Einsteigen in feministische Theorie

Dieser Text ist Teil 58 von 140 der Serie Die Feministische Bibliothek

Ulli Koch ist extensive Leserin, Feministin und Fragenstellerin. Auf „unregelmäßige Gedankensplitter“ lässt die Studentin unter anderem germanistische und feministische Perspektiven zusammenfließen. Zur Zeit schreibt sie an ihrer Diplomarbeit über die patriarchalen Dimensionen der Bibliothek. Ihre Rezension zu „Feministische Theorien zur Einführung“ von Gudrun Axeli-Knapp und Regina Becker-Schmidt veröffentlichen wir hier mit freundlicher Genehmigung.

Feministische Theorien zur Einführung Im Bereich der feministischen Theorie den Überblick zu behalten fällt manchmal recht schwer. Zu groß ist die Fülle an Denkmöglichkeiten, Ansichten, Weiterentwicklungen und mehr. Empfehlenswert ist daher sich mit Einführungsbänden auseinanderzusetzen und anhand dieser die Zusammenhänge feministischer Strömungen durch zu denken und das eigene Wissen zu vertiefen. Schwierig ist jedoch das richtige Werk zu finden, soll die Einführung doch weder zu überblickshaft noch zu genau sein. Das bereits in fünfter und immer wieder revidierter Auflage bei Junius erschienene Standardwerk von Regina Becker-Schmidt und Gudrun-Axeli Knapp schafft diesen Spagat zwischen notwendiger Vereinfachung und vertiefender Analyse recht gut. Auf 140 Seiten diskutieren die beiden Autorinnen, die jeweils zwei Kapitel des Buches geschrieben haben, die feministischen Strömungen vom Beginn der ersten Frauenbewegung bis zur heutigen Zeit und erklären Zusammenhänge und Unterschiede. Der Fokus liegt dabei auf dem deutschsprachigen und us-amerikanischen Raum.

Gelungen ist der Übergang von den Anfängen der feministischen Bewegung hin zu den Gender Studies, den Becker-Schmidt geschrieben hat. Weitergeführt wird diese Thematik in Knapps Darstellung von der Konstruktion und Dekonstruktion von Geschlecht. Leider bezieht sich Knapp in ihren Überlegungen nur auf Judith Butler und Donna Haraway, doch dank der zuvor durchgeführten Diskussion über konstruktivistische Perspektiven bleibt das Bild nicht auf diese zweidimensionale Sichtweise beschränkt.

Ein eigenes Kapitel widmet sich die Frage, welche Differenzen in der feminstischen Theorie zur Analyse kommen sollen. Die Autorin bezieht sich aber hauptsächlich auf us-amerikanische schwarze Feministinnen, die als erste die Kollektivsubjekte Frau und Feministin in Frage gestellt haben. Ausgehend von dieser Fragestellung entstand eine breite Diskussion, die die Berücksichtigung verschiedener Differenzkategorien einfordert. Dieser Verbindung von vielzähligen Differenzen und Differenzierungen, die in der intersektionalen Forschung ihren Rahmen findet steht Knapp, die diesen Teil geschrieben hat, nicht besonders nahe. Intersektionalität, die sich mit Differenzkategorien beschäftigt, die über die klassischen Trias von race, class, gender hinausgehen, wird zwar indirekt erwähnt, jedoch ist die Abneigung der Autorin durch unterschwellige Kritik und verknappte Darstellung zu spüren.

Einen sehr guten Überblick liefert das von Becker-Schmidt geschriebene Kapitel über Subjektkonstitutionen, das sich mit Michel Foucaults Überlegungen, feministischer Psychoanalyse und der Kritik an dieser auseinandersetzt.

Kursorische Verknappungen rufen aber leider auch einige Ungenauigkeiten hervor. Es sind Details, wie der Verweis auf die Re-Signifizierung des Begriffs queer, der mit „schwul“ übersetzt wird und damit von Anfang an auf eine männliche Entität festgeschrieben ist und den heutigen Anspruch an queer, der als offener und dynamischer Begriff mehr als nur eine Identitätenmöglichkeit in sich trägt, nicht gerecht wird. Überhaupt erfolgt der Verweis auf die Queer Studies mit Samthandschuhen. Ungenau gearbeitet wird auch dann, wenn Judith Butlers Arbeiten mit „Ansätzen aus den Queer Studies“ beschrieben werden.

Wünschenswert wäre auch, dass bei der nächsten Revidierung mehr Werke aus der Gegenwart in der Bibliographie zu finden sind, die derzeit von Texten aus den 1980er und 1990er Jahren dominiert wird. Im Ganzen gesehen ist die Einführung aber durchwegs empfehlenswert und eignet sich vor allem für all jene, die schon ein bisschen Vorwissen mitbringen.

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