2008 ist immer wieder in den Medien als „Jahr der Frauen“ bezeichnet worden und das liegt insbesondere an der starken weiblichen Präsenz im US-amerikanischen Wahlkampfjahr. Im New York Magazine analysierte Amanda Fortini vor kurzem, wie sehr dieses Jahr weibliche Stereotypen verfestigt hat:
Erst verkeilte sich Hillary Clinton über Monate mit Barack Obama – sie galt ursprünglich als absoluter Favorit für die Nominierung, hatte einen harten Block treuer Anhängerinnen und Anhänger und einen durchaus werthaltigen Erfahrungsschatz. Sie machte einige Fehler und sich selbst bei vielen nicht gerade beliebt. Weil Clinton ihre Weiblichkeit eher herunterspielte und sich als Schwerstarbeiterin und harte Politikerin gerierte, wurde sie – vor allem von Konservativen – immer wieder als eine „Nussknackerin“ karikiert, letztlich als „tough bitch“.
Statt ihr setzte sich eine ganz andere Frau – völlig mühelos und ohne große eigene Leistungen – durch. Das war Sarah Palin, die über Monate lang die Nation und alle anderen Interessierten zwischen obsessiver Faszination und völlig irrationalem Hass oszillieren ließ (mich nicht ausgeschlossen, ich sag euch, ich war ein Wrack).
Palin erfuhr eine völlig andere Behandlung durch die Öffentlichkeit – wegen ihres Hintergrundes, ihres Auftretens, und ihrer Selbstdarstellung: Sie gab die attraktive „just a Hockey-Mom“, die keinen intellektuellen Aufwand betrieb, viele Kinder gebar und „zwinker, zwinker“ vor allem charming war. Palin war für manche Frauen eine ideale Identifikationsfigur, für die meisten aber war ihre Nominierung ein Fanal, da John McCain gezeigt hatte, dass er Frauen vor allem als Repräsentationsfiguren sieht und keinen Wert auf ihre Inhalte legt. Doch in den Medien wurde diese Kritik kaum laut. Erst als sich herausstellte, dass Palin mittelfristig nicht in der Lage war, sich in die Herzen und Hirne der Amerikaner zu zwinkern und sie einen Fehler nach dem anderen machte, als nach dem Verlust der Wahl bekannt wurde, dass sie wirklich keinen blassen Schimmer von Geografie und Politik hat und ihre Position unter anderem missbraucht hatte, um viel Geld auszugeben, das ihr nicht gehörte (eine Tradition, die sie übrigens in Alaska begonnen hatte) – hagelte es auch von konservativer Seite Missachtung. War sie als hübsche Vorzeige-Sarah noch gut genug, wurde Palin nun auch auf der rechten zur Caribou Barbie degradiert. Damit war der Fall geklärt, die Frau und Politikerin egal.
Es scheint, als gäbe es nur zwei Rollen, die eine Frau in der breiten medialen Öffentlichkeit spielen kann, schreibt Fortini, wenn es um Macht und Karriere geht: Entweder die Bitch oder die Tussi. Selbst Michelle Obama, die als selbstbewusste, eigenständige Persönlichkeit mit einer tollen Karriere anfangs noch aneckte, habe sich jetzt ihrer Rolle als Mutter und Präsidentengattin verschrieben.
Obwohl ich persönlich dazu neige, die Angelegenheit nicht ganz so schwarz-weiß zu sehen – ich glaube es gibt da mehr Spielraum als hier aufgemacht wird, und rechtskonservative Kommentatoren dürfen nicht als das Maß aller Kritik gelten – finde ich vor allem das Detail um Michelle Obama bemerkenswert. Dabei verstehe ich sogar, dass man sich in dieser Situation auf die Familie konzentrieren will, und sei es nur, um alles Mögliche zu tun, um diese Familie durch so eine Zeit zu bringen. Aber traurig ist es doch, dass wir wohl wieder keine alternativen Entwürfe, was Familiensituation betrifft, im Weißen Haus sehen werden. Wir müssen uns mit der Hoffnung begnügen, dass dies auf vielen anderen Ebenen eine bemerkenswerte Präsidentschaft wird, eine angenehme Abwechslung zu den letzten, ähm, 25 Jahren wird es allemal. Doch was die Frauen angeht, wird es eben noch noch viele dieser sogenannten Jahre brauchen, bis über echte Fortschritte geschrieben werden kann.
Amanda Fortini bestätigt vor allem ein Klischee: das für den gemeinen US-Amerikaner die Wahrnehmung der Welt quasi an den Staatsgrenzen der USA aufhört.
Diese Kurzsichtigkeit sollten wir uns nicht zu eigen machen.
Hat jemals jemand Margret Thatcher als „tough bitch“ bezeichnet? Oder Golda Meir? Oder B. Bhutto? oder oder oder?
Und auch das Medienphänomen Palin relativiert sich schon, wenn man nur ein klein wenig in die US-Geschichte zurückblickt. Nämlich auf die Präsidentschaftskandidatur von Bush Senior dessen Vizekandidat damals Dan Quayle hieß und dieselben intellektuellen Qualitäten aufwies wie Palin.
Das hat die Wahl nicht entschieden, damals nicht und heute auch nicht
Palin wurde eingesetzt, um die weibliche Wählerschaft links der Republikaner zu entzweien und Obama in eine Sexismus Debatte zu ziehen, zur Beruhigung radikaler Abtreibungsgegner und als Eye-Candy für jagende Männer im mittleren Westen. Sie war dafür da, die eigene Basis zu sichern, denn McCain war ja mindestens so sehr mit dem eigenen Lager beschäftigt, wie mit dem Versuch, eine Mehrheit in der Mitte zu bauen. Sie war die Entlastung an der Heimatfront. Das hätte auch gut gehen können. Und diese Kleiderstory ist doch wirklich albern. Die Frau absolviert fast 3 Monate Wahlkampf und dann regen sich Leute auf, weil sie von der Partei die Garderobe gestellt bekommt? Wenn sie dreimal pro Woche in den eigenen Klamotten aufgetreten wäre, hätten sich die Medien genauso aufgeregt und ihre Professionalität bezweifelt.
Was die Rollen der Frauen in der Politik betrifft, sehe ich das wie Peter. Die Personen nehmen diese Rollen erst durch Projektion von außen an, und irgendwie habe ich den Eindruck, daß die Niederlage von HRC als Selbstschutz mit struktureller Unfairness statt mit individuellen Fehlern erklärt werden soll. Finde ich eher problematisch.
Und um Peters Punkt zu unterstützen: Was ist denn bitte Angela Merkels Rolle? Sie taugt sicher sowenig zur Caribou Barbie wie zur „tough bitch“. Und sie sieht als Kanzlerin femininer aus als vorher, finde ich. Und auch das halbe französische Kabinett besteht aus Frauen, die sich dieser Kategorisierung entziehen.
Nein, die Kleiderstory ist nicht lächerlich. Zwar ist das einfach, es als Frauenthema, unwichtig oder gar sexitische Kritik abzutun (Frauen gehen halt viel shoppen, da wird ja auch viel mehr Wert aufs Äußere gelegt, wenn sie schlecht aussähe gäbe es auch Kritik…). Dabei sind die Klamotten nur der Aufhänger. Denn in der Geschichte verbirgt sich wieder alles, warum Palin verloren hat: Sie präsentiert sich als Frau der „Main Street“ und small town America, um bei der ersten Gelegenheit den Desigern in New York zu verfallen. Damit wurde nicht nur sie, sondern ihre ganze Familie eingekleidet. Als sie die Sachen zurückgeben soll heißt es, das ginge nicht sofort, ihre Kinder hätten auch Sachen verloren, z.B. Unterwäsche (Unterwäsche? Sollten Willow und Bristol im Playboy auftauchen???). Fast jede ihrer Aussagen zum Thema widersprach ihren vorigen.
Hoffentlich hat es Palin aber den rechten Kommentatoren schwerer gemacht, Politikerinnen dauernd unfair zu attackieren. Nachdem sie nun bei jeder Kritik „Sexismus“ gerufen haben, wird es sicher schwerer für sie, Sexismus wieder zu verbreiten.
Bei Michelle Obama denke ich, dass sie als schwarze junge Mutter im weißen Haus kein Vorbild hat. Auf Nummer sicher zu gehen und die traditionelle Präsidentinnengattin auszufüllen ist da völlig verständlich. Sie ist ja auch noch jünger als HRC, vielleicht sehen wir ja eines Tages auch noch mehr von ihr ;)
man hat doch tatsächlich geglaubt es gäbe genügend (liberale!) frauen die palin wählen, nur weil sie eine frau ist, egal was für frauen-feindliche politik sie betreibt und plant..
tja, welch eine überraschung, dass diese strategie nicht aufgegangen ist, und tatsächlich letzlich mehr frauen als männer auf obama/biden gesetzt haben!
heißt das jetzt etwa dass frauen mehr auf das wahlprogramm als auf die hübschen schuhe der kandidaten geguckt haben?
nenene, sicher nicht: sie sind reihenweise dem charme des hübschen frauenschwarms barrack und dem seiner niedlichen töchter erlegen. ;-)
das hat mich vor der wahl immer ganz irre gemacht, dass weibliche wähler so oder so häufig zu einer homogenen gruppe hormongetriebenen dummchen erklärt wurden..
Mich würde interessieren, was das obige foto von Hillary Clinton aussagen soll ? In vielen zeitungsartikeln – auch online – die Hillary Clinton ablehnend gegenüber standen, wurde diese ablehnung in form von entsprechenden portraits untermauert. je weniger sympathie , um so ungünstiger das portrait.