Island hat die Konsequenz gezogen. Am Sonntag hat das Land gewählt und die ursprünglich provisorische Regierung von Jóhanna Sigurðardóttir bestätigt. Die Koalition der Sozialdemokraten und Links-Grünen erhielt über 50 Prozent der Stimmen und das bei einer historisch hohen Wahlbeteiligung. Die Unabhängigkeitspartei, deren Politik die Hyperfinanzkrise in den letzten Jahren gefördert hatte, erlitt extreme Stimmverluste.
Die geringe Größe Islands beförderte ursprünglich den finanziellen Kollaps des Landes. Das gesamte Land verwandelte sich ab Anfang des Jahrzehnts innerhalb kürzester Zeit in eine Art Hedgefond; von 2002 bis 2007 verfünfzigfachte sich die Zahl der ausländischen Anleihen in isländischen Händen. Isländische Banker galten international als besonders talentiert und vor allem als schnell, was Auffassungsgabe und Handlungsfähigkeit betrifft. Geschwindigkeit war dann auch das Alleinstellungsmerkmal bei der Implosion der isländischen Wirtschaft – und ist es auch jetzt, wo sich die Insel aus dem Schlamassel zu befreien bemüht.
Während gerade in Europa die Reformen eher schleppend voran gehen und sich die Politik eher um Systemstabilisierung bemüht, rückständige Sektoren stützt und Banken rettet, deren Verantwortungslosigkeit für jeden Arbeitslosengeldempfänger das Ende seiner Zuwendungen bedeuten würde, manifestiert sich in Island ein eindeutiger Wille zum Wandel. Die Entschlossenheit und das Tempo, mit dem das geschieht, liegen vielleicht auch daran, dass es nur 350.000 Einwohner gibt auf der „Kriseninsel“, wie sie in den Medien genannt wird. Da spricht es sich eben schnell herum, wenn sich etwas ändern muss.
Und es ändert sich enorm viel gerade. Die neue Premierministerin Jóhanna Sigurðardóttir ist nämlich nicht nur eine linksgerichtete Politikerin, die einen radikalen politischen Umbruch verspricht und sich für einen EU-Beitritt Islands stark macht. Sie ist eine Frau und bekennende Lesbe. In einem Staat, der laut der prominenten Unternehmerin Halla Tomasdottir unter dem „Big Penis Complex“ seiner männlichen arbeitenden Bevölkerung leidet, und wo prügelnde, Hochprozentselige Männlichkeit die Alltagskultur dominiert (zumindest laut jedem einzelnen Islandbeobachter) – kommt das einer Revolution gleich. Erstmals wird hier ein treibender Faktor der Finanzkrise benannt und zur Verantwortung gezogen: eine größenwahnsinnige, laute, Angebermentalität die vor allem von jungen und nicht ganz so jungen Männern in den Manageretagen kultiviert wird. Dass es auch Frauen mit Big Penis Syndrom gibt und dass auch Frauen von der Spekulation der letzten Jahre profitiert haben, steht ganz außer Frage. Aber in der isländischen Entwicklung deutet sich zumindest ein kultureller Wandel an.
Und sie zeigt, dass diese Krise das Ende vieler Übel bedeuten kann: Für Machokultur und für verantwortungslose Hybris. Allerdings nur, wenn die Situation eben als Chance begriffen wird für einen Gesinnungswandel, für nachhaltige Konzepte und für Frauen, die jetzt die Gelegenheit zur Gestaltung ergreifen müssen. Das dauert in Ländern, die mehr als eine Drittelmillion Einwohner besitzen vielleicht etwas länger – möglich sein sollte es aber allemal. Und dafür ist jede und jeder Einzelne von uns zuständig.
Wenn ich nur schon an die Chicagoer Schule denke- und die wirtschaftswissenschaftlichen Sateliten drumherum, die entweder schon vorher existiert haben- oder den Boden danach für dieses völlig verfehlte Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge noch zusätzlich ausgeweitet- und dafür nicht selten auch noch den Nobelpreis erhalten haben: Hayek, Friedman, von Mises, Becker bis hin zu Phelps u.v.a.m- zum Kotzen!
Deren völlig inexistentes Menschenbild (wollen wir das mal die männliche Hintergrundsmusik zur Finanzkrise nennen?) hat uns in eine mehrschichtige Sackgasse geführt, aus der uns, hoffentlich, endlich jemand befreit, der auch in der Lage ist, die menschliche Natur in ihr Weltbild miteinzubeziehen.
Und wenn das mehr Frauen sind, dann ist dagegen nichts einzuwenden.
Eine bessere Welt ist möglich!