Ich liebe Serien. Vor allem straighte. Heten, die sich durch erfundene Geschichten wurschteln und bei der es die meiste Zeit um Typen, Sex/Beziehungen mit Typen, Attraktivitätslevel und male gaze geht, obwohl das eigentlich gar nicht im Vordergrund stehen soll, sondern übernatürliche Phänomene, nicht-menschliche Figuren, Highschool/Coming of Age Geschichten, Luxusprobleme weißer, hetiger, middle- und upper class Leute. Ich liebe diese Serien aus hauptsächlich zwei Gründen: 1.) sie bieten perfektes Studienmaterial über eine privilegierte Parallelgesellschaft und ihre fragilen psychosozialen Dynamiken. 2.) Ich bin Außenstehende, die Hetenserien für ihre eigenen Konsumbedürfnisse nutzt. Weil ich nicht als Zuschauerin gedacht werde, meine Lebenswelt darin (fast) nicht vorkommt, kann ich mit diesen Serien ziemlich gut abschalten, wenn es mir körperlich und mental schlecht geht. Angstzustände lösen sich auf, Verzweiflungsmomente schieben sich in den Hintergrund und mein rebellierender Körper hat für kurze Zeit weniger Priorität. In Hetenserien suche ich häufig Zuflucht, wenn der einzige Impuls in mir ist, die Augen zu schließen und alles wegzuschlafen, was auf mich einprasselt an Erfahrungen und Erwartungen.
Bis auf L-Word und Orange Is the New Black konnte ich mich bisher weniger für queere (in den verschiedenen historischen und ahistorischen Bezugnahmen und Bedeutungen des Begriffs) Serien begeistern, weil die Darstellung von Identität, Begehren, Sexualität und Beziehungen in diesen oft klischeebehaftet und für ein hetiges und anderweitig privilegiertes Publikum gemacht ist. Ja, auch L-Word zählt mitunter dazu, aber als die Serie vor genau zehn Jahren auf Pro7 in deutscher Synchronisation anlief, war es genau das, was mein von Homophobie und Kleinstadt-Mief und ausschließlich von Heten geprägtes Herz begehrte: Das Gefühl von Identifikation. Dennoch müssen sich Begehren, Sexualität und Beziehungen in Serien mit „LGBT-Fokus“ in ein hetiges, zweigenderkonformes, rassifiziertes, ableisiertes, klassenprivilegiertes Körper- und Performancebild einpassen, weil die „Masse“ der Zuschauer_innen in der Film- und Fernsehwelt als eine solche definiert wird. Umfassend privilegierte Menschen scheinen die Mehrheit der Weltbevölkerung und damit Zuschauer_innen zu stellen, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Außerdem geht es häufig um ökonomische Ausbeutung und Verwertbarkeit queerer/widerständiger Körper und Geschichten für ein umfassend privilegiertes Publikum und je höher die angenommene oder tatsächliche Kaufkraft des antizipierten „Masse“-Publikums, desto vermarktbarer und diskriminierender die Figuren und Erzählungen.
Quelle: fyeahcarolineforbes.tumblr.com
Manche queeren Serien sind so konzipiert, dass sie den hetigen ZuschauerInnen das Gefühl geben, modern, edgy und tolerant zu sein, „transparent“ nehme ich z.B. so wahr. Obwohl ich den Plot an sich spannend finde, möchte ich einfach nicht permanent mit transdiskriminierenden, cis_hetero_sexistischen Familienaufstellungen konfrontiert werden, in denen die ständige Arbeit der diskriminierten Personen, das soziale Umfeld um Anerkennung zu bitten oder Anerkennung innerhalb sozialer Gefüge für die eigene Identität und Lebensverhältnisse her(zu)stellen (zu wollen) als Normalität inszeniert wird. In denen diese Überlebens- und Carearbeit nicht als solche benannt wird geschweige denn der Umstand an sich kritisiert wird, dass es immer die Betroffenen selbst sind, die unter erschwerten Bedingungen noch für Harmonie zu sorgen haben (respectability politics is showing). Gefühle und Perspektiven nicht-betroffener, z.T. nicht diskriminierungssensibler Figuren nehmen für mich zu viel Raum ein. Wenn diese Serien so konzipiert sind, geben sie mir kein gutes Gefühl, auch wenn sie „realistisch“ in der Erzählung sein mögen, weil es nun mal so ist, dass Verwandtschaft oft keinen Support bietet oder Gewalt ausübt und privilegierte Gefühlswelten umsorgt werden wollen.
Ich finde es trotzdem wichtig, dass Diskriminierung thematisiert wird, wenn marginalisierte Identitäten verhandelt werden. Allerdings wird häufig nur ein Teil der Diskriminierung gespiegelt, die z.B. Trans*Personen täglich erfahren (und das zum Teil immer wieder extrem grafisch – also für ein Publikum, dem die unterschiedlichen Formen, die Gewalt annehmen kann, nicht bekannt zu sein scheint). Und es gelingt nur einem kleinen Teil von kommerziell erfolgreichen Serien, Lebensrealitäten differenziert hinsichtlich Gewalt darzustellen und trotzdem ausreichend Empowerment, Utopien, gelebte alternative Communitys, Räume, Politiken bereit zu stellen, die nicht wie in L-Word zu einem Abziehbild eines white cis homonationalist pride rainbow gaga Universums verkommen. Auch hier scheint das Mantra zu sein, dass Empowerment für Betroffene von Diskriminierung konsumierbar, nachvollziehbar und wünschenswert für die umfassend privilegierten ZuschauerInnen sein muss. Befreiung und Emanzipation nach Regeln, die nicht Betroffene aufstellen.
Das ist für mich schmerzhafter, ärgerlicher und aufwühlender, als super Privilegierten in ihrer Parallelgesellschaft beim Leben, Erfolg haben und Scheitern zuzuschauen, in der Diskriminierung höchstens auf der Ebene von schnöder neoliberaler Diversity verhandelt wird. Ich stelle keine Erwartungen an diese Serien, habe nicht den Wunsch, Identifikationspotenzial darin zu finden. Ich kann Performances und Darstellungen finden (von Femininität und Solidarität unter Frauen z.B.) die widerspruchbehaftet und komplex und (deshalb) ziemlich cool sind. In klassischen Hetenserien wie Vampire Diaries, O.C. California, Gossip Girl und Downton Abbey finden sich Frauen-Figuren, deren Charaktere liebevoll und differenziert ausgearbeitet sind, die sich verändern innerhalb der Staffeln, die unterschiedliche Rollen einnehmen, die supportend mit- und untereinander agieren und für mich diese Serien maßgeblich prägen.
Quelle: meine unerschöpfliche Blair Waldorf Gif-Sammlung
Es gibt Momente und Darstellungen von Charakteren in Hetenserien, die für verschiedene feministische Themen, Kämpfe und Insider stehen, auch wenn ich weiß, dass dies in der Regel ungewollte Effekte sind, die vielleicht nur für mich Sinn ergeben. Die Tumblrs über einzelne Serienfiguren, die gefüllt sind mit bewegten Bildern (GIFs), sagen mir jedoch, dass auch andere diese Momente, Charaktere und Darstellungen lieben. Wir mögen vielleicht unterschiedliche Beweggründe für unsere Wertschätzung und Affirmation haben, aber letztlich finden wir dieselben Szenen und Darstellungen toll. Hinzu kommt, dass die meistgeklickten Appreciation&Worshipping Gif-Tumblr über hetige Frauenfiguren aus hetigen Serien fast ausschließlich von Frauen, Lesben und Trans* initiiert und befüllt werden. Logisch, werden sich viele nun denken, sollen die meisten Hetenserien in erster Linie ein „weibliches“ (sic!) Publikum ansprechen. Dennoch finde ich es ziemlich cool, wenn Leute ihre Photoshop- und Social-Media Skills nutzen, um sich gegen (internalisierte[n]) Hetero_Cis_Sexismus und Femininitätsfeindlichkeit zu positionieren (und ab und zu ein bisschen Misandrie zu droppen). Keine bitchy comments über die „dumme Schlampe“, „wie konnte sie ihn nur betrügen?“ oder „in dem Outfit sieht sie [insert fat-/slutshaming here] aus“.
Während sich die Serien häufig um Hetenpaare und hetige Beziehung(sdynamik)en in ihrer primitivsten_privilegiertesten Form (und damit auch immer um privilegierte Typen) drehen, finden Frauen, Lesben und Trans* Zuschauer_innen Frauen-Figuren faszinierend und wenden sich ihnen zu, ehren sie über die Dauer vieler oder aller Staffeln hinweg mit aufwendig kuratierten Gif-Ausstellungen, Fotos, Zitaten (auch von_über die Darstellerinnen). Es entspinnen sich liebevolle queere Beziehungen und Bezugnahmen ausgehend von einer Hetenserie. Absurd. Aber schön.
Quelle: knopetastic.tumblr.com
PS: Wer das Gif-Meme in diesem Beitrag erkennt, ist mein_e Freund_in.