Am kommenden Donnerstag kommt „Romeos“ in die deutschen Kinos, ein Film über den transsexuellen Jugendlichen Lukas, der sich in Fabio verliebt. Der Film behandelt Homo- und Transsexualität und die Ausgrenzungserfahrungen, die Jugendliche machen, die es im heteronormativen System nicht so leicht haben. Ungeachtet dessen ist „Romeos“ ein Film über Jugendliche für Jugendliche wie jeder andere Jugendfilm auch. Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) sieht das allerdings anders und gibt „Romeos“ erst ab 16 Jahren frei. In der Begründung für das Urteil heißt es:
[Der Film behandelt] ein schwieriges Thema, welches für die Jüngsten der beantragten Altersgruppe, die sich in diesem Alter in ihrer sexuellen Orientierungsphase befinden, sehr belastbar sein könnte. Das Thema selbst ist schon schwierig für 12- bis 13-Jährige und die Schilderung einer völlig einseitigen von Homosexualität im Film könnte hier zu einer Desorientierung in der sexuellen Selbstfindung führen. Die explizite Darstellung von schwulen und lesbischen Jugendlichen und deren häufige Partner(sic!)wechsel können verwirrend auf junge Zuschauer(sic!) wirken, […] Der Film spiegelt eine verzerrte Realität wider, die Kinder aufgrund keiner oder zu geringer Erfahrungen nicht erkennen können.
Oh mein Gott. Sie sind schwul. Sie sind lesbisch. Sie sind transsexuell. Sie haben Sex mit wechselnden Menschen. Und es kommen Heterosexuelle nur als Nebenfiguren vor. Wie verstörend. Wie unrealistisch. U.N.Z.U.M.U.T.B.A.R.
Anhand dieses kleinen Zitates ließe sich wunderbar der heterosexistische und transphobe Bias der Jugendkommission des FSK seitenlang herausarbeiten und dekonstruieren, am einfachsten geht das allerdings, wenn wir die Argumentationslogik einfach mal umdrehen:
[Der Film behandelt] ein schwieriges Thema, welches für die Jüngsten der beantragten Altersgruppe, die sich in diesem Alter in ihrer sexuellen Orientierungsphase befinden, sehr belastbar sein könnte. Das Thema selbst ist schon schwierig für 12- bis 13-Jährige und die Schilderung einer völlig einseitigen von Heterosexualität im Film könnte hier zu einer Desorientierung in der sexuellen Selbstfindung führen. Die explizite Darstellung von heterosexuellen Jugendlichen und deren häufige Partner(sic!)wechsel können verwirrend auf junge Zuschauer(sic!) wirken, […] Der Film spiegelt eine verzerrte Realität wider, die Kinder aufgrund keiner oder zu geringer Erfahrungen nicht erkennen können.
Zum Glück gibt es Filme wie „Romeos“ und hoffentlich findet er an der FSK vorbei den Weg zu jungen Menschen unter 16 Jahren.
Dazu ein Tipp: Nächsten Dienstag beschäftigt sich „Quarks & Co.“ auf dem WDR mit dem Thema Transsexualität (21 Uhr). Ich mag die Sendung eigentlich sehr gern und bin gespannt, wie sie an das Thema rangehen. Ist danach auch immer online verfügbar.
„der Film spiegelt eine verzerrte Realität wieder…“ was für ein Argument. Als würden Jugendliche nicht ohnehin schon unter einem Dauerbeschuss mit heteronormativen, sexistischen und vollkommen verzerrten Darstellungen von Sexualität stehen (Mädchenzeitschriften, Fernsehserien, Teenagerkomödien…) Darstellungen, die für Jugendliche aller sexuellen Identitäten furchtbar einengend sein können.
Dann doch lieber „Romeos“ in der Schule gucken und diskutieren.
Scheint mir als würde die FSK selbst in einer verzerrten Realität leben. Schade, wenn Jugendlichen auf diese Weise die Fähigkeit zur Reflexion abgesprochen wird und ihnen nicht einmal die Chance gelassen wird, selbst zu beurteilen inwieweit sie sich mit dem Thema Sexualität in allen ihren Facetten beschäftigen.
„die Schilderung einer völlig einseitigen von Homosexualität im Film könnte hier zu einer Desorientierung in der sexuellen Selbstfindung führen. Die explizite Darstellung von schwulen und lesbischen Jugendlichen und deren häufige Partner(sic!)wechsel können verwirrend auf junge Zuschauer(sic!) wirken“
Ich verstehs einfach nicht…
Im TV und Kino kommen auf einen Film, der Homo- und/oder TRanssexualität thematisiert bestimmt hunderte Filme, die Heterosexualität schlicht vorraussetzen. Ist denen noch nicht der Gedanken gekommen, dass diese allgemein einsetige Darstellung in den Medien Jugendliche vielleicht viel mehr verwirren kann, als ein einziger Film, der das mal in Frage stellt und eine andere Optioan anbietet?! Typsich „Oh mein Gott, zeig meinem Kind keinen Schwulen, sonst färbts noch ab!“ Absolut irrwitzig.
Mit der Argumentation müsste man dann jede Schnulze auf 16 einstufen, da in diesen Filmen meistens auch ein sehr einseitiges (und meiner Meinung nach auch verstörendes ;-) ) Sexualverhalten gezeigt wird …
Ich hab mal eine freundliche Email an die FSK geschrieben und bin gespannt auf die Reaktion, so denn eine kommt. Zum An-den-Kopf-greifen ists ja schon..
Moment. Also ich finde es transphob, wenn eine offensichtlich nicht transsexuelle Filmemacherin ein Film über transsexuelle Menschen macht (Achtung: Fremdbestimmung), und noch nicht einmal ihre eigene Annahme – nämlich die, dass transsexuelle Menschen ja früher mal ein anderes Geschlecht gehabt hätten (die Autorin behauptet ja, Lukas wäre mal ein Mädchen gewesen und baut daraus den Konflikt des Filmes) – über Geschlechterstereotypen hinterfragt. Kritisiert wurde sie dafür bereits während der Dreharbeiten, interessiert hat sie das kaum. Das mit der Transphobie ist eben immer so eine Sache…
Auch abgesehen von PC ist das Deutsch übrigens schlecht: „belastbar“?!?
„die Autorin behauptet ja, Lukas wäre mal ein Mädchen gewesen und baut daraus den Konflikt des Filmes“
Genau Falsch. Dieser Punkt wurde in einem Interview (leider hab ich vergessen wo) genau das Behandelt. Die Betonung wurde gerade darauf gelegt, dass eben Lukas nicht „vorher ein Mädchen war“.
Noch ein Beitrag zu der skandalösen FSK-Bewertung: http://nullzwei.blogspot.com/2011/11/die-fsk-mags-nur-in-der.html
@Der Dude „„Romeos“ – Getragen von der Kraft des Testosterons genießt der rebellische Lukas (21) etwas ganz besonderes: seine männliche Pubertät. Medizinisch eingeleitet, da Lukas eigentlich als Mädchen geboren wurde und sich nun als Transmann im Wechsel der Geschlechter befindet.“
Quelle: http://sabine-bernardi.de/projekte (abgerufen am 3.12.2011)
Unfassbar, ich hab auch eben eine Mail an die FSK geschickt und bin gespannt auf eine Reaktion.
Ich habe den Film jetzt nicht gesehen.
Aber wenn ich die Zitate aus der Begründung für die FSK 16 Freigabe lese, dann geht es um die häufigen Wechsel der Partner.
Gegenargument wäre also, das gibt’s bei Heteros auch in dem Alter.
Da würde mir als Film Kids einfallen, der auch eine Freigabe als FSK 16 bekommen hat.
Und einer der schönsten Filme die ich kenne, Brokeback Mountain, bekommt FSK 12.
Da würde ich denen jetzt nicht direkt eine heteronormative Einstellung unterstellen, antipromiskuitiv wohl eher.
Vielleicht noch als Ergänzung.
Wir waren ja auch alle bestimmt mal jung.
Wen juckt die FSK in dem Alter?
das sagt die Regisseurin und Autorin übrigens dazu:
http://www.out-takes.de/index.php/2011/die-fsk-wird-bunt/
@mysa
antipromiskuitiv würd ich der FSK nicht unbedingt unterstellen. Stichwort Keinohrhasen. da vögelt doch der Schweiger (brav hetero) auch alles, was nicht bei drei aufm Baum ist. ebenso der bewegte Mann uvm.
Und zum Kids-Vergleich: ich finde einen 16-Jährigen, der als Hobby Mädels entjungfert deutlich problematischer als Menschen, die nicht einem heteronormativen Weltbild entsprechen (wollen).
„Der Film spiegelt eine verzerrte Realität wider, die Kinder aufgrund keiner oder zu geringer Erfahrungen nicht erkennen können.“
Was ist wohl realistischer? Jugendliche, die ihre Sexualität langsam entdecken oder z.B. smarte, reiche, gutaussehende Männer, die sich in arme Prostituierte verlieben, sie aus ihrem Elend befreien und in ihr luxuriöses Leben mitnehmen? (Pretty Woman, FSK 12)
Wieviel unrealistischer und verstörender Hollywoodkitsch flimmert über die Leinwände, und keinen interessiert es, nur weil keine Homosexuellen drin vorkommen.
öha, immer/wenn ich in dld. was mit „freiwillige-bla“ lese muss ich unfreiwillig an „freiwillige frauenquote-bla“ denken.
„wer ist die fsk und wer finanziert die“ frage ich mich (lebe noch nicht lange wieder/in dld.) ?
zB hier :
http://www.medienzensur.de/seite/instanzen/fsk.shtml
@Kim – von wg. „Getragen von der Kraft des Testosterons“, das ja so auf der webseite von Sabine Bernardi steht, frage ich mich was *sie damit meint (unabhängig davon gingen beim lesen bei mir lediglich lauter „rote warnlichter“ an ob der wortwahl).
und anscheinend wird bei dieser sog. FSk wohl de facto/nachvollziehbar mit sog. verschiedenerlei mass bewertet – stichworte/andere filme werden hier ja genannt.
vgl. auch hier :
http://www.moviepilot.de/news/misst-die-fsk-mit-zweierlei-ma-113343
@Angelika
Leider ist es immer noch so, dass transsexuellen Menschen unterstellt wird, nicht sie selbst zu sein, sondern erst zu einem „Geschlecht zu werden“. Das ist in etwa so, wie wenn man behaupten würde, ein homosexueller Mensch wäre heterosexuell geboren worden und entscheidet sich dann schwul zu werden, weil er in der „homosexuellen Rolle“ leben will. So werden transsexuelle Menschen immer noch psychpathologisert und man unterstellt, dass ein transsexueller Mann, mal eine „biologische Frau“ war, die in der Männerrolle leben will und dafür dann ganz fleissig Testosteron zu sich nimmt, damit sie sich dann als Mann ausgeben kann.
Sabine Bernardi erzählt genau diese Geschichte: Frau isst Hormontabletten, zieht sich Testo rein und stellt dann die Frage: Wird ein schwuler Mann diese Frau, die jetzt als Lukas lebt, dann auch lieben, wenn sich herausstellt, dass sie mal „als Mädchen geboren wurde“. Das dumme ist nur: Die Story funktioniert nur dann, wenn man annimmt, dass transsexuelle Männer, tatsächlich als Frau geboren wurden. Der Rückgriff auf ein angeblich biologisches Geschlecht ist also Bedingung, damit der Plot klappt.
Tjaja, die Sache mit der Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt ist eben doch immer so eine Angelegenheit… :-)
Kim, ich bin selbst ziemlich stressbefreit, was die Geschlechter von Menschen betrifft. Bezogen auf alle und ohne jemanden auszugrenzen. Soll Frau oder Mann oder Spülmaschine sein wer will, mir ist das gleich.
Aber jemandem, der sich auf dem Gebiet offensichtlich engagiert, TransPHOBIE zu unterstellen, weil er in der Beschreibung eines (nur in der Fiktion existierenden) Menschen sowohl psychisches als auch physisches Geschlecht benennt, weil der Konflikt zwischen dem betreffenden Menschen und seiner Umwelt nur erst durch diese Widersprüchlichkeit entsteht, ist, mit Verlaub, ganz schön weit hergeholt.
Muss man denn immer jedes Feindbild pflegen, bis es glänzt und funkelt?
Wenn ein Mensch ohne gonosomale Mono- oder Trisomie auf die Welt kommt, geben diese zwei Chromosomen den Ausschlag für die Entwicklung seiner Physe. XX ergibt einen Frauenkörper, XY ergibt einen Männerkörper. Da die deutsche Sprache (im Gegensatz zur z.B. englischen) nicht zwischen physischem und psychischem Geschlecht unterscheidet, kann es da zu Missverständnissen kommen. Ja. Aber muss man die mit Gewalt herbeiführen? Wenn „Lukas“ vor seiner Geschlechtsangleichung „ein Mädchen war“, wird den allermeisten mit Hirn begabten Mitmenschen wohl klar sein, dass sich das auf seinen XX-Körper bezieht, auf seine biologische Physe und nicht auf die Person Lukas.
Manchmal machts mich unendlich traurig, wie schnell queere Menschen bereit sind, sich diskriminiert zu sehen. Diskriminierung passiert, andauernd und jedem, egal ob XX, XY, Mann, Frau, Schwein oder Hund. Diskriminiert wird so häufig, dass mans nicht noch auf Teufel-komm-raus bei den wohlmeinensten Mitmenschen suchen muss, oder?
Onkie Oink, das „XX ergibt einen Frauenkörper, XY ergibt einen Männerkörper“ stimmt nicht oder bzw. ist nur bei einer Mehrheit der Menschen so. Bei einer Minderheit von Menschen, stimmt dies nicht. Und ein „…dass sich das auf seinen XX-Körper bezieht“, ist nicht nur medizinisch unrichtig (es gibt hier auch Abweichungen), sondern ich stelle mir dabei die Frage: Ist der sogenannte XX-Körper dann das, was jemandem zum „Mädchen“ oder zum „Jungen“ macht?
Wenn aus solchen Ableitungen der Realität (wie gesagt ist es ja immer so eine Sache geschlechtliche Vielfalt anzuerkennen) dann Gesetze entstehen, auf Grund derer transsexuelle Menschen immer noch psychiatrisch zwangsbegutachtet werden, um ihre Papiere ändern zu lassen wird sowas schnell zum Machtmissbrauch. Und genau den erleben transsexuelle Menschen auf Grund solcher stereotypen Geschlechtervorstellungen täglich. Und machmal dient das dann der Belustigung und ’ne Filmemacherin macht einen Film ‚drüber… und tut dann so, als wäre alles fein, wenn sie sagt, Lukas sei „als Mädchen geboren“ worden.
In einer Gesellschaft, in der transsexuelle Menschen nicht transphoben medizinischen wie rechtlichen Regelungen ausgesetzt sind, könnte ein mensch da mit den Achseln zucken uns sagen: „Was solls?“ und, wie sagt man da noch, darauf pfeifen, was eine Frau Bernardi über transsexuelle Menschen denkt (und ob sie transsexuelle Männer als „geborene Mädchen“, die mitten in einer „Geschlechtsuwmandlung“ stecken, ansieht)… davon sind wir aber leider noch ein bisschen entfernt. Die strukturellen Diskriminierungen gibt es nach wie vor. Und jemand der eine Sichtweise verbreitet, die diese Diskriminierungen stützt, anstatt Geschlechterklischees zu hinterfragen, hat, so vermute ich, wenig Interesse daran, dies zu ändern.
Zur Verantwortung der Medien und jedes Medienbeteiligten – sei es, ob er einen Film dreht, oder sonst etwas macht – gehört, sich selbst zu hinterfragen, und sich zu überlegen, was für Gesellschaftsbilder gestärkt werden, welche hingenommen werden, und was hinterfragt werden soll. Natürlich ist es legitim nichts zu hinterfragen und Klischees (zum Beispiel über transsexuelle Menschen) zu bedienen. Wer aber so etwas macht, sollte dann nicht so tun, als habe er den Anspruch die Welt in ihren bunten Facetten zu zeigen. Wer transsexuelle Männer als „geborene Mädchen“ bezeichnet, dem nehme ich sein Anliegen, sich für geschlechtliche Vielfalt einzusetzen nicht ab. ;-)
@Kim > Wer transsexuelle Männer als “geborene Mädchen” bezeichnet, dem nehme ich sein Anliegen, sich für geschlechtliche Vielfalt einzusetzen nicht ab. <
danke. ich kanns lediglich nicht so vielfältig/differenziert ausdrücken wie ich gerne wollte.
"worte reflektieren denke".
das gilt sowohl für die regisseurin als auch für kommentare a la Onkie Oink hier.
@Onkie Oink
Das hier ist ein feministischer Blog, der sich kritisch mit gesellschaftlichen Verhältnissen und Diskriminierung auseinandersetzt. Wir respektieren nicht nur die Erfahrungen marginalisierter Personen, deren Sprechpositionen und deren Selbstbezeichnungen, sondern erachten es auch als gegeben, dass nicht alle gleich sind und daher „gleich diskriminiert“ werden können. Wir erwarten diesen kritischen Grundkonsens und Respekt auch von unseren Kommentator_innen. Halte dich bitte daran, wenn du hier kommentierst. Danke.
Kim, mir ist bewusst, wie groß die Anzahl an geschlechtlichen Ausprägungen in der körperlichen Entwicklung ist, da habe ich mich oben – zugegeben – blöd ausgedrückt. Mein Bestreben war aber gewesen, die gängigsten Ausprägungen zu Zwecken der Anschaulichkeit aufzuzählen, ohne dabei das, was ich nicht erwähne, als nichtexistent auszuschließen. Womit wir aber irgendwie wieder beim Thema wären.
Ich hatte gehofft, durch meine Ausführung wäre klar geworden, dass das physische Geschlecht nach meinem persönlichen Dafürhalten nichts darüber aussagt, wes Geistes Kind die ihm innewohnende Person ist. Darum habe ich ja so strikt zwischen Physe und Psyche-Person getrennt. Ein (über die Psyche definierter) Mann mit Mammae, Vagina und Uterus ist nach meiner Definition (die sich dann von seiner ableitet) ein Mann. „Lukas“ wird für mich in dem Moment zu „Lukas“, in dem er selbst „entscheidet“, es zu sein. Vorher wirds schwierig, da hängt es dann davon ab, was „Lukas“ für sich definiert. Definiert er sich als Geschlechtspotential, als Ich-war-kein-und-alle-Geschlechter-bis-ich-mich-selbst-erkannte, akzeptiere ich das. Definiert er sich als Mann, der geglaubt hat, eine Frau zu sein, akzeptiere ich auch das. Definiert er sich als Mann, der eine Frau _war_, werde ich auch das akzeptieren. An der Stelle geht es aber immer um die Physe-Person. Wenn er als eindeutiger XX-Mensch zur Welt gekommen ist, ist das nicht zu leugnen. Genausowenig wie all die anderen möglichen Spielarten, die wir jetzt hatten. Das definiert aber die Person nicht, nur den Körper. Da trenne ich. Und die Personendefinition trifft immer die Person selbst.
Im Übrigen kann nach meinem Ermessen eine Aufklärung immer nur schrittweise stattfinden. Der Film ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Er thematisiert, bringt Leute, die sich mit der Thematik vielleicht noch gar nicht befasst haben, dazu, genau das zu tun. Die Meinungsbildung, der Prozess des Verstehens ist genau das, ein Prozess. Auch eine Gesellschaft ändert sich nicht von jetzt auf gleich, ein Umstand, der gerade denen bewusst sein sollte, dachte ich, die sich mit dem Feminismus auseinandersetzen. Die weibliche Emanzipation, die von 1900 bis jetzt stattgefunden hat, war und ist ein Prozess. Die homosexuelle Emanzipation der Neuzeit war und ist ein Prozess. „Der Mensch an sich“ ist selten in der Lage, innerhalb eines einzelnen Gesprächs/einer einzelnen Lektüre/eines einzelnen Films seine Lebenswelt von Scheiben- auf Rundwelt umzudefinieren. Und Gesellschaften sind immer träger als das Individuum. Jemanden also transphob zu nennen, der sich offensichtlich bemüht, engagiert Schritte in die richtige Richtung zu gehen, auch, wenn er noch nicht alle Termini der wie auch immer definierten PC gemeistert hat, finde ich da den falschen Ansatz. Ich halte es, unabhängig meiner politischen Einstellung, für zielführender, einen liebevollen Dialog zu führen statt eines konfrontativen Disputs.
Dabei bin ich die letzte, der das immer gelingt, aber ich finde es wichtig und meiner persönlichen Entwicklung dienlich, mich immer wieder darum zu bemühen.
Da auch nochmal, was du zu dem Film/der Regisseurin sagst: Ich glaube nicht, dass sie _nicht_ hinterfragt hat. Aber sicherlich hat sie sich im Rahmen ihres Erfahrungshorizonts für eine bestimmte Gewichtung des Films entschieden. Und da gehts auch um den Konflikt zwischen Heteronormativität und der „Abweichung“ davon. Ich bin übrigens in meinem Vokabular selbst nicht so feinabgestimmt, dass ich beschwören könnte, immer pc zu sein, aber das hat nichts mit mangelndem Respekt zu tun, sondern mit einer Prioritätensetzung, die unter anderem Worte als Werkzeug betrachtet, wie das Messer zum Brot- oder Menschenschneiden. Ich beschränke mich auf Brot, aber meine Scheiben sind nie besonders gleichmäßig. Essen kann man sie trotzdem, wenn man mag – und hoffentlich ohne zu denken, ich hätte sie aus mangelndem Respekt so krumm geschnitten.
Angelika, ich kann mit deinem Bezugnehmen auf mich nicht besonders viel anfangen. Was für eine Denke reflektieren meine Worte für dich?
Nadine, ich sehe mich durchaus konsent mit dem, was du schreibst. Ich weiß, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Dinge unterschiedlich wahrnehmen (Drei Reiter: fünf Arten, ein Pferd aufzuzäumen.). Ich sehe jedoch nicht, dass es in einem Widerspruch dazu steht, dass (alle) Menschen prinzipiell die Fähigkeit haben, Mücken in Elefanten zu verwandeln. Ob sie es tun, steht auf einem anderen Blatt, begegnet ist es mir jedenfalls häufig und auch, wenn ich in den Spiegel sehe.
Nach meiner subjektiven Meinung ist die Bezeichnung „transphob“ einer Filmemacherin, die sich einer durch bestimmte Ismen verpönten Wortwahl bedient, ein solcher Fall. Ich habe auch nichts dagegen, wenn man an dieser Stelle meine subjektive Meinung kritisiert und sich mit ihr auseinandersetzt, ebenso, wie ich mich dann, wie im oberen Teil dieses Kommentars geschehen, mit jener Kritik auseinandersetze.
Falls meine Meinung diesbezüglich bei der Mädchenmannschaft nicht gern gesehen ist, bitte ich um eine kurze Rückmeldung, dann stelle ich meine Kommentare gern ein.
Liebe Onkie Oink,
vielen Dank für deine Erklärungen. Einen xx-Körper gibt es meiner Anischt nach nicht, höchstens einen Körper, in welchem xx-Chromosomen vorhanden sind. Wenn Dann aber jemand aus xx mit dem Körper verbindet und dann „Mädchen“ daraus ableitet, dann finde ich das ziemlich fremdbestimmend. Soviel zu der Sache mit den x-en.
Was dein Argument mit den Selbstdefinitionen angeht. Ja, ein Mensch sollte das Recht haben, in seiner Selbstaussage über sein Geschlecht anerkannt zu werden. Wenn aber jemand dann erkennt „ich bin ein Mann“, warum sollte ich diesem Menschen unterstellen, vorher etwas anderes gewesen zu sein? Ich unterstelle ja auch einem homosexuellen Menschen nicht, vor dem Outing eigentlich heterosexuell gewesen zu sein, bloss weil derjenige das nicht gezeigt hat, was dieser Mensch wirklich fühlt. Es wäre meiner Ansicht nach ziemlich heftig, den Anspruch des Äussenstehenden dem Recht des Individuums – in diesem Falle dafür respektiert zu werden, dass Du dich als Mensch der sich in einem Coming Out befindet, letztlich deiner Selbst bewusst wirst – überzustülpen und nun zu sagen: Das Individuum müsse sich nunmal der Aussenansicht beugen. Ich nenne das krasse Fremdbestimmung.
Zugegeben homosexuellen Menschen passiert das heute weniger, als noch in den frühen 70er-Jahren, als Leute über Homosexualiät fremdbestimmt haben… (z.B. Psychologen, die das ja bis damals noch für eine psychische Störung hielten). Transsexuellen Menschen geht das heute noch so, dass man von ihnen verlangt, sich der Aussenansicht unterzuordnen. Meistens wird sich da dann irgendwie auf eine angebliche „Biologie“ berufen und gesagt, dass ein Mann der sagt „ich bin ein Mann“, dann früher ja mal eine „Frau gewesen“ sein muss und wahlweise Chromosomen, Genitalien oder sonst irgendetwas vorgeschoben wird.
Und selbst dann, wenn ein Mensch sagt, einen transsexuellen Menschen ab dem Zeitpunkt seines Outings als das Geschlecht anzusehen, als das er sich outet, frage ich mich: Was macht das für einen Sinn zu behaupten, dieser Mensch wäre vorher einmal was anderes gewesen? Ergibt das überhaupt irgendeinen Sinn? Wenn ich einen Bäcker für einen Arzt gehalten habe, weil er weisse Kleidung trägt und mir der Bäcker dann sagt „Ich bin ein Bäcker“… was macht es für einen Sinn dann zu sagen „Ich erkenne diesen Bäcker jetzt als Bäcker an, aber früher ist der Bäcker ein Arzt gewesen“. Verrückt was? Bei transsexuellen Menschen wird diese Verrücktheit tagtäglich praktiziert und anstatt, dass sich die Menschen, die so etwas behaupten mal selber an ihren eigenen Kopf langen und überlegen, wo denn da der Fehler ist, wird auch noch so getan, als ob transsexuelle Menschen hier die Verrückten wären. Wechseln ja ihr Geschlecht, diese Schlingel (nicht wirklich!).
Nein. Fremdbestimmung fängt da an, wo einem Menschen aberkannt wird, dass er das ist, was ihm durch ein Coming Out bewusst wird. Sabine Bernardi hier ein Ausversehen“ zu unterstellen… hmmm…. würde ich vielleicht denken, wenn ich nicht wüsste, dass sie bereits während der Dreharbeiten Mails erhalten hatte, die die Grundproblematik der Haltung Transmann=Ex-bzw.Bio-Frau aufzeigen.
Im übrigen finde ich es immer wieder interessant wie aus einem Elefanten, nämlich dem Absprechen des Wahrheitsgehaltes einer Aussage eines Menschen, der seine geschlechtliche Identität findet, indem er ehrlich zu sich selbst ist und sich dann z.B. als Mann outet, eine Mücke gemacht werden soll. Aber das passiert bei Emanzipationsprozessen ja häufig. Der, der sich in der Machtposition sieht muss die, die sich emanzipieren wollen, kleinreden. Sowohl die Probleme, als auch die Menschen.
Lieber Gruss,
Kim
Ach ja, ich habe eine Bitte. Macht sich mal bitte jeder über folgenden Satz Gedanken:
„Durch Lukas kleine Schwester erfährt Fabio allerdings, das Lukas eigentlich ein Mädchen ist“.
(Quelle: Der FSK-Text)
Wie konnte dieser Eindruck entstehen, dass Lukas „eigentlich“ ein „Mädchen“ ist?
Kim schrieb:
und nun zu sagen: Das Individuum müsse sich nunmal der Aussenansicht beugen. Ich nenne das krasse Fremdbestimmung.
Diese Ansicht finde ich sehr wichtig. Eine Frage stelle ich mir allerdings:
Angenommen, eine Person in Jeans und Sweatshirt betritt eine Damenumkleide und beginnt sich auszuziehen. Oder eine in ein Handtuch gewickelte Person betritt eine Damensauna und legt das Handtuch ab. Zum Vorschein kommt ein Körper ohne Mammae und mit männlichen Genitalien. Wie viele der Teilnehmerinnen hier -mit Sicherheit besonders sensibilisiert- würden in so einer Situation wohl spontan nicht-diskriminierend reagieren?
B20
@Kim – da ich aus der, für mich, sog. aneinanderreihung von worten/verbalgeschwurbel zB i.d. kommentaren von Onkie Oink nix inhaltliches „raus-/lesen“ konnte, was mit dem thema dieses posts/dem film zu tun hat, finde ich es zumindest „interessant“ (eigentlich : frustrierend) zu lesen, wenn du es kannst.
@Bombe 20 : dito.
was hat das „mit dem thema“ zu tun ? frage ich mich lediglich, insbes. im sinne der sog. Netiquette hier
– vgl. oben rechts.
und nein, auch darauf will ich hier kein „verbalgeschwurbel“ lesen.
@Kim:
Du betrachtest Geschlecht nur als soziale Dimension, andere auchnoch als biologische (respektive als Kombination beider) und dadurch kommt es zu einem wüsten Durcheinander weil mitunter die selben Worte gebraucht, tatsächlich aber nicht die selbe Sprache gesprochen wird.
ich frage mich, ob das mit der fremdbestimmung erkenntnistheoretisch haltbar ist. dafür müßte mensch davon ausgehen, dass die frage des biologischen (nicht: sozialen) geschlechts bei keiner person objektiv feststellbar ist. wenn dem aber nicht so ist, könnte mensch das reden von remdbestimmung da für ähnlich unsinnig halten, wie wenn sich jemand dagegen verwehrt, dass jemandes körpergröße 1,76m beträgt, oder die person von natur aus schwarze und nicht rote haare hat. dann wäre biologisches geschlecht eine schlichte tatsache.
das problem ist, dass in unserer gesellschaft aus dem biologischen geschlecht sehr viele dinge abgeleitet werden, und das massiv in identität eingreift, bzw diese von geburt an mitkonstruiert. ich glaube, dagegen vorzugehen, indem das auseinanderfallen von sex und gender immer wieder betont wird, ist erfolgsversprechender, als zu versuchen, biologie und medizin in diesem bereich zu widerlegen – ganz unabhängig davon, wer da nun näher an der wahrheit ist. ich bin da recht agnostisch derzeit.
und so wie ich das mitkriege: viele trans* haben das problem, dass biologisches geschlecht eben nicht nur ein konstrukt ist, sondern sich auch gegen den willen des körperinhabenden körperlich ausdrückt, und diese person dann vor einige schwierigkeiten stellt
@bigmouth:
Sind sie bereits, also, in dieser Hinsicht „widerlegt“. Die hier bereits mehrfach erwähnten Forschungen von H.-J. Voß tun genau das, und zwar aus biologisch-medizinischer Perspektive. Sehr lesenswert!
dann hast du wohl einen anderen konstruktionsbegriff. das wieder-in-eins-setzen von sex und gender hat – neben anderen – einen sehr gewichtigen punkt: das entlarven des sozialen geschlechts gender als schleier für die naturalisierungsarbeit am „biologischen geschlecht“ sex. ist ja schließlich nicht so, dass mit der sex/gender-trennung all der sexismus und das hierarchisierte geschlechterverhältnis aufhört, weil es immernoch diesen einen rückzugspunkt gibt – sex. aber wie gesagt, das ist ja nur eine erklärungsmöglichkeit. wovon du allerdings sprichst, ist nicht die tatsache, dass trans* biologisches geschlecht nicht für konstruiert halten (wollen), sondern, dass sie sich gegen eine zwangsvergeschlechtlichung ins mann/frau-schema ihrer körper wehren. was im widerspruch mit deiner these steht. dass die „butler’schen“ „sex is the new gender“-theorien und geschlecht als ganzes als performativ und konstruiert zu betrachten, ihren ursprung in der transsexuellen-bewegung haben, sollte hierbei nicht unerwähnt bleiben.
Nur nebenbei erwähnt… Sabine Bernardi meint in einem aktuellen Interview folgendes „Romeos erzählt eine Liebesgeschichte, vielleicht eine ein bisschen ungewöhnliche Liebesgeschichte um den 20jährigen Lukas, der – biologisch zumindest – als Mädchen geboren wurde.“. …. „biologisches zumindest“. Aha. Wie soll mensch das „zumindest“ verstehen? Als ein „auf jeden Fall“ oder als ein „wenigstens“… ?
Quelle: http://www.engels-kultur.de/kinder-werdet-bloss-nicht-schwul