Es mag mein subjektives Empfinden sein, aber in meinem Gefühl haben sich die Fälle von toten Babys, die in Blumenkästen, Gefriertruhen oder Kellern gefunden werden, in den letzten Jahren gehäuft. Vielleicht hat auch nur die Berichterstattung zugenommen. Die Mütter dieser Kinder geben jedenfalls oft an, die Schwangerschaft selbst nicht bemerkt zu haben. Gleiches behauptet selbst das engste Umfeld. Nachbarn, Eltern, ja selbst die Ehemänner und Kindsväter sagen aus, nichts mitbekommen zu haben.
Im neuen Familienmagazin der Süddeutschen Zeitung findet sich ein sehr eindringliches Porträt einer Frau, die ungewollt schwanger wird und die durch die physische und psychische Gewalt ihres Freundes (der nicht der Vater des Kindes ist) so voller Angst ist, dass einfach nicht sein kann, was nicht sein darf. Aus Furcht, ihre beiden Töchter zu verlieren, verschweigt sie die Schwangerschaft. Unterstützung erfährt sie keine, niemand spricht sie auf ihre Schwangerschaft an, nicht die Kollegen, nicht die Schwester, nicht der Freund. So kann sie den Schein, auch vor sich selber, aufrecht erhalten. Doch irgendwann muss sie sich doch den Tatsachen stellen und sich entscheiden. Sie legt ihr passives Verhalten ab, sucht nach Hilfe. In meinen Augen in ihrer Situation und Gefühlslage ein starker und mutiger Schritt. Zu ihrem großen Glück gerät sie an eine verständnisvolle Hebamme, die sie über die Möglichkeit einer anonymen Geburt informiert und die zusammen mit Ärzten und Schwestern – die sich damit alle strafbar gemacht haben – schließlich hilft, den Sohn von „Frau Unbekannt“ gesund auf die Welt zu bringen.
Jetzt auf einmal, wo es schon zu spät sein könnte, wacht das Umfeld endlich auf und nach viel Hin und Her und Gerüchten, wie sie in Dörfern und Kleinstädten so schnell entstehen, wird die Mutter endlich auf das offensichtliche angesprochen.
Schließlich endet alles wie im Märchen: Michaela Vaitl darf ihre Töchter behalten und ihren Simon zu sich holen. Der Vater des Jungen freut sich über sein Kind, entscheidet sich für die junge Familie. Der Ex-Freund hat keinen Einfluss mehr, weder seelisch noch körperlich.
Der Schluss ist es wohl, der diese Geschichte von so vielen unterscheidet. Man kann nur spekulieren, was passiert wäre, wenn Michaela Vaitl nicht den Mut gehabt hätte, sich doch noch Hilfe zu suchen. Was passiert wäre, wenn sie nicht an ebendiese Hebamme geraten wäre. Wenn sie ihr Kind alleine zu Hause im Badezimmer auf die Welt hätte bringen müssen. Und man kann nur spekulieren, was gewesen wäre, wenn sie, und mit ihr alle anderen Frauen in ähnlichen Situationen, von Anfang an von der (illegalen) Möglichkeit einer anonymen Geburt gewusst hätte. Vielleicht hätte sie die entsprechenden Stellen schon früher angerufen, und vielleicht hätte man ihr so z.B. schon früher erklären können, dass sie ihre Töchter nicht verlieren würde.
Auch wenn die Fakten nun bekannt sind, möchte ich dringend raten, den gesamten Artikel zu lesen. Denn er beschreibt sehr intensiv, wie allein viele Frauen sind, die ungewollt schwanger werden (auf der letzten Seite werden außerdem noch mal Zahlen und Hilfsangebote zusammengefasst). Dass auch eine Frau, die schon Mutter ist, schlicht und einfach überfordert sein kann mit der Situation. Es ist sehr wichtig, sich klarzumachen, dass die so oft geschilderte Mutter, die – ganz von ihrer Liebe zum Kind und ihren mütterlichen Instinkten getragen – immer das Richtige tut und sich allen Widerständen in den Weg stellt, ein gefährlicher Mythos ist.
Gefängnisstrafen, egal wie laut der Boulevard sie verlangt und egal wie fassungslos man als Außenstehender auf solche Geschichten reagiert, werden kein getötetes Kind verhindern können. Natürlich sind auch weder anonyme Geburt noch Babyklappe ein Allheilmittel. Die anonyme Geburt bietet allerdings eine wichtige Alternative zur Babyklappe, da die Mutter und das Kind so nicht auf sich selber gestellt sind während der Geburt.
So oder so müssen wir dringend darüber nachdenken, welche Lösungen unsere Gesellschaft Frauen bieten möchte, die alleine keinen Ausweg mehr aus ihrer Situation finden. Und zwar nicht an irgendwelchen theoretischen Überlegungen und moralischen Grundsätzen orientiert, sondern konkret an der Situation der Frauen!
dieser muttermythos von der glücklichen schwangeren ist total bekloppt. wenn man den auspackt, tut man keiner schwangeren frau einen gefallen!
Ja, ich finds schlimm, dass anonyme Geburt noch immer nicht „erlaubt“ ist bzw. dass sich Helfer (Ärzte, Hebammen, Krankenhausverwaltung) strafbar machen, wenn sie Frauen in einer Notlage helfen.
Ich bin erschüttert, dass eine anonyme Geburt strafbar ist! Abtreibung, Babyklappen etc. ist aller (weitestgehend) „erlaubt“ und eine anonyme Geburt nicht?! Damit schafft man wieder einmal einen dunklen Bereich. Was für einen Sinn hat es denn, das strafbar zu machen? Wie ist die Begründung? Ach, ich frage nach dem Sinn dahinter. Dumm von mir. *unzufrieden*
Und wegen der Berichterstattung; ich bin der Meinung, dass ein gewisses bildhaft arbeitendes Boulevardmagazin sich darauf stürzt und es deswegen mehr wahrgenommen wird. Tatsächlich mehr Fälle gibt es sicher nicht. Oftmals gab es früher keine Berichterstattung und somit weniger Aufmerksamkeit. Heute haben wir sogar schnittige Spitznamen für Mütter, die, aus welchem Grund auch immer, ihre Kinder töteten („Die Todes-Mutter“/“Horrormutter“ etc). *noch unzufriedener*
Da ich selbst mal in der Situation war, das die „natürlichen Mutterinstinkte“ aussetzen, kann ich durchaus nachvollziehen, wie verloren man sich in solch einer Situation fühlt. Man glaubt dann, es geht nur allein einem so und traut sich kaum, jemanden anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Man bekommt einfach so viel Druck von der Umwelt (Zeitschriften, TV, Erziehungsratgeber…), das einem Probleme einfach nur unnormal erscheinen. Ich hatte Glück, das ich Leute um mich hatte, die mir Hilfe angeboten haben (und ich hatte die Stärke diese Hilfe anzunehmen). Und ich kann keine verurteilen, die aufgrund mangelnder Zuwendung oder einfach nicht die innere Krafthat und sich in dieser Situation anders (falsch) entscheidet. Man sollte jeden Weg, den die Frau geht und die das Leben des Kindes retten kann (anonyme Geburt, Babyklappe…) unterstützen und nicht noch unter Strafe stellen.
Was gibt es eigentlich für Gründe, die anonyme Geburt zu verbieten? Weshalb wird hier wiederum in das Grundrecht der Frau eingegriffen, selbst entscheiden zu können? Schwanger-Sein=Pflicht zum Mutter-Sein? Weshalb denn? Eine Frau soll doch selbst entscheiden dürfen, ob sie bei Eintreten einer Schwangerschaft sich zu einer Abtreibung entscheidet, das Kind normal gebiert und zur Adoption freigibt, anonyme Geburt oder Babyklappe, oder eben Geburt und Aufziehen des Kindes. Hier wird wieder mal an allen Ecken und Enden die Freiheit der Frauen beschnitten.
wie Ariane sagt – und dazu gibt es dann eben noch tote Babys. Versteh ich auch nicht, wie „alles muss seine Ordnung haben“ über Menschenleben gehen kann. Ich hab die Geschichte gelesen. Und plötzlich verstehe ich, wie sowas zugehen kann. Es gibt eben auch ungebildete Frauen, die nur diese beiden Alternativen sehen: das Ende der Welt oder ein totes (=nicht vorhandenes) Kind! Die darf man nicht alleine lassen – und vor allem vorher nicht.
Das Grundprinzip hierzulande ist doch in § 1626 BGB gut zu sehen.
Da heißt es: „Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen“
Aus dieser Pflicht ergibt sich eine Verantwortung, der man u.U. mit einer anonymen Geburt nicht nachkommen kann.
Die Familie ist doch die Basis unserer Gesellschaft und fußt darauf, dass Eltern die Verantwortung für Kinder übernehmen.
Dass nicht alle Eltern dieser Verantwortung nachkommen können ist nun mal leider so. Es wurden einige Möglichkeiten geschaffen, damit Frauen unerwünschte Kinder wieder los werden können (Abtreibung, Babyklappe, Adoption, etc.) doch diese scheinen in diesen speziellen Fällen nicht zu greifen.
Und das liegt an der besonderen Situation in der sich die Frauen befinden. Es gibt unzählige Hilfsangebote an Frauen, die ungewollt schwanger sind, vom Freund oder dem Mann geschlagen werden, Frauenhäuser, usw. aber diese Angebote werden von den betroffenen Frauen nicht angenommen.
Ähnlich wäre es mit der anonymen Geburt. Man müsste doch dazu trotzdem ins Krankenhaus und dieser Schritt stellt für Frauen in dieser Situation eine zu große Hürde dar.
Selbst wenn es die anonyme Geburt gäbe – damit würde kein totes Kind verhindert werden, denn sie behandelt nur die Symptome und nicht die Ursache.
Wie kommen Frauen in derartige Situationen, aus denen sie scheinbar nicht ausbrechen können?
Wie kann man es den Frauen möglich machen, einen Ausweg zu sehen und bereits bestehende Hilfsangebote auch anzunehmen?
Das sind die Fragen, die ich mir stelle!