„Nicht geschenkt, sondern verdient“ – so bewirbt derzeit die Bundesregierung den Gesetzentwurf für Änderungen in der Gesetzlichen Rentenversicherung, der bis zum Sommer beschlossen werden soll. Demnach soll unter anderem ein weiteres Erziehungsjahr (sogenannte Mütterrente) für Kinder der Jahrgänge vor 1992 eingeführt werden, sowie die Möglichkeit für besonders langjährig Versicherte bestimmter Jahrgänge, vorzeitig abschlagsfrei in Rente zu gehen.
Was zunächst fair klingt – nach einem langen und vermutlich auch anstrengenden Berufsleben in den verdienten Ruhestand zu gehen – ist beim näheren Hinsehen eine Regelung, von der überwiegend Männer profitieren. Die angekündigten Regeln der sogenannten Rente mit 63 sind für die Mehrzahl der Frauen dieser Generation nicht erfüllbar. Frauen verfügen seltener über die erforderlichen 45 Beitragsjahre. Nach Informationen der Deutschen Rentenversicherung Bund waren rund 86 Prozent der Versicherten, die im Jahr 2012 die Möglichkeit der Altersrente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch genommen haben, Männer. Das liegt unter anderem daran, dass politische und rechtliche Rahmenbedingungen in Westdeutschland vom Alleinernährermodell ausgingen und die klassische Frauenbiographie durchbrochen ist von Kinderbetreuungszeiten und Teilzeitarbeit. Hinzu kommt, dass die Versicherten, die vorzeitig in den Ruhestand gehen, ohnehin bereits über überdurchschnittliche Rentenansprüche verfügen. Frauen finden sich aber häufiger als langjährig versicherte Männer unter den Geringverdienenden, die sich einen vorzeitigen Ruhestand nicht leisten können – also möglichst lange weiterarbeiten sollten, um die Rente zu steigern.
Die Berücksichtigung von Kinderbetreuung in der Rente ist für die nun besserzustellenden älteren Jahrgänge von Frauen sinnvoll und bricht die starke Orientierung der Rente an der Erwerbstätigkeit etwas auf, die die klassische Frauenbiografie eher benachteiligt. Das weitere Erziehungsjahr kann aber die Benachteiligung von Frauen bei den angekündigten Regeln der sogenannten Rente mit 63 nicht annähernd kompensieren.
In der aktuellen Diskussion fällt auf, dass viele politische Akteure dieses geschlechterpolitische Problem auch benennen. Schlussfolgerungen werden daraus aber nicht gezogen. Der Gesetzentwurf sieht „keine Hinweise“ auf unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer. Grund genug für Frauen, zum 8. März darüber öffentlich zu diskutieren, was sie verdient haben – und was sie angeblich geschenkt bekommen.
Danke, Maria, für diesen deutlichen Artikel. Was mich wirklich sprachlos macht: dass das Arbeitsminsterium diese doppelte strukturelle Diskrminierung – weniger Beitragsjahre, geringere Rentenhöhe – schlicht ignoriert. Sind all die Referentinnen, Abteilungsleiterinnen etc., die diesen Gesetzentwurf mit erarbeitet haben, so fern der Realtität, oder sind sie von oberen Stellen zurückgepfiffen worden?