seit drei jahren ungefähr beobachte ich in der deutschsprachigen feministischen blogosphäre einen massiven rückgang an posts und debattenbeiträgen. das hat viele gründe, u.a. die veränderung von gesprächs- und debattenkultur durch technologische veränderungen und veränderungen des mediennutzungsverhaltens. viel hat sich in schland auf twitter verlagert, das wohl „unpraktischste“ medium für auseinandersetzung. nichts gegen kurz und prägnant statt ausgedehnte mit substantiven überbordende essays. dennoch haben sich bestimmte dogmen etabliert, was in frage gestellt werden kann und wie. der umgangston ist meistens rotzig, belehrend, selbstgerecht. die haltung häufig wenig zugänglich für andere perspektiven und widersprüche zu eigenen glaubenssätzen und wissensarchiven – und das obwohl wir in einer feministischen bubble agieren, also „unter uns“, und es nicht darum geht, ignoranten kackbratzen selbstverständlichkeiten des zwischenmenschlichen beizupulen ohne aussicht auf erfolg – sondern miteinander ins gespräch zu kommen, inspiration, lernen, bestärkung, veränderung. das ist nichts twitter-spezifisches, jedoch dort offensichtlicher aufgrund der formalen gegebenheiten des mediums.
hinzu kommt, dass viele themen kaum bis gar nicht vorkommen. wieso? liegts allein an den dominanten erfahrungswelten? bestehen hemmungen über bestimmte themen zu schreiben? was mich wieder zu den dogmen bringt. ich überlege seit vielen jahren, wie ich über ursachen von gewalt in lesbischen/queeren beziehungen schreiben kann ohne einen shitstorm loszutreten oder selbst vollumfänglich zeugnis meiner beziehungsbiografie abzulegen sowie öffentlich meine eigene identität zu analysieren und zu rechtfertigen. mir fällt seit beginn meiner blogger_innenzeit auf, dass lesbische perspektiven randerscheinungen sind und fast ausschließlich nicht-lesben darüber schreiben, was lesben sind (und was nicht), wie (ausschließend/diskriminierend) ihre politiken waren und sind.
sich von lesben abzugrenzen ist ja nichts neues, dies jedoch so ungebrochen im feministischen kontext immer wieder mitzubekommen, ist gelinde gesagt: tragisch. bezeichnend, dass ich mich unter clueless heten häufig genauso alienated fühle wie unter aktivist_innen, die sich LGBT* / queer verorten. die gründe vielfältig, jedoch auch: dogmen. mir fehlen lesbische deutschsprachige perspektiven sehr. ich finde sie bei älteren aktivist_innen, die schon in den 80ern an den verhältnissen gerüttelt haben und sage: danke. danke. danke. ich vermisse sie bei menschen in meinem alter. das hat auch damit zu tun, dass menschen sich nicht eingestehen können, wieviel lesbenfeindlichkeit und unwissen über lesbe als politische, feministische identität und lesbische bewegungsgeschichte auch bei ihnen selbst ist.
gründe, warum ich vor ein paar monaten meinen alten tumblr account reaktiviert und mich in die welt der serien fandoms begeben habe – für eine wohltuende mischung aus repräsentation, spaß, positiven bezügen. zugegeben finde ich dort kaum leute in meinem alter (die meisten fandom tumblr user sind zwischen 15 und 22 jahre alt), aber die selbstverständlichkeit, mit der in diesen spezifischen räumen dezentrierung von typen und heten und solidarität unter LGBT* unterschiedlichster herkunft stattfindet, ist beeindruckend. ich stoße auf debatten zu sexualität und begehren, die ich aus deutschland kenne und muss schmunzeln, weil diese völlig gegensätzlich zu den hiesigen verlaufen (#“monosexismus“ #fetischisierungvonLGBT #identitätenbingo #oppressionolympics). ich stoße auf debatten, die nicht typisch deutsch sind (#verweigerungvonagencyundverantwortung). ich stoße auf debatten, bei denen ich mir denke: realität (siehe zitat). aber wieso lese ich davon eigentlich nichts in meinen feministischen bubbles?
„so much of the media that is meant to be for women made by other women and just bonding between women in general revolves around talking about guys and relationships with men and so much of the concept of female empowerment is still centered around making guys want you and rejecting them or [whatever] and im glad you all have that but it isolates lesbians so entirely from womanhood and is often what makes it so hard for lesbians to relate and connect with other women“
(dt.) ein großer teil der medien, die für frauen gedacht und von frauen gemacht sind, und die verbundenheit von frauen im allgemeinen dreht sich um typen und beziehungen mit männern. und ein großer teil des konzeptes von weiblicher bestärkung fokussiert sich noch immer darauf, wie du es schaffen kannst, dass typen dich wollen und du sie zurückweist oder was auch immer. ich bin froh, dass du das alles hast, aber es isoliert lesben so komplett von frauen und deshalb ist es oft so schwer für lesben sich mit anderen frauen zu identifizieren und verbindungen mit ihnen herzustellen.
Hey hey.
Du schreibst von “Dezentrierung …“
Das beschreibt sehr gut, was auch ich auf tumblr wahrnehme.
Und meine Frage wäre, hast du das gefreestylt oder ist das Teil eines Konzeptes, einer Strategie oder oder …?
Viele Grüße
Hey Diemur,
ich glaube, ich verstehe deine Frage nicht :) Kannst du sie nochmal umformulieren oder erklären, was du meinst?