Frauen als Motor demokratischen Wandels in Nordafrika

In den letzen Wochen sind Millionen von Menschen in der arabischen Welt für Frei­heit und Demokratie auf die Straßen gegangen, um für ein Ende von Korruption und Will­kür­herr­schaft einzusetzen. Zur Über­raschung manches West­lers sind Frauen ganz vorne mit dabei – jung und alt, verschleiert und un­verschleiert. Sie sind mittlerweile zum Symbol des Auf­standes geworden. Nun ist es wichtig, dass die Stimmen der Frauen in den angestoßenen Trans­formations­prozessen in Ägypten und Tunesien auch gehört werden. In den aktuellen Ver­handlungen domi­nieren jedoch erneut die alten männlichen Eliten. Europa sollte die Be­teiligung der mutigen und engagierten Frauen­bewegungen an den politischen Re­formen in Tunesien und Ägypten unterstützen. Ohne die Gleich­berechtigung der Geschlechter ist ein dauer­hafter demo­kratischer Wandel zu einer wirklich offenen und gerechten Ge­sell­schaft nicht denkbar. Dies war An­lass und Moti­vation einen direkten Aus­tausch zwischen Frauen­recht­lerinnen aus Tunesien, Ägypten und der EU zu initiieren, welcher am 15. Februar 2011 im Euro­päischen Parlament in Straßburg in Ko­operation mit Ana Gomes (Fraktion der Pro­gressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten) mit dem Titel “Women for trans­formation” stattfand. Diskutiert wurden die Rolle und Chancen von Frauen in den Reform­prozessen der beiden Länder, sowie die Mög­lich­keiten für eine konkrete Unter­stützung von Frauen­rechts-Organisationen seitens der EU. Das ganze fand virtuell statt – per live Zu­schaltung und Skype.

Die Teilnehmerinnen unterstrichen, dass gerade im Hinblick auf die bisherige Situ­ation von Frauen die Revolutionen in Tunesien und Ägypten als politischer Be­freiungs­schlag gegen politische Marginalisierung betrachtet werden muss. Frauen sind wichtige Ak­teure im demo­kratischen Trans­formations­prozess, da kaum eine andere ge­sell­schaft­liche Gruppe größeres Inte­resse daran hat, dass sich die Ver­hältnisse tat­sächlich ändern – aber auch daran, dass die bunten Massen­proteste nicht in re­ak­tionären Is­la­mis­mus abgleiten. Eine zentrale Forderung von manchen tunesischen Frauen­organisationen ist daher zum Beispiel eine religiös neutrale Ver­fassung. Außer­dem lenkten die Teil­nehmer­innen die Auf­merk­sam­keit auf den Bedarf einer recht­lichen Gleich­stellung von Mann und Frau in den Ver­fassungs­re­formen, sowie die Einführung von Anti-Dis­kriminierungs­klauseln.

Grundsätzlich gilt, dass die Stellung von Frauen in der Ge­sell­schaft ein Grad­messer für den Erfolg des Trans­formations­prozesses ist. Gleich­zeitig muss jedoch fest­gestellt werden, dass die politischen Akteure, welchen den Reform­prozess aus­handeln, der­zeit allein Männer sind. So ist im ägyptischen Rat für die Ver­fassungs­reform keine Frau zu finden. Die EU sollte daher auch das neue Ge­sicht Nord­afrikas, welches junge Menschen und gerade auch Frauen sind, adressieren. Die Dis­kussions­teil­nehmer­innen forderten deshalb die Europäer im Rahmen der Konferenz dazu auf, eindringlich auf eine politische Beteiligung der Frauen hin­zu­wirken. Kurz­fristig heißt das vor allem: Frauen­organisationen und andere Akteure dabei unter­stützen, um Frauen zur aktiven Teilnahme an den bevorstehenden Wahlen zu ermuntern und sie beim Auf­bau der nötigen Infrastruktur zu unterstützen.

Beratung zu Reformen müsste geschlechtersensibel durchgeführt werden. Eben­so müssen die Europäer darauf hinwirken, dass die neuen, freien Medien nicht wie bisher männlich dominiert werden. Jour­na­list­innen haben viel dazu beizutragen, die Medien der arabischen Welt vom Regierungs­sprach­rohr zu Ab­bildern der neuen gesellschaftlichen Verhältnisse zu machen. Mittel­fristig sollte die EU die Bildungs- und Berufs­chancen der Frauen zu Prioritäten ihrer Politik gegen­über der Region machen.

Ein Kommentar zu „Frauen als Motor demokratischen Wandels in Nordafrika

  1. In der taz gibt es heute einen längeren Hintergrundbericht zur Beteiligung von Frauen an der Revolution in Tunesien:

    Die Frauen der Revolution
    Sie gelten als stark, modern und selbstbewusst – tunesische Frauen haben die Macht des Autokraten aller Autokraten aktiv bekämpft. Nun lassen sie sich nichts mehr wegnehmen. VON RENATE FISSELER
    http://taz.de/1/politik/afrika/artikel/1/die-frauen-der-revolution/

    Weiß jemand etwas zur Situation von Frauen in Libyen? Auf den ganzen Bildern der Demonstrationen und Proteste habe ich bisher nur Männer gesehen…

Kommentare sind geschlossen.

Betrieben von WordPress | Theme: Baskerville 2 von Anders Noren.

Nach oben ↑