Liebe Glamour,
ich weiß nicht, warum man mir den folgenden Link geschickt hat: „Die Top Ten Liebestöter“ – Anweisungen für Singlefrauen. Damit ich mich aufrege? Denn soviel heterosexistische Kackscheiße hat man lange nicht gesehen. Ob die Verdrehung wissenschaftlicher Erkenntnisse nun aus Ahnungslosigkeit oder als bewußte Instrumentalisierung geschehen ist, ich weiß es nicht.
Schon nach dem ersten Tip Eurer Klickstrecke kann jede vernünftige Singlefrau nur wegklicken. Liebestöter Karriereambitionen? Ernsthaft? Weil Männer „nur zu 5 Prozent Wert auf Bildung und Einkommen der Partnerin“ legen? Aus „sie muss nicht reich sein“ macht ihr also ein „sie darf nicht erfolgreich werden wollen“. Dass ein Viertel der Männer eine Frau mit ähnlichem Energielevel (unspezifiziert) sucht, aber Frauen keine Couch-Potatoes sein dürfen, übersehe ich dank des Katzenbildes erst mal großzügig.
Weitergeklickt, nächster Tip: Aus „Konflikte einfach lösen“ wird „wenn Frauen Konfliktherde sind“. Hier habt ihr nicht mal mehr Probleme mit Korrelation und Kausalität, ihr habt einfach gar nichts verstanden. Und zieht das alte Klischee der anstrengenden Alten, die ihrem Macker täglich das Leben schwer macht, aus dem Hut. Unhinterfragte Stereotypen, gepaart mit etwas Frauenhass? You haz it!
Ein letzter Beweis: Dass vielen Männern emotionale und körperliche Nähe wichtig ist, wird zu den hilfreichen Tipps, nicht kratzbürstig oder kaltherzig zu sein. Oh, man hätte soviel aus diesen Informationen machen können. Aufzeigen, dass die Bedürfnisse von Männern augenscheinlich nicht zu bestimmten Männlichkeitsvorgaben passen. Anerkennen, dass Frauen, die nach emotionaler Nähe kein Bedürfnis haben, guten Gewissens Single bleiben dürfen. Ein Frauen- und Beziehungsbild wie aus den Fünfzigern, das hier vermittelt wird. Gruselig.
Warum macht ihr das? Ist das die clevere Marketingstrategie, Frauen erst kleinzureden, sie damit zu beschäftigen, sämtliches Verhalten auf Hinweise von Kratzbürstigkeit zu untersuchen und zu verändern? Um all den gestressten Leserinnen dann drei Seiten weiter Wellnessprodukte und Entspannungsreisen anzubieten, damit sie endlich wieder sie selbst sein können? Es widert mich an.
Love,
Helga
PS: Warum Lesben bis heute nicht von Magazinen wie der Glamour angesprochen werden, erschließt sich mir bis heute nicht. Die können doch soviel Karriere machen wie sie wollen und dann Tonnen von Geld haben. Aber vielleicht ist lesbisches Geld einfach schlechter?
PPS: Liebe heterosexuelle Männer, wenn ihr Euren (zukünftigen) Partnerinnen das Leben einfacher machen wollt, dann schreibt doch endlich mal selbst diesen elenden Frauenmagazinen, dass sie aufhören sollen, im 21. Jahrhundert die Gesellschaft mit solcher unreflektierten Scheiße zu vergiften!
Ursprünglich hat mir die Glamour damit den Samstag morgen verdorben.
Grund 7 ist auch stark: Aus „44 Prozent der Männer wünschen sich eine Partnerin, die sich pflegt und auf sich achtet“ (für 56% ist offenbar auch ungepflegt ok) wird „Frauen, die sich gehenlassen“ mit dem Bild eines großen Schokokuchens. Wer den jetzt gern essen würde = gehengelassen?
@Marieken: Na klar. Wer Kuchen isst, hat sich nicht im Griff, wird sofort fett und deswegen natürlich hässlich, ungepflegt sowieso.
Gähn.
Helga, ich kann dich verstehen, im Pausenraum auf Arbeit hatte ich auch immer nur die Wahl zwischen GQ und Glamour.
Ganz ehrlich? Auch wenn’s fies ist? Die Glamour ist ein „Frauenmagazin“ für Frauen, der, sagen wir mal … nunja, eher bildungsfernen Schicht, auch Konsumaterialisten genannt. Vereinfacht gesagt: vergleichsweise schlechte Lebensverhältnisse, niedriges Bildungsniveau, dafür viel Wert auf Markenartikel und Aussehen. Und die brauchen halt den ultimativen Beweis, dass sie alles richtig machen und „diese Akademikerinnen und ähnliche Weiber“ alles falsch machen und daher keinen Mann abkriegen. Auch wenn’s nicht der Realität entspricht, sondern halt der „Glamour-Welt“. So nach dem Motto „Du bist schlauer, hast mehr Geld und kannst dir mehr leisten, während ich im Appartement an der Hauptverkehrsstraße versumpfe, darum fühl ich mich schlecht, aber ällerbätsch, dafür kriegst Du keinen ab und jetzt fühl ich mich wieder besser.“ Die klassische Neidsache also. Doof, aber völlig vorhersehbar und darum für mich gar nicht so der große Aufreger. Was soll man von der Glamour anderes erwarten als falsche Zahlen und verdrehte Wahrheiten auf RTL II Niveau?
Zäumen wir dieses lustige Pferd der Top 10 doch mal von hinten auf.
1. Sie muß sexuell treu sein.
2. Sie muß ihm körperlich zu Willen sein, wenn er es will. (Nein sagen wird in dem Fall als „kratzbürstig“ bezeichnet…..)
3. Sie muß reden.
4. Sie muß sexy Wäsche tragen.
5. Sie muß Humor haben.
6. Sie muß warmherzig sein.
7. Sie darf keinen Schokoladenkuchen essen und dick werden.
8. Sie darf keine Diskussionen beginnen (Konfliktherd! buuuuuh!), muß geduldig jede Laune ertragen und jeden Konflikt mit Engelsgeduld und wie von Zauberhand aber ohne Aufsehen lösen.
9. Sie muß aktiv sein.
10. Sie darf ruhig blöd sein. Jegliche Form von Bildung ist uninteressant
Erschreckend ist nicht diese angebliche Wunschliste „der Männer“. Erschreckend ist, was dieses Schmierblatt draus macht.
Um auf das PS einzugehen: vermutlich weil sich die Zielgruppe der Glamour auf heterosexuelle Frauen zwischen 14 und 24 erschließt. Ein etwaiges „Schwulenmagazin“ (respektive Lesbenmagazin) wird sich vermutlich auch nicht an Heterosexuelle richten. Das dürfte also wohl das geringste Problem sein.
Ich les diese Zeitschriften ja ursprünglich deshalb nicht mehr, weil sie zu gefühlten 80% nur aus Werbung bestehen (für Sachen, die mich entweder nicht interessieren oder die ich mir nicht leisten kann oder beides). Das ist mal wieder ein super Beispiel dafür, dass man auf den Teil, der nach Abzug der Werbung übrigbleibt, auch sehr gut verzichten kann.
Das mit der Karriere ist wirklich die Höhe und bei dem „ähnlichen Energielevel“ hab ich mich auch gefragt, ob es denn neuerdings keine männlichen Couch-Potatoes mehr gibt.
Und natürlich isst Frau keinen Schokokuchen. Sie bäckt die nur am laufenden Band für ihre liebe Familie, um eine gute Frau/Mutter zu sein, muss man das nämlich können..
@Katharina: Bitte diesen super wichtigen Artikel von Prof. Dr. Phil. Dipl. Söz. Sesperado lesen und Argument überdenken. Danke.
@mettskillz
Das Gegenstück zu einem Lesbenmagazin wäre ein Heteramagazin.
Dass in „Frauenzeitschriften“ „Frau“=“Hetera“ gilt, nennt sich Heterosexismus.
äh, super Artikel übrigens von Anfang bis Ende, sorry :D
Begeisterte Grüße aus einer glücklichen Couch-Potato-Symbiose.
@Katharina
Wohlstandschauvinismus for the win?
Oh, ich kann weitermachen!
– „Frauen“ ™ sind hier natürlich auch weiße, dünne Frauen
– wie passend, dass die Frau als Konfliktherd auch noch gleich neben dem, äh, Konfliktherd steht. In der Küche, wo sie hingehört.
– Humor bei Frauen ist natürlich auch hier wieder Lachen, nicht selbst die Witze reißen.
– „Sexappeal“ = „Reizwäsche“
– „kratzbüstig“ = „keine körperliche Nähe wollen“ YAY rape culture!
– „Treue“ = Monogamie
– [Prozentsatz >0, zu dem Typen auf was stehen]=> ALLE FRAUEN müssen so sein, denn schließlich sind Frauen in einer hetero-weißen-monogamen Beziehung ™ nicht Menschen, sondern eine Frau.
@Katharina,
Stimmt nicht: die Zielgruppe sind junge Frauen mit Abitur, hab ich irgendwo mal gelesen. Ich kenne mehrere intelligente und Karriere machende Frauen, die mal ein Glamour-Abo hatten, so zur leichten Unterhaltung. Ich würde etwas anderes wählen, wenn mir nach Unterhaltung ist, aber naja, das ist die Zielgruppe.
googel mal Marktanalyse und Frauenzeitschriften, da hab ich mal nen Beitrag zu gefunden.
Um so unverständlicher die Liste *schüttel*
@Kiturak
Das ist doch Wortklauberei. Die Glamour richtet sich auch nicht an Frauen über 60, obwohl das doch auch zweifellos Frauen sind. Demnach ist auch Frauenmagazin falsch sondern es müsste sich „Magazin für heterosexuelle Frauen zwischen 14 und 24“ nennen, oder?
@mettskillz Ja, „Magazin für heterosexuelle, weiße Frauen zwischen 14 und 24 ohne körperliche Beeinträchtigungen“ ist eine angemessene Beschreibung im Gegensatz zu Frauenmagazin.
Diese sogenannten „Frauenmagazine“ sind mir ohnehin suspekt. Auf die Gründe dazu brauch ich hier gar nicht weiter eingehen.
Guter Artkel, ich rege mich bei so einen Mist auch immer tierisch auf.
@kiturak:
Du übertreibst es auch ein wenig mit deinen Deutungen. Das ist wirklich Wortklauberei.
Roar! Ein toller Artikel und tolle Kommentare. Klug & Kritisch.
Mein Kompliment @kiturak für den treffenden Kommentar, über den ich kräftig geschmunzelt habe.
Die Mädchenmannschaft in Bestform. I love it!
@Carsten: Das ist mir jetzt aber wirklich unangenehm! Mir fällt sowas leider immer erst auf, wenn ich es schon hingeschrieben habe. Aber danke für den Hinweis, ich werde dran arbeiten.
… ach nee, doch nicht.
Alles nur auf Werbekunden zugeschnitten. Mit „Es ist gut, wie Du bist. Bleib so.“ und „Es kommt auf die inneren Werte an.“ verkauft man eben keine Klamotten und Kosmetikprodukte. Wer von diesen Zeitschriften anderes erwartet, kann nur enttäuscht werden.
@mettskillz, Carsten, und völlig on topic!
Alle an Beziehungen mit Typen interessierten Frauen bitte zuhören: Tatsächlich hat mal ein Typ mit mir Schluss gemacht mit der Begründung, ich würde „Worte auf die Goldwaage legen.“ Drei Tage bitterster Liebeskummer.
Und jetzt beschweren sich schon lauter Typen in diesem thread über „Wortklauberei“!
Leute, ich habe DEN WAHREN BEZIEHUNGSKILLER entdeckt!
Glamour Magazin gibt als typisch Leserin an:
31,2 Jahre, 78 % haben einen höheren Schulabschluss und studiert.
Durschnittseinkommen: 3.072 Euro
58 % sind voll- oder teilweise berufstätig.
Und jetzt das absolut Seltsame, wenn man die von Helga, kiturak und onyx brillant auseinandergenomme Liste betrachtet: Über 68 % der Leserinnen geben an, beruflicher Erfolg sei ihnen wichtig.
Vielleicht sollte man der Glamour-Redaktion mal ihre eigenen Media-Daten (danach suchen werbetreibende Unternehmen aus, wo sie Anzeigen platzieren) präsentieren. Die scheinen deutlich weiter zu sein als die Crew, die das Heft zusammen stoppelt.
@Frau Doktor, Anna:
Was ich versucht habe mit dem Link auszudrücken, ist, dass *ismen nicht durch fehlende Bildung verursacht werden – im Gegenteil, der Gedanke ist unglaublich kontraproduktiv in unglaublich vielerlei Hinsicht.
Die wichtigste finde ich, dass das suggeriert, Frauen „mit Bildung“ hätten im Feminismus von Haus aus mehr Ahnung und mehr beizutragen (Klassismus und bullshit, es ist genau umgekehrt).
Einfach nur zum Kotzen…
Vielleicht wird vermutet, dass ein größerer Teil von „Frauen“ angesprochen wird, wenn es heißt, dass Bildung nicht so wichtig ist. Denn angeblich sind „Frauen“ ja so bescheiden und halten sich selbst nicht für schlau genug (wofür auch immer), auch wenn sie schon eine Menge erreicht haben. Die Verfasser solcher Artikel wähnen sich somit auf der sicheren Seite (Dummheit kann frau vielleicht auch noch besser vortäuschen). Außerdem wird in den Werbeanzeigen Mode und Schmincke und so’n Zeug dargeboten und keine Bildungsreisen, Kurse in Abendschulen, Literatur usw. Vielleicht würde sich das auch ändern, wenn die Zeitschriften andere Werbeverträge hätten ;)
@kiturak: Genau diese Aussage von dir wollte ich eigentlich unterstützen.
Die Differenz zwischen ökonomischer Selbstbeschreibung des Magazines und dieser Schrottliste, um die Leserinnen zu terrorisieren, geben mir aber noch zusätzlich Stoff zum Nachdenken. So an der eigenen Zielgruppe vorbei zu schreiben – das muss man erst mal hinbekommen.
@Frau Doktor
danke fürs Raussuchen der Leserinnen-Statistik!
Ich verstehe auch nicht, was die Karriere-orientierten Leserinnen (von denen ich einzelne kenne) an solchen Strecken finden. Das sollte doch nur nervig für sie sein, auch wenn sie nicht besonders feministisch oder links sind.
Ich verstehe sehr wohl, dass sie einfach mal Mode- oder Schminktipps lesen wollen. Aber die könnte es auch ohne 50er-Jahre-Frauenbild geben.
Warum denkt die Glamour-Redaktion, das solche Beiträge bei ihrer Zielgruppe gut ankommen? Und kommen sie gut an oder nicht? Rätsel…
@Kiturak (13:16)
guter Punkt *zustimm*
Ja, danke ebenfalls.
Glamour Magazin gibt als typisch Leserin an:
31,2 Jahre, 78 % haben einen höheren Schulabschluss und studiert.
Da sieht man mal wieder, dass Bildung und Verstand nicht dasselbe sind.
Nur so zur Unterhaltung gäbe es ja genug Frauenzeitschriften, die auch konventionell, aber nicht dermaßen dämlich daher kommen.
@helga,
danke für deinen artikel und den link. ich hab den gleich angelickt, und musst spontan lachen: über soviel reaktionäre dummheit. unfasslich! …. es lohnt sich schon fast nicht mehr, all das auseinanderzunehmen, weil es so dumm ist. mensch weiß ja gar nicht, wo er/sie :_ anfangen soll (so wie bei „troll-kommentaren“ im netz …
nein, aber es lohnt sich natürlich doch. wenn so ein blättchen von einer unmenge von leuten gelesen wird, die das am end‘ als bare münze nehmen. und das ist schrecklich.
aber ich gehöre ja auch nicht zur zielgruppe, denn ich bin, trotz „höherem bildungsabschluss“ schon 41,9 jahre alt.
ich empfehle (außer der mädchenmannschaft) das MISSY MAGAZIN :)
Hier nochmal eine längere Untersuchung zur Glamour:
http://epub.ub.uni-muenchen.de/299/1/mbk_1.pdf
Dort wird als Zielgruppe (S.4 oben) angegeben:
„All diese Magazine richten sich an junge, moderne Frauen zwischen 18 und 35 Jahren. Selbstbewusst und unabhängig sollen die Leserinnen sein, sagen die Verlage, Frauen, die wenig Zeit haben, die studieren oder berufstätig sind – Frauen, die sich in der Lebensphase der verlängerten Adoleszenz befinden. Glamour scheint die Bedürfnisse dieser Frauen ganz besonders gut zu befriedigen.“
Argh, also nachdem ich den Link durchgeklickt habe, hab ich mich auch echt geärgert. Aber sein wir mal ähnlich – über 70% dieser tollen Ratgeber-Dinger in „typischen“ Frauenzeitschriften haben ähnlich Inhalt (wenngleich sie es besser verstecken als der Scheiß hier). Danke für die Empörung und große Zustimmung!
@Kiturak
bezüglich des „super wichtigen Artikel von Prof. Dr. Phil. Dipl. Söz. Sesperado“
Danke.
Als nicht studierte Handwerkerin, die dennoch ein Gehirn besitzt (oh Wunder!) und nicht dem Konsumwahn verfallen ist fühle ich mich regelmäßig von unglaublich ignoranten, dummdreisten Troll-Intellektuellen beleidigt. Es scheint unter einigen Intellektuellen einen Konsens zu geben, dass man studieren muss, um ein vollwertiger Mensch zu sein. Und Feminismus macht man lieber ohne das ganze Pack da unten. Und damit das so bleibt benutzt man möglichst so viele unnötige Fremdwörter wie möglich, damit einen auch kein Nichtstudierter Mensch verstehen kann.
Wie Prof. Dr. Phil. Dipl. Söz. Sesperado es so schön auf den Punkt bringt:
„Elitäre Intellektmasturbation ist einfach, aber wirkliche Veränderung bezieht alle Menschen mit ein“.