zu seiner reinen Belustigung. Der andere meinte ihn ernst, aus ihm sprach der Verletzte. Doch wir sagten diesen Satz so oft, gebrauchten ihn so inflationär, dass er seine Wirkung verlor. Der Ernst war nicht mehr zu unterscheiden vom Witz. Der Hilferuf ging im Gelächter unter.

Was, wenn die Unbeweisbarkeit des Rassismus irgendwann den Missbrauch nicht vom Ernst unterscheiden lässt? Wenn es ausreicht, „Rassist!“ zu rufen, um jemandem auf ewig zu schaden? Und wir deshalb in einem Restaurant sitzen und zögernd und zweifelnd der Geschichte eines Opfers lauschen?

Dann schadet der Schaden den eigentlich Geschädigten.

Dieser Text ist in der taz als Kolumne veröffentlicht worden.

36 Kommentare zu „„Nur weil ich schwarz bin“

  1. Das Schlimmste was ich auf mädchemannschaft jemals lesen musste.
    Denke das falsche Verdächtigen was Rassismus anbelangt, ungefähr den selben Anteil haben wie falsche Verdächtgungen bei Vergewaltigungen.
    Und auch eine unglaubliche Dunkelziffer.

    Sorry aber dieser Text ist einfach extrem naiv und wie ein Schlag ins Gesicht für die Opfer.

  2. Ich finde den Artikel gut. Er hinterfragt, etwas worüber ich mir auch schon länger Gedanken gemacht habe.
    Naiv finde ich ihn nicht!!!!

  3. Ganz ehrlich, mit meinen Erfahrungen an der Uni hätte ich an dieser Geschichte auch gezweifelt. Ich kenne einige Studentinnen mit Kopftuch, und die werden nicht belangt oder anders behandelt.

    Ich persönlich bin gegen Kopftücher an Universitäten, würde deswegen aber nie irgendjemanden ausgrenzen, was auch die Gleichstellungspolitik gar nicht zulassen würde. Selbst wenn man sich als Muslima, als Frau, als Schwuler, als was-auch-immer diskriminiert fühlt, gibt es genügend offene Ohren und Vermittler.

    Den Artikel selbst finde ich belanglos. Es ist immer richtig, einer Aussage oder einem Vorwurf auf den Grund zu gehen, ohne die Opfer zu verdächtigen, zu lügen.

  4. In meinen Beruf, meiner Familie und und in meinem Freundeskreis ist mir noch nie jamden untergekommen der jemand anderem einfach „so“ Rassismus unterstellt.

    Allerdings hunderte die sich nicht trauen sich zu wehren oder gerichtliche Schritte einzuleiten weil sie Angst haben es nicht beweisen zu können oder man die Leute die „ja nur nen Witz gemacht haben“ oder es“nicht so meinten“, „mal nen schlechten Tag hatten“, ect.ect. blöde Kackscheisse , ja nicht deshalb als Rassist abzustempeln.

    Victim Blaming vom allerfeinsten!
    Bin ich auf ne falschen Seite gelandet? Reden wie hier nicht über Deutschland?
    Gibt es hier allen ernstes Leute die meinen das es in Deutschland ein Problem gibt das „tendenzielle Opfer“ die arme weisse,deutsche, christliche Mehrheitsgessellschaft mit falschen Beschuldigungen bombardiert?

    Gibt auch Anlaufstellen für Frauen und trotzdem existiert doch Seximus. Wieso sollte Rassismus nicht existieren nur weil es dafür Anlaufstellen gibt?
    Nach solche Artikeln würde ich mich als Kopftuchträgerin gar nicht mehr trauen da überhaupt hinzugehen.

  5. Ich halte die Fragestellung nach einem Missbrauch von Rassismusvorwürfen für weitestgehend irrelevant und in keinerlei Verhältnis stehend zu zahlreichen anderen Problemen was das Thema Rassismus angeht. Darüber hinaus sehe ich es ebenfalls so, dass im Artikel absolutes Victim Blaming betrieben wird.

    Ich erlebe es sehr regelmäßig und in verschiedenen Kontexten, dass Kritik an alltäglichen Rassismen in keinster Weise ernst genommen oder reflektiert wird. In dem Zusammenhang reiht sich der Artikel für mich ein in zahlreiche Argumentationen und Aufmachen von irrelevanten Nebenschauplätzen, die verhindern, die eigene Machtposition in Frage stellen und sich mit dem eigentlichen Problem auseinandersetzen zu müssen.

    Und am Rande: die Kategorie „schlechte Menschen“ (im Gegensatz zu „guten Menschen“?) halte ich für absolut engstirnig.

  6. Nochmal eingeschmissen , die Überschrift:

    „Nur weil ich schwarz bin“

    Ernsthaft, jetzt? *schüttel*

  7. „Was, wenn Rassismus nicht mehr normal, sondern allein der Vorwurf rufschädigend wird? Wenn sich das potenzielle Opfer plötzlich in der Machtposition befindet?
    (…) Wenn es ausreicht, ‚Rassist!‘ zu rufen, um jemandem auf ewig zu schaden?“

    Fänd ich persönlich ja super! Dann würden alle nämlich vielleicht endlich mal damit anfangen, sich ernsthaft damit zu beschäftigen, was Rassismus alles so ist, wie man selber in ihm verhaftet ist und wie sensibel das Thema für die Betroffenen ist. Ist hier aber leider ja nunmal überhaupt nicht so… Man kann hier ja sogar wunderbar offen rassistisch sein und trotzdem Spitzenpolitiker_in, Spitzenjournalist_in, Hipster_in, sogar Antirassist_in sein und gleichzeitig rumnazifizieren, dass es nur so eine Art hat. Also ich sag mal, mir wärs glaub ich lieber, wenn hier jede_r weiße 12mal drüber nachdenken muss, was er/sie so sagt und tut und denkt und im Zweifelsfall eine_r von uns weißen auch mal „zu Unrecht“ als Rassist_in verunglimpft wird, als dass wir uns weiterhin benehmen können wie die Axt im Walde und es uns nicht zu interessieren braucht, ob jemand anderes das als rassistisch bezeichnet oder nicht – weil das für uns eben keine ernsthaften Konsequenzen hat… (Und das sag ich schon allein aus dem ganz egoistischen Grund, weils dann vielleicht auch nicht so unfassbar lang gedauert hätte, zu dieser Einstellung zu kommen und ich mir viel eigenes im Nachhinein peinliches Rumgeeier zu diesem Thema erspart hätte).

  8. Also, ich versteh das Problem nicht so ganz, den 1. Teil des Artikels verstehe ich noch, aber ab da, wo es ins hypothetische geht, „Was wäre, wenn die Opfer Macht hätten und diese mißbrauchen würden..“ verstehe ich den Sinn dieser Spekulationen nicht mehr.

  9. Liebe Kommentator_innen,

    Danke für eure Kommentare und die konstruktive Kritik. Da ich für das Einstellen der Artikel von Kübra mitverantwortlich bin, tut es mir leid, dass ich die Kolumne intern nicht zur Diskussion gestellt habe, obwohl ich beim Lesen ähnliche Gedanken hatte. Ich werde in Zukunft Kolumnen, die ich inhaltlich strittig finde, kritischer zur Diskussion stellen.

    Vielleicht meldet sich Kübra noch mal in den Kommentaren zu Wort.

    Magda

    PS: Ich habe eine Triggerwarnung wegen Victim Blaming eingebaut.

  10. So kritisch der Artikel doch ist, hat er genauso seine Daseinsberechtigung. Oder sollen wir jetzt die Augen verschließen vor Gedanken und Argumentationen, die tatsächlich existieren?

  11. Hallo zusammen,

    ich möchte mal versuchen den Faden weiter zu spinnen. Auch ich habe wie einige Kommentator_innen Fragen.

    „Und während ich diese vielen Texte über Rassismus schreibe, frage ich mich: Was, wenn Rassismus nicht mehr normal, sondern allein der Vorwurf rufschädigend wird? Wenn sich das potenzielle Opfer plötzlich in der Machtposition befindet?“

    Nun, das ist natürlich missverständlich ausgedrückt. Trotzdem ist natürlich der Vorwurf, rassistisch zu sein, überhaupt nicht im Sinne der sozialen Erwünschtheit. Vielleicht meinte Kübra das?

    „Potenzielle Opfer sind nicht per se die besseren Menschen. Sie sind nicht davor gefeit, selber Täter zu werden. Unter Türken, Arabern, Schwarzen, Frauen, Juden, Homosexuellen und sonst wie diskriminierten Gruppen gibt es genauso schlechte Menschen wie anderswo auch.“

    Ich meine zu verstehen, was Kübra damit sagen will, kann aber die Idee dahinter nicht so ganz stützen. Klar, es gibt Hegemonie, klar, jemand der per Fremd- oder Selbstwahrnehmung in ein marginalisiertes Kollektiv gehört, muss nicht immer „nur Opfer“ sein, aber es geht doch ganz klar um Machtverhältnisse die sich in derlei Konstellationen widerspiegeln. Und die hinterfragt werden müssen, was wir vielleicht weiter spinnen können?

    Wir haben natürlich ein heißes Eisen hier, und ich denke, vieles von dem was im Text fragend in den Raum gestellt wird, hat zu tun mit symbolischer Gewalt und Wissen-Subjekt-Macht-Konstellationen. Das finde ich insgesamt ganz spannend.Vielleicht könnte das weiter gesponnen oder nochmal überdacht werden. Auch von Kübra.

  12. Was ich aber noch sagen will: Als jemand, der potentiell Opfer von Diskriminierung oder Rassismus sein könnte, weiß ich, was Kübra sagen möchte. Ich sehe es aber so, dass mensch auch sehen muss, dass der „Ihr dürft keinen zu Unrecht der Diskriminierung bezichtigen“-Duktus auch Ausdruck des Herrschaftsverhältnisses ist. D.h., wir müssten die „Ich darf aber keinen zu Unrecht…“-Angst thematisieren. Denn die gibt es ja anscheinend zuhauf.

  13. „Wenn sich das potenzielle Opfer plötzlich in der Machtposition befindet?“

    Opfer können sich gar nicht in einer Machtposition befinden. Ebenso wie weiße heterosexuelle CiS-Männer nicht sexistisch diskriminiert werden können. Solche Grundsatzfrage sollte man gar nicht diskutieren müssen.

  14. …dann greif ich auch nochmal eben schnell einen Satz auf, diesmal von @ Nadia:

    „Trotzdem ist natürlich der Vorwurf, rassistisch zu sein, überhaupt nicht im Sinne der sozialen Erwünschtheit.“

    Ich bin mir da gar nicht so sicher, ob es da wirklich um die SOZIALE Erwünschtheit geht, die den Rassismusvorwurf problematisch macht, oder um EIGENE Befindlichkeiten und unerwünschte Risse im Selbstbild – also um die altbekannten Abwehrreflexe, die im Grunde nur auf dem Wunsch beruhen, selbst definieren zu dürfen, ob man rassistisch redet, handelt, denkt. Das was ich hier schreibe gilt natürlich in erster Linie für den riesigen Bereich Alltags-und-gesellschaftsmittiger-Rassismus, nicht für Glatzen im Thor-Steinar-Outfit.

    Was ich meine ist das folgende: Wenn ich das N-Wort für Schwarze benutze, es aber eindeutig als ach so lustige Satire kennzeichne, einen ironischen Federschmuck auf dem Kopf trage, unreflektiert-rassistische (oder sonstwie -istische) Bezeichnungen benutze oder auch einfach in das große Rumgenöhle einstimme, wenn mal wieder jemand rassistische Alltagspraxis anprangert, handele ich de facto rassistisch. Wenn mich dafür dann jemand kritisiert, hat das WIRKLICH soziale Konsequenzen für mich? Ist mir in meinem Umfeld jedenfalls noch nie untergekommen. Ich selbst bin mit zig Leuten nach wie vor befreundet, die offen rassistische Kackscheiße fabrizieren, das aber lustig finden und sich für super aufgeklärt halten. Nicht immer sage ich was dazu, geschweigedenn ziehe ich (bisher) reale Konsequenzen daraus, etwa durch Entfreundung. Ich selbst bin da mit Sicherheit keinen Deut besser, bzw erst seit kurzem in einem stärkeren Bewusstmachungsprozess. Trotzdem hat mich dafür noch nie jemand für mich spürbar sanktioniert. Alles was der Rassismus-Vorwurf – sofern er überhaupt kommt – in der Regel hervorruft, ist persönliche Verletzung und das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden.

    Aber richtig reale soziale Konsequenzen? Meiner Erfahrung nach: nope. Persönliches Beleidigtsein mit Fokus auf den eigenen Nabel? Meiner Erfahrung nach: ja, oft sogar.
    Viel eher hat es soziale Konsequenzen für den-/diejenige, der/die den Rassismus in solchen Situationen anprangert: Denn dann ist man ja nervig, anstrengend, stimmungskillend, gemein, ungerecht, übersensibel, spaßverderbend etc etc etc…

    Vielleicht spricht all das auch einfach nur dafür, dass ich mich in einem besonders stumpfen Umfeld bewege, wobei ich das noch nicht mal glaube – es ist halt einfach nur überwiegend weiß, hetero, cis, körperlich uneingeschränkt, gebildet und mittelklasseverankert. Deswegen glaube ich eher, dass es einfach keine Notwendigkeit für mich und meine Freunde gibt, uns mit dieser Thematik wirklich ernsthaft zu beschäftigen, vor allen Dingen mit der Betroffenen-Perspektive. Niemand, den/die ich kenne würde mit einem „richtig echten“ Nazi befreundet sein wollen. Aber es steht auch niemand auf und geht, wenn jemand Alltags-Rassismus produziert, dass die Schwarte kracht.

    Ich halte es also für ein tendenziell propagandistisch sehr nützliches Gerücht, dass der Rassismus-Vorwurf bei uns etwas wirklich schwerwiegendes wäre, vergleichbar mit Vergewaltigungsmythen oder dem PC-Bashing. Ich finde, wir sollten das nicht reproduzieren. Von der Häufigkeit des realen Vorkommens unberechtigter Rassismusvorwürfe mal ganz abgesehen, zu dem sich hier ja schon Viele geäußert haben…

    Deswegen finde ich diese Fokussierung auf dieses „auch Schwarze, lesbische Rollstuhlfahrerinnen können aber scheiße sein“ in einigen Kommentaren so verfehlt. Natürlich können sie das. Aber wieso sollte das irgendwas mit Diskriminierung zu tun haben?! Und was berechtigt MICH denn dazu, das mit irgendwelchen pseudo-identitären Merkmalen in Verbindung zu bringen? Wie soll es mich als eine der am meisten privilegierten Gruppen in unserer Gesellschaft „diskriminieren“, wenn mir jemand anderes „zu Unrecht“ Rassismus vorwirft? Wie soll es mich „diskriminieren“, wenn mir jemand, der/die gesellschaftlich zigmal mehr struktureller Benachteiligung ausgesetzt ist, „scheiß Kartoffel“ hinterherruft? Versteh ich nicht… Ich hab daraus doch KEINERLEI persönliche Nachteile, außer dass ich an mein Weißsein erinnert werde, was aber ja nunmal nicht im Geringsten nachteilig für mich auswirkt – im Gegenteil.

  15. „Aber es steht auch niemand auf und geht, wenn jemand Alltags-Rassismus produziert, dass die Schwarte kracht.“ Wahrscheinlich ist genau das der Point.

    Wie gesagt, selbstreferentiell: Es gibt viele Situationen in denen man mit Diskriminierung konfrontiert ist, also, selbst diskriminiert wird, aber die Fresse hält. Das kommt sowohl aus dem Nah- als auch dem weiteren Umfeld.

    „Ich darf das nicht übel nehmen“, „Ist nicht so gemeint“, „Ist halt so“, sagt man sich dann. Die Frage ist: Wieso bleibt man ruhig? Und ich will da nochmal betonen: Es geht um die Lebensrealität. Das, worauf wir uns hier bspw. in Blogdiskussionen einigen, ist weit weg von der Lebensrealität.

    Ich hab auch schon Sprüche gedrückt bekommen von Leuten, die ich für mindestens mittelreflektiert halte. Und trotzdem oft nix gesagt. Und das meine ich: Man macht es oft nicht, weil man manchmal niemandem zu nahe treten möchte. Und deswegen die Frage: Wie funktioniert dieser Mechanismus?

  16. Sorry, ich merk grad, dass der letzte Absatz meines Kommentars zu dieser Diskussion hier eigentlich gar nicht passt und gerade nach Löschung einiger Kommentare hier und in einem anderen Thread erst recht nicht. Da er hier vielleicht sogar eher derailend wirkt, kann er auch gern gelöscht werden!

    Und noch ein Nachsatz, weil es mir grad so ins Auge springt:

    „Dann schadet der Schaden den eigentlich Geschädigten.“

    Hihi, natürlich schadet der Schaden den eigentlich Geschädigten. IMMER. Wem denn sonst? Dem Schadensverursacher? Wohl eher nicht.

    Wenn sie ihn hinnehmen: schadet er ihnen.
    Wenn sie ihn zu Recht anprangern: schadet er ihnen.
    Wenn sie ihn zu oft oder auch mal zu Unrecht anprangern: schadet er ihnen auch, bzw. erst recht, weil sie ihn dann noch nichtmal mehr anprangern dürfen (siehe „Wenn sie ihn hinnehmen“).

    Das ist ja das Fiese… Und deswegen sind in meinen Augen auch nicht irgendwelche Ideen a la „Vorsicht mit dem Rassismusvorwurf“ das Gebot der Stunde, sondern allein die Forderung „Vorsicht mit Rassismus“ an die weiße Mehrheitsgesellschaft.

  17. @ Nadia

    [Hach hach hach, die Arbeit… Aber ist grad so spannend hier ;) ]

    „Und deswegen die Frage: Wie funktioniert dieser Mechanismus?“

    Ich glaube (also nur für mich gesprochen), Ursache dieses Mechanismus ist genau das was ich vorhin meinte: Rassismus ist in unserer Gesellschaft in der Breite einfach nichts wirklich Schlimmes/Sanktionsbewehrtes. Deswegen ist man sozial voll im Off, wenn man ihn anprangert und nicht wenn man ihn praktiziert. Und im sozialen Off fühlen sich die Wenigsten wohl.

    Gleichzeitig – und jetzt wirds ziemlich stammtischsoziologisch, ich hoffe, die Kompetenteren hier sehen mir das nach, mir ist bewusst, dass sich Leute damit ernsthaft und intensiv beschäftigen und ich nicht – herrscht hier in Deutschland halt irgendwie dieses Selbstbild, dass „gerade wir mit unserer Vergangenheit“ ja besonders sensibel für diese Themen seien. Ich glaube, da schlägt diese ganze Nazi-Vergangenheit-Bewältigungs-Nummer einen ganz fiesen Doppelsalto, indem „wir Deutschen“ uns als doch nun aber langsam mal wirklich sehr geläutert und deswegen per se irgendwie immun gegen Rassismus empfinden. So lang man niemanden vergasen will, ist man halt Teil der Mehrheitsgesellschaft und die ist ja „gerade bei uns“ bekanntermaßen per se nicht rassistisch, deswegen – tadaaa – kann man selbst es ja auch nicht sein. So ein bißchen halt wie bei dem Frauen-Thema: „So langsam sind wir – auf jeden Fall hier in Deutschland – doch nun wirklich mal über das Diskriminierungsproblem weg, wir haben doch (fast) rechtliche Gleichstellung und seit zig Jahren Anti-Rassismusaktivitäten, da wird man doch so langsam wohl auch mal etwas lockerer werden dürfen…“

  18. „Wie soll es mich als eine der am meisten privilegierten Gruppen in unserer Gesellschaft “diskriminieren”, wenn mir jemand anderes “zu Unrecht” Rassismus vorwirft?

    @Betti
    „Mich als Gruppe“ verstehe ich nicht. Du bist keine Gruppe sondern ein Idividuum.

    „Wie soll es mich “diskriminieren”, wenn mir jemand, der/die gesellschaftlich zigmal mehr struktureller Benachteiligung ausgesetzt ist, “scheiß Kartoffel” hinterherruft?“

    Als Individuum kann man sich diskriminiert fühlen bzw. diskriminiert werden.

    „Versteh ich nicht… Ich hab daraus doch KEINERLEI persönliche Nachteile, …“

    Wenn du KEINERLEI Nachteile hast, als scheiß Kartoffel betitelt zu werden, welchen konkreten Nachteil hat dann jemand anders von x-beliebiger Beleidigung?

    „… außer dass ich an mein Weißsein erinnert werde, was aber ja nunmal nicht im Geringsten nachteilig für mich auswirkt – im Gegenteil.“

    Wenn du wegen eines beliebigen „Seins“ beschimpft wirst, ist das durchaus ein Nachteil. Im konkreten Falle empfidest du es anders, weil du dein „Weißsein“ als Privileg kategorisierst und die Beleidigung dahingehend deutest. Ich nehme mal an es würde etwa so klingen: „Ich bin weiß und privilegiert. Privilegien sind prima. Danke, dass du mir das vor Augen führtst.“
    Wer „Weißsein“ nun nicht als Privileg wahrnimmt, könnte die Bezeichnung scheiß Kartoffel durchaus als probematisch empfinden. Gehen wir von der Betroffenheitsperspektive aus, müssen wir logischerweise diesen Standpunkt (s. Standpunkttheorie) als gegeben akzeptieren.

  19. @ PoC
    Erstmal ein kleiner Disclaimer: Ich beschäftige mich noch nicht sooo lange mit diesen Themen, deswegen bin ich mir noch nicht 100%ig sicher in diesen Gedanken und Begriffen, vielleicht schreibe ich da auch manchmal Quatsch.

    “Mich als Gruppe” verstehe ich nicht. Du bist keine Gruppe sondern ein Idividuum.

    –> Das war ein Tippfehler. Ich meinte „mich als Angehörige einer Gruppe“

    “Wie soll es mich “diskriminieren”, wenn mir jemand, der/die gesellschaftlich zigmal mehr struktureller Benachteiligung ausgesetzt ist, “scheiß Kartoffel” hinterherruft?”

    –> Was ich meinte war, dass ich für mich trennen würde zwischen: „Da behandelt mich grad jemand scheiße und deswegen find ich den/die doof!“ und „Der/die diskriminiert mich!“. Die für mich überzeugendste Definition von Diskriminierung/Rassismus ist bisher „Vorurteil+Macht“. Und da ich mich in dieser Gesellschaft als weißer Mensch definitiv eher in einer privilegierten/machtvollen Position sehen würde, als z.B. eine Schwarze, sehe ich nicht, inwiefern diese in dem Moment wo sie mich „Kartoffel“ nennt, eine gesellschaftlich mir überlegene Machtposition ausspielt. Deswegen finde ich das wahrscheinlich trotzdem ziemlich ätzend und hätte jetzt nicht soo viel Lust, mich mit der Person zu befreunden, aber als Diskriminierung/Rassismus würd ich das trotzdem nicht einordnen wollen… Ich kann mich also individuell beleidigt fühlen, aber als aufgrund meiner weißen Hautfarbe diskriminiert? Ich weiß nicht so recht. Ist das nicht das Gleiche wie mit den heterosexuellen cis-Männern, die sie betreffenden angeblichen Sexismus anprangern?

    Genauso mit dem Rassismus-Vorwurf: Natürlich kann ich mich als Individuum mit dem mir das vorwerfenden Individuum darüber auseinandersetzen, ob das in diesem Fall gerechtfertigt ist oder nicht. Dabei sollte ich aber meines Erachtens im Hinterkopf haben, dass ich als weißer Mensch zu einer Gruppe gehöre, die schon viel zu lang die Deutungshoheit darüber beansprucht, was Rassismus ist. Dementsprechend sollte ich das in der Auseinandersetzung mit dem Aufmerksammachen auf eigenen Rassismus in meinen Augen berücksichtigen.

    “Versteh ich nicht… Ich hab daraus doch KEINERLEI persönliche Nachteile, …”

    –> Also ich hab natürlich den Nachteil des persönlichen Beleidigt- und Verletzt- und Sauer-Seins, aber es erinnert mich zum Beispiel nicht daran, wie ich aufgrund meiner Hautfarbe ständiger struktureller Diskriminierung ausgesetzt bin. Insofern war das nicht sauber formuliert… Ich meine ja nicht, dass jede_r jede_n beliebig beleidigen darf, ich würde nur eben einen Unterschied zwischen Beleidigung und Rassismus machen. Oder ist das ein Denkfehler?

    „Ich nehme mal an es würde etwa so klingen: “Ich bin weiß und privilegiert. Privilegien sind prima. Danke, dass du mir das vor Augen führtst.”

    –> Hm, nee, das meinte ich eigentlich nicht. Ich habe den Begriff des Privilegs in diesen Zusammenhängen immer als das terminologische Gegenstück zu (struktureller) Diskriminierung verstanden. Und da ich als weiße in unserer Gesellschaft eben nicht strukturell diskriminiert bin, bin ich strukturell privilegiert. Wenn jemand also auf meine Hautfarbe anspielt und mich dabei beleidigt, deute ich das nicht etwa in eine erfreuliche Botschaft um. Ich meine nur, dass es mich nicht rassistisch diskriminieren kann.

    „Wer “Weißsein” nun nicht als Privileg wahrnimmt, könnte die Bezeichnung scheiß Kartoffel durchaus als probematisch empfinden. Gehen wir von der Betroffenheitsperspektive aus, müssen wir logischerweise diesen Standpunkt (s. Standpunkttheorie) als gegeben akzeptieren.“

    –> Hmm, ist „Weißsein als Privileg“ wirklich etwas, was vom Empfinden/der Wahrnehmung des weißen Individuums abhängig ist? So hab ich den Begriff bisher eigentlich nicht verstanden. Deswegen würde ich persönlich deswegen glaub ich auch nicht gelten lassen, wenn jemand weißes den Begriff Kartoffel als in rassistischem (!) Sinne problematisch findet. Wie gesagt: Genauso wie ich bei einem Mann nicht gelten lassen würde, wenn er den Begriff „Privilegienpimmel“ als sexistisch einordnen würde (was einer Einordnung als beleidigend ja evtl keinen Abbruch tut).

  20. Nur kurz mal eingeworfen: Privilegiertheit aufgrund von Weißsein ist nichts, was man „subjektiv“ so oder auch anders sehen könnte. In der deutschen Gesellschaft und in allen anderen, die mir grade einfallen, ist es keine Auslegungs- oder Geschmackssache, ob (zugeschriebenes) Weißsein gegenüber (zugeschriebenem) Nichtweißsein bevorteilt ist. Deshalb besteht, wie Betti schon sagte, ein grundlegender Unterschied zwischen einer doofen Beleidigung und einer rassistischen oder sonstwie diskriminierenden Äußerung. Und dieser Unterschied liegt in gesellschaftlichen Gegebenheiten (Machtgefälle und all das, siehe diverse Kommentare hier) begründet.

  21. @PoC

    Einerseits schreibst Du

    Ebenso wie weiße heterosexuelle CiS-Männer nicht sexistisch diskriminiert werden können. Solche Grundsatzfrage sollte man gar nicht diskutieren müssen.

    andererseits aber auch

    Wer “Weißsein” nun nicht als Privileg wahrnimmt, könnte die Bezeichnung scheiß Kartoffel durchaus als probematisch empfinden. Gehen wir von der Betroffenheitsperspektive aus, müssen wir logischerweise diesen Standpunkt (s. Standpunkttheorie) als gegeben akzeptieren.

    Wie paßt das zusammen? Ich verstehe Dich (verkürzt) so, daß es in unserer Gesellschaft zwar Rassismus gegen Weiße geben kann, aber keinen Sexismus gegen Männer.
    Wenn nun ein Mann, sagen wir ein weißer Cis-Obdachloser, sein Mannsein nicht als Privileg wahrnimmt, wäre eine als bedrohlich empfundene Beleidigung, die auf sein Geschlecht abzielt, dann nicht auch problematisch? (Also, über das „normale“ Maß hinaus, in dem jede Bedrohung und Beleidigung problematisch ist.)

    Oder andersrum, müßte nicht, damit wir die Standpunkttheorie anwenden können, erstmal die Zugehörigkeit zu einer objektiv diskriminierten Gruppe gegeben sein?

    B20

  22. „aber es erinnert mich zum Beispiel nicht daran, wie ich aufgrund meiner Hautfarbe ständiger struktureller Diskriminierung ausgesetzt bin.“

    @Betti

    Hier schließt sich der Kreis zur Überschrift dieser Kolumen: „Nur weil ich schwarz bin“.

  23. Ich als WoC empfinde den Text als hochproblematisch und verletzend.
    Von welcher imaginären Realität wird hier ausgegangen? Ein Rassismusvorwurf in dieser Gesellschaft hat in den allermeisten Fällen überhaupt keine Folgen für den rassistisch handelnden. Keine sozialen, keine rechtlichen.
    Wie klar muss man eigentlich sagen, dass Alltagsrassismus alltäglich ist und in dieser weißen Gesellschaft als völlig normal betrachtet wird? Wer fühlt sich denn hier auf einmal so bedroht durch (potenzielle) Rassismusvorwürfe? Was soll so ein Text bei der Mädchenmannschaft?
    Ich würde mir eine eindeutige Positionierung von der Mädchenmannschaft wünschen.

  24. @ Marissa, @alle

    Danke für deine/eure Kritik.

    Ich hatte oben schon kurz etwas geschrieben und auch einige Mädchenmannschafts-Autorinnen haben sich in den Kommentaren kritisch zur Kolumne geäußert.

    Zu der Frage warum der Text veröffentlicht wurde: Auf der Mädchenmannschaft gibt es verschiedene Autor_innen, Kolumnist_innen und Gastautor_innen. Wir diskutieren öfter intern kritisch Texte von Kolumnist_innen und Gastautor_innen (und auch unsere eigenen), weil wir zwar unterschiedliche Vorstellungen von Feminismus haben, aber ein bestimmter (machtkritischer) Konsens herrschen sollte was die Texte auf diesem Blog angeht (siehe auch unsere Nettiquette).

    Die Kolumne von Kübra haben wir intern nicht zur Diskussion gestellt – ein Versäumnis. Wir werden intern besprechen, wie wir in Zukunft mit (Gast-)Texten und Kolumnen hier umgehen und machen das dann transparent.

  25. @ Magda /und Mädchenmannschaft : „Wir werden intern besprechen, wie wir in Zukunft mit (Gast-)Texten und Kolumnen hier umgehen und machen das dann transparent.“

    danke. darauf freue ich mich.
    (bitte nicht missverstehen. ich meine dies ernsthaft positiv)

    nur nebenbei, ich habe auch/hier mitgelesen (und selbstkritisch-reflektiert und bewusst bisher nicht kommentiert) – bei sätzen wie „sagt sich der Betroffene“ wünsche ich mir/hoffe ich zukünftig auf sog. sprachliche inklusion von texten/posts bei einem so wichtigem forum wie maedchenmannschaft.net

  26. Ok, ich bin weiß, in Deutschland geboren, habe Vorfahren die in Deutschland geboren wurden. Insofern habe ich selbst Bedenken, als „Unbetroffene“ (ist ja auch quatsch, nur weil ich nicht ‚Opfer‘ von Rassismen bin, betreffen sie mich trotzdem) dazu zu schreiben. Andererseits wühlt mich das Thema auch auf, vor allem, weil ich den ersten Teil des Textes so gut nachvollziehen kann. Ich kann den Punkt nicht beurteilen, inwiefern es verbreitet ist, einen ungerechtfertigten Vorwurf von Rassismus zu machen; aber mir kommt dabei auch sofort wie meinen VorposterInnen der Vergleich in den Sinn, mit der ‚fälschlichen Beschuldigung von Vergewaltigung‘, deren Gefahr so oft beschworen wird, um Sexualverbrechen und deren Verbreitung zu relativieren.

    Ich lese die Texte von Kübra immer gerne; und kann eigentlich nur dazu sagen, woran ich hier beim Lesen gedacht habe.

    In der ersten Hälfte des Textes geht es ja eben um ihr eigenes, teilverinnerlichtes Victim-Blaming. Um den Zweifel, den ihr die Gesellschaft eingesetzt hat, und der unwillkürlich hochkommt, auch wenn sie weiß, daß er ungerechtfertigt ist. Daß es falsch ist, sich als erstes zu fragen, ob das Opfer nicht selber Schuld sei, oder lüge. Und gerade, daß eben diese Idee trotz meines Reflektierens in mir ist, daß sie in mancher Situation ungefragt in meinem Kopf erscheint, und ich sie wieder verdränge, aber es trotzdem ein Teil in mir ist, der sich dem nicht entziehen kann, der die ganze Scheiße verinnerlicht hat, macht es so erschreckend. Darum finde ich den Punkt sehr spannend und wichtig.

    In der zweiten Hälft dann warnt sie, wie ich es lese also vor einem ‚ungerechtfertigten Rassismusvorwurf‘, weil der diesen Zweifel nährt und ‚echten‘ Rassismus verdeckt. Ich halte an dieser Stelle auch, wie meine MitposterInnen, nicht ‚ungerechtfertigte Rassismusvorwürfe‘ für den Grund dieses inneren ungewollten Zweifels, sondern die Vorurteile und rassistischen Bilder der Gesellschaft.

    Nur weiß ich auch nicht genau wie Kübra es gemeint hat. Vielleicht kennt sie tatsächlich Fälle in ihrer Umgebung, auf die das zutrifft. Vielleicht weist sie daraufhin (und so würde ich es lesen), daß der gesellschaftliche Rassismus auch den Ethos und das Gedankengut der Opfer des Rassismus untergräbt, und dort seine Sprossen treibt und womöglich ganz neue Ausprägungen annimmt. Also nicht in Form von Rassismus gegen Weiße, sondern bspw. indem die Vorurteile übernommen werden (so wie Frauen sexistische Vorurteile übernehmen), durch Übernahme des victim-blaming oder auf ganz andere Weisen.

    So wie Krebs irgendwo im Körper Metastasen bilden kann, fernab von dem eigentlichen Ursprung.

    Das lese ich als den wichtigen Punkt heraus. Du bist als „Türke, Araber, Schwarzer, Frau, Jude, Homosexuelle“ nicht vor Rassismus, Sexismus, etc. gefeit. Die Ismen sind nicht klare abgegrenzte Dinge außerhalb der diskriminierten Menschen, sondern Systeme, die auch in ihren Köpfen und Geistern selbst sind.

    Und darum reicht es, wieder auf den Anfang zurückkommend, auch für Kübra nicht aus Muslima zu sein, um keine Zweifel zu spüren, ob die Freundin wirklich deswegen diskriminiert wurde. Oder, womöglich, schützt es sie auch nicht vor victim-blaming, selbst wenn sie es dadurch zu kritisieren versucht, und gute Absicht hat.

    Vielleicht hat ja Kübra auch etwas ganz anderes gemeint. Ich fänd es toll, und die anderen wahrscheinlich auch, wenn sie vielleicht nochmal schreibt, was sie genau meinte. Auf jeden Fall halte ich ihren Beitrag aber für wichtig. Ich selbst zum Beispiel habe aufgrund von ihm und den vielen Kommentaren sehr viel darüber nachgedacht, was wohl der Zweck von Texten und Kolumnen ist.

    @ Magda: Ich find es auch gut, daß Ihr die Texte im Vorhinein diskutiert; ich hoffe nur, daß Ihr dann nichts zensiert, Meinungen verschwinden ja nicht einfach, wenn sie nicht veröffentlicht werden. Wenn sie diskutiert werden vielleicht schon.

  27. „Was, wenn die Unbeweisbarkeit des Rassismus irgendwann den Missbrauch nicht vom Ernst unterscheiden lässt?“

    Genau dafür haben wir die Definitionsmacht – mit „einfach mal glauben“ fahr ich zumindest ganz gut. 

    Internalisierter Rassismus ist fies, gehört aber genauso bekämpft wie der externe. Wer die Spaltung in (wenige) „echte“ und (viele) „falsche“ Opfer mitmacht, von mir aus auch unter umgekehrten Vorzeichen, betreibt Anti-Antirassismus. Und sowas ist nun mal keine Frage der Intention.

  28. @PoC: „Opfer können sich gar nicht in einer Machtposition befinden. Ebenso wie weiße heterosexuelle CiS-Männer nicht sexistisch diskriminiert werden können.“

    Soll das ironisch gemeint sein? Wenn du das ernst meinst, ist das nämlich kompletter Blödsinn. Immer, wenn einem weißen heterosexuellen Cis-Mann aufgrund seiner Beschaffenheit die Teilnahme an etwas verweigert wird, wird er tatsächlich diskriminiert. Unabhängig davon, ob die Veranstaltung, von der er ausgeschlossen wird, nicht vielleicht „einen sicheren Hafen für Frauen“ bilden soll… warum man jemanden ausschließt, ist nebensächlich, wen nes um Diskriminierung geht. Aber offenbar sträuben viele Köpfe sich in der Tat dagegen, Emanzipation tatsächlich als Chance zu Gleichwertigkeit zu sehen. Ja ja, die „bösen Männer“…

  29. @Diandra: Sorry, so lange weiße Cis-Männer im Durchschnitt mehr verdienen, die wichtigen Posten in Wirtschaft und Politik besetzen, sich medizinische Forschung an ihnen orientiert… (die Liste ist lang) gibt es keine systematische Diskriminierung von weißen Cis-Männern. Das heißt nicht, dass für jeden von ihnen alles Sonnenschein ist! Es gibt auch noch einige andere Achsen, von denen sie betroffen sein können – Gesundheit, Status … Aber ab und an ein individuelles Ausgeschlossen werden ist keine Diskriminierung und ändert nichts an der strukturellen Machtverteilung in der Gesellschaft.

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