FJ Wagner und die Gorch Fock: Frauen, die auf Männerschiffen sterben, sind laut BILD-Zeitung selbst schuld

Die Eltern der Soldatinnen Sarah S., die von ihrem Kommandanten einen verantwortungslosen Kletterbefehl erhielt und in den Tod stürzte, und von Jenny Böken, die unter bislang ungeklärten Umständen vor zwei Jahren über Bord ging, werden sich bei BILD-Kolumnist Franz Josef Wagner bedanken. Laut seiner neusten Post, mit dem Titel „Liebe Gorch Fock 2“, ist nämlich die Ursache dieser schrecklichen und verstörenden Vorgänge nicht, dass auf diesem Schulschiff junge Soldatinn_en von – ich sag es nochmal – verantwortungslosen Ausbilder_innen extremen Risiken ausgesetzt wurden. Ist ja auch wurst, dass alles, was man über die Gorch Fock weiß, darauf hindeutet, dass hier wirklich allen Kadetten unabhängig vom Geschlecht die Hölle zur See bereitet wurde. Nein, nein, der Grund ist: Jenny Böken und Sarah S. hatten von Anfang an nichts auf der Gorch Fock zu suchen. Die ist nämlich ein „Männerschiff“. Das erkennt man, laut Wagner, an ihrem Namen. Und Frauen, die sich auf Männerschiffen aufhalten, mag Wagner nicht:

Ich mag keine Frauen als Soldatinnen, ich mag keine Frau, die schießt, ich mag mir keine Frau vorstellen, die aus 40 Metern herunterstürzt.

Deshalb ist für den alten Mann mit dem ungebremsten Laberfluss gar nicht die entscheidende Frage, warum Jenny Böken und Sarah S. sterben mussten. Nein:

Die wichtigste Frage ist, ob Frauen in diese Männerwelt passen.

Denn was Franz Josef Wagner mag, ist ganz einfach und total ungefährlich:

Die Frau, die ich mag, ist eine Frau, die ein Baby, eine Hoffnung, eine Zukunft hat.

Lieber Franz Josef Wagner,

ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Dafür, dass Sie ganz offen ausgesprochen haben, wer in Ihren Augen und den Augen Ihrer Leserschaft als Frau ein lebenswertes Leben hat. Danke, dass Sie zeigen, dass Frauen Ihrer Meinung nichts wert sind, wenn sie keine Hoffnung haben, oder keine Babys. Und auch dafür, dass es Ihnen offenbar völlig egal ist, was mit den jungen Männern auf der Gorch Fock geschah. Dass es nämlich Ihrer Ansicht kein Problem ist, wenn ein Mann schießt oder aus 40 Metern hinunterstürzt. Dafür sind Männer Ihrer Meinung nach gemacht. Wir sehen es deutlich: Je normaler das Militär in Deutschland wird, desto normaler wird der alte Chauvinismus. Er ist 1945 offenbar nicht ausgestorben.

Sie sind nicht nur ein unverbesserlicher Misogynist, Herr Wagner. Das wäre ja keine Neuigkeit und auch nichts, über das sich irgendjemand noch aufregen könnte. Sie sind ein Menschenfeind, ein Menschenverächter. Und egal, wie menschenverachtend sich Ihr Arbeitgeber, die BILD-Zeitung seit ihrer Gründung immer und immer wieder geäußert und verhalten hat – es ist ein Skandal und eine Schande, dass solche Texte erscheinen dürfen, in einer Zeitung die sich gerade in diesem Fall als großes Aufklärungsorgan geriert.

Diesmal ganz ohne Grüße,
Meredith Haaf

Weil ich keinen Bock habe, auf die Seite der BILD-Zeitung zu verlinken: Man findet die Kolumne in der Rubrik „News“. Weitere Post an Herrn Wagner: fjwagner@bild.de. In der Kontakt-Rubrik kann man auch an die Redaktion schreiben.

28 Kommentare zu „FJ Wagner und die Gorch Fock: Frauen, die auf Männerschiffen sterben, sind laut BILD-Zeitung selbst schuld

  1. In gleichem Zusammenhang, auch sehr hübsch:

    „Seefahrt ist nicht für Frauen gemacht, sie haben nicht die physische
    und psychische Stärke, um so lange auf See zu bleiben.“
    http://www.stern.de/politik/deutschland/gorch-fock-in-der-kritik-wir-sind-nicht-das-muettergenesungswerk-1647039.html

    Aber andererseits muss man ja fast dankbar sein für solche Sprüche –
    wenn mal wieder einer auf die schlaue Idee kommt, dass Frauen selbst schuld sind,
    dass sie in bestimmten Bereichen unterrepräsentiert sind, weil sie ja gar nicht wirklich
    dorthin wollen.

  2. Schon die Kommentare unter den entsprechenden Artikeln auf bild.de waren extrem erschreckend („Frauen gehören lieber in die Küche statt auf See“; „Die muss ja selbst gewusst haben, dass sie zu klein ist und dazu als Frau nicht geeignet.“) Herr Wagner schlägt sich mit seinem ekelhaften Brief nun auch noch auf die Seite der bekloppten Kommentatoren… aber wer hätte was anderes erwartet. Herr Wagner sollte vielleicht aufhören, zu schreiben. Ich stimme ihm nämlich zu und sage: Männer gehören nicht hinter den Schreibtisch, sondern raus auf die raue See. Viel Spaß dort, Herr Wagner!
    Vielen Dank für deinen Brief, Meredith!

  3. Also ich weiß ja nicht wie die Kriterien bei der Armee aussehen, aber wenn man das Beispiel Polizei hernimmt, wo Frauen 20% weniger Leistung erbringen müssen um die Aufnahmekriterien zu erfüllen, wird es bei der Armee nicht anders aussehen.

    Einer 40 Meter hohe Strickleiter wird aber nicht um 20% leichter zu erklimmen sein.

  4. Eine kurze Anmerkung zu den beiden ohne Zweifel tragischen Fällen: Jenny Böken ist nicht aus der Takelage gestürzt, sondern vermutlich während einer Nachtwache über Bord gefallen (wobei auch das wohl noch einmal untersucht wird). Weiterhin sind auch die Ausbilder auf der Gorch Fock nicht alles Männer, es gibt auch Ausbilderinnen, und von denen hört man(n) auch nicht nur Gutes.

  5. Was sagt wohl Frau Schwartzer dazu…?

    @Peter: Um ins Rigg zu klettern braucht es keine Mindestkörpergröße oder gar besondere Muskelkraft. Da habe ich schon zierliche Frauen (und Männer) deutlich unter 1,60 sich hervorragend schlagen sehen.

  6. Die Reihung
    Soldatin – schießen – zu Tode stürzen
    finde ich echt gruselig, vor allem, wenn er dann
    Baby – Hoffnung – Zukunft
    dagegensetzt. Igitt.

  7. Soso, wenn Frauen hinter den Herd gehören und nicht aufs Schiff, dann hoff ich dass Jamie und alle Fernsehkochstars (die noch dazu gut verdienen) gegen ein weibliches Pendant ausgetauscht werden. Raus auf die See, ihr Chauvinisten und bleibt dort!

  8. Pingback: Krötenwanderungen
  9. Wagner, der alte Sack (a.k.a. „Gossen-Goethe“), ist doch eh nicht ernstzunehmen. Den sollte man am besten komplett ignorieren. Ich reg mich da immer nur auf, deswegen les ich seine „Post von Wagner“ nicht mehr.

  10. In das rundrum klebrig-süßliche Frauen- und Weltbild von FJW passt eine Soldatin natürlich nicht. Babys liebt er, siehe seine Kolumne zu Kristina Schröder. Er liebt es, („literarisch“) den kleinen Jungen zu imaginieren, der Frauen idealisiert und als Wonne und Verheißung nur für ihn da ist.

  11. Ich arbeite in einer frauendominierten Branche. Als Mann bekomme ich von PatientInnen oft zu hören, warum ich nicht Arzt geworden wäre. Die Kolleginnen hören das seltener als ich. Ich glaube, die alten Klischees werden noch Jahrhunderte überdauern.

  12. Ich muss inzwischen sagen, dass mich die Leute, die tatsächlich diese Beiträge lesen noch mehr stören als Wagner selbst, denn ohne ein Publikum würde er einfach unter dem Schleier der Vergessenheit geraten, unter den er gehört.
    Über Blogs wie bildblog oder auch Spreeblick komme ich immer mal in Kontakt mit etwas das der Kerl geschrieben hat und da war noch nie etwas drunter, dass mir nicht sofort die Haare zu Berge stehen ließ. Unterirdisch ist da ausnahmsweise noch eine Untertreibung.

  13. Auf unsern geliebten FJ Wagner, eine der ungehemmtesten Mentalamöben unter der Sonne, ein dreifach kräftiges „Kopf->Tisch“! Über den schreib‘ ich auch noch mal was…

  14. Also ich finde Frauen mit Baby, Hoffnung und Zukunft besser als Frauen als Soldatinnen, schießend und herabstürzend.
    Aber ich finde auch Männer mit Baby, Hoffnung und Zukunft besser als Männer als Soldaten, schießend und herabstürzend.
    Aber den Wagner lesen, das mag ich nicht, auch wenn er vermutlich einen guten Einblick in den Geist einiger Bildleser geben dürfte, der vielleicht auch irgendwie soziologisch relevant sein könnte. Tut euch das nicht zu oft an, macht nur unnötig wütend.

  15. Wenn ich im Zug eine Bildzeitung finde, lese ich immer zuerst die Post von Wagner… Er macht mir verständlich, wie konservative Männerstammtische ticken… Er gibt mir ein Gefühl für bestehende Normen und Normalitäten… Wo man dort ernsthaft anecken kann und wofür man ausgelacht wird.
    FJW vergemeinschaftet auch… Ohne große Reflexion können alle gemeinsam dagegen sein. Hin und wieder wird dies sogar begründet und sorgt für politische Diskurse in der S-Bahn.
    FJW ist komisch… durch Alliterationen, Wortneuschöpfungen und seinen ganzen Stil… Mal freiwillig, mal unfreiwillig, aber nie langweilig.
    FJW demonstiert, dass Sexismus, Rassismus etc. nicht nur in Nazi-Subkulturen existiert und motiviert so den Protest gegen eben diese Normalitäten.
    Ich hoffe, er schreibt noch lange für die Bild.

  16. Herrn Wagner muss man nicht ernst nehmen, kann man eigentlich auch nicht. Leider finden wohl noch ausreichend Leser Gefallen an dessen Meinung.

    Uns allen ein Trost, es werden immer weniger.

    http://www.bildblog.de/auflage.php

    Inhaltlich sollte man sich nicht mit Wagners Ergüssen beschäftigen. Sagt mir wer, die Erde sei eine Scheibe, ist die einzig vernünftige Antwort ein klares Ja.

  17. Ich mag keine Frauen als Soldatinnen, ich mag keine Frau, die schießt

    Hm, erinnert mich an meinen ehemaligen Deutschlehrer, der Frauen + Waffen „gegen die Natur“ fand. :-/ Scheint ja verbreitet zu sein. Ich finde dagegen *Menschen* + Waffen furchtbar, Punkt.

  18. Ich mag keine Männer als Soldaten, ich mag keinen Mann, der schießt, ich mag mir keinen Mann vorstellen, der aus 40 Metern herunterstürzt.

  19. Auch wenn der Kommentar von 0:00 wahrhscheinlich nicht in der Richtung gedacht ist: Ich frage mich auch schon länger, wie gleich oder ungleich wohl Männer und Frauen in sportlichen Dingen abschneiden würden, wenn sie zwar die selben Anforderungen zu erfüllen hätten, aber vorher im Hinblick auf Kraft und Fitnesss auch ähnlich erzogen worden wären. Ist es vielleicht ungerecht, Frauen die gleichen Risiken eingehen zu lasssen in einer Gesellschaft, die Männer besser darauf vorbereitet? Oder ist diese „Gentleman“-artige Schonung Teil der Ursache für unterschiedliche körperliche Leistungfähigkeit?

  20. @Knut:Fauen und Männer unterscheiden sich nun mal evolutionsbedingt in ihrer Physiologie. Bei gleichen Grundvoraussetzungen (Gesundheit, ausgewogene Ernährung, allg. ein gesunder Lebensstil etc.) ergeben sich daraus (z.B. bei bestimmten Sportarten) auf beiden Seiten im Durchschnitt(!) Vor- und Nachteile. Das heißt aber eben nicht, dass Fauen bzw. Männer für etwas besser oder schlechter geeignet wären. (Bsp.: Beim Klettern habe ich gegenüber meiner Freundin hin und wieder einen Vorteil durch meine Körpergröße. Dafür muss ich aber auch 20kg mehr mit hochschleppen. Genausogut seh ich auch Frauen am Fels, die größer sind als ich und denen ich nie das Wasser reichen kann.)

    Das es nun eine Frau war, die aus der Takelage gestürzt ist, hat also nix mit dem Geschlecht zu tun. Keine Ahnung, wie man darauf kommen kann.

    Allerdings zeigt ein Artikel wie der oben thematisierte, dass unsere Gesellschaft noch einen weiten Weg hat, bis zur Gleichberechtigung.

  21. Es ist doch sehr erschreckend, wie man mit einer solch traurigen Situation umgehen kann. Zwei junge Frauen sind mysteriöserweise ums Leben gekommen und ein Mann von heute hat nichts besseres zu äußern als „selbst dran schuld“. Die Frau gehört hinter den Herd, muss die Kinder gebären, sich um den Haushalt kümmern – blablabla. Es ist eine Schande und doch sehr traurig, dass man im 21. Jahrhundert noch so denkt. Klar, es gibt Frauen denen das so gefällt und die so leben wollen. Diese können das auch gerne machen. Die Frauen denen das nicht reicht, sollen doch bitte ihr Leben leben wie sie es wollen.

  22. Der Text von Franz Josef Wagner ist wirklich unter aller Sau! Ich finde es schade wenn Menschen heutzutage so denken. Die Bild sollte sich für die Veröffentlichung des Textes schämen, und Franz Josef Wagner sollte schleunigst wieder in seine Testosteron-Höhle zurückkriechen, wo auf ihn sicherlich keine Frau mit Baby, Zukunft oder Hoffnung wartet.

Kommentare sind geschlossen.

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