Kinder, Kinder

Seit ein paar Tagen ist es amtlich: Die deutschen Akademikerinnen bleiben häufiger kinderlos als die Durchschnittsfrau (immerhin nicht so dramatisch, wie noch vor einigen Jahren behauptet). Im Westen verzichtet frau eher auf Kinder als im Osten. Analog zur Geburtenrate klafft die Lücke an Betreuungseinrichtungen zwischen den alten und neuen Bundesländern. Doch auch der Ausbau der Kindertagesstätten wird nicht alle Frauen zum Kinderkriegen animieren, meint Antje Schrupp. Das sei sogar positiv:

Kinderlos zu sein ist heute kein Stigma mehr, und dass Frauen auch ohne Kinder zufrieden sind und sich als vollwertig begreifen, ist definitiv ein Grund zur Freude. Anzunehmen, dass unter den Müttern der älteren Generationen ein gewisser Anteil ungewollt Mutter geworden war, ist sicher nicht abwegig. Der höhere Anteil kinderloser Frauen ist definitiv auch darauf zurückzuführen, dass ungewollte Mutterschaften heute viel seltener sind als früher. Und das ist auch gut so.

Stattdessen plädiert sie für eine Abkehr vom traditionellen Familienmodell:

Jeder Kinderwunsch einer Frau ist möglichst zu unterstützen, ob es nun das erste, zweite, dritte, vierte oder fünfte Kind ist. Keinesfalls brauchen wir noch mehr Fixierung auf die typische Vater-Mutter-zwei Kinder-Konstellation, sondern eine Vielfalt von Lebensformen, mehr Akzeptanz sowohl für Vielkind-Familien als auch für lesbische Mütter und schwule Väter und vor allem für die wachsende Gruppe der so genannten „Alleinerziehenden“ (die übrigens in den seltensten Fällen ihre Kinder tatsächlich „allein“ erzieht, sondern nur halt eben nicht im typischen Kleinfamilien-Rahmen).

15 Kommentare zu „Kinder, Kinder

  1. schön, dass ich mich über den schrupp-artikel zur mikrozensus 08 linken konnte – habe das ganz teil bei mir gleich im fach: gender-politik abgelegt! und kann mir nun die zahlen in aller ruhe bekieken.

  2. Finde es ja schön, dass Frauen ihr „Familienmodel“ selber auswählen können!

    Aber wie sieht es mit dem Kindswohl aus, ist dies nicht auch eine Erwähnung wert?

    http://www.weltwoche.ch/no_cache/ausgaben/2009-13/artikel-2009-13-aschenputtel-der-gegenwart.html?mode=print

    „Der generelle Befund der Studie bestätigt sich mit einer Ausnahme (1) bei allen Delikt-Arten: Stets bereiten Jugendliche aus Patchwork-Familien die grössten Probleme. Die Unterschiede sind beträchtlich. 39,7 Prozent der Jugendlichen aus traditionellen Familien geben an, schon ein oder mehrere Male gegen das Gesetz verstossen zu haben. Bei Kindern mit einem alleinerziehenden Elternteil sind es 48,4 Prozent. Jugendliche aus Patchwork-Familien kommen auf 58,4 Prozent. Das sind fast 20 Prozent mehr als bei den Altersgenossen, die in intakten Familien aufwachsen.“

    Und nun nochmals, welches Familiemodel ist wohl das Beste, vielleicht nicht für die Mutter, vielleicht nicht für den Vater, aber ganz sicher für das KIND?

    Gruss
    KdN

    (1) Das Muster zeigt sich bei allen Delikten mit Ausnahme des Computer-Hacking. In diesem Bereich sind die Kinder von Alleinerziehenden an der Spitze.

  3. Oha! Mit der Weltwoche gegen eine gesellschaftliche Entwicklung zu „argumentieren“ ist ja ungefähr so sinnvoll wie mit Eva Herman zu kommen. Ich erinnere an die Ausgabe vor ein paar Wochen, die nicht nur durch ein unsägliches Editorial glänzte:

    Die Coverthemen waren:

    1. Homosexualität als Religion. Warum der Kult um die Schwulen nervt
    2. Zu faul zum Arbeiten. Insider sprechen über die wahren Gründe der Jugendarbeitslosigkeit
    3. Männer lieben den Krieg, Frauen lieben Krieger

    Ich würde also sagen, die Weltwoche, deren Redaktion offenbar an der modernen Welt leidet, lassen wir mal aus der Diskussion heraus.

  4. sorry, KdN, aber: die verlinkte seite führt leider nicht zur studie selbst – sondern zu kummerkästen und ähnlichem – und enthält ansonsten bis auf ein (hoff ich doch) echtes zitat nichts außer bewertungen. die mögen stimmen – mangels daten geht bestreiten ja schlecht. aber die bewertungen sind ohne daten nicht nachvollziehbar!

    weshalb sich darüber nun nur nach dem motto „wer hat das treffendere bauchgefühl?“ diskutieren läßt.

  5. Also die Studie ist leider nicht online, habe aber noch ein paar andere Links zum Thema „beigelegt“.

    Würde mich jetzt aber interessieren, ob nun das Kindswohl, oder das Wohl der Mutter / Vater im Vordergrund steht!

    @ Susanne, der Link zur Weltwoche war leider der einzige den ich gefunden habe.

    Dass Du nicht einer Meinung mit der Weltwoche bist, naja, überrascht mich nicht wirklich, tut aber irgendwie auch nichts zur Sache.

    Also: Ist „Jeder Kindeswunsch einer Frau zu unterstützen?“
    Ist er das wirklich? Mir fehlt dabei die Überlegung was das Beste für das Kind ist!

    Oder anders: „Jeder Kindeswunsch eines Mannes ist zu unterstützen!“
    (Stimmt das dann auch?)

    Gruss
    KdN

    PS.
    http://bazonline.ch/leben/gesellschaft/PatchworkKinder-machen-mehr-Seich/story/25882152
    Insgesamt 3600 Schülerinnen und Schüler zwischen 13 und 16 Jahren befragte der Lausanner Kriminologie-Professor Marcelo Aebi zu ihrem Deliktverhalten. Das berichtet heute die «Sonntagszeitung» und zitiert aus der bisher unveröffentlichten Studie. Aebis Fazit: Fast in allen Bereichen – bei Ladendiebstählen, Vandalismus und Schlägereien – führen Kinder aus Patchwork-Kindern die Liste an.

    http://www.baselland.ch/07-htm.311109.0.html
    Eine letzte Bemerkung zugunsten des Votums von Rita Bachmann: Gemäss einer umfassenden Studie des Lausanner Kriminologie-Professors Marcelo Aebi über den Zusammenhang von Familientypen und Jugendkriminalität sind Jugendliche aus traditionellen Familien am wenigsten delinquent im Vergleich zu Jugendlichen von allein erziehenden Eltern und jenen aus Patchwork-Familien – letztere tendieren am ehesten zu delinquentem Verhalten. Ergo wäre es für die Gesellschaft «eigentlich sinnvoll», die Ehe und die traditionelle Familie zu fördern. Die traditionelle Familie ist also bitte gegenüber Konkubinaten nicht zu diskriminieren.

    http://www.sp-ps.ch/index.php?id=15&action=detail&uid=3518&L=0
    Die Kummerbuben der Neuzeit seien die Kinder aus Patchwork-Familien, fasste die Sonntagszeitung vergangenes Wochenende eine Nationalfondsstudie des Lausanner Kriminologen Marcelo Aebi zusammen. Sie seien besonders häufig in leichte oder schwere Straftaten verwickelt. Als Grund wird eine schwache Bindung zu den Eltern angegeben. Werden damit die Kinder aus Patchwork-Familien die Aschenputtel der Gegenwart?

  6. @ KdN: Bleibt doch aber die Frage, ob Kinder besser dran sind, deren Eltern ihr eigenes Wohl hintenanstellen, also z.B. verheiratet bleiben, obwohl sie sich nicht abkönnen. Ich denke nicht.

    Ich glaube einfach nicht, dass es die „heile“ Familie gibt, wie heute die Seite 3 der Süddeutschen Zeitung auch wieder ganz schön illustriert hat:

    Eine ganz normale Familie
    Die Anklage glaubt, dass Andreas H. zusammen mit einem Freund seine Eltern und seine beiden Schwestern aus Habgier getötet hat. Nach den Morden von Eislingen aber zeigt sich für Freunde und Bekannte auch, dass die demonstrativ gelebte Idylle voller Widersprüche war.

    Alle Studien, die Familien ohne Scheidungen, Neuheiraten, Beutekinder etc. beschwören, ignorieren, dass es diese nun einmal gibt. Dass niemand, weder Frauen noch Männer, auf Scheidungen oder Neuheiraten verzichten werden, weil ihnen das von manchen Soziologen empfohlen wird. Das Versus in „Wohl der Eltern vs. Wohl der Kinder“ gibt es nicht, das eine hängt mit dem anderen zusammen und wenn Paare mit Kindern sich trennen, dann muss mit den Folgen umgegangen werden, niemand kann ihnen aber verbieten, sich zu trennen.

    P.S.: Und dann finde ich den Zusammenhang „Kinder aus Patchworkfamilien sind krimineller“ auch etwas gewagt und sowohl soziologisch als auch journalistisch unsauber. Man muss genau 0,5 Sekunden lang nachdenken, um auf die Hintergrundvariable „Soziale Herkunft“ zu kommen.

  7. noch mal sorry, KdN – egal ob weltwoche oder eine andere quelle, solange die studie nicht selbst nachlesbar und damit eben auch überprüfbar zu haben ist, reden wir über ein ideologisch motiviertes schneeballsystem. etwas anderes als dieses stellen die geposteten weiteren ’stellungnahmen‘ nicht dar.

    wir könnten natürlich auch eine sehr intensive diskussion darüber beginnen, wie kindeswohl und mutterwohl und vaterwohl und glückliche eltern und und und miteinander zusammenhängen.

    wir können allerdings für den moment auch gleich so klug sein und feststellen, dass diese studie als unbekannte der komplexität dessen, worüber da zu diskutieren wäre, nicht gerecht wird.

    und an deiner stelle schon mal den hinterrücks angedeuteten egoismus-vorwurf – na, gegen wen wohl? – zurücknehmen!

  8. Ich stimme Susanne vollkommen zu. Es gibt keine heilen Familien, egal, ob traditionell, zwei Väter, Mütter, Alleinerziehend, Patchword etc. Keine Familie ist heil. Ganz simpel, weil die Welt es auch nicht ist, und weil es immer um das Zusammenleben verschiedener Menschen geht. Und wir Feministen wissen ja, dass es in diesem Zusammenhang egal ist, welchen konstruierten Geschlechts diese Menschen angehören.

  9. Eine „heile“ Kleinfamilie (Mann-Frau-xKinder) ist auch schwer hinzubekommen. dieses Kleinfamilienmodell aus den 50er Jahren hat sich überlebt.

    Die Zukunft gehört der Großfamilie bzw der Sippe, bei der nicht nur die Lastverteilung auf mehr als nur zwei Schultern ruht.

    Für Kindern ergibt sich dadurch eine besser ausbalancierte Position und stabilere Familienverhältnisse.

    Das ist dann der Pluspunkt, der sicherlich auch die Geburtenrate nach oben beeinflußen wird (Neben den sozialen Zwängen).

    Wobei die Sippe nicht wegen des Kindeswohls oder der Geburtenrate zurückkommen wird, sondern weil der Staat als „Versorger und Beschützer“ demnächst bankrott sein wird und seine entsprechenden Leistungen drastisch einschränken wird. Sippe statt Sozialamt und Krankenkasse. Blutsverwandte statt Polizei.

    Nichts Neues eigentlich, in weiten Teilen der Welt ist es heute schon so und war es auch nie anders.

  10. weil es hier so gut paßt, tatsächlich mal ein altes posting von Rahab, leicht abgewandelt:

    … schreibe ich mal die wahrscheinlich weitreichendste definition für ehe auf, die ich bislang gefunden habe. die definition stammt zwar aus der zeit, als die anthropologie noch strukturalistisch war, aber ich denke, sie ist dennoch ein guter ausgangspunkt, um vom „denken im ehegattensplitting“ etwas wegzukommen. sie stammt von Kathleen Gough, aus ihrem beitrag unter dem titel ‚The Nayars and the Definition of Marriage‘ in P.Bohannan/J.Middleton, Marriage, Family and Residence, New York 1968.

    „Die Ehe ist eine zwischen einer Frau und einer oder mehreren Personen geknüpfte Beziehung, die dafür sorgt, dass einem Kind, das diese Frau unter Umständen zur Welt bringt, die nicht gegen die Regeln der Beziehung verstoßen, die vollen Geburtsrechte eines normalen Mitglieds seiner Gesellschaft oder sozialen Schicht gewährt werden.“

    unter dieser beziehung wird verstanden „eine Beziehung, die von den betreffenden Menschen selbst als anders als alle anderen Beziehungen betrachtet wird.“

    von ehe-, familien-, kindschafts- und unterhaltsrecht erwarten wir, dass es in der lage sind, den vorstellungen und lebenswirklichkeiten, die sich mit solchen institutionen wie ehe und familie und beziehung verknüpfen, einen rechtlichen regelungsrahmen zu bieten. wenn der rechtliche regelungsrahmen nicht elastisch genug ist, um den vorstellungen und lebenswirklichkeiten derer zu entsprechen, welche von ihm gebrauch machen wollen und müssen, dann wird er verändert. das nennt sich dann rechtsfortentwicklung. und natürlich kommen in dieser immer auch die sehr unterschiedlichen interessen zum ausdruck und geraten manchmal konflikthaft aneinander. dies umso mehr dann, wenn dieser kurz familienrecht genannte komplex von anderen rechtlichen wie tatsächlichen komplexen nicht zu trennen ist. und das ist er nicht. denn ehe und familie und beziehung werden nicht im luftleeren raum gelebt.
    dass nun aber manche das, was frauen/lesebn/schwule… an rechten erklagt und durchgesetzt haben, als bedrohung empfinden, kann ich zwar einerseits nachvollziehen, halte es aber andererseits für albern. und ein kleiner gipfel von albernheit ist erreicht, wenn jemand einer rechtslage ein ewigkeits-siegel verpasst. nach meiner erfahrung deutet dies nur darauf hin, dass der/die gute den verlust von ‚privilegien‘, zu deutsch: vor-rechten, fürchtet. nun, vor-rechte sind keine ‚rechte‘ sondern nur in rechts-ähnlicher form auftretene gewalt- und machtverhältnisse.

    so weit das bereits leicht abgewandelte posting.

    gerade im hinblick auf regenbogenfamilien und adoption durch lebenspartnerschaft gehört sich klar gemacht, dass frau in der beziehung, in die das kind hineingeboren oder auch hineinadoptiert wird, nicht die bestimmende rolle spielen muß.

    und auch wenn es komisch klingt und sich auch erst mal komisch anfühlt: vielleicht müssen wir noch mal ganz neu/anders über ‚leihmutterschaft‘ anfangen nachzudenken?

  11. @Peter

    wieso soll eine Kleinfamilie nur Mann-Frau-Kinder sein? Wieso nicht Mann-Mann-Kinder oder Frau-Frau-Kinder? Sind diese Familien bei gleicher Personenanzahl „größer“?

  12. Peter, wenn ich mir die weiten Teile der Welt, in denen die Sippe das vorherrschende Organisationsmodell ist und immer war, so ansehe, dann empfinde ich Kleinfamilie und Staat doch als erheblichen Fortschritt.

  13. flawed, weshalb ist das „sippenmodell“ denn automatisch abzulehnen, nur weil es negativbeispiele gibt, die in einer ganz anderen lebenswelt entstanden sind?
    wenn hier jemand das sippenmodell lebt, wird daraus wohl keine patriarchalische zwangssippe à la saudi-arabien werden, nur weils nicht das mamapapakind-„ideal“ ist.

  14. @ Schubidu

    Sicher kann eine Kleinfamilie auch anders zusammengesetzt sein. Ich sprach aber vom normativen Modell der 50er Jahre Kleinfamilie und die sah sicher keine Mann-Mann-xKinder Version vor *gg*

    Hinsichtlich der strukturellen Nachteile der Kleinfamilie ist es auch unerheblich wie diese zusammengesetzt ist.

    @ flawed

    War es ein Fortschritt? Zumindest war es wohl ein gewisses Bedürfnis, denn tatsächlich zerfallen ja Sippenverbände dann relativ schnell, wenn die äusseren Rahmenbedingungen sich ändern. Also in diesem Fall, als der Staat grundlegende Bedürfnisse wie Schutz und soziale Absicherung ausreichend abgedeckt hat. Tut er das nicht mehr, dann müssen diese Bedürfnisse anders abgedeckt werden. Denn diese bleiben ja bestehen.

    Komparative Arbeitsteilung in Verbindung mit dem alten Spruch „Blut ist dicker als Wasser“ – das ist Sippe. Nicht immer lustig, aber besser als der Tod.

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