Seit 2003 gibt es „Supernachmittag“ in der Duo Formation mit Sol Haring (git, vox, blues harp) und Anita/Peter Mörth (bass, vox, geige). Sol ist Musikerin in diversen Projekten, Digital Media Künstlerin und Wissenschaftlerin in Graz. Anita/Peter ist Musiker, Künstlerin, Wissenschaftlerin und derzeit Qualitätsmanager in Berlin. Im Interview mit der Mädchenmannschaft sprechen die beiden über die Grazer feministische Musik-Szene, die Verbindung von Gender Theorie und Musik und über irritierte Konzertgänger_innen. Nicht nur musikalisch sind sie gut ausgestattet: Bärte, Stöckelschuhe, Röckchen und Sakkos; Kotletten, Männerschuhe, Zigarren und Gitarren.
Was hat es eigentlich mit eurem Namen “Supernachmittag” auf sich?
Sol: Anita/Peter hat den Namen erfunden. Unsere Abkürzung – ein Name, unter dem wir auch bekannt sind – ist: SNM.
Peter: Anfangs waren mehrere Interpretationen für die Abkürzung im Spiel: von Sol aNd Moerth bis SexyNightMare – aber Supernachmittag ist es dann geworden.
Ihr kommt aus Graz (Österreich). Gibt es dort so etwas wie eine feministische Musik-Szene?
Sol: Ja, die gibt es gerade vermehrt, im Forum Stadtpark gibt es zweimal jährlich die Grrrls Night Out, im November mit dem Motto „noise“. Es gibt außerdem ein sehr aktives Ladyfest Team und die OeH der Uni setzt sich auch für Frauen in der Musik ein.
Eure Musikrichtung nennt ihr “philosopunk und gender country rock”. Welchen Einfluß hat das ‘gender’ in der Beschreibung auf eure Musik?
Sol: Wir versuchen die Genres zu dekonstruieren, sich einzuteilen, nicht zu passen, sich nicht einteilen zu lassen, das kann auch kreativ reflektiert werden.
Peter: … es ist quasi die musikalische Umsetzung der Gleichzeitigkeit von aufgeklebtem Bart und ausgeliehenen Stöckelschuhen.
Ihr seid beide Wissenschaftlerinnen. Wie viel Theorie steckt in eurer Performance?
Sol: So manche Songtexte (zum Beispiel „total liar“) sind mit theoretischen Versatzstücken gekennzeichnet. Was manchmal in der Wissenschaft nicht „erlaubt“ wäre, darf hier zusammen in einer Strophe abhängen.
Peter: Bei anderen songs wie „blue“ sind es dann zum Beispiel politisch-wissenschaftliche Ideen, die in ein ideales Zukunftsszenario übertragen werden. Die Idee der Performances steht in der Tradition von Judith Butler und soll sagen, dass alles möglich sei und vorgefertigte Kategorien nicht immer passen.
Auf der Bühne seid ihr oft als Herr Haring und Herr Mörth zu sehen. Wie reagiert euer Publikum auf das Gender Bending?
Sol: Wir sind Drag Kings und unser Bühnenoutfit macht uns zu Herren der „speziellen Art“. Das Publikum reagiert sehr unterschiedlich. Da wir uns meist nicht einfach so „schön herrichten“, kann das auch irritierend wirken.
Peter: Meist scheint genau diese Irritation auch eine hohe Attraktivität zu haben.
Sol: Es geht zum Beispiel um eine gewisse Irritation des Begehrens. Wenn man da so auf der Bühne steht, schwappt mitunter eine Welle des Begehrens herüber. Und dann kommt die StellvertreterInnenrolle der Performerin ins Spiel: Sie nimmt einen Platz ein, den vielleicht die Frau (der Mann) im Publikum auch gern einnehmen will. Und da kann es dann für die eine oder andere Heterofrau und Lesbe unklar sein, wen sie da nun begehrt, die Frau im Manne oder den Mann in der Frau …. und für die Männer stellt sich oft die Frage: „Maria & Josef ist das jetzt a Frau oder a Mann?“ Und da kommt es mitunter zu lustigen Szenen nach dem Konzert – da wird ungeniert nachgefragt. Diese Irritation tragen wir auch zwischendurch mit der Gitarre und dem Bass auf: War die Gitarre einst ein Phallus, ist sie bei uns eher eine nicht enden wollende Klitoris!
Nehmt ihr bewusst Bezug auf die Riot Grrrl Bewegung und wenn ja, wieso?
Sol: Ich stamme aus der Generation der Riot Grrrls und war dadurch animiert einfach selbst eine Gitarre in die Hand zu nehmen, außerdem hab ich meine Diplomarbeit über die Riot Grrrls geschrieben…
Peter: Natürlich steht SNM auch in dieser „Tradition“ und das sehr gerne, denn diese Art der Selbstermächtigung und auch Widerstand gegen das System von Ungleichheiten sind auch unser Anliegen. Auch der musikalische Einfluss ist sicher mit dabei – das ist einfach klasse Mukke.
Welche anderen, weniger bekannte Künstlerinnen könnt ihr empfehlen?
Black Sheep Bleached und Extofita.
Wo kann mensch euch in nächster Zeit hören, sehen und bestaunen?
Schaut doch einmal auf unserer Myspace vorbei! Wir haben extra für euch ein paar Lieder von unserer kommenden CD ausgekoppelt. Und wir suchen außerdem Auftrittsmöglichkeiten in Berlin und sind für Tipps immer dankbar. Voraussichtlich im Frühjahr 2012 werden wir wieder öfters live zu sehen sein, wenn wir die neue CD vorstellen. Auf unserer Website könnt ihr unseren Newsletter abonnieren, wenn ihr über Konzerttermine u.ä. informiert werden wollt.