Das bedingungslose Grundeinkommen: Chancen und Risiken aus feministischer Sicht

Christine Görn studiert an der Humboldt Universität in Berlin Musikwissenschaften, Medienwissenschaften und Gender Studies und beschäftigt sich schon seit längerem mit dem Thema Bedingungsloses Grundeinkommen. Hier diskutiert sie die möglichen Chancen und Risiken des Konzepts aus feministischer Sicht.

Was geschieht mit der Gesellschaft und den in ihr lebenden Menschen, wenn jede und jeder ohne Bedingung ein Existenz sicherndes Einkommen erhält? Welche Möglichkeiten eröffnen sich für feministische Anliegen und wo sollte das Konzept kritisch hinterfragt werden?

In Zeiten unsicherer Beschäftigungsverhältnisse, Lohndumping, Sozialabbau und Wirtschaftskrise haben sich über die Parteien und politischen Lager hinweg Einzelpersonen und Verbände Gedanken darüber gemacht, wie die herrschenden Produktionsverhältnisse in unserer Gesellschaft anders organisiert werden können. Das Netzwerk Grundeinkommen diskutiert bundesweit über eine bedingungslose Existenzsicherung, genauso wie attac, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Auch innerhalb der Parteien – vom thüringischen Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU), über Teile der Grünen, der Linken und der SPD – wird das Konzept, wenn auch mit äußerst unterschiedlichen Modell- und Finanzierungsvorschlägen, unterstützt.

Das parteiunabhängige Netzwerk Grundeinkommen hat sich bei seiner Gründung auf vier Kriterien geeinigt, welche das Bedingungslose Grundeinkommen als eben solches kennzeichnen: Existenz und Mindestteilhabe sichernd, individueller Rechtsanspruch, keine Bedürftigkeitsprüfung und kein Zwang zur Arbeit.

Die Idee dahinter ist, die gegenwärtigen ökonomischen Verhältnisse kritisch zu beleuchten und sich folgende Fragen zu stellen: Kann das viel propagierte Ziel der Vollbeschäftigung für alle erreicht werden? Ist es erstrebenswert vierzig oder mehr Stunden in der Woche bis ins hohe Alter zu arbeiten? Und warum wird als Arbeit nur die anerkannt, welche im Marktzusammenhang geleistet und folglich entlohnt wird? Wo bleibt die ehrenamtliche, politische, kulturelle und soziale Arbeit? Und warum wird  gerade die schlecht oder nicht bezahlte Arbeit meist von Frauen geleistet?

Die marxistisch-feministische Soziologin Frigga Haug fordert in ihrem Buch Die Vier-in-einem- Perspektive Politik von Frauen für eine neue Linke“ einen Bruch mit der Vorstellung von Vollerwerbszeit und arbeitet ein vierteiliges, emanzipatorisches Lebenskonzept“ heraus, welches folgende Tätigkeitsfelder beschreibt: Erwerbsarbeit, Fürsorge- bzw. Reproduktionsarbeit, Arbeit an der Gesellschaft und kulturelle Arbeit. Frauen und Männer sollen neben der Arbeit auf dem Markt auch die Möglichkeit bekommen, sorgende Tätigkeiten für andere und sich selbst zu verrichten, ihren eigenen Interessen beispielsweise im Bereich Kunst, Musik oder Sport nachzugehen, sich politisch zu engagieren und aktiv an der Gestaltung der Demokratie teilzunehmen. Dieses Konzept könnte durch die Einführung eines  bedingungslosen Grundeinkommens gefördert werden. (Siehe auch „Demokratiepauschale statt Abhängigkeit von Gnade“ von Katja Kipping)

Doch das Hinterfragen des Arbeitsbegriffs ist nur ein Aspekt von vielen: es geht darum die Menschen von der Angst vor Armut zu befreien und sie bei Lohnverhandlungen mit ArbeitgeberInnen ansatzweise auf gleiche Augenhöhe zu bringen, denn: wer keine Existenzangst hat und keine Stigmatisierung aufgrund des Bezugs von Sozialleistungen fürchtet, der oder die muss auch keine unterbezahlte und teilweise entwürdigende Arbeit annehmen. Männer und Frauen scheinen die freie Wahl zu bekommen, ob und wie sie arbeiten und sie können eigenständig, ohne Abhängigkeit vom Partner oder der Partnerin, ihre Existenz sichern. Da das Grundeinkommen ausgezahlt wird, egal mit wem und wie vielen das  Leben und/oder die Wohnung geteilt wird, besteht die Chance, alle Daseinsmodelle auf politischer Ebene gleich zu behandeln.

Doch aus feministischer Perspektive wird auch Kritik laut. So beschäftigt sich  Susanne Worschech in der Broschüre Soziale Sicherheit neu denken. Bedingungsloses Grundeinkommen und bedarfsorientierte Grundsicherung aus feministischer Sicht (pdf) mit den Chancen und Risiken des Konzepts für feministische Anliegen und beanstandet, dass die vorhandenen Modelle nicht bis unzureichend gender-relevante Aspekte einbeziehen. Eine Auseinandersetzung mit der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und gesellschaftlichen Rollenbildern findet nicht statt und auch Aussagen der Grünen, dass „die Familienarbeit aufgewertet“ würde, stellt die traditionelle Rollenteilung nicht in Frage. Besteht die Gefahr, dass das Bedingungslose Grundeinkommen zur „Herdprämie“ für Frauen wird, traditionelle Rollenmuster verstärkt und Frauen vom Arbeitsmarkt verdrängt werden? Findet möglicherweise ein Transfer öffentlicher Leistungen und Güter in die Privatsphäre statt? Anja Kümmel beschreibt in ihrem Artikel Fuck the factory, love the family“ aus der Jungle World die Gefahr einer Rückbesinnung auf „das traute Familienglück als Gegenentwurf zur »kalten Arbeitswelt« und betont, dass das Modell des bedingungslosen Grundeinkommens den Bereich der Produktion kritisiert, jedoch die Reproduktionsverhältnisse unangetastet lässt.

Auch die Berliner Gesprächsrunde „Philosophisches Quartett zum Grundeinkommen“ setzt sich mit dieser kritischen Perspektive auseinander. Dieses wird ab Okober jeden zweiten Donnerstag im Monat von 19.30 Uhr bis 21.00 Uhr in der Fehre6 (Fehrberlliner Straße 6, 10119 Berlin) stattfinden. Die Frage am kommenden Donnerstag, den 8. Oktober um 19.30 wird lauten: „Müßige Männer, fleißige Frauen – verfestigt das Grundeinkommen die Geschlechterungleichheit?“ Mit dabei sind: Dorothee Schulte-Basta und Robert Ulmer vom Netzwerk Grundeinkommen, die Schriftstellerin Katrin Heinau und die Soziologin Irene Pimminger.

Kommt vorbei und diskutiert mit!

142 Kommentare zu „Das bedingungslose Grundeinkommen: Chancen und Risiken aus feministischer Sicht

  1. Daß das BGE bei Frauen zur Herdprämie verkommt, glaube ich nun nicht. Eher besteht die Möglichkeit, daß sich beide Eltern ausreichend um ihre Kinder kümmern können und diese nicht vorm Fernseher oder PC oder bei den damit vielleicht überforderten Großeltern „geparkt“ werden, weil eben sonst beide vollzeitig arbeiten müssen (sofern sie Arbeit abbekommen haben).

    Alleinerziehende — davon haben wir ja auch so einige, und ohne nachzugucken vermute ich mal, daß es doch überwiegend die Mütter sind — sind heute noch mehr unter Druck, ihre Kinder allein lassen oder bei jemandem abgeben zu müssen, sofern überhaupt jemand zur Verfügung steht. Ein BGE sowohl für Mutter als auch Kind(er) würde das Problem beseitigen: Die alleinerziehende Mutter könnte sich entweder selbst kümmern oder eine Betreuung nach Wunsch engagieren.

    Ansonsten sehe ich im BGE eine geschlechtsunabhängige Möglichkeit, allen Menschen die Wahrnehmung ihrer Grundrechte ohne Zwang zu geben. Warum man das in Männlein und Weiblein aufteilen muß, ist mir schleierhaft.

    Gruß, Frosch (Weiblein)

  2. „Ansonsten sehe ich im BGE eine geschlechtsunabhängige Möglichkeit, allen Menschen die Wahrnehmung ihrer Grundrechte ohne Zwang zu geben. Warum man das in Männlein und Weiblein aufteilen muß, ist mir schleierhaft.“

    Vielen, vielen, vielen Dank dafür!

  3. ich hab doch richtig verstanden, dass das grundeinkommen absolut jedem gezahlt würde? mein innerer fauler schweinehund fragt sich da doch sofort, warum dann überhaupt noch jemand arbeiten wollte.
    als herdprämie hab ichs nicht verstanden, weil die/der daheimbleibende ja auch nix dafür kriegt, sondern genau das gleiche wie jeder andre, die/der sich nicht ums heim gekümmert hat.

  4. @ Sabine&Matze: Ich denke, dass auch ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht jegliche Geschlechterungerechtigkeiten beseitigen kann. Klar garantiert es ein Mindestmaß an ökonomischer Unabhängigkeit; um aber beispielsweise eine geschlechtliche Arbeitsteilung aufzubrechen, bedarf es mehr als eine bedingungslose Absicherung. Wenn eine Frau immer noch zu Hause bleibt und sich mit dem Mindesteinkommen begnügt, ein Mann aber die Zeit hat, Arbeit nachzugehen, bei der er ein Extra-Einkommen verdienen kann, ist immer noch ein ökonomisches Unverhältnis zu verzeichnen, welches die bestehenden Geschlechterverältnisse sicherlich nicht angreift.

    @ maria: Das ist ja immer so die Frage: Warum arbeiten Menschen denn nicht gerne? (Und arbeiten ist hier ein weitgefächerter Begriff und schließt nicht nur die klassische Erwerbsarbeit ein.) Ich denke, dass sie es gerne tun, wenn auch nicht 40-50h die Woche und dann noch unter unzumutbaren Bedingungen. Arbeit würde ja auch extra entlohnt werden, aber beinhaltet nun nicht mehr den Arbeits-Zwang, welches Menschen wohl

    1. lieber zur Arbeit gehen lässt, da sie freiwillig und gern arbeiten und es kein/e erpresserische/r Chef/in mehr gibt und

    2. sie mehr Mitentscheidungsrecht hätten. Wenn sie nicht mehr zu einer Erwerbsarbeit gezwungen werden und sich die Jobs aussuchen können, müssen die ArbeitgeberInnen bessere Angebote machen, also entweder einen hohen Lohn zahlen oder den ArbeitnehmerInnen entgegen kommen (Kinderbetreuung, etc.).

  5. Jetzt wird es aber richtig interessant hier! Leider bin ich hundemüde- aber das Thema lasse ich mir nich entgehen!

    Nur so viel: Meiner Ansicht nach entwertet das bedingungslose Grundeinkommen voraussichtlich den Wert den bezahlten Erwerbsarbeit- ein historisches Vorbild hätte ich da auf Lager.

  6. … vor allen Dingen wertet das bedingungslose Grundeinkommen aber unbezahlte Arbeit auf (die häufig von Frauen übernommen wird).

    Und von welchem historischen Beispiel sprichst du denn, Marcel?

  7. @Magda:
    „Wenn eine Frau immer noch zu Hause bleibt und sich mit dem Mindesteinkommen begnügt, ein Mann aber die Zeit hat, Arbeit nachzugehen, bei der er ein Extra-Einkommen verdienen kann, ist immer noch ein ökonomisches Unverhältnis zu verzeichnen, welches die bestehenden Geschlechterverältnisse sicherlich nicht angreift.“
    Genau das ist der Punkt! Deshalb kann ich die Frage „Müßige Männer, fleißige Frauen – verfestigt das Grundeinkommen die Geschlechterungleichheit?“ leider nur mit Ja beantworten.

  8. Also nach meinem grundlegenden Wirtschaftsverständnis würde das Grundeinkommen für alle vor allem den Wert der entsprechenden Summe drastisch herabsetzen.
    Das Geld hat ja nicht an sich einen Wert, sondern nur als Gegenleistung zu einer Leistung oder Ware. Man müsste also gleichzeitig die Preise deckeln, damit die durchs Grundeinkommen erzielte Kaufkraft nicht gleich null ist. Und das wiederum würde es unrentabel machen Dinge herzustellen.
    Ich bin wirklich eher links eingestellt, aber das bedingungslose Grundeinkommen ist etwas zu kurz gedacht. Wenn ich einen Denkfehler drin habe, macht mich drauf aufmerksam.

    @Marcel
    Die Pilgerväter meinst du nicht? Da war zwar kein Geld im Spiel, aber auch die bedingungslose Existenzsicherung.

  9. @Magda:
    „Wenn eine Frau immer noch zu Hause bleibt und sich mit dem Mindesteinkommen begnügt, ein Mann aber die Zeit hat, Arbeit nachzugehen, bei der er ein Extra-Einkommen verdienen kann, ist immer noch ein ökonomisches Unverhältnis zu verzeichnen, welches die bestehenden Geschlechterverältnisse sicherlich nicht angreift.“

    Äh. Aber es könnte doch auch genau anders rum sein. Ich sehe in Deinem Beispiel nicht den Zusammenhang zwischen „ein Mann“ und „eine Frau“.
    Das Grundeinkommen kann die „Geschlechterverhältnisse“ in so fern verändern in dem es Leuten in prekären Arbeitsverhältnisse (zu einem großen Teil auch Frauen) hilft und ihnen ermöglicht sich fortzubilden oder andersweitig gesellschaftlich einzubringen.

    @Mondfee
    Aber „nicht angreifen“ und „verfestigen“ sind schon noch zwei paar Stiefel? Das ist doch ein Argument von der Art „Wer nicht für uns ist ist gegen uns“?

    Diese Diskussion kann man, denke ich, ohne entsprechende Vergleiche doch gar nicht führen. Das bedingungslose Grundeinkommen müsste man also vergleichen mit der aktuellen Variante von „Arbeitslosengeld / Sozialhilfe und Besteuerung inklusive Ehegattensplitting“. Und ob das für ein gerechtes Geschlechterverhältnis wirklich besser ist wage ich zu bezweifeln.

  10. @Magda: Historisches Vorbild wäre das vom ungarischen Wirtschaftswissenschaftler- und Theroetiker Karl Polanyi (1886- 1964) in the Great Transformation beschriebene Speenhamland-Gesetz. Doch das bedarf jetzt mehrer Erläuterungen- doch ich bin leider voll auffe Schnauze, aber voll.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Speenhamland-Gesetzgebung

    Der Text ist aber unvollständig.

    Wichtig ist einfach, dass man sich endlich einmal Gedanken zu einem neuen Gleichgewicht zwischen Staat, Zivilgesellschaft und der Marktwirtschaft macht. Und langsam aktiv wird.

    @Neeva: Pilgerväter? Weisst Du mehr über diese Pilgerväter? Handelt es sich hier um ein ökonomischen Begriff- oder um die eigentlichen Urväter von der Mayflower? Da würde ich aber gerne mehr wissen!

    Gut, ich gehe jetzt schlafen: Ich kann kaum mehr geradeaus gehen ;-)

  11. ha, Danke t :-)

    Hab’s geändert!

    apropos @jakob:

    „Äh. Aber es könnte doch auch genau anders rum sein.“

    Wenn es so leicht wäre, dann ließen sich ja so manche ungerechten Strukturen einfach mal so durchbrechen und zwar in dem Maße, dass geschlechtsspezifische Tendenzen aufgehoben werden. Nur glaube ich daran nicht.

  12. Bin ich der einzige der Magdas Behauptung abwegig findet, alle Menschen würden gerne arbeiten – nur eben nicht so viel? Du kannst doch nicht wirklich ernsthaft glauben, jeder Arbeitslose würde auf der Stelle z.B. 20h/Woche etwas arbeiten nur weil Hartz4 jetzt nicht mehr Hartz4 sondern BGE heißt und vielleicht sogar noch mehr Geld bedeutet.

    Das BGE schafft noch lange keine Arbeitsplätze für jeden Geschmack und sorgt auch nicht dafür, dass bisher perspektivlose und antriebslose Menschen plötzlich motiviert sind.

    Gibts eigentlich auch Vorschläge für die Finanzierung?

  13. @phil:

    Ich glaube auch nicht, dass alle Menschen gerne arbeiten, vor allen Dingen nicht jene Tätigkeiten, an die wir so denken, wenn wir Lohnarbeit definieren. Mein Arbeitsbegriff ist aber viel weitgefächerter und beinhaltet auch soziale und kulturelle Arbeit, die wir ohnehin schon ganz so nebenbei und unentgeltlich betreiben. Falls wir hier nur von klassischer Erwerbsarbeit reden, dann glaube ich sicherlich nicht, dass jede/r gerne arbeitet. Wenn man „Arbeit“ anders definiert, denke ich aber schon, dass die meisten Menschen dies gerne tun.

    Zur Finanzierung: z.B. über einen direkten Bürokratieabbau (Hartz 4 fiele ja beispielsweise weg) und einer Konsumsteuer.

  14. @Marcel
    Ich meine die Siedler von der Mayflower. Die wollten zuerst ein System mit Gemeinschaftsfeldern einrichten und sind fast verhungert, weil die Leute nicht genug Anreiz hatten, ihren Teil der Gemeinschaftsarbeit zu machen. Als verzweifelte Maßnahme bekamen die Familien schließlich eigene Felder zugesprochen und die Produktivität stieg.

    Hier ist es etwas ausführlicher:

    http://usaerklaert.wordpress.com/2006/10/27/land-fur-alle-wie-das-eigenheim-fur-amerikaner-zum-normalfall-wurde/

    Mein Lieblingsbeispiel, dass Gruppen von Menschen sich nicht mal im Angesicht des eigenen Todes bewegen lassen als Gruppe rational zu handeln.

  15. @Magda
    Also entschuldige dass ich mich angegriffen fühle, aber wenn Du Dir einen einzelnen Satz meines Kommentars herausgreifst und mich dann mit „Wenn es so leicht wäre,..“ als naiv darstellst, dann ist das nicht nett. Und was meinst Du mit „ungerechte Strukturen“ und „geschlechtsspezifische Tendenzen“? Die Begriffe sind doch reichlich diffus.

    Für mich ist „geschlechtsspezifische Tendenz“ z.B. dass es mehr Modemagazine für Frauen als für Männer gibt. Dass es mehr männliche Soldaten als weibliche gibt. Dass mehr Frauen Geld mit Sex verdienen als Männer. Soll so etwas Deiner Meinung nach „durchbrochen“ werden? Und wie bitteschön?

    Eine ungerechte Struktur ist doch z.B. das Ehegattensplitting und die würde durch das BGE aufgelöst. Beim Grundeinkommen hat eben jeder Euro Zuverdienst den selben Wert egal ob er von Frau oder Mann verdient wird.

    Natürlich hast Du recht, Magda, dass: „auch ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht jegliche Geschlechterungerechtigkeiten beseitigen kann.“ Aber man muss das BGE schon mit anderen Modellen vergleichen und nicht mit einer Art „Paradies“ / „Idealzustand“. Daher sehe ich nicht, wo Deine Kritik ansetzt. Oder kennst Du ein Steuer und Sozialsystem das alle (auch die von mir oben genannten) Ungleichheiten auflöst?

    @phil
    Natürlich gibt es Menschen die sich auch durch das BGE nicht motivieren lassen zu arbeiten. Aber eben auch solche die bisher vom Arbeitsamt in unnütze deprimierende Qualifizierungsmaßnahmen gezwungen wurden. Diese bekommen dann die Möglichkeit und das Geld um sich auf eine sinnvolle Art (Selbstgewählt, Fortbildung, Zweitstudium was auch immer) weiterzubilden.

    Die Idee der Finanzierung basiert darauf, dass man alle möglichen Transferleistungen wie z.B. Bafög, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, … „einspart“. Und die Bürokratie die nötig ist diese zu verteilen. Das Problem ist anscheinend eher, dass Viele (Du wohl auch?) nicht einsehen Menschen bedingungslos zu alimentieren.

  16. ..was ja für Familien dem Beispiel „Pilgrims“ zufolge offenbar nicht gilt. Und was die Entstehung des „Patriarchats“ mit der neolithischen Revolution erklärt.

  17. @jakob: Ich glaube, dass wir uns missverstehen.

    Wie kommst du darauf, dass ich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen waere? Ich glaube nicht, dass das in meiner Argumentation irgendwo zu lesen waere. Ich glaube allerdings nicht unbedingt, dass solch ein Grundeinkommen die Geschlechterverhaeltnisse zwangslaufig aufloest – da bedarf es einer gendersensiblen Programmatik, z.B. eine gut ausgebaute Infrastruktur (wie die bereits genannte Kinderbetreuung) und das staendige Hinterfragen von solchen Zustaenden wie beispielsweise die Ueberzahl an maennlichen Soldaten und weiblichen Prostituierten.

    Das Konzept des Grundeinkommens finde ich trotzdem sehr gut, da ich glaube, dass dieses Konzept erheblich zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen koennte. Siehe mein Kommentar zur noetigen Umdefinierung von Arbeit, die durch ein Grundeinkommen geschehen koennte. Also noch mal: Das faende ich GUT! Das heisst aber nicht, dass BGE das Allerheilmittel ist.

  18. @phil (u.a.)

    Zu der Frage, ob noch jemand arbeiten geht: Natürlich können wir nicht berechnen oder genau vorhersagen, was passiert, wenn es das BGE gibt. Jedoch sollte man sich schon die Frage stellen: was für ein Menschenbild habe ich und warum nehmen Menschen heute nicht mehr an der Gesellschaft teil (bzw. wird dies als Mittel der herrschenden Klasse eingesetzt um die Kluft zwischen den vermeintlichen LeistungsträgerInnen und „SozialschmarotzerInnen“ zu erhöhen und die gesellschaftlichen Gruppen gegeneinander auszuspielen und die Privilegierung einiger weniger zu rechtfertigen?

    Ich glaube nicht, dass der Großteil der Menschen von Natur aus faul (antriebslos???)ist, sondern eher, dass die Gesellschaft nur nicht die Möglichkeit bereitstellt, in einer würdevollen Art an Erwerbsarbeit, aber auch am kulturellen Leben teizunehmen. (Perspektivlos sind sie schon- man sollte sich nur die Frage stellen, warum!!!) Und wenn jemand Freude daran hat, den ganzen Tag zu hause zu sitzen und Chips oder Karotten oder was auch immer zu essen, na und? Wenn er oder sie damit Glücklich wird!
    Ich glaube jedoch nciht daran, dass dies die Mehrheit ist und dass die meisten schon Spaß und Freude daran haben, raus in die Welt zu gehen, anderen zu helfen, Musik zu machen, Bilder zu malen oder an einem Erwerbsarbeitsplatz gegen gute Bezahlung ,mit netten Kolleginnen und Kollegen und einem angenehmen Arbeitklima zu wirken, sich weiterzubilden, ein schönes Essen für andere und sich selbst zuzubereiten oder auf Kinder aufzupassen. Sie sollten nur die Wahl haben und nicht den Zwang!

    Zumal wird das BGE nicht 5000 Euro im Monat betragen, sondern in einem Bereich liegen, in dem die Menschen zwar gut leben können, jedoch viele schon daran Interesse haben, etwas dazuzuverdienen um sich eine schönere Wohnung , ein größeres Auto, eine länger Reise oder ne fette Gibson Les Paul, oder was auch immer leisten zu können. Es geht ja dann doch eher um eine Existenzsicherung und Teilhabe an Demokratie, Kultur OHNE ARBEITSZWANG als um Luxus für alle und jeden. Menschen haben ja auch unterschiedliche Anprüche an ihren Lebensstandart und das ist ja auch ok.

    zur Geschlechter(un)gleichheit:
    geschlechterspezifische Zuschreibungen, Arbeitsteilung und schon gar nciht das Zweigeschlechtersystem und die Vormachtsstellung heterosexueller Lebensformen, Klassenunterschiede oder jegliche Rassismen lassen sich durch ökonomische Umwälzungsprozesse abschaffen, auch nicht durch das BGE! Wir alle sind beeinflusst von den Strukturen um uns herum, Diskurse die uns durchdringen und uns glauben lassen, dass Dinge schon immer so waren und auch immer so bleiben müssen- also vermeintlich natürlich sind (Mütter müssen sich um Kinder kümmern, Frauen und Männer lieben sich, Reiche haben verdient reich zu sein, sozial Schwächere sind faul, DIE ANDEREN müssen sich UNS DEUTSCHEN anpassen, das könnte ich jetzt ewig fortführen…) Diese Vorstellungen werden in den Medien, Politik, Wirtschaft, teilweise auch Wissenschaft produziert und reproduziert und wir können natürlich nicht glauben, durch das BGE würden wir von allen Zwängen und Zuschreibungen befreit.
    Jedoch besteht durch das BGE die Chance von ökonomischen Zwängen befreit zu werden, was auch auf das Verhältnis der Geschlechter einwirkt, da beispielsweise finanziell niemand mehr abhängig vom jeweiligen Partner/Partnerin wäre.
    Wenn das BGE eingeführt werden würde, gleichzeitig aber öffentlich Einrichtungen für Kinderbetreuung, Kranken- oder Altenpflege etc. gekürzt oder nicht weiter ausgebaut würden, dann bestünde die Gefahr, dass diese Arbeit ins Private und somit meist wieder auf Frauen abgeschoben würde. Folglich ist die Politik (also wir alle: ich erinnere Demokratiepauschale!!) gefragt, weitere emanzipatorische Maßnahmen zu ergreifen um ein Höchstmaß an Selbstbestimmung und freier Lebensgestaltung für ALLE zu ermöglich.

    zur Finanzierung:
    grob lassen sich die Vorschläge in zwei Modelle einteilen:
    (neben dem Bürokratieabbau, den Magda und Jakobschon erwähnt haben)

    1. die Finanzierung geschieht über die Einkommenssteuer (die Linke schlägt beispielsweise eine Grundeinkommenssteuer in Form einer Einkommenssteuer von 35% vor, was eine radikale Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums bedeuten würde- 2/3 der Gesellschaft würden laut Katja Kipping besser gestellt- 1/3 schlechter, obwohl es denen dann sicher immer noch gut gehen würde :-))

    2. die Finanzierung erfolgt über eine Konsumsteuer (dieses Modell wurde von Götz Werner entwickelt, der die Einkommenssteuer komplett abschaffen möchte, d.h. der Lohn würde 1:1 ausgezahlt werden- dafür würde es eine hohe Abgabe auf Dienstleistungen und Waren geben)

    mehr dazu unter:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Bedingungsloses_Grundeinkommen

  19. Wirklich lustig wenn Menschen die ihre Arbeit in erster Linie als Selbstverwirklichung betrachten darüber diskutieren ob ein BGE beim momentanen Bedarf an (menschlicher) Arbeitskraft überhaupt machbar ist…Von den empirisch bewiesenen Grundgesetzen der Ökonomie in der Regel überhaupt keine Ahnung haben, die wirklichen Probleme der heutigen Zeit die es fraglich machen ob der jetzige Lebensstandard (in Deutschland sowie der EU) überhaupt auf lange Sicht haltbar ist (Rentenproblematik, Geringqualifiziertenproblematik, verschärfter Wettbewerb durch China etc) macht man sich Gedanken darüber ob nicht zur Krönung der sozialistischen Ideale ein Leben auf Kosten aller möglich ist, und glaubt noch tatsächlich der absolute Lebensstandard würde im Schnitt gleich bleiben, oder sogar steigen…Das selbe hatte man damals bei Gründung der DDR wohl auch gedacht.

    Später baute man eine Mauer, um das Paradies zu schützen…

    Nur mal ein paar Beispiele:

    „Natürlich gibt es Menschen die sich auch durch das BGE nicht motivieren lassen zu arbeiten. Aber eben auch solche die bisher vom Arbeitsamt in unnütze deprimierende Qualifizierungsmaßnahmen gezwungen wurden. Diese bekommen dann die Möglichkeit und das Geld um sich auf eine sinnvolle Art (Selbstgewählt, Fortbildung, Zweitstudium was auch immer) weiterzubilden.“

    Der Schnitt der Menschen wird weniger arbeiten, dadurch sinkt der absolute Lebensstandard der Gesellschaft! Das Ziel des BGE besteht für die Befürworter ja unter anderem gerade darin den „Arbeitszwang“ um Güter von anderen Nachfragen zu können abzuschaffen.

    Das Menschen die ein Zusatzeinkommen für lau bekommen im Schnitt weniger arbeiten wurde auch schon von Forschern bewiesen, die eigentlich der Meinung waren die Menschen würden durch das BGE mehr arbeiten. Es gibt diese Studien bereits, kein Grund das sogar jedem durchschnittsbürger offensichtliche noch zu leugnen.

    @tinitus
    „Zu der Frage, ob noch jemand arbeiten geht: Natürlich können wir nicht berechnen oder genau vorhersagen, was passiert, wenn es das BGE gibt.“

    Auch an dich: Doch das können wir und das wurde auch schon getan, das Ergebnis lautet das selbst kleinere Summen die längst nicht existenzsichernd sind die Erwerbstätigkeit deutlich senken.

    „Jedoch sollte man sich schon die Frage stellen: was für ein Menschenbild habe ich “

    In diesem Zusammenhang vollkommen irrelevant, es zäht nicht was man denkt wie die Menschen sind, sondern es zählt wie sie sind.

    „Ich glaube nicht, dass der Großteil der Menschen von Natur aus faul (antriebslos???)ist,“

    Nö sind sie nicht, aber sie machen lieber andere Dinge wenn ihnen ihr Job nicht soviel Spaß macht. Ins Fitnesstudio gehen zum Beispiel.

    „Und wenn jemand Freude daran hat, den ganzen Tag zu hause zu sitzen und Chips oder Karotten oder was auch immer zu essen, na und? Wenn er oder sie damit Glücklich wird!“

    Finde ich genauso, ändert sich aber wenn ICH das mit meiner Arbeitsleistung und den darauf erhobenen ZWANGSABGABEN (keine Freiwilligkeit der Abgaben, niemand sagt “ ja wenn er damit glücklich wird keine Steuern zu zahlen“) finanzieren sollen. Das ist keine Welt die Menschen als gerecht ansehen.

    „Ich glaube jedoch nciht daran, dass dies die Mehrheit ist und dass die meisten schon Spaß und Freude daran haben, raus in die Welt zu gehen, anderen zu helfen, Musik zu machen, Bilder zu malen oder an einem Erwerbsarbeitsplatz gegen gute Bezahlung ,mit netten Kolleginnen und Kollegen und einem angenehmen Arbeitklima zu wirken, sich weiterzubilden, ein schönes Essen für andere und sich selbst zuzubereiten oder auf Kinder aufzupassen. Sie sollten nur die Wahl haben und nicht den Zwang!“

    Sorry aber ich könnte wirklich losheulen wenn ich soviel „abgehobenes“ lese.

    Gute Bezahlung, Bilder malen, nette Kollegen, schöne Weiterbildung, raus in die Welt gehen, Kochen für sich und Freunde…Nur den Zwang den sollen sie nicht haben.

    WARUM ABER WILLST DU DENJENIGEN DER FREIWILLIG GEGEN GELD ARBEITET DANN ZWINGEN DIE ZWANGLOSIGKEIT ANDERER ZU FINANZIEREN?

    DAS ist ein zentraler Punkt warum das BGE schon in der Theorie an der Gerechtigkeitsfrage die es zu lösen ersucht scheitert.

    Nenn mir mal ne gute Begründung dafür und denk dran, die Mehrheit der Menschen sind keine Großgrundbesitzer sondern arbeit mehr oder weniger hart für ihr Geld, und diese Arbeit wird zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards benötigt.

  20. Übrigens: In der Kneipe um die Ecke findet am Donnerstag, den 8. Oktober um 19:30 die Diskussion Müßige Männer, fleißige Frauen – verfestigt der Feminismus Geschlechterklischees?“ statt.

  21. irgendwie tauchen in der diskussion ja bisher hauptsächlich zwei extreme auf: die, die sich in ihrer arbeit verwirklichen (also schätzungsweise nicht zum reinigungspersonal etc. zählen) und die, die faul zuhause bleiben wollen, quasi die hartz IV schnorrer.
    ganz ehrlich, wenn ich die möglichkeit hätte, würde ich den ganzen tag zuhause auf meiner couch verbringen, filme schaun und stundenlang online hängen. und das, obwohl ich beruflich absolut gute aussichten hätte, die viele sicher als selbstverwirklichung sehen könnten.

    ich fürchte, dass in vielen kleinen familien das BGE sicher auch als „jetzt kannst du ja doch zuhause bleiben“ verwendet werden würde. das argument will ich keinem (mann) in die hand geben.

  22. @ udo
    wenn Menschen wirklich glauben, dass manche im Niedriglohnsektor es verdient haben mit 700 Euro nach ner 40 h Woche nach hause zu gehen und andere 50 000 verdient haben (durch harte, schwere Arbeit UNSERE LEISTUNGSTRÄGERINNNEN!!!), dann kann man auch hohe Steuern scheiße finden. doch vielleicht sollte über steuern auch das ausgeglichen werden, was es im kapitalismus an ungerechten entlohnungen gibt. bzw. gar keine entlohung für alle anderen Arbeiten jenseits der erwerbsarbeit. hm.

    „Später baute man eine Mauer, um das Paradies zu schützen…“

    hast du mit Guido Westerwelle den gleichen Kurs zum Thema „Wie Argumentiere ich gegen Menschen, die für eine sozialere Gesellschaft kämpfen“ besucht???

    und nochmal: wo soll die Arbeit herkommen? es gibt doch jetzt schon so viel verdeckte Arbeitslosigkeit, suventionierte Arbeit und auch noch die offizielle Arbeitslosigkeit. Von wegen Vollbeschäftigung für alle, soll die vom Himmel fallen?

  23. Ohh… das BGE und Feminismus. Spannendes Thema! Da ich leider nicht in Berlin wohne, kann ich eure Debatte am morgigen Donnerstag nicht besuchen, auch, wenn ich sie sehr spannend finde. Neben all den Standardargumenten über faule Sozialschmarozer, die durch das BGE gefördert werden versus das das BGE als Paradies auf Erden st die ganze Diskussion in den meisten Medien bisher erstaunlich blind für Geschlechterverhältnisse geblieben.
    Selbst ich als ‚kritischer Sympathisant‘ des BGE (dazu unten mehr) habe mir dazu bisher keine Gedanken gemacht, obwohl Geschlechtergerechtigkeit IMO eine notwendige Maxime politischen Handelns ist.
    Gut, genug gelobt… zum Thema… ^^

    Ich empfinde das BGE als eine gute Idee, die den Weg in eine gerechtere Gesellschaft weisen kann. Klar: das Ganze ist nicht von heute auf morgen umsetzbar, auf allein nationaler Ebene so ziemlich undenkbar und erfordert wesentliches Umdenken bzgl. unseres Menschenbildes, unserer Leistungsgesellschaft und der mit ihr verbundenen Wertschätzung von Lohnarbeit. Vor allem an diesem ‚Umdenken‘ werden die BefürworterInnen noch ein wenig zu knabbern haben, da selbst viele Parteien und Organisationen, die von ihrer politischen Zielsetzung her ein klares Interesse an einem würdevollen Leben aller Menschen unabhängig von ihrer Erwerbssituation haben müssen, der Idee ablehnend gegenüberstehen.

    Bevor ich mein Statement zu den üblichen Kritiken abgebe und schreibe, warum ich die Idee trotz meiner Sympathie nicht vorbehaltslos unterstütze, sollte ich das ganze vielleicht persönlicher machen, damit klar ist, wo der Reiz (für mich, aber auch für viele andere) beim BGE liegt. Zunächst einmal bin ich als Student ja ohnehin in einer prekären Situation. Das werden die meisten hier wohl kennen, auch wissen die meisten, dass die Situation für die meisten dank Bachelor/Studiengebühren/etc. eher schlimmer als besser wird. Okay, wird man sagen – für die meisten gibt es später doch noch einen ordentlichen Verdienst, 5 Jahre Leiden für das anschließende gutbezahlte Leben.
    An dieser Erwiderung gibt es zwei Probleme:
    1. Trifft das nicht auf alle StudentInnen zu: Geistes- und KulturwissenschaftlerInnen (wie meiner einer… ;)) werden in viel geringerem Umfang für ihre Mühen entschädigt, und das obwohl sie gesellschaftliche MultiplikatorInnen ihres Wissens sind.
    2. Wenn das mit der gläsernen Decke nicht nur ein böses Gerücht ist, werden meine als weiblich klassifizierten Kommilitoninnen später nicht im gleichem Umfang von ihrem Wissen profitieren.
    Ich denke, dass es gerade die MultiplikatorInnen-Funktion ist, die prinzipiell nicht in Lohn verrechnet werden kann. Einerseits findet sie oft außerhalb der eigentlichen ‚Arbeit‘ statt, andererseits bewertet unser Wirtschaftssystem Wissen unterschiedlich: Der/die IngenieurIn kann sich einer Anstellung nahezu sicher sein, während IndologInnen höchstwahrscheinlich sich von einer schlechtbezahlten und befristeten Stelle zur anderen hangeln müssen. Eine derartige Finanzierung der MultiplikatorInnen-Tätigkeit ist mit einem emanzipatorischen Bildungsbegriff unvereinbar. Deshalb ist das BGE interessant.

    Bei den KritikerInnen müssen wir wohl zunächst einmal Begriffsarbeit leisten: Was meint jemand, wenn er das Wort ‚Arbeit‘ benutzt? Der große Verdienst des BGE wäre ja gerade, diesen Begriff wieder über die Lohnarbeit hinaus auszudehnen. Aus meiner Sicht ist genau das immer der Wunde Punkt der meisten Kritiker: Die Idee der Lohnarbeit geht von einer Prämisse aus:

    (1) Alle gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten können mit einem Preis (= der Lohn) bemessen werden.

    Wichtig für die Akzeptanz der Lohnarbeit sind auch noch zwei weitere Thesen:

    (2) Mit dem so beschaffenen Arbeitsmarkt können prinzipiell alle die es wollen (und müssen) Arbeit finden – prinzipiell ist Vollbeschäftigung möglich.
    (3) Dieser Preis sichert das Auskommen der Arbeitenden.

    These (3) muss in einem Sozialstaat, der ein bestimmtes Gerechtigkeitsempfinden hat noch erweitert werden:

    (3a) Der Preis ist fair.
    (3b) Das Auskommen derjenigen, die nicht arbeiten können, wird über ein Umlagesystem ebenfalls gesichert.

    Alle diesen Thesen sind mehr oder weniger falsch: Bzgl. (1) habe ich das bereits mit der Bildung und dem aus ihr entstehenden Wissen deutlich gemacht. Auch die Existenz von Ehrenähmtern, Zivildienstleistenden, etc. deutet darauf hin, dass (1) falsch ist. Vollbeschäftigung (2) haben wir seit Ewigkeiten in Deutschland nicht mehr gesehen und weltweit ist sie mit großer Wahrscheinlichkeit unter kapitalistischen Bedingungen nicht zu realisieren, da Arbeit in der Kostenrechnung ein zu minimierender Faktor ist – der Kapitalismus ist aber genau das notwendige System, was Arbeit mit einem Preis versieht. Zu (3) kennen wir ausreichend Beispiele, die uns das Gegenteil zeigen, (3a) ist die Illusion einiger Gewerkschafter, die Elementare Regeln von Angebot und Nachfrage nicht kennen und (3b) geht nur so lange auf, wie sich die Grenze zwischen denen, die arbeiten können und denen, die es nicht können, so gezogen ist, das genügend Geld für den Staat abfällt, um es zu verteilen.
    Von Berufswünschen und Lohnvorstellungen ist in dieser Idee keine Rede – das disqualifiziert sie grundlegend als emanzipatorische Perspektive.

    Das BGE wird an den grundsätzlichen Mechanismen des Arbeitsmarktes wenig ändern, es zerstört aber nachhaltig die Akzeptanz von Lohnarbeit als einzig gesellschaftlich bezahlter Tätigkeit. Natürlich könnte man einwenden, dass es besser wäre, wenn die zahlreichen Tätigkeiten, die notwendig sind, aber nur von unbezahlten und/oder massiv unterbezahlten (1€-Jobs, Zivis, etc.) Kräften erledigt werden, in das System der Lohnarbeit integriert würden. Das halte ich allerdings für illusionär, wie die faire Umrechnung von Arbeit in Lohn eine Illusion ist.
    Aus einer geschlechtersensiblen Perspektive ist das erstmal zu begrüßen: Habe ich einen Rückhalt, kann ich selbstbewusster um eine Bezahlung kämpfen, die ich für angemessen halte, das schafft gerade in vielen, vornehmlich weiblich besetzen, aber gewerkschaftlich schlecht organisierten Bereichen das nötige Kampfpotenzial. Auch erhöht sich die ökonomische Unabhängigkeit massiv: Es gibt mit Sicherheit noch ausreichend Frauen, die ökonomisch von ihren Partnern abhängig sind, diese könnten mit dem BGE selbstbewusster ihre Interessen in ihren Beziehungen vertreten. Das BGE reicht zwar nach allen Vorschlägen nicht für ein Luxusleben, sehr wohl aber für eine durchschnittliche Wohnung, Lebensmittel, Kultur, etc.

    @Udo:
    Dein Kommentar ist alles andere als nachvollziehbar. Der Großteil deiner Argumente macht nur vor dem Hintergrund des momentanen Systems der Lohnarbeit Sinn. Das wäre auch die erste Frage, die ich an die von dir aufgeführten (aber nicht verlinkten) Studien: Welcher Arbeitsbegriff ist dort vorherrschend? Das BGE setzt ein anderes Verständnis von Arbeit voraus, das nicht mehr statisch in Arbeitszeit und Freizeit (welche wiederum in Ehrenämter und andere gesellschaftlich wertvolle Tätigkeiten und Entspannung/’Amusement‘ unterteilt ist). Zu diesem Anspruch gibt es zwei Möglichkeiten, sich zu verhalten: Entweder man ignoriert das und wirft den BGE-Befürwortern ökonomische Unkenntnis vor – das ist nicht nur flach, sondern auch kein guter Stil oder aber man macht den eigenen Arbeitsbegriff transparent und begründet ihn – angesichts der emanzipatorischen Defizite des etablierten Arbeitsverständnisses auch kein besonders glücklicher Ausweg.
    Zu den angebrachten Studien: Es ist doch vollkommen klar, dass viele, die wir momentan fragen würden, was sie machen würden, wenn sie jetzt ein BGE bekommen würden, angesichts des massiven Zwangs, den das momentane System mit sich bringt, erstmal antworten würde, dass sie sich zurücklehnen würden. Dafür brauche ich keine Statistik, um zu solchen Erkenntnissen zu kommen, das ist sonnenklar. Auf Dauer dürfte es für die meisten Menschen aber zwei Dinge unbefriedigend sein: 1. Ist das BGE nicht besonders umfangreich – wer sich was leisten können möchte, muss dafür arbeiten gehen. 2. dürfte es den meisten Menschen, mir inklusive, sehr schnell langweilig werden, 365 Tage im Jahr nur Amusement zu haben – sie werden dann zu Tätigkeiten übergehen, die vielleicht nicht unbedingt vorher bezahlt wurden, wohl aber gesellschaftlichen Mehrwert besitzen.

    In diesem Zusammenhang vollkommen irrelevant, es zäht nicht was man denkt wie die Menschen sind, sondern es zählt wie sie sind.

    *lach* Und du glaubst wirklich, dass deine Auffassung davon, ‚wie Menschen sind‘, nicht das ist, was man normalerweise ein ‚Menschenbild nennt? Bisher hat sich das Fenster zur objektiven Realität unseres Wesens noch für keinen Lebenden aufgetan….

    wenn ICH das mit meiner Arbeitsleistung und den darauf erhobenen ZWANGSABGABEN (keine Freiwilligkeit der Abgaben, niemand sagt ” ja wenn er damit glücklich wird keine Steuern zu zahlen”) finanzieren sollen. Das ist keine Welt die Menschen als gerecht ansehen.

    An dieser Stelle sollte man sich fragen, was einem lieber ist: Zwangsarbeit für alle oder eine Zwangsabgabe auf den Preis meiner Arbeit, der nur zustande gekommen ist, weil es so etwas wie einen Staat gibt, der den Arbeitsmarkt überhaupt erst ermöglicht. – Natürlich sind Steuern Zwangsmittel, aber sie sind mindestens dadurch gerechtfertigt, dass sie die Infrastruktur finanzieren, die so etwas wie Lohn und Eigentum überhaupt erst ermöglichen. Bzgl. des BGEs könnte man hier anmerken: Das BGE gewährleistet, dass es überhaupt einen funktionierenden Arbeitsmarkt gibt – wenn es einen Zwang gibt, ein Produkt anzubieten obwohl von dem Produkt ein Überangebot herrscht, drückt das den Preis. Wenn der Preis durch (staatlichen) Zwang gedrückt wird, ist das alles mögliche, bloß kein freier Markt.

    Zur Finanzierung und den wirtschaftlichen Folgen:
    Wichtig ist vor allem, dass man mit dem BGE massig Subventionen streichen kann. An dieser Stelle würde dann auch der IMO einzig legitime Kritikpunkt des BGE wirken: Die Preise für viele Sachen würden unwiderbringlich steigen. Beispiel: Die Krankenpflegerin mag beschließen, nur noch 30 Stunden, dafür aber deutlich besser bezahlt zu arbeiten. Wenn alles klargeht hat sie am Ende das BGE und einen Lohn (ob der steigt oder sinkt hängt von den verfügbaren KrankenpflegerInnen ab). Leider steigen ihre Lebenshaltungskosten aber in jedem Fall, da es unbeliebte Tätigkeiten gibt – mag der Job der Krankenschwester mit geringerer Arbeitsbelastung noch attraktiver werden, derjenige der ‚Entsorgungsfachkraft‘ (oder wie die richtige Bezeichnung für Müllmann/-frau auch sein mag), wird es wahrscheinlich nicht: Um die erforderlichen Leute dafür zu bekommen, muss der Arbeitspreis steigen und damit auch die Müllgebühren der Krankenpflegerin.
    Wie sich das im Detail auswirkt und ob das die emanzipatorischen Potenziale des BGE auffrisst, müsste mal jemand mit höherem ökonomischen Sachverstand herausfinden.

    Bzgl. der Geschlechtergerechtigkeit muss abschließend klar sein, dass das BGE vieles schafft, aber es verwirklicht doch nicht Geschlechtergerechtigkeit. Ich würde sagen, dass es die Möglichkeit bietet, eine Vorbedingung von jeglicher Gerechtigkeit zu schaffen: Verminderung von Zwang.

  24. @tinitus

    „wenn Menschen wirklich glauben, dass manche im Niedriglohnsektor es verdient haben mit 700 Euro nach ner 40 h Woche nach hause zu gehen und andere 50 000 verdient haben (durch harte, schwere Arbeit UNSERE LEISTUNGSTRÄGERINNNEN!!!), dann kann man auch hohe Steuern scheiße finden. doch vielleicht sollte über steuern auch das ausgeglichen werden, was es im kapitalismus an ungerechten entlohnungen gibt. bzw. gar keine entlohung für alle anderen Arbeiten jenseits der erwerbsarbeit. hm.“

    Sorry aber deine Antowort löst das Problem nicht. Ich habe extra geschrieben das du daran denken solltest das die bei weitem überwiegende Mehrheit keine Großgrundbesitzer sind.

    Ich stelle die Frage daher nochmal:

    WARUM SOLL DERJENIGE DER FREIWILLIG GEGEN GELD ARBEITET DIE ZWANGLOSIGKEIT ANDERER NICHTS ZU TUN ZWANGSFINANZIEREN?

    Du willst eine (vermeintliche) Ungerechtigkeit lösen, indem du eine andere Ungerechtigeit einführst.

    Im übrigen: Wenn dir Leute die (sehr) viel Geld (Leistungsträger) verdienen nicht in dieser Gesellschaft passen, kannst du sie ja auch des Landes verweisen oder ihr Gehalt begrenzen. Aber das würdest du dann doch nicht tun, denn auf ihre Errungenschaften verzichten möchtest du dann doch nicht, nur weniger kriegen sollen sie…Aber wenn die viel weniger als woanders kriegen, weil heftigste Umverteilung betrieben wird, und noch dazu alles teurer wird, ihr Lohn also weniger Wert ist, dann gehen die einfach, die können nämlich im Vergleich zu Geringqualifizierten überall hin.

    „und nochmal: wo soll die Arbeit herkommen? es gibt doch jetzt schon so viel verdeckte Arbeitslosigkeit, suventionierte Arbeit und auch noch die offizielle Arbeitslosigkeit. Von wegen Vollbeschäftigung für alle, soll die vom Himmel fallen?“

    Vollbeschäftigung ist immer noch möglich, warum das so ist, darauf antworte ich später.

    @Sven
    Ich antworte dir später ausführlicher.
    Nur schonmal vorab zum an die Allgemeinheit gerichteten Teil:

    „Klar: das Ganze ist nicht von heute auf morgen umsetzbar, auf allein nationaler Ebene so ziemlich undenkbar und erfordert wesentliches Umdenken bzgl. unseres Menschenbildes, unserer Leistungsgesellschaft und der mit ihr verbundenen Wertschätzung von Lohnarbeit.“

    Auf nationaler Ebene nicht umsetzbar (was nicht bedeutet das es international so wie gewünscht funktioniert), zumindest das siehst du ein, ist ja schonmal gut… Unser Menschenbild muss sich im übrigen nicht ändern, sondern die Menschen müssten sich ändern. Das dies so Eintritt ist reines Wunschdenken, und auf Wünschen und Hoffnungen basierend kann man nicht einfach so das ganze System verwerfen und Jahrzehnte des Rückschritts riskieren. Es ist im übrigen auch das was die meisten BGE Befürworter auszeichnet: Sie wissen nicht´was kommt, aber sie glauben ganz fest daran das es ganz toll ist.

    „1. Trifft das nicht auf alle StudentInnen zu: Geistes- und KulturwissenschaftlerInnen (wie meiner einer… ;)) werden in viel geringerem Umfang für ihre Mühen entschädigt, und das obwohl sie gesellschaftliche MultiplikatorInnen ihres Wissens sind.“

    Es gibt halt zu viele die genau das machen was du gerne machen willst. Du erhältst (unter der Prämisse des freien marktes) eine Entschädigung die streng genommen auch angemessen ist, denn sie drückt den Gesellschaftlichen Bedarf an zusätzlicher Arbeit deines Faches aus. Wenn du diesen Beruf trotzdem ausübst, dann ist dir halt deine Freude wichtiger als Geld, die Freude an der Arbeit ist dein Alternativlohn, Freude substituiert Geld. Ganz einfach und bis hierhin auch gerecht. Warum sollte man dir mehr zahlen wenn deine Arbeit gar nicht so stark benötigt wird, weil bereits genug sie ausführen?

    „Aus meiner Sicht ist genau das immer der Wunde Punkt der meisten Kritiker: Die Idee der Lohnarbeit geht von einer Prämisse aus:

    (1) Alle gesellschaftlich notwendigen Tätigkeiten können mit einem Preis (= der Lohn) bemessen werden. “

    Das ist der Fall. Welche Arbeit notwendig ist bestimmen aber die Nachfrager, nicht der Anbieter von Arbeitskraft.

    „(2) Mit dem so beschaffenen Arbeitsmarkt können prinzipiell alle die es wollen (und müssen) Arbeit finden – prinzipiell ist Vollbeschäftigung möglich.“

    Ist ebenfalls der Fall.

    „(3) Dieser Preis sichert das Auskommen der Arbeitenden.

    These (3) muss in einem Sozialstaat, der ein bestimmtes Gerechtigkeitsempfinden hat noch erweitert werden:

    (3a) Der Preis ist fair.“

    (3) ist so nicht korrekt, für die Akzeptanz ist nicht wichtig das DIESER Preis das auskommen sichert, sondern nur das das Auskommen gesichert ist.

    (3a) ist ebenfalls nicht korrekt, zumindest nicht unter der Prämisse was du als Fair betrachtest. „Fair“ muss nur das sein, was der Arbeitende am Ende des Monats übrig hat.

    „(3b) Das Auskommen derjenigen, die nicht arbeiten können, wird über ein Umlagesystem ebenfalls gesichert.“

    Ist der Fall, und selbst wenn dafür das Geld nicht mehgr da wäre, wäre das BGE keine Lösung, da es auch ein Umlageverfahren ist welches finanziert werden muss.

    Zu dem Teil der Antwort die an mich gerichtet ist, antworte ich später

  25. Ich sehe beim BGE u.A. folgende Gefahr: Der Grenznutzen für Arbeit sinkt, ich muss ja mit dem Lohn nicht mehr meinen Lebensunterhalt sichern. Warum soll ich nicht für 1 EU/std. arbeiten wenn ich nichts anderes finde, und ich nichts besseres zu tun habe? Man kann das ja schon bei Hartz4 beobachten, die MAE-Jobs wirken mitnichten als Sanktion, sie sind im Gegenteil heiß begehrt. Mit der Folge, daß Arbeitsplätze anderweitig abgebaut werden.
    Am Ende subventioniert der Staat einen Niedriglohnsektor, d.h. es findet eine Umverteilung von der Mitte (Steuerzahler) nach Oben (Kapitaleigner) statt.

    Das Geld ist viel sinnvoller in Bildung, Kinderbetreuung und Arbeitsmarktpolitik/Technologiepolitik investiert. Damit möglichst viele eine realistische Chance haben, einen anspruchsvollen und angemessen bezahlten Arbeitsplatz zu finden. Geschlechtergerechtigkeit schafft man nicht, indem statt des Alleinernährers nun der Patriarch Staat die reproduktionsarbeitende Hausfrau bezahlt.

    Sorry, eine Funktionärskaste der Kulturschaffenden mit garantiertem Einkommen brauchen wir nicht. Ich mache auch lieber Musik als Softwareprojekte.

  26. Udo:
    Der Hautgedanke, der mir kam, als ich deine Antwort gelesen habe (und anschließend noch mal den ersten Kommentar), ist, dass das BGE nun mal eine Idee ist, deren normativer Gehalt groß ist. Es geht um Gerechtigkeit, nicht um die Optimierung unseres Arbeitsmarktes. Wer nicht von Gerechtigkeit reden möchte, weil das grundsätzlich zu utopisch ist, der braucht das nicht zu tun – kann aber auch keine Aussagen über das BGE treffen. Ich schreibe das vor allem, weil ich diesen „… ist doch kein Wunschkonzert“-Ton mitlese, wenn der eine Fehlinterpretation ist, entschuldige ich mich. Sollte ich jedoch richtig liegen, frage ich mich ernsthaft, warum du auf einer Seite kommentierst, der es um Feminismus und damit um Geschlechtergerechtigkeit geht.

    Zu den einzelnen Punkten:

    Unser Menschenbild muss sich im übrigen nicht ändern, sondern die Menschen müssten sich ändern. Das dies so Eintritt ist reines Wunschdenken, und auf Wünschen und Hoffnungen basierend kann man nicht einfach so das ganze System verwerfen und Jahrzehnte des Rückschritts riskieren. Es ist im übrigen auch das was die meisten BGE Befürworter auszeichnet: Sie wissen nicht´was kommt, aber sie glauben ganz fest daran das es ganz toll ist.

    Da haben wir ja auch gleich die Stelle, die mich die obigen Zeilen verfassen ließ. Des Weiteren würde ich behaupten, dass Politik (im eigentlichen Sinne, nicht im momentan größtenteils praktizierten) ohne ‚Wunschdenken‘ nicht auskommt. Sonst haben wir keine Politik mehr, sondern nur noch mehr oder weniger dahingewählte Sachverwalter des Faktischen, wobei wir dann nicht mehr ‚Demokratie‘ oder ‚Republik‘ sprechen könnten. Ohne eine fruchtbare Utopie funktioniert das alles nicht.
    Abstufungen machen zu wollen, gilt an dieser Stelle nicht. Was ‚reines‘ Wunschdenken ist und was akzeptiertes Verbesserungspotenzial ist, bestimmt immer die herrschende Denke, die gerade mit dem ‚reinen Wunschdenken‘ hinterfragt werden soll. Letztendlich ist das nur ein billiger Ausschlussmechanismus ohne argumentative Grundlage.
    Zu dem Menschenbild bzw. was/wie Menschen sind, habe ich oben schon was geschrieben, aber ergänzend sei gesagt: Die einzigen, die legitime Aussagen über das Wesen/die Natur der Menschen machen dürfen, sind Religionen. Sie haben bloß mit dem Problem zu kämpfen, dass derartige Aussagen immer geglaubt werden müssen – sie gelten also immer nur die Anhänger einer Religion.

    Du erhältst (unter der Prämisse des freien marktes) eine Entschädigung die streng genommen auch angemessen ist, denn sie drückt den Gesellschaftlichen Bedarf an zusätzlicher Arbeit deines Faches aus.

    Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht Unsinn und resultiert daraus, wenn man gewissen ökonomischen ‚Fundamentalismen‘ Glauben schenkt: 1. Markt≠Bedürfnisse der Gesellschaft – die Idee würde höchstens in einer kapitalistischen Utopie aufgehen, in der alle Marktteilnehmer frei von Benachteiligungen am Markt wirken können. 2. Kannst du mir doch nicht im Ernst erzählen, dass du prinzipiell jede Tätigkeit für preislich quantifizierbar hältst – das widerlegst du schon durch dein Schreiben hier: Es ist unentgeltlich, aber doch von breitere Nutzen als zu unser beiden Freude: es ist von anderen lesbar und ist Teil des politischen Diskurses, ohne den eine demokratische Gesellschaft nicht auskommen kann, dennoch können wir die relevanten politischen Debatten ja nicht nur noch von bezahlten Kräften durchführen lassen – dann wäre es schlichtweg keine Demokratie mehr.

    Das ist der Fall. Welche Arbeit notwendig ist bestimmen aber die Nachfrager, nicht der Anbieter von Arbeitskraft.

    Du willst mir also ernsthaft erzählen, dass die zahlreichen, die mit ihren Tätigkeiten nicht ausreichend Geld zum Leben verdienen, keiner entsprechend nachgefragten Tätigkeit nachgehen? Zivis? 1€-Jobs? Ehrenamtliche Kräfte? Erweiternd könnte man von einer solchen Sicht aus schließen, dass Langzeitarbeitslose halt nutzlose Tätigkeiten gelernt haben. Klingt zynisch, ist es auch. Eine derartige ökonomische Reduktion der menschlichen Arbeit taugt nicht wirklich für politische Debatten.

    (3) ist so nicht korrekt, für die Akzeptanz ist nicht wichtig das DIESER Preis das auskommen sichert, sondern nur das das Auskommen gesichert ist.

    (3a) ist ebenfalls nicht korrekt, zumindest nicht unter der Prämisse was du als Fair betrachtest. “Fair” muss nur das sein, was der Arbeitende am Ende des Monats übrig hat.

    Schließe ich daraus korrekt, dass du der Ansicht bist, dass die momentane Aufstocker-Geschichte in Ordnung ist? Dabei handelt es sich auch um eine staatliche Umverteilung (sollte dem ökomischen Reduktionismus zufolge nicht eigentlich der Markt dafür sorgen, dass die Leute ein Auskommen haben) Außerdem habe ich damit herbe Probleme: Momentan definiert der Staat einfach, was ein Existenzminimum ist und zwar in Abhängigkeit von seiner Haushaltslage und der politischen Durchsetzbarkeit, unabhängig von Bedürfnissen, wie die Wohlfahrtsverbände angeben. Das Menschen auch eine kulturelle Existenz führen müssen, ist bei solchen Beträgen kein Thema.
    Es stimmt zwar, dass das BGE letztlich auch ein Betrag auf dem Konto ist, nur, dass den halt eben alle, bedarfsunabhängig bekommen. Allerdings muss man dagegen wenden, dass die meisten Vorschläge (das ‚Bürgergeld‘ der FDP ausgenommen) eine Höhe vorsehen, mit der eine (kulturelle) Existenz in Deutschland auch möglich ist. Ja, es gibt solche Vorschläge für bedarfsorientierte Modelle (z.B. die Grundsicherung der Grünen) und diese könnten dem BGE sicher einiges an Wind aus den Segeln nehmen, wenn es zumindest denkbare parlamentarische Mehrheiten für ihre Umsetzung geben würde – aber an das zentrale Problem, dass es eine große Anzahl von Tätigkeiten gibt, die wir nicht Angebot und Nachfrage überlassen können, wenn wir ein menschenwürdiges Leben (und dazu gehören halt eben auch Universitäten, die kritisches Denken, was auch über ökonomischen Reduktionismus hinausgeht, lehren) sichern wollen.

  27. Da ich den Polanyi wieder einmal nicht finden kann, obwohl er wichtig wäre, hier noch meine Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen ganz allgemeine, ohne Gender-Perspektive: Wie ich schon erwähnt habe, dürfte das bedingungslose Grundeinkommen den Wert der bezahlten Erwerbstätigkeit nicht nur schmälern, sondern sogar massiv reduzieren: Auch in der Fachliteratur zum Thema (Opaschowski u. a.) ist nichts explizites darüber vermerkt, wie sich die „Stillegungsprämie“, wie das bedingungslose Grundeinkommen von der SPD auch schon einmal genannt wurde, auf die bezahlte Erwerbstätigkeit auswirkt. Im allgemeinen ist lediglich von den Finanzierungsmöglichkeiten die Rede- nicht erwähnt wird der Umstand, dass ein staatlich garantiertes Grundeinkommen am Erwerbsmarkt zu ganz erheblichen Verwerfungen führen könnte. Schliesslich werden dann Mindestlöhne, Tariflöhne etc. völlig überflüssig: Der Lohn dient nicht mehr der Existenzsicherung, ergo wird er anders bemessen werden müssen: Wohin das im Zeitalter der Globalisierung führen dürfte (der Wettbewerb, der Wettbewerb!), ist absehbar: Sinkende Löhne- sie sinken real ja auch schon ohne Grundeinkommen, was werden sie denn erst tun, wenn es dieses einmal gibt? Ganz bestmmt nicht steigen!

    Ich sähe da langsam andere Möglichkeiten, den sinkenden Wert der Erwerbsarbeit wieder zu stärken- mit eventuell nachhaltigen Reallohnerhöhungen (nicht nominal, versteht sich). Doch das ist ja hier nicht das Thema.

    @Neeva: Vielen Dank für den Link, den Text lese ich mal durch!

  28. Hallo Sven,

    Dieser Punkt hier ist sehr wichtig:

    „Der Hautgedanke, der mir kam, als ich deine Antwort gelesen habe (und anschließend noch mal den ersten Kommentar), ist, dass das BGE nun mal eine Idee ist, deren normativer Gehalt groß ist. Es geht um Gerechtigkeit, nicht um die Optimierung unseres Arbeitsmarktes. Wer nicht von Gerechtigkeit reden möchte, weil das grundsätzlich zu utopisch ist, der braucht das nicht zu tun – kann aber auch keine Aussagen über das BGE treffen.“

    Ich weiß das es um Gerechtigkeit geht, das ich es nicht gerechter finde, weil Zwanglosigkeit der einen durch Zwangsabgaben der anderen finanziert wird, habe ich schon gesagt, aber lass uns meine Ansicht ob es noch es gerechter ist im Moment mal beiseite legen, wichtig ist bei der BGE Diskussion folgendes:

    Die meisten Befürworter des BGE behaupten das der gesamtgesellschaftliche Lebensstandard durch das BGE nicht sinkt, anschaulicher ausgedrückt: Der (inflationsbereinigte) Wert aller erzeugten Güter bleibt gleich, die Güter würden nur gerechter verteilt, ich habe schon mit genug Leuten diskutiert die sogar behaupten die Wirtschaft würde anfangen zu boomen… Das ist ökonomischer Schwachsinn, freundlich ausgedrückt.

    Wenn man sagen würde das BGE soll für mehr Verteilung sorgen, und man nimmt es bewusst in Kauf das der Lebensstandard (je nach Höhe) rapide sinkt, dann würde ich mich gar nicht darüber aufregen, genauso wie ich mich dann nicht mehr über Kommunisten aufregen würde, aber das ist halt nicht der Fall, die Anhänger behaupten zu 99% der gesamtgesellschaftliche Standard bliebe gleich oder steigt sogar…Und das macht mich dann wütend (deswegen ist mein Tonfall bei diesen Diskussionen auch manchmal nicht mehr so freundlich, möchte damit aber niemanden beleidigen ;)).

    „Da haben wir ja auch gleich die Stelle, die mich die obigen Zeilen verfassen ließ. Des Weiteren würde ich behaupten, dass Politik (im eigentlichen Sinne, nicht im momentan größtenteils praktizierten) ohne ‘Wunschdenken’ nicht auskommt. Sonst haben wir keine Politik mehr, sondern nur noch mehr oder weniger dahingewählte Sachverwalter des Faktischen, wobei wir dann nicht mehr ‘Demokratie’ oder ‘Republik’ sprechen könnten. Ohne eine fruchtbare Utopie funktioniert das alles nicht.“

    Politik käme gerade in Deutschland sehr gut ohne Wunschdenken aus, wir haben in Berlin viel zu viele Leute sitzen die über Themen entscheiden und Stimmung machen, von denen sie gar keine wissenschaftlich fundierte Ahnung haben. Schlimmer noch, es wird von den Träumern Stimmung gegen diejenigen gemacht die bestimmte Probleme ansprechen aufgrund wissenschaftlich fundierter Fakten, dadurch werden Probleme von Legislaturperiode zu Legislaturperiode verschoben. Und wenn wir mehr „Verwalter des Faktischen“ hätten, wäre das sehr wohl eine Demokratie, es wäre sogar mehr Demokratie als heute, denn das was die Menschen wollen würden diese Politker nämlich umsetzen, anstatt nur schwammige Versprechen abzugeben.

    Ohne wissenschaftliches Fundament rumfantasieren und Behauptungen aufstellen kann jeder, Lösungen finden die in der Realität auch das halten was sie versprechen, nur wenige.

    „Die einzigen, die legitime Aussagen über das Wesen/die Natur der Menschen machen dürfen, sind Religionen. Sie haben bloß mit dem Problem zu kämpfen, dass derartige Aussagen immer geglaubt werden müssen – sie gelten also immer nur die Anhänger einer Religion.“

    Ich wollte es ja nicht einbringen, das mit den Religionen, aber das ist genau das Bild was sich bei den meisten BGE Anhängern zeigt…Der feste GLAUBE, das alles so wird wie sie sich es vorstellen, nicht das wissenschaftlich überprüfbare Wissen.

    „Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht Unsinn und resultiert daraus, wenn man gewissen ökonomischen ‘Fundamentalismen’ Glauben schenkt: 1. Markt≠Bedürfnisse der Gesellschaft – die Idee würde höchstens in einer kapitalistischen Utopie aufgehen, in der alle Marktteilnehmer frei von Benachteiligungen am Markt wirken können.“

    Du hast Recht, die „reine Lehre“ setzt vorraus das alle Teilnehmer ohne Benachteiligungen am Markt teilnehmen, das dies nicht der Fall ist hat aber auch die Mehrheit der Ökonomen längst anerkannt. Das Problem ist folgendes: Du sagst der Markt befriedigt die Bedürfnisse nicht perfekt, das ist richtig, aber er befriedigt die Bedürfnisse immer noch besser als alles andere was uns zur Verfügung steht. Setzt man die Nachfragende funktion des Marktes ausser Kraft, bietet jeder das an wozu er gerade lustig ist, das dies noch weniger Zielführend ist, ist nachvollziehbar.

    „2. Kannst du mir doch nicht im Ernst erzählen, dass du prinzipiell jede Tätigkeit für preislich quantifizierbar hältst – das widerlegst du schon durch dein Schreiben hier:“

    Doch das tue ich, auch unsere Schreibarbeit hier ist preislich quantifizierbar. Und wenn wirklich niemand der 80 Millionen Menschen in diesem Land dazu bereit ist uns dafür zu bezahlen, (nichteinmal der Staat als Vertreter der Menschen, er unterhält z.B. hauptsächlich die philosophischen Fakultäten der Universitäten weil sie als wichtig erachtet werden, IN EINEM DEFINIERTEN Rahmen), dann wird dieser Arbeit gesellschaftlich kein entsprechender Preis beigemessen, weil sie auch ohne Bezahlung verrichtet wird. Das bedeutet nicht das die Tätigkeit absolut (den markt beiseite gelassen) wertlos ist, aber es bedeutet das sie scheinbar dem ausführenden so viel Freude bereitet, das er bereit ist auf MONETÄRE Bezahlung zu verzichten. Und deswegen bekommen beispielsweise Leute aus dem Bereich Kulturwissenschaften weniger Lohn als andere, und STRÖMEN trotzdem noch in diese Fächer. Sie sind bereit Lohn durch Freude zu substituieren (auszutauschen). SEHR WICHTIGER PUNKT.

    „Du willst mir also ernsthaft erzählen, dass die zahlreichen, die mit ihren Tätigkeiten nicht ausreichend Geld zum Leben verdienen, keiner entsprechend nachgefragten Tätigkeit nachgehen?“

    Ja das ist nüchtern betrachtet der Fall. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, wenn dieser unter dem durchschnitt für andere Tätigkeiten liegt, dann besteht ein anderes Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, es wird also (je nachdem wie man es betrachtet) zu wenig nachgefragt, oder zu viel Angeboten (wie die Frage ist das Glas halb voll oder halb leer?;-) ) um davon wie der Durchschnitt zu leben. Gäbe es nur noch sehr wenig geringqualifizierte, weil diese beispielsweise alle ein Studium abschliessen, würden die Löhne der höher qualifizierten sinken (weil mehr Angeboten wird), und die der geringqualifizierten steigen (weil weniger Angeboten wird).

    Da man aber das Ziel hat das jeder Mensch in Würde Leben kann, und nicht den freien Kräften des Marktes ausgesetzt ist, hat man sich als Konpromiss die soziale Marktwirtschaft überlegt, um ein maximum an Produktivität, bei gleichzeitiger Sicherung der Existenz des einzelnen zu gewährleisten.

    „Erweiternd könnte man von einer solchen Sicht aus schließen, dass Langzeitarbeitslose halt nutzlose Tätigkeiten gelernt haben. “

    Es geht nicht um nutzlos, es geht um „Zu selten nachgefragt/Zu oft angeboten“.

    „Klingt zynisch, ist es auch. Eine derartige ökonomische Reduktion der menschlichen Arbeit taugt nicht wirklich für politische Debatten.“

    Dann macht man es halt wie der Strauß, Kopf in den Sand. Die Realität zu verleugnen ist aber nicht sachlich Zielführend.

    „Schließe ich daraus korrekt, dass du der Ansicht bist, dass die momentane Aufstocker-Geschichte in Ordnung ist? Dabei handelt es sich auch um eine staatliche Umverteilung (sollte dem ökomischen Reduktionismus zufolge nicht eigentlich der Markt dafür sorgen, dass die Leute ein Auskommen haben)“

    Die momentane Aufstocker Praxis ist nicht nur in Ordnung, sondern notwendig. Arbeitslosigkeit existiert nur deshalb, da für Geringqualifizierte ein Lohn festgelegt wird, der überhalb des Marktgleichgewichts für diese Tätigkeiten liegt.

    Es ist nicht Aufgabe des Marktes jedem ein Leben zu ermöglichen das unseren Vorstellungen von Existenzminimum ermöglicht, Aufgabe des Marktes ist es die Befriedung von Bedürfnissen einzelner so effizient wie möglich zu ermöglichen. Diese Aufgabe erfüllt er auch. Das die Leute, also auch der schwächste Marktteilnehmer wie du es nennst „ein Auskommen“ hat, also sein Existenzminimum gesichert ist, DAS ist Aufgabe der sozialen Transfersysteme in einer SOZIALEN Marktwirtschaft.

    „Außerdem habe ich damit herbe Probleme: Momentan definiert der Staat einfach, was ein Existenzminimum ist und zwar in Abhängigkeit von seiner Haushaltslage und der politischen Durchsetzbarkeit, unabhängig von Bedürfnissen, wie die Wohlfahrtsverbände angeben.“

    Das liegt daran das die sozialen Transfersysteme auf Dauer finanzierbar gehalten werden müssen, diese Finanzierbarkeit ist immer noch nicht gewährleistet. Im übrigen werden selbstverständlich die Bedürfnisse berücksichtigt, auch kulturelle und auch gemäß dem Wohlstand des Landes, wir haben hier kein absolutes Existenzminimum und daher auch keine absolute Armut(wie z.B. in Teilen Afrikas), sondern ein relatives Existenzminimum, ein Minimum was sich am Durchschnittseinkommen und sozialen sowie kulturellen Bedürfnissen orientiert.

    „Allerdings muss man dagegen wenden, dass die meisten Vorschläge (das ‘Bürgergeld’ der FDP ausgenommen) eine Höhe vorsehen, mit der eine (kulturelle) Existenz in Deutschland auch möglich ist.“

    Kleine Anmerkung: Das Bürgergeld der FDP ist kein BGE.

    „aber an das zentrale Problem, dass es eine große Anzahl von Tätigkeiten gibt, die wir nicht Angebot und Nachfrage überlassen können, wenn wir ein menschenwürdiges Leben (und dazu gehören halt eben auch Universitäten, die kritisches Denken, was auch über ökonomischen Reduktionismus hinausgeht, lehren) sichern wollen.“

    Wie ich bereits oben kurz angekratzt habe: Die Gesellschaft legt fest in welchem Ausmaß bestimmte Tätigkeiten die nicht nur dem einzelnen sondern allen dienen VON IHR finanziert werden. Es wird jedes Jahr aufs neue festgelegt, wieviel Geld beispielsweise die philosophische Fakultät der Universität Berlin erhält, dieses Geld bzw die Fakultät wird dann unter anderem auf dem Arbeitsmarkt für Philosophen als „Nachfrage“ aktiv. Das Problem das manche Dinge die wünschenswert und nachhaltig sind nicht in ausreichendem Masse von Verbrauchern nachgefragt werden, wurde also erkannt und gelöst.

    Und wenn manche (nicht studierte Philosophen) Menschen der Meinung sind sie müssten ebenfalls ihren Beitrag zu philosophischen Themen leisten, obwohl das gesellschaftliche Budget dafür bereits erschöpft ist, so steht es ihnen vollkommen frei dies zu tun, nur Geld gibt es dafür keins (sondern Freude/Selbstverwirklichung, sofern sie es ohne Geld trotzdem tun).

    Ok, wollte ja eigentlich noch auf den letzten Teil deines vorletzten Beitrages antworten, aber das schaffe ich jetzt nicht mehr ;-)

    Falls dich das Thema „Marktwirtschaft“ bzw VWL allgemein näher interessiert, kann ich dir das Buch „Grundzüge der Volkswirtschaftslehre“ von Mankiw empfehlen, es ist wirklich anschaulich geschrieben, und auch für diejenigen prima geeignet, die keine VWL oder Wiwi allgemein studieren.

    Ich empfehle es vor allem deshalb jedem, da die Wirtschaftsform in der wir leben, und miteinhergehend ihr Verständnis, für alle Menschen von elemtarer Bedeutung ist. (Und auch deshalb weil jeder in Deutschland meint er wüsste wie es besser geht)…

    http://www.amazon.de/Grundz%C3%BCge-Volkswirtschaftslehre-Nicholas-Gr-Mankiw/dp/379102163X

  29. Ok lese das gerade, noch ganz kurz und knapp

    @Marcel

    „Wie ich schon erwähnt habe, dürfte das bedingungslose Grundeinkommen den Wert der bezahlten Erwerbstätigkeit nicht nur schmälern, sondern sogar massiv reduzieren:“

    „Schliesslich werden dann Mindestlöhne, Tariflöhne etc. völlig überflüssig: Der Lohn dient nicht mehr der Existenzsicherung, ergo wird er anders bemessen werden müssen: Wohin das im Zeitalter der Globalisierung führen dürfte (der Wettbewerb, der Wettbewerb!), ist absehbar: Sinkende Löhne- sie sinken real ja auch schon ohne Grundeinkommen, was werden sie denn erst tun, wenn es dieses einmal gibt? Ganz bestmmt nicht steigen!“

    Das ist nicht korrekt. Wenn die Grundbedürfnisse eines Menschen befriedigt sind, sinkt der Grenznutzen jeder weiteren Arbeitsstunde. Das bedeutet, das jede weitere Arbeitsstunde weniger „lohnend“ ist, und wenn sie weniger „lohnend“ ist, so muss der Lohn steigen, um die Person trotzdem zur Arbeit zu bewegen.

  30. @Udo:
    „Das ist nicht korrekt. Wenn die Grundbedürfnisse eines Menschen befriedigt sind, sinkt der Grenznutzen jeder weiteren Arbeitsstunde. Das bedeutet, das jede weitere Arbeitsstunde weniger “lohnend” ist, und wenn sie weniger “lohnend” ist, so muss der Lohn steigen, um die Person trotzdem zur Arbeit zu bewegen.“

    Gut, da habe ich vorhin wohl den Begriff „Grenznutzen“ falsch verwendet, ich meinte Sättigungseffekte bzgl. Freizeit.

    Deine Theorie ist aber durch das Beispiel der gerne 1-Euro-Jobbenden Hartz4 Empfänger gründlich widerlegt. Weiterhin müsste es ja deiner Theorie zufolge eine große Nachfrage nach Teilzeitjobs geben, jede Arbeitsstunde die über die Existenzsicherung hinaus geleistet wird müsste ja sukzessive höher vergütet werden. Was hielte Unternehmer davon ab, entsprechende Teilzeitangebote zu machen – Wenn er doch rein existenzsichernde Arbeitsstunden preiswerter einkaufen könnte?

    @Sven: Politik braucht Visionen, und nicht im luftleeren Raum gestrickte Utopien.

  31. @mat

    „Deine Theorie ist aber durch das Beispiel der gerne 1-Euro-Jobbenden Hartz4 Empfänger gründlich widerlegt.“

    Die Theorie bezieht sich auf den Durchschnitt aller Menschen, das es trotzdem Leute gibt die aus mannigfaltigen Gründen davon abweichen, ist immer so. Es gibt auch Leute die sich von Strafen nicht abschrecken lassen, trotzdem ist es im allgemeinen so das Strafen abschreckend auf potenzielle Straftäter wirken.

    „Weiterhin müsste es ja deiner Theorie zufolge eine große Nachfrage nach Teilzeitjobs geben, jede Arbeitsstunde die über die Existenzsicherung hinaus geleistet wird müsste ja sukzessive höher vergütet werden.“

    Es gibt in der Tat eine großes Angebot an Teilzeitjobs, momentan vor allem durch Frauen aber im Zuge der langsamen Auflösung von Rollenbildern auch immer mehr von Männern.

    „Was hielte Unternehmer davon ab, entsprechende Teilzeitangebote zu machen – Wenn er doch rein existenzsichernde Arbeitsstunden preiswerter einkaufen könnte?“

    Das Gesetz, Tarifverträge etc. In unserer sozialen Marktwirtschaft wird halt auch in den Markt eingegriffen, anstatt das Ergebnis des Marktes im Einzelfall sozial tragbar zu gestalten.

    http://www.rp-online.de/public/article/beruf/ratgeber/339863/Gleicher-Stundenlohn-fuer-Teilzeitkraefte.html

  32. PS: Ob Unternehmen mehr oder weniger Teilzeitstellen nachfragen hängt auch von vielen indirekten Faktoren ab, zum Beispiel neigt ein und der selbe Mitarbeiter bei Teilzeit dazu pro Stunde ein wenig mehr zu leisten als ein Vollzeit Mitarbeiter, bei bestimmten Berufen in bestimmten Hierarchieebenen. Beispiele wären hier Altenpfleger, Supermärkte, Baubranche, allgemein alles wo körperlich gearbeitet wird.

    Um mal einen kleinen Knicks Richtung Thema dieses Blogs zu machen:

    Um mehr Frauen in Führungspositionen zu bekommen müssten Mütter bereit sein (entsprechende Betreuungsmöglichkeiten vorrausgesetzt) nach der Geburt wieder Vollzeit in den Beruf einzusteigen.

    Es hat seine Gründe warum Führungspositionen nicht in Teilzeit nachgefragt werden (nochmal zur Sicherheit damit es keine Verwirrung gibt: Die Unternehmen fragen Arbeit nach, Arbeiter bieten an ;-) ). Teilzeitführungskräfte sind für das Unternehmen im allgemeinen weniger produktiv. Führungskräfte müssen Entscheidungen permanent treffen können, daher arbeiten die meisten auch mindestens 50 Stunden in der Woche.

    Einige mögen nun einwenden das man eine Führungsposition ja auch in zwei Teilzeitstellen teilen kann, das ist soweit richtig, aber ebenfalls für das Unternehmen teurer: 1. Wollen die wie erwähnt meist geregelte Arbeitszeiten, und das Stundengenau planbar, daher müssten manche Entscheidungen warten (kostet Geld). 2. Sind Führungskräfte individuell, treffen Entscheidungen unterschiedlich, daher kann es bei unterschiedlichen Meinungen zu Streit kommen, was Entscheidungen verzögert (kostet Geld) 3. Meetings mit allen Führungskräften eines Bereiches sind nicht mehr spontan möglich, weil die nicht da sind (kostet …) 4. Die Entscheidungsprämissen ändern sich jeden Tag aufs neue, eine einzelne Führungskraft muss sich nur einmal pro Tag einarbeiten (produziert in der Zeit nichts), zwei müssen es ingesamt zweimal tun und noch dazu auch noch schauen was der andere nun entschieden hat ( …… ….). 5. Gilt zwar für alle Teilzeitkräfte, ich erwähne es aber trotzdem mal: Arbeitnehmer Verwaltungskosten fallen pro Arbeitnehmer an, unabhängig von der Stundenzahl. Bei Teilzeit statt Vollzeit halt zweimal (… ….).

    Das der Arbeitnehmer ein wenig erfrischter ans Werk geht, kann diese Nachteile nicht ausgleichen. daher werden diese Stellen (bei vorgeschriebenem gleichen Lohn) in der Regel kaum nachgefragt, solange es genug Vollzeitkräfte gibt.

    PPS: Bevor es kommt: Ja es gibt Ausnahmen, zum Beispiel Ikea. Die machen das aber nicht weil diese Stellen bei gleicher Bezahlung wirklich gleich produktiv wären, sondern aus Image Gründen. Es kommt bei der Ikea Zielgruppe halt gut an.

    Fazit:
    Würden man mehr Teilzeitführungskräfte wollen, müsste also der Lohn in diesem Bereich sinken, um die zusätzlichen Kosten die dem Unternehmen entstehen auszugleichen. Dann würden die Unternehmen Teilzeitführungskräfte verstärkt nachfragen. Da dies politisch nicht gewollt ist, bleibts halt wie es ist, und man fordert einfach nur das die Unternehmen „der guten Sache wegen“ Geld im Wettbewerb verschenken (oder man ist sich gar nicht darüber im klaren das sie Geld verschenken würden).

  33. @Udo: Ich spreche nicht von einer Minderheit der Hartz4 Empfänger, sondern von der Mehrheit. Weiterhin wurde oben das Beispiel der Speenhamland-Gesetzgebung genannt. http://de.wikipedia.org/wiki/Speenhamland-Gesetz

    Staatliche Lohnsubventionen steigern nicht das Lohnniveau, sie senken es. Das BGE wirkt zwangsläufig wie eine Lohnsubvention, da nützt ein Mindestlohn auch nicht allzu viel. Der AN kann seine Arbeitskraft zu einem niedrigeren Preis als denjenigen anbieten, den er für die Aufrechterhaltung seiner Arbeitskraft benötigen würde.
    Einen ähnlichen Mechanismus hast Du bei unterbezahlten „Frauenberufen“ (z.B. Friseure). Ohne „Subvention“ durch einen gut verdienden Ehemann würde niemand zu den Löhnen arbeiten können, das Lohnniveau wäre entweder höher oder es gäbe einfach keine Friseure mehr.

    Der Mechanismus den du beschreibst kommt erst dann zum tragen, wenn der AN absolut gezwungen ist seine Arbeitskraft unter den Kosten der Aufrechterhaltung anzubieten. (Sozialdumping) Das kann aber nur mit massiver Staatsgewalt aufrecht erhalten werden.

    Das ist halt das Problem mit Euch Marktideologen: An irgendeinem Punkt ist plötzlich doch wieder der starke Staat gefordert.

  34. @Mat

    „Das ist halt das Problem mit Euch Marktideologen: An irgendeinem Punkt ist plötzlich doch wieder der starke Staat gefordert.“

    Ich spreche hier sachlich, ruhig und ohne Beleidigungen mit dir, selbiges erwarte ich auch von dir. Aber ich denke mal du hast es nicht so gemeint wie es sich liest.

    „Ich spreche nicht von einer Minderheit der Hartz4 Empfänger, sondern von der Mehrheit.“

    Ich weiß nicht wie der Mehrheit der Hartz4 Empfänger zu ein Euro Jobs steht, da ich hierzu keine Statistiken kenne, und auch nie finden konnte. Was ich von der Partei Die Linke und anderen „inoffiziellen“ Vertetern unter anderem dieser Gruppe höre ist eher Ablehnung bis Empörung. Ihre Nichtannahme wird im übrigen sanktioniert.

    Ich spreche noch nichteinmal von Hartz4 Empfängern, da diese nicht dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen müssen (das ist immer so wenn man eine gewisse Gruppe herauspickt). Man kann nicht von dem Verhalten einer ganz bestimmten Gruppe, sofern sie nicht durch Zufall und in repräsentativer Größe zusammengestellt wurd, auf alle schliessen. Ich spreche immer von der Bevölkerung als ganzes.

    „Weiterhin wurde oben das Beispiel der Speenhamland-Gesetzgebung genannt.“

    Einen Link auf diesen Artikel konnte ich in keinem der an mich gerichtetetn Beiträge sehen, vielleicht hast du den davor gebracht, haette ich ihn gesehen wäre ich darauf eingegangen.

    Du kannst die Situation in England um das Jahr 1795 nicht mit dem Europa des 21 Jahrhunderts vergleichen. Damals gab es keinen richtigen Markt für Arbeitsplätze wie wir ihn kennen. Arbeit wurde von wenigen Nachgefragt, Großgrundbesitzern die sich untereinander ABSPRECHEN konnten, einen Lohn per Zwang niedrig zu halten. Auch waren die Menschen damals kaum mobil (keine Autos, Umzug häufig mit Aufgabe beinahe SÄMTLICHEN Besitzes verbunden), der Arbeitsplatz musste quasi vor der Haustür sein, selbst wenn man gewusst haette das 100 oder 500km weiter der Lohn besser ist (Internet und Medien gab es auch nicht in der Form), haette man dort nicht einfach so hingekonnt.

    Wenn die 50 bedeutendsten Arbeitgeber in der erreichbaren Region sich also absprachen den Lohn zu senken, dann hatten die meisten Menschen gar keine Möglichkeit gehabt Alternativangebote zu nutzen. Die Prämissen auf denen ein freier Arbeitsmarkt beruht, waren bei weitem nicht so erfüllt wie heute.

    „Staatliche Lohnsubventionen steigern nicht das Lohnniveau, sie senken es. “

    Lohnsubventionen haben in einem FREIEN Arbeitsmarkt keine Lohnsenkende Wirkung. Sie wirken im Gegenteil eher Angebotsverknappend, was den Preis steigen lässt.

    Ausserdem ist das BGE keine Lohnsubvention, eine Lohnsubvention ist an die Aufnahme einer Tätigkeit geknüpft, das BGE kommt aber immer, insofern ist der Angebotsverknappende Effekt um einiges größer.

  35. „Ich weiß nicht wie der Mehrheit der Hartz4 Empfänger zu ein Euro Jobs steht, da ich hierzu keine Statistiken kenne, und auch nie finden konnte. Was ich von der Partei Die Linke und anderen “inoffiziellen” Vertetern unter anderem dieser Gruppe höre ist eher Ablehnung bis Empörung. Ihre Nichtannahme wird im übrigen sanktioniert.“

    Mal schauen, ob ich was finde. Ich erinnere mich an die Aussage einer ARGE-Miarbeiterin, die sehr oft mit dem Wunsch ihrer Klienten konfrontiert war, einen solchen MAE-Job zugewiesen zu bekommen. Die Linkspartei kann ich nicht ernstnehmen, und die anderweitige Kritik richtet sich gegen die Verzerrung des Arbeitsmarktes zuungunsten der AN, insbesondere die Verdrängung von regulär Beschäftigten durch MAEler.

    „Lohnsubventionen haben in einem FREIEN Arbeitsmarkt keine Lohnsenkende Wirkung. Sie wirken im Gegenteil eher Angebotsverknappend, was den Preis steigen lässt.“

    Was soll denn ein „Freier Arbeitsmarkt“ sein? Natürlich sprechen sich die wichtigsten AG ab, und betreiben Einfluß auf Politik und Wissenschaft. Das war doch schon immer so. Man kann beliebig spekulieren, wie ein freier Arbeitsmarkt wäre.

    Das DIW nennt als (mögliche) unerwünschte Effekte von Lohnsubventionen:

    – Mitnahmeeffekt: Arbeitsloser wird eingestellt, der auch
    ohne die Subvention eingestellt worden wäre.
    – Substitutionseffekt: Ein nicht-geförderter Arbeitnehmer
    wird durch einen geförderten AN ersetzt.
    – Verdrängungseffekte (zwischen Unternehmen): Wenn
    Unternehmen mit geförderten Beschäftigten gegenüber
    der Konkurrenz Marktanteile gewinnen.

    Alle drei Effekte senken das Lohnniveau.

    Das BGE wirkt als Lohnsubvention, da die „Gestehungskosten“ der Arbeit durch den Staat übernommen werden. Das Angebot wird nicht knapper, da die Meisten trotzdem versuchen würden etwas dazuzuverdienen. Sie können ihre Arbeitskraft aber preiswerter anbieten. Allenfalls die Nachfrage könnte steigen, da viele Arbeitsplätze sich nun wieder dank Staatshilfe lohnen.

    Wie gesagt, genau den Effekt hast Du auch bei den „Frauenberufen“. Das Lohnniveau ist dort deshalb so niedrig, weil die Mehrheit der dort Beschäftigten gar nicht auf einen unterhaltssichernden Lohn angewiesen ist.

  36. Das BGE wird nicht die Lösung für alles sein.
    Es wird uns aber allen gleichermassen – Frauen wie Männern – ein gute Grundlage schaffen um gesellschaftliche Veränderungen in den Rollenverteilungen zu erarbeiten.
    Die Fragen der Rollenverteilung, Familienarbeit etc sind für mich ein Thema, das unabhängig vom BGE gesellschaftlich wie persönlich weiter bearbeitet werden muss. Mit BGE allerdings fallen bisher bestehende Argumente für eine konventionelle Rollenverteilung zb bei der Kinderbetreung eher weg, da nicht mehr unbedingt der Mann mehr verdient als die Frau. Und falls doch ist es auch kein Hindernis. Es gibt auch dann noch eine echte Wahl, wer wann und wieviel zuhause bleibt. Die Ausrede dass der Mann unbedingt arbeiten gehen muss um das Geld für die Existenzsicherung zu bringen fällt weg. Teilen ist möglich.
    Natürlich muss diese Diskussions-Arbeit weiterhin geleistet werden, sie ist aber nicht mehr zu umgehen durch „Sachzwänge“

  37. @Udo: „Wenn die Grundbedürfnisse eines Menschen befriedigt sind, sinkt der Grenznutzen jeder weiteren Arbeitsstunde.“

    Ob wir mit dem ökonomischen Begriff des Grenznutzens weiter kommen, ist in diesem Zusammenhang fraglich. Abgesehen davon wäre noch die Frage zu klären, inwiefern der Markt überhaupt noch fähig ist, den richtigen Preis für Arbeit zu finden, wenn staatliche Interventionen wie sie das bedingungslose Grundeinkommen nun einmal darstellt, einsetzen. Ich denke, die Preisfindung- und die Anhänger der „freien“ Marktwirtschaft sind ja davon überzeigt, dass der Markt immer den richtigen Preis für ein x-beliebiges Produkt findet- sich unter diesem Aspekt ganz anders gestaltet. Und zwar zuungunsten der Lohnempfänger. Ich gehe davon aus, dass das Grundeinkommen von allem Anfang so niedrig ausfallen wird, wie nur möglich. Damit steigt auch die Motivation am unteren Rande der Qualifikations- und Lohnskala, trotz Grundeinkommens arbeiten zu gehen- soll ja auch so sein. Wenn ich von sinkenden Entgelten spreche, dann meine ich damit, dass alle Menschen sowohl ein Grundeinkommen beziehen, als auch arbeiten gehen müssen, um einigermassen über die Runden zu kommen. Nur aus dieser Wechselwirkung heraus behaupte ich, dass der Wert der bezahlten Erwerbstätigkeit aller Voraussicht nach sinken wird. Dass Menschen nur vom Grundeinkommen leben (könnten), davon gehe ich gar nicht erst aus.

  38. Wie beeinflusst ein existenssicherndes Grundeinkommen das Geschlechterverhältnis und die Lebensgestaltung von Frauen?

    1. Entscheidung für Kinder wird erleichtert!
    2. Förderung der Unabhängigkeit
    3. Ermöglichung von freiberuflicher Tätigkeit
    4. Nimmt den Druck auf Mütter mit kleinen Kindern bei Erwerbslosigkeit und Trennung/Scheidung
    5. Entlastet die Partnerschaft
    6. Schafft die Basis für gleichberechtigte Begegnung in Liebesbeziehungen
    7. Entlastet getrennte Paare mit Kindern
    8. Bringt Entspannung in die Situation Alleinerziehender
    9. Erleichtert die Entscheidung zur Pflege von Angehörigen
    10. Trägt der Arbeitsmarktsituation Rechnung
    11. Schafft langfristig gesellschaftliche Akzeptanz für persönliche Lebensgestaltungen

    Zu 1)
    Immer mehr Paare entscheiden sich gegen eigene Kinder, wobei wesentliche Gründe in der unsicheren Arbeitsmarktlage, als auch in den heutigen unsicheren Partnerschaftsgestaltungen liegen dürften. Die Perspektive, langfristige Unterhaltsleistungen erbringen zu müssen, schreckt viele Männer davon ab, sich für ein Kind zu entscheiden. Frauen mit Kinderwunsch stehen oft vor der Frage: begebe ich mich in die finanzielle Abhängigkeit eines Mannes oder eines Amtes mit allen daraus erwachsenden Konsequenzen der Unfreiheit. Auch Frauen, die schwanger werden, ohne eine feste Beziehung zu haben und/oder sich noch am Beginn ihres Berufslebens befinden, könnten sich mit BGE leichter für das Kind entscheiden. Bei prekär Beschäftigten (eine steigende Gruppe der Erwerbstätigen) und Menschen mit sporadischen Verdiensten (z.B. im künstlerischen Bereich oder bei Freiberuflern) wird die Kinderfage fast schon automatisch verneint, weil die Unsicherheiten zu groß sind. Die heutigen Gesetze zu Mutterschutz, Elterngeld und Arbeitsplatzgarantie etc. können von diesem Personenkreis nicht genutzt werden.

    Zu 2)
    Das jetzige System der sozialen Sicherung (Hartz IV) fördert die Abhängigkeit von Frauen, ist somit eine Rolle rückwärts im Kampf der Frauen für mehr Gleichberechtigung und Unabhängigkeit. In heutigen Zeiten der Partnerschaften auf Zeit entsteht dadurch ein hoher Druck für potentielle Beziehungspartner und das grundsätzlich gewünschte verbindliche Einlassen auf eine Partnerschaft wird manches Mal schon im Keim erstickt, wenn einer der Partner von Sozialleistungen abhängig ist. So verhindert man bereits die ersten Schritte in einer beginnenden Beziehung, wenn von vornherein feststeht, dass Derjenige, der Geld verdient, sofort zum Unterhalt des anderen herangezogen wird.

    Zu 3)
    Viele Lebensbiografien von Frauen zeichnen sich durch Brüche aus, die durch Zeiten von Kindererziehung, befristeten Beschäftigungsverhältnissen, Trennungen etc. geprägt sind. Das bedeutet, dass oft keinerlei Rücklagen gebildet werden konnten. Wenn diese Frauen nun versuchen, sich eine eigene Selbständigkeit aufzubauen, sind sie vom ersten Tag an gezwungen, von ihrer Tätigkeit zu leben, zumindest dann, wenn sie weder ein Finanzpolster noch einen gut verdienenden Ehemann vorweisen können. Ein ausreichendes Grundeinkommen könnte einen Gründungsboom auslösen, da es ein enormes Potential und viel Phantasie unter den Frauen gibt, das unter Existenzdruck und Ämterschikanen nicht wachsen kann.

    Zu 4)
    Mütter von kleinen Kindern stehen bei Erwerbslosigkeit und nach Trennungen und Scheidungen unter einem hohen finanziellen Druck, der oft dazu führt, dass sie in der Mühle zwischen Sozialbehörden und prekären Beschäftigungsmöglichkeiten (sofern denn „wenigstens diese“ vorhanden sind) zermahlen werden. Das führt in der Folge dazu, dass sie den Druck an ihre Kinder weitergeben (burnout-Syndrom der Mütter, Verhaltensauffälligkeit der Kinder etc.) und /oder schnell bereit sind, sich in fragwürdige Beziehungen zu begeben, um wenigstens den Existenzdruck zu minimieren. Die Leidtragenden sind in erster Linie die Kinder, aber auch die Mütter selbst.

    Zu 5)
    Ein existenzsicherndes Grundeinkommen entlastet die Partnerschaften und nimmt auch den Druck auf die Männer, die dem Anspruch, eine Familie ernähren zu müssen, oft nicht gewachsen sind. Auch weil sie selbst vielleicht gerade Sozialleistungen beziehen müssen oder sich in einem unsicheren und/oder befristeten Arbeitsverhältnis befinden. Wie aus zahlreichen Untersuchungen hervorgeht, ist das Thema Geld das größte Konfliktthema überhaupt in Partnerschaften. In nicht wenigen Fällen führen schwierige finanzielle Verhältnisse und der, aufgrund der Sozialisation und auch der kulturellen Prägungen als besonders extrem empfundene Druck auf die Männer auch zu Gewalt gegen Frauen und Kinder. Ein BGE würde zu mehr Entspannung innerhalb der Beziehungen beitragen, und damit vielleicht auch zu mehr Beständigkeit, da Entscheidungen füreinander in einer Atmosphäre der Freiheit getroffen werden können, und somit tragfähiger sind.

    Zu6)
    Das BGE schafft die Vorraussetzung zum Verzicht auf Rollenklischees und ermöglicht eine individuelle Gestaltung der Partnerschaft. Schon bei der Partnerwahl ist der Versorgungsdruck überflüssig und Männer können sich von ihrer oft vorhandenen starren und einengenden Identifikation über Beruf und Karriere befreien. Das führt auch innerhalb der Paarbeziehung zu mehr Verhaltensoptionen.

    Zu 7)
    Elternpaare, die sich trennen, können mit BGE entspannter miteinander umgehen, da das leidige Thema Geld nicht mehr so eine große Rolle spielt. Es ermöglicht ihnen so ein problemloseres Elternsein trotz Trennung. Besonders, wenn kleine Kinder zu betreuen sind, ermöglicht das Grundeinkommen einem oder beiden Partnern zeitweise auf den Beruf zu verzichten oder weniger zu arbeiten, um für die Kinder da sein zu können.

    Zu 8)
    Alleinerziehende beiderlei Geschlechts könnten sich ohne schlechtes Gewissen und allzu große finanzielle Sorgen selbst zeitweise um ihre Kinder kümmern, statt, wie heute so häufig, für einen Betreuungsplatz arbeiten zu gehen. Wobei sowohl der Betreuungsplatz (Stichwort Schließungen der Horte) als auch die Arbeit oft nicht optimal sind und zu Stress und Überforderung führen können.

    Zu 9)
    Unsere Bevölkerung wird immer älter. In der Angehörigenpflege sind überwiegend Frauen tätig. Manche verzichten für die Pflege der eigenen Mutter oder der Schwiegermutter auf ein eigenes Gehalt, wenn denn die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit grundsätzlich besteht. Frauen, die ALG II beziehen, werden von den Ämtern in Ein-Euro-Jobs gedrängt, obwohl sie viel lieber ihre Angehörigen pfegen würden. So muß die Mutter ins Seniorenheim und die Frau in den Ein-Euro-Job, anstatt der Frau die Möglichkeit zu geben, selbst für ihre Mutter da zu sein, wenn sie es denn möchte. Ist sie erwerbstätig und würde trotzdem gern mehr für ihre alten Eltern da sein, könnte sie mit dem BGE die Arbeitszeit reduzieren, um sich um die Eltern zu kümmern. Das Gleiche gilt natürlich auch für Männer.

    Zu 10)
    Insgesamt trägt das BGE sowohl der heutigen Arbeitsmarktsituation Rechnung, als auch den Lebensentwürfen der Menschen. Die frühere Versorgerehe ist genauso auf dem Rückmarsch wie lebenslange Partnerschaften und lebenslange Arbeitsstellen. Das Leben besonders in den Städten ist heute so vielfältig und bunt mit allen Unsicherheiten in Partnerschaft und Beruf, dass eine Grundversorgung Aller sowohl der gesellschaftlichen Stimmung als auch kulturellen Vielfalt und damit den Frauen und Männern und Kindern gut tun würde!

    Zu 11)
    Zeiten von freiwilliger oder unfreiwillliger Erwerbslosigkeit bzw. die Zeit zwischen zwei Jobs (bei Freiberuflern und Künstlern häufig) können zur Familiengründung genutzt werden, statt diese immer weiter hinauszuschieben, bis es nicht mehr möglich ist. Erwerbsbiografien sind zunehmend brüchig. Das BGE ermöglicht die Freiheit, die eigenen Prioritäten im Leben individuell zu setzen. Langfristig erhalten auf diese Weise die persönlichen Gewichtungen im Leben die Anerkennung, die sie verdienen. Die Abwechslung von Zeiten der Erwerbstätigkeit mit anderen Zeiten, die individuell genutzt werden können (z.B. zur Familienarbeit) wird normal und entgeht damit der Diffamierung.

    Quelle:
    http://bgekoeln.ning.com/group/infoszumgrundeinkommen/forum/topics/wie-beeinflusst-ein

  39. @Mat

    „Mal schauen, ob ich was finde. Ich erinnere mich an die Aussage einer ARGE-Miarbeiterin, die sehr oft mit dem Wunsch ihrer Klienten konfrontiert war, einen solchen MAE-Job zugewiesen zu bekommen.“

    Ja das wäre schön. Habe in der Zwischenzeit Umfrageergebnisse gefunden, ja der Überbringer der Nachricht ist nicht gerade seriös, aber die Daten stammen aus einer Umfrage des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung.

    Demnach lehnen 77% der Arbeitslosen eine schlechtere Bezahlung als im letzten Job ab. Das die einen 1 Euro Job freiwillig machen würden, ist für mich unwahrscheinlich. Auch die anderen Zahlen sind interessant.

    http://www.bild.de/BILD/news/wirtschaft/2008/02/05/hartz-iv/umziehen-arbeitslose.html

    „“Udo:Lohnsubventionen haben in einem FREIEN Arbeitsmarkt keine Lohnsenkende Wirkung. Sie wirken im Gegenteil eher Angebotsverknappend, was den Preis steigen lässt.“

    Mat: Was soll denn ein “Freier Arbeitsmarkt” sein?““

    Ein freier Arbeitsmarkt zeichnet sich im wesentlichen dadurch aus das der Preis für Arbeit sich aus Angebot und Nachfrage bildet, und nicht aus Wertvorstellungen wie der Preis denn sein sollte. Desweiteren besteht Informationstransparenz (der AN kennt seinen Wert, umgekehrt kennt der AG ihn auch), und die Möglichkeit zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln.

    Für soziale Sicherung sorgen bei denen die vom Marktlohn nicht angemessen (definitionssache der Gesellschaft) leben können, die Transfersysteme, die sich aus den Arbeitsergebnissen aller finanzieren. (Sind zwingender Bestandteil der SOZIALEN Marktwirtschaft, nicht der Marktwirtschaft selbst)

    Die Möglichkeit den Preis zu drücken besteht für die Nachfrager von Arbeit -die Arbeitgeber-, nicht. Das liegt daran das die Anzahl der Arbeitgeber sehr groß ist, und diese untereinander in Konkurrenz stehen. Die Arbeitgeber sind auf Arbeitnehmer angewiesen, zahlen einige der Arbeitgeber zu wenig, d.h. weniger als den Marktlohn, verlieren sie Mitarbeiter. Dafür das der faire Wettbewerb bestehen bleibt, selbst dann wenn an einigen Märkten nur noch wenige Nachfrager/Anbieter sind, sorgt das Kartellamt, welches unter anderem Preisabsprachen für den Güter als auch den Arbeitsmarkt nach Kräften unterbindet und bestraft. Auch Gewerkschaften die ebenfalls ein Kartell sind haben keine Lohnverhandlungskonpetenz mehr.

    „Das DIW nennt als (mögliche) unerwünschte Effekte von Lohnsubventionen:

    – Mitnahmeeffekt: Arbeitsloser wird eingestellt, der auch
    ohne die Subvention eingestellt worden wäre.
    – Substitutionseffekt: Ein nicht-geförderter Arbeitnehmer
    wird durch einen geförderten AN ersetzt.
    – Verdrängungseffekte (zwischen Unternehmen): Wenn
    Unternehmen mit geförderten Beschäftigten gegenüber
    der Konkurrenz Marktanteile gewinnen.

    Alle drei Effekte senken das Lohnniveau.“

    Du setzt wieder voraus das dass BGE mit einer AN ARBEIT GEKOPPELTEN Lohnsubvention in einem Arbeitsmarkt in dem die entsprechend geförderten Gruppen vor Einführung einen Lohn über dem Gleichgewichtspreis erhalten, vergleichbar ist.

    Das ist es aber nicht. Das BGE wirkt immer in vollem Masse, auch wenn jemand weniger arbeitet, die Aufstocker Subvention hingegen nicht, sie wirkt nur ganz leicht.

    „Das BGE wirkt als Lohnsubvention, da die “Gestehungskosten” der Arbeit durch den Staat übernommen werden. Das Angebot wird nicht knapper, da die Meisten trotzdem versuchen würden etwas dazuzuverdienen. Sie können ihre Arbeitskraft aber preiswerter anbieten.“

    Das stimmt wie gesagt nicht, und damit wir jetzt endlich aufhören können darüber zu diskutieren, kommen jetzt die Ergebnisse der Studie die ich bereits vorher erwähnt habe. Sie wurde in den USA in den vor zirka 30 Jahren mit tausenden Familien durchgeführt.

    Getestet wurde (unter anderem) ein bedingungsloses Grundeinkommen in Form der negativen Einkommensteuer. Die Studie ist richtig toll es findet ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Auszahlungshöhen (3800, 4000 und 5600 $ pro Jahr) bei insgesamt 5000 Familien statt.

    Fazit: Die Arbeitszeit reduziert sich sowohl bei verheirateten Männern als auch bei verheirateten Frauen, und zwar heftig, und umso stärker je mehr Geld gezahlt wird. Die Ehefrauen reduzieren ihre Arbeit zirka 2-3 mal stärker als die Ehemänner (je nach betrachtetem Jahr), und die Alleinerziehenden teilweise genauso stark wie die Ehemänner, und teilweise stärker.

    Das Angebot an Arbeitskraft sinkt, der Lohn steigt.

    http://aspe.hhs.gov/HSP/SIME-DIME83/report.htm#Results

    Das Frauenberufe schlechter bezahlt werden hat nichts mit der oft genannten These „sie bieten sich billiger an weil die Ehemänner sie finanzieren“, zu tun. Wenn du wissen willst wie das ökonomisch erklärbar ist, sag mir bescheid, muss jetzt erstmal aufhören zu schreiben ;-)

  40. Udo: „Das Frauenberufe schlechter bezahlt werden hat nichts mit der oft genannten These “sie bieten sich billiger an weil die Ehemänner sie finanzieren”, zu tun. Wenn du wissen willst wie das ökonomisch erklärbar ist, sag mir bescheid“

    Bescheid! (Bin zwar nicht Mat, würde es aber gerne wissen)

  41. „Demnach lehnen 77% der Arbeitslosen eine schlechtere Bezahlung als im letzten Job ab. Das die einen 1 Euro Job freiwillig machen würden, ist für mich unwahrscheinlich. Auch die anderen Zahlen sind interessant.“

    Es geht dabei um die Annahme eines neuen>/i> Jobs, und nicht um MAE-Jobs. Und zu der Quelle muss man nicht viel sagen. Natürlich wünschen sich Manche, daß massenweise Arbeitsnomaden durch die Republik ziehen, und dabei gerade genug für die nackte Existenz verdienen.

    „Dafür das der faire Wettbewerb bestehen bleibt, selbst dann wenn an einigen Märkten nur noch wenige Nachfrager/Anbieter sind, sorgt das Kartellamt, welches unter anderem Preisabsprachen für den Güter als auch den Arbeitsmarkt nach Kräften unterbindet und bestraft.“

    Das galt für den Arbeitsmarkt noch nie. Die Arbeiterschaft hat sich allerdings irgendwann auch das Koalitionrecht erkämpft. Fakt ist: Wir haben ein Überangebot von Arbeitskräften und eine internationale Konkurrenz, die massiv Sozialdumping betreibt. Man kann Arbeitskapazität nicht so stillegen wie ein unrentables Stahlwerk.

    „Das stimmt wie gesagt nicht, und damit wir jetzt endlich aufhören können darüber zu diskutieren, kommen jetzt die Ergebnisse der Studie die ich bereits vorher erwähnt habe. Sie wurde in den USA in den vor zirka 30 Jahren mit tausenden Familien durchgeführt.“

    Interessante Studie, danke. Sie sagt jedoch rein gar nichts über die Entwicklung des Lohnniveaus bei breiter Einführung eines BGEs oder bei der Einführung der von Milton Friedman geforderten negativen Einkommenssteuer aus.

    Interessant finde ich, daß diejenigen, die sich für die Erwirtschaftung des Familieneinkommens zuständig fühlen, bei einer Negativsteuer von 115% der Armutsgrenze ihre Arbeitszeit um lediglich max. ca. 15% reduzieren – Und dies in einem Land, das weder eine 40-Stundenwoche noch in nennenswertem Umfang Urlaubstage kennt.

  42. @Udo, @mat – Hochachtung für Eure Diskussion auf hohem Niveau! Eine Grundfrage aber finde ich in all dem unbeantwortet:

    Wie lösen wir den Widerspruch, dass einerseits die Wirtschaftstätigkeit und Technikentwicklung durch Rationalisierung die notwendige menschliche Arbeitsleistung laufend reduzieren, andererseits aber Vollbeschäftigung erreicht werden soll?

    Das ist m.E. ein Zielkonflikt, solange man Arbeit nur mit existentiell notwendiger Arbeitsleistung gleichsetzt (wie das hier geschieht). Eine entwickelte Gesellschaft zeichnet sich doch gerade dadurch aus, dass sie neben ihrem existentiellen Erhalt auch eine Kultur und eine Entwicklung ermöglicht, an der nicht nur eine Elite, sondern alle teilhaben können.

    Versteht man aber Kultur und Entwicklung als Teil der Arbeit die jedeR leisten soll, muss man den dazu notwendigen Freiraum auch schaffen. Das BGE vertritt an dieser Stelle die These, dass der Markt die notwendige kulturelle Entwicklung (der Einzelnen und der Gesellschaft) *nicht* organisieren kann. Ich finde den Gedanken schlüssig, denn für wirklich Neues kann es ja schon theoretisch keine Nachfrage geben, weil es eben neu ist.

    Ohne genauere Auseinandersetzung mit diesem Punkt empfinde ich die Diskussion um ein BGE als etwas im luftleeren Raum stehend.

  43. @luz: Es geht ja erstmal darum, ob das BGE überhaupt möglich ist und welche Folgen es haben könnte.

    Es gibt leider einen immer größeren Teil der Bevölkerung, der abgehängt ist. Sicher, das BGE würde diesem Teil theorethisch mehr Teilnahme ermöglichen, aber Arbeit zur Existenzsicherung ist und bleibt wichiger Teil des Lebens. Studien haben gezeigt, daß jegliches Interesse für irgendwas verkümmert, wenn Menschen bedingunslos alimentiert werden. Selbstgestellte Aufgaben bringen nicht viel, da kaum Feedback bzw. keine Bewertung der Gesellschaft stattfindet. Sicher, einige wenige schaffen es, z.B. durch soziales Engagement sich selbst eine sinnvolle Beschäftigung zu schaffen.

    Die Lösung wäre für mich ein Mittelmaß: Anspruchsvolle Teilzeitarbeit für Alle (Viele).

  44. @ Mat: worauf willst du denn hinaus, wenn du The Feminine Mystique als Lektuere vorschlaegst?

    Meines Erachtens waren die relativ priviligierten Hausfrauen, von denen Friedan in ihrem Klassiker berichtet, frustriert, weil ihre Arbeit von dem unmittelbaren Umfeld nicht anerkannt wurde und/oder sie in unterdrueckenden Eheverhaeltnissen gefangen waren, bei der eine Scheidung oftmals zur oekonomischen Praekarisierung gefuehrt haette; bedingungslos alimentiert waren sie sicherlich nicht, denn sie haben den gesamten Haushalt, Erziehung der Kinder und eine Menge sozialer und kultureller Arbeiten uebernommen, die sie teilweise mit viel Engagement erledigt haben – nicht die Arbeit selbst ist immer das Problem, sondern deren Anerkennung, die sich im Kapitalismus oft in Form von finanzieller Alimentierung auszeichnet. Diese Hausfrauen haetten mit einem bedingungslosen Grundeinkommen wohl kaum die gleichen Aengste gehabt und sich von ihrer Abhaengigkeit befreien koennen.

    Und „Arbeit zur Existenzsicherung“ ist ja momentan nur deshalb ein so wichtiger Teil des Lebens, weil bei Nicht-Arbeit in der Tat Armut erfolgt. Das BGE wuerde dem ja entgegensteuern, da es anerkennt, das jede/r wohl einen Teil zur Gesellschaft beitragen kann und dies wiederum mit einem existenssichernden Einkommen entloehnt. Das die Interessen von Menschen verkuemmern kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen -jede/r hat doch das Interesse, tolle Kinder zu erziehen, einen schoenen Park zu haben oder mehr als zwei Kaesesorten auf dem Tisch zu haben. Und jene Arbeiten, die von allen ungern gemacht werden – Muellabfuhr ist das klassische Beispiel – werden dann endlich mal anstaendig bezahlt, so dass sich dafuer jene finden, die Extra Geld haben moechten.

    Jene Studien zur Verkuemmerung jeglichen Interesses wuerde ich gerne mal lesen – gibt’s da Links?

  45. @Magda: Ich sagte ja: Vielleicht wäre Friedan interessant. Ich habe es nicht gelesen, aber soweit ich weiß ging es auch darum, daß Hausarbeit infolge der Technisierung immer anspruchsloser geworden ist und deshalb sowohl die Herausforderung als auch die Anerkennung abgenommen hat. (Sie selber hat aber nie das Leben geführt, das sie beschrieben hat)

    Daß ein BGE plötzlich zufriedene Hausfauen schafft wage ich zu bezweifeln, ansonsten wäre das ja ein wunderbares Mittel um die Überkapazität auf dem Arbeitsmarkt abzubauen. (schlagt mich, zurecht!)

    Ich denke, die beiden Punkte sind Herausforderung und Erfolgserlebnis, wobei das Erfolgserlebnis natürlich auch in Anerkennung/Feedback von Kindern etc. bestehen kann. (Es ist sehr befriedigend, anderen Menschen zu helfen) Eine individuelle Anerkennung (Erfolgserlebnis) ergibt sich aber nicht aus einem bedingungslos gezahltem Einkommen – Es ist ja eigentlich egal wie ich mich verhalte, ich bekomme es sowieso. Wenn man so will, wird die Arbeit der Hausfrau jetzt schon matriell dadurch anerkannt (vergütet), daß sie den Kindesvater / Ehemann / Exmann für Unterhalt in Anspruch nehmen kann, und das schon realtiv bedingungslos. Verkümmern wird die Hausfrau natürlich nicht in dem Maße wie ein arbeitsloser Mann, sie hat ja immer noch eine gesellschaftlich anerkannte Aufgabe. Daß diese Aufgabe alleine nicht sonderlich befriedigend ist glaube ich gerne, aber da hapert es doch eher an der Herausforderung als an der Anerkennung.

    Ich dachte es sei Allgemeingut, daß Menschen verkümmern wenn sie keine Aufgabe haben. Mir fällt spontan die klassische Studie in einer österreichischen Kleinstadt ein, in die sich Soziologen einquartiert haben als der Hauptarbeitgeber pleite ging.
    http://agso.uni-graz.at/marienthal/studie/studie0.htm
    Aus einer lebendigen Kleinstadt mit regem kulturellem Leben wurde eine Tote, in der sogar die Fußgänger sich nur noch mit halber Geschwindigkeit bewegt haben. Zeitungen wurden nicht mehr gekauft (was nicht am Geld lag), einzige Beschäftigung und Thema der Menschen war nur noch Einkaufen und Frensehen. Selbst bei Zootieren ist dieser Effekt festellbar, weshalb man sie mittlerweile nicht mehr einfach füttert, sondern dafür sorgt daß sie den ganzen Tag zu tun haben, um ans Futter heranzukommen. Die Tiere sind dadurch wesentlich ausgeglichener und gesünder.

  46. (Die Frage ist, inwieweit einem Mann die klassiche Rolle der Mutter überhaupt zugestanden wird, insofern spreche ich nur von „Hausfrau“)

  47. Apropos: Die Studie, die Udo oben verlinkt hat scheint die Befürchtung zu bestätigen, daß sich die geschlechtsspezifische Segration von Produktions- und Reproduktionsarbeit verstärkt. Frauen haben ja in weit höherem Maße ihre (Produktions-)Arbeitszeit reduziert.

  48. @mat: Danke für die Antwort.

    Es gibt leider einen immer größeren Teil der Bevölkerung, der abgehängt ist.

    Genau das ist das Problem. Das kann sich aber keine Gesellschaft längerfristige leisten!

    Sicher, das BGE würde diesem Teil theorethisch mehr Teilnahme ermöglichen, aber Arbeit zur Existenzsicherung ist und bleibt wichiger Teil des Lebens. Studien haben gezeigt, daß jegliches Interesse für irgendwas verkümmert, wenn Menschen bedingunslos alimentiert werden.

    Nur wenn die Alimentierung so hoch ist, dass sie auch eine Flucht in den Konsum und die vollständige Betäubung bezahlen kann, und das dann „gesicherte Existenz“ genannt wird.

    Ich meine, man sollte „Arbeit zur Existenzsicherung“ umfassender verstehen. Ja, es ist wichtig, dass Menschen einen Willen haben, für Ihre und anderer Menschen Existenz zu sorgen. Doch menschliche Existenz umfasst auch Geborgenheit, Zuwendung, Entfaltungsmöglichkeit und Anerkennung durch die Umgebung. Dafür Zeit zu verwenden, ist genauso „Arbeit zur Existenzsicherung“ (der Gesellschaft), wie das Essen zu produzieren. Aber eine materielle Bewertung dieser Tätigkeiten ist unmöglich, bzw. der Versuch das zu tun pervertiert sie. Vertrauen, Zuneigung, Hoffnung kann man nur schenken, nicht kaufen. Dennoch kosten sie Zeit.

    Die Frage ist also nicht, ob jemand für sein Essen arbeitet oder nicht. Die Frage ist, wie man es erreicht, dass sich die Menschen für die Gesellschaft interessieren, und dazu beitragen. Das wiederum tun sie nur dann, wenn sich die Gesellschaft für das Potential des Einzelnen auch interessiert.

    Das System der entlöhnten Arbeit tut das aber ausschliesslich auf der materiellen Ebene. Was sich nicht ökonomisieren lässt, nicht „rentiert“, bekommt hingegen keine Anerkennung. Wäre nun jeder Mensch schön halbe-halbe zu materiellen, bezifferbaren und andererseits nicht-ökonomisierbaren Tätigkeiten fähig, wäre das kein Problem. Das ist aber überhaupt nicht so, und deshalb kommen Menschen mit wenig ökonomisierbaren Fähigkeiten unter Druck, auch wenn sie anderen Gebieten viel Unverzichtbares für die Gesellschaft leisten.

    Das BGE anerkennt, dass eine Gesellschaft Beiträge braucht, die unter ökonomischem Druck nicht entstehen können, und investiert einen gewissen Betrag in dieses Potential jedes und jeder Einzelnen. Dass ein Teil der Menschen dieses Investment verschleudern werden, ist so klar wie die Tatsache, dass bei Startup-Firmen-Finanzierungen die Investition in 9 von 10 Fällen verloren geht. Dennoch, ohne diesen Vorschuss gäbe es keinerlei Entwicklung.
    Die Gesamtgesellschaft unterscheidet sich von einem Venture Capitalist nur darin, dass letzterer nicht ökonomisierte Folgen seines Tuns externalisieren kann, während die Gesellschaft als letzte Instanz auf dem Gesamtresultat sitzen bleibt, und deshalb die Rendite *nicht* als Messgrösse heranziehen kann.

    Selbstgestellte Aufgaben bringen nicht viel, da kaum Feedback bzw. keine Bewertung der Gesellschaft stattfindet. Sicher, einige wenige schaffen es, z.B. durch soziales Engagement sich selbst eine sinnvolle Beschäftigung zu schaffen.

    Völlig einverstanden – das Feedback ist essentiell. Aber ich sehe überhaupt nicht, weshalb durch eine verringerte Gewichtung (nicht Weglassen!) des finanziellen Erfolgs im Feedback plötzlich „keine Bewertung der Gesellschaft“ mehr stattfinden soll. Im Gegenteil, vielleicht geht es damit einigen auf, dass es nicht reicht, reich, aber rücksichtslos zu sein. Dann nämlich, wenn andere Menschen diesen Feedback geben können, ohne die Existenzgrundlage zu verlieren.

    Ein BGE repräsentiert ein Grundvertrauen der Gesellschaft in die Einzelnen. Wie in der Erziehung ist das absolut notwendig als Basis, aber natürlich nicht hinreichend. Es braucht auch Verhaltensregeln, Anreize und Strafen. Und vieles mehr. Aber ohne Grundvertrauen funktioniert das alles nicht.

  49. @mat – nochmals eine Replik:

    Ich denke, die beiden Punkte sind Herausforderung und Erfolgserlebnis, wobei das Erfolgserlebnis natürlich auch in Anerkennung/Feedback von Kindern etc. bestehen kann. (Es ist sehr befriedigend, anderen Menschen zu helfen) Eine individuelle Anerkennung (Erfolgserlebnis) ergibt sich aber nicht aus einem bedingungslos gezahltem Einkommen

    Nein, aber ein BGE begünstigt es, unentgeltlich anderen zu helfen, Zeit zu schenken. Und schafft indirekt m.E. mehr individuelle Anerkennung als das Erfolgserlebnis, den Kontostand steigen zu sehen.

  50. Wie und wer würde dafür sorgen, dass die Löhne (bezahlte Erwerbsarbeit) im Zuge des BGE nicht einfach (weiter) sinken, da sie nicht mehr nach der Existenzsicherung ausgerichtet werden müssen?

    Was mir am ganzen BGE missfällt ist der Umstand, dass hier an einem für die Binnennachfrage elementaren Bestandteil einfach herumgewerkelt wird- ohne dabei die Auswirkungen auf gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu diskutieren.

    Ich finde das eigentlich schon noch elementar- schliesslich machen die Löhne aus abhängiger Beschäftigung z. B. in der Schweiz über 60 Prozent aller Einkommen aus! In der Bundesrepublik dürfte das nicht anders sein.

    Oder kann man an einem einzelnen Rad eines so komplizierten Räderwerks wie einer Binnenwirtschaft einfach sorglos herumbasteln?

    Löhne / Einkommen sind doch kein isolierter Faktor in einer Volkswirtschaft!

  51. @mat:

    die studie gucke ich mir mal in ruhe an – obwohl ich bei studien auch immer vorsichtig waere – wir reden ja nun einmal von Menschen und zu jeder Studie gibt’s bekanntlich auch Gegenstudien, wie z.B. diese von einem eingefuehrten BGE in Namibia, welches als Pilotprojekt sehr erfolgreich gewesen sein soll http://www.reformiert-info.de/3488-0-57-8.html

    ps: Deine Info zu Friedan ist nicht ganz richtig: Sie hat in der Tat das Leben gelebt, welches sie so eingaengig beschreibt. sie hat zwar (wie die meisten Hausfrauen dieser Zeit) studiert, aber war dann jahrelang Hausfrau und Mutter und erst durch ihr Buch und das Engagement in NOW erwerbstaetig.

  52. @luz:
    „Genau das ist das Problem. Das kann sich aber keine Gesellschaft längerfristige leisten!“

    Unterschrieben.

    „Nur wenn die Alimentierung so hoch ist, dass sie auch eine Flucht in den Konsum und die vollständige Betäubung bezahlen kann, und das dann “gesicherte Existenz” genannt wird.“

    Sicher, auch das Leben vieler „gesicherten Existenzen“ bietet wenig Anregung, läßt vieles verkümmern. Aber die Situation Arbeitsloser ist doch eine ganz andere, das Finanzielle ist dabei nur ein Aspekt. Arbeit bedeutet soziale Kontakte, ist Herausforderung und bringt Erfolgserlebnisse und Anerkennung – Nicht nur monetär, da sind die Kollegen, die die Mitarbeit schätzen und der Chef, der gute Arbeit zu schätzen weiß, die Kunden, die sich über eine gute Auftragsabwicklung freuen, die Auszublidenden, die sich über gute Betreuung freuen..
    Alles Menschen, die einem direkt das Gefühl geben: „Du wirst gebraucht“

    Fakt ist, daß längere Arbeitlosigkeit zu sozialer Isolation, Depressionen und körperlichen Symptomen führt. Dem Mensch ist erstmal die Möglichkeit genommen, durch Handeln sein Leben irgendwie zu beeinflußen. Lies Psychologiebücher, dann weißt Du was das bedeutet.

    Ich sage ja, einige Wenige schaffen es, sich Alternativen zu schaffen, z.B. durch soziales Engagement. Es gibt aber dafür keine Strukturen, die muss der Arbeitslose aus dem Nichts schaffen. (Wer das hinkriegen kann, wird meistens gar nicht erst arbeitslos, Sozialarbeiter schaffen das oft nicht einmal mit Bugets die in die Hunderttausende gehen)

    Am schlimmsten ist, daß Arbeitslosigkeit auf die nächste Generation überträgt, die Kinder – insbesondere die Jungen – übernehmen die Hoffnungslosigkeit. Sorry, mit ein paar Kröten mehr ist daran rein gar nichts geändert. Das Geld wird an anderer Stelle viel dringender benötigt, auch wenn eine Aufstockung der ALGII Sätze dringend geboten wäre.

    Wie die Strukturen plötzlich entstehen sollen, innerhalb der sich die BGE – Empfänger sozial engagieren sollen ist mir nicht klar. Am Ende läuft das Ganze auf eine Herdprämie hinaus.

    @Marcel: Nichts genaues weiß man nicht, richtig.

  53. @Magda: Naja, sie war schon in den 1940ern im höchstem Maße politisch engagiert, hatte Kontakte in die ganze Welt. Nicht gerade ein Hausmütterchen, isoliert in einer ticky-tacky-box in einem suburb.

  54. @Magda: Klar, die hundert Namibia-Dollar dort beseitigen erstmal die größten Probleme. Das schafft Zuversicht, sodaß die Menschen wieder Aktiv werden. Ob das so übertragbar ist?

  55. @Mat

    das ist wohl immer so die frage ;-) das gleiche gilt wohl fuer alle studien, weil sie doch ja immer begrenzte fallstudien darstellen.

    auf der anderen seite ist das namibische dorf so richtig aufgeblueht, als keine/r mehr angst vor armut haben musste – das gleiche koennte auch vielen hier in deutschland (oder weiter gefasst europa) passieren, die momentan noch in prekaeren verhaeltnissen leben (und ehe wir darueber eine nebendiskussion beginnen: ich finde, dass armut relativ und nicht absolut gemessen werden sollte)

  56. @Mat

    „Das galt für den Arbeitsmarkt noch nie.“
    (das Kartellämter ihn überwachen)
    Das galt für den Arbeitsmarkt nicht, da es auch für den Gütermarkt nicht galt. Und als die Gewerkschaften aufkamen, (zu der Zeit wurden auch Kartellämter geschaffen) war es auch gar nicht mehr nötig. Ich habe davon gesprochen wie es in einem freien Markt sein müsste (nicht wie es jetzt ist -zumindest in Deutschland-), um Arbeitnehmer derjenigen Berufe zu schützen, wo es nur eine geringe Anzahl Nachfrager gibt (z.B. Raffineriefacharbeiter, Lokführer), da man den Gewerkschaften Lohnverhandlungskompetenz entziehen müsste, müsste man gleichzeitig die Überwachung von Monopolen für bestimmte Berufe durch die Wettbewerbsbehörden auf den Arbeitsmarkt ausdehnen, da für diese Berufe Angebot und Nachfrage nicht zwangsläufig funktionieren.

    „Die Arbeiterschaft hat sich allerdings irgendwann auch das Koalitionrecht erkämpft.“

    Sicher, das war damals auch notwendig.

    “ Fakt ist: Wir haben ein Überangebot von Arbeitskräften und eine internationale Konkurrenz, die massiv Sozialdumping betreibt. Man kann Arbeitskapazität nicht so stillegen wie ein unrentables Stahlwerk. “

    Schade, die Diskussion geht in eine Richtung die ich von anderen Diskussionen kenne…es geht nach einiger Zeit wieder von vorne los. Ich möchte nicht mehr wiederholen warum dieses Überangebot besteht.

    „Interessante Studie, danke. Sie sagt jedoch rein gar nichts über die Entwicklung des Lohnniveaus bei breiter Einführung eines BGEs oder bei der Einführung der von Milton Friedman geforderten negativen Einkommenssteuer aus. “

    Die Studie simuliert eine negative Einkommensteuer ohne Arbeitspflicht, und die Studie zeigt das sich die Arbeitszeit deutlich verringert, bei Frauen stärker als bei Männern.

    In einem Arbeitsmarkt wie in Deutschland wo die Löhne für die potenziellen Empfänger dieser negativen Einkommensteuer meist über dem Gleichgewichtspreis liegen (teilweise aber auch darunter), wären die Auswirkungen auf die Lohnhöhe in diesen Bereichen nicht so stark. Die Arbeitslosigkeit unter geringqualifizierten würde sich größtenteils einfach verringern, die Steigerungen wären vertretbar. Es ist allerdings nichts anderes als verstärkte soziale Umverteilung welche finanziert werden muss, kein Zaubermittel (darf man nicht vergessen, sonst hört es sich zu schön an ;-) )

    In einem freien Arbeitsmarkt (dort gibt es keinen Angebotsüberhang/keine Arbeitslosigkeit) würden sich der Preis von Arbeit bei niedrigqualifizierten stark erhöhen, da der Rückgang nicht durch die Einstellung Arbeitsloser ausgeglichen werden kann.

    Die Studie zeigt desweiteren das die Arbeitszeit sich umso stärker verringert, je länger die Förderungsdauer festgesetzt wird. Wird es „auf ewig“ angekündigt, würde der Rückgang noch stärker werden.

    Klar, das man die Förderung verliert je mehr man arbeitet senkt natürlich den Anreiz zu arbeiten (anders als beim BGE), aber das die Arbeitszeit sich durch die Förderung verringert ist trotzdem unverkennbar.
    Wer nicht unter die negative Einkommensteuer fällt wird in einer ersten Stufe nicht beeinträchtigt, arbeitet weiter wie bisher. Allerdings müssten die höheren Einkommen das ganze finanzieren, tragen also eine stärkere Steuerlast als bisher, der Grenznutzen einer Arbeitsstunde sinkt für sie also, sie werden weniger „fleissig“ sein…

    Würde man das ganze als BGE ausgestalten wären die Effekte wiederum zunächst in der Mittelschicht am stärksten, da sie bereits ein gutes Einkommen hat, ist der Anreiz Geld durch Freizeit zu substituieren stärker als bei der unteren Einkommensgruppe, die eher noch „mehr“ will (Jeder zusätzliche Euro hat einen höheren Grenznutzen). Diese Arbeitsstunden können fast gar nicht ausgeglichen werden da hier in der Mittelschicht die Arbeitslosigkeit viel geringer ist als bei den unteren Gruppen. Ebenso wird der Grenznutzen der Arbeit hier noch zusätzlich sinken da man sich einen großen Teil der Kosten des BGEs hier reinholen will. (Wo auch sonst, soviel Geld ist bei den Reichen nicht zu holen….).

    Und das die oberen 15 % zu großen Teilen einfach ins Ausland gehen (vor allem die Jungen die die Zukunft des Landes sind) sofern man sie nicht daran hindert, da sie extrem draufzahlen sollen, muss ich glaube ich nicht weiter erwähnen. Und selbst wenn man eine Mauer baut (bzw das BGE in der ganzen EU und USA einführt), werden sie größtenteils passiven Wiederstand leisten und einfach nicht mehr so ergeizig und fleissig sein. Genauso lief es in der DDR auch ab.

    PS: Es ging hier bisher nur um das Angebot an Arbeitskraft und die Lohnhöhe resultierend aus Angebotsberänderungen…Überleg mal wie sich eine solch massive Umverteilung auf die Nachfrage nach Gütern auswirkt, und somit je nach Branche auf die Nachfrage nach Arbeitskräften…

    @Al + @Luz

    Ich werde euch morgen antworten

  57. „In einem freien Arbeitsmarkt (dort gibt es keinen Angebotsüberhang/keine Arbeitslosigkeit) würden sich der Preis von Arbeit bei niedrigqualifizierten stark erhöhen, da der Rückgang nicht durch die Einstellung Arbeitsloser ausgeglichen werden kann.“

    Den freien Arbeitsmarkt hat es nie gegeben, genauso wenig wie es die freie Marktwirtschaft je gegeben hat. Freie Märkte mögen einen interessanten, abstrakten Orientierungspunkt darstellen, doch faktisch sind wir auch heute und vor allem beim Arbeitsmarkt noch weit davon entfernt- und werden das im Zuge der Finanzkrise und des daraus weltweit neu aufkeimenden Protektionimus voraussichtlich auch weiterhin bleiben.

    Wirtschaftshistorisch betrachtet, hat es den freien Markt während der letzten 250 Jahre noch keinen einzigen Tag lang gegeben: Staatliche Interventionen und protektionistische Massnahmen sind die Regel- und nicht etwa die Ausnahme. Es gibt nur ein Gleichgewicht der Kräfte- alles andere ist eine Utopie.

    Die negative Einkommenssteuer, wie sie Milton Friedman 1962 in „Kapitalismus und Freiheit“ beschrieben hat da schon eher Zukunftschancen. Wenn ich mir allerdings das Menschenbild vor Augen führe, dass dieser Old Guy von der Chicagoer Schule gehabt hat, beschleichen mich da schon subjektiv Zweifel.

    Den Faktor Globalisierung und dessen Auswirkungen auf die Nachfrage nach Arbeit damit abzutun, das führe die Diskussion nur in altbekannte Bahnen, finde ich persönlich schade: Das bedeutet ja nicht, dass diese altbekannten Bahnen falsch sind- auch wenn z. B. das Outsourcing bei Weitem nicht die Auwirkungen und Stellenwert hat, wie ihm Gewerkschaften und wirtschaftskritische Kreise vermuten. Die politische Wirkung des Outsourcings als Bedrohung für die heimischen Arbeitsmärkte war und ist hingegen enorm- und steht im umgekehrten Verhältnis zur Wirklichkeit.

  58. @Udo (auch voriges Posting): „Überleg mal wie sich eine solch massive Umverteilung auf die Nachfrage nach Gütern auswirkt, und somit je nach Branche auf die Nachfrage nach Arbeitskräften…“

    Das ist genau das, was ich in meinem vorletzten Posting erwähnt und in die Runde geworfen habe, ich wiederhols nochmal:

    Was mir am ganzen BGE missfällt ist der Umstand, dass hier an einem für die Binnennachfrage elementaren Bestandteil einfach herumgewerkelt wird- ohne dabei die Auswirkungen auf gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge zu diskutieren.

    Ich finde das eigentlich schon noch elementar- schliesslich machen die Löhne aus abhängiger Beschäftigung z. B. in der Schweiz über 60 Prozent aller Einkommen aus! In der Bundesrepublik dürfte das nicht anders sein.

    Oder kann man an einem einzelnen Rad eines so komplizierten Räderwerks wie einer Binnenwirtschaft einfach sorglos herumbasteln?

    Löhne / Einkommen sind doch kein isolierter Faktor in einer Volkswirtschaft!

  59. @Magda:
    „auf der anderen seite ist das namibische dorf so richtig aufgeblueht, als keine/r mehr angst vor armut haben musste – das gleiche koennte auch vielen hier in deutschland (oder weiter gefasst europa) passieren, die momentan noch in prekaeren verhaeltnissen leben (und ehe wir darueber eine nebendiskussion beginnen: ich finde, dass armut relativ und nicht absolut gemessen werden sollte)“

    Armut muss relativ gemessen werden, da stimme ich grundsätzlich zu. Wenn aber jemand hilflos zusehen muss wie seine Kinder verhungern dann ist das nicht so ohne Weiteres mit unserer Armut in Relation zu setzen.

    Was wir auf jeden Fall haben ist eine Ausgrenzung von armen Kindern, und dort müsste der Staat tatsächlich dringend etwas unternehmen. Ein BGE könnte also dort helfen, aber warum dann nicht einfach die SGBII- Sätze erhöhen? Wenn es um die „Abgehängten“ ginge, dann wäre das doch der naheliegendste Schritt?

    In der Studie heißt es:

    With registration for the BIG pilot, the community of
    Otjivero-Omitara embarked on a process of mobilisation, conscientisation and self-empowerment. It is important to stress that this was an entirely organic process initiated and developed by the community itself without outside interference.

    Denkst Du, ein solcher Prozess würde bei uns durch ein BGE in Gang gesetzt? Ich fürchte nicht, und das meine ich mit fehlenden Strukturen.

  60. Ungewöhnlicher Begriff, deshalb:
    Conscientisation, the development of critical consciousness through a process of reflection and action is the central concept of Paulo Freire’s educational theory of radical social change expressed in a literacy training program.

  61. hm, du hast schon Recht, wenn du sagst, dass es an noetigen Strukturen fehlt, also ein ausreichend ausgebautes Netz an sozialen Leistungen (beispielsweise Kinder/Hort/Eltern-Kind/SeniorInnen etc. Plaetzen). Diese finde ich im uebrigen viel wichtiger, als die Erhoehung von SGBII- Saetzen, die eingebettet in den heutigen oft unterentwickelten sozialen und kulturellen Strukturen lediglich ein Tropfen auf dem heissen Stein waeren.

    Das BGE koennte m.E. auch nur in Verbindung mit dem Aufbau von diesen Strukturen passieren, da sonst zu viel an dieser Arbeit ins private abrutscht, die kulturell bedingt eventuell eher an Frauen haengen bleibt. Ein BGE wuerde dann aber die Teilnahme an diesen Strukturen garantieren (aber koennte auch beispielsweise die Moeglichkeit bieten, diese strukturen durch private arbeit zu ersetzen, falls erwuenscht) und menschen somit vor armut schuetzen.

    um einen bestimmten lebensstandard (auto, reisen etc.) zu erreichen, muessten die meisten sich sich schon durch extra-erwerb etwas hinzuverdienen, luxus kann ein BGE gewiss nicht abdecken.

    Darin liegt dann aber auch genau der Anreiz, doch erwerbstaetig zu sein!

    Die Crux ist aber, dass keine/r auf Grund von Angst vor Verarmung dazu gezwungen ist und mit einem bescheidenen Lebensstil leben koennte UND zeit fuer persoenliche, soziale, sportliche, kulturelle etc. arbeit hat, die ja auch fuer andere wieder von nutzen sein kann.

    hartz 4 erfuellt aber m.E. die minimale teilhabe am sozialen und kulturellen leben nicht – erst einmal sind die saetze zu niedrig und zweitens kommt mit hartz eine stigmatisierung hinzu, die bei einem BGE wegfallen wuerde – es gibt einfach keine so genannten „schmarotzerInnen“ mehr, die auf kosten anderer leben.

    … und klar: natuerlich bleiben wir hier im theoretischen. studien gegen studien aufwiegen bringt wohl nichts ;-)

  62. @udo, @marcel: Sicher würde ein plötzliches Einführen eines hohen BGE massive Umverteilung bedeuten, die in ihrer Ausgestaltung sehr schwer bzw. nicht abschätzbar sind.

    Darum scheint es mir völlig klar, dass man das keinesfalls plötzlich machen darf, sondern über eine lange Frist langsam hochgefahren muss. Auch der richtige Betrag ist m.E. nicht vorherbestimmbar, weil er eine Funktion von vielen Parametern ist, die ihrerseits von einem BGE beeinflusst werden. Wird dies aber langsam eingeführt und laufend justiert, können sich die Akteure anpassen und eine chaotische und destruktive „Stossantwort“ des Systems wird vermieden.

    Aber wenn die Gesellschaft sich für ein BGE entscheidet, dann will sie ja diese Umverteilung – weil die Perspektive einer Gesellschaft mit einem wachsenden Anteil „abgehängter“ Mitglieder in den Abgrund führt.

    Zudem dürfte der Hauptunterschied zwischen klassischem Sozialstaat und BGE gar nicht mal hauptsächlich finanziell sein – der Sozialstaat verteilt ja bereits Summen um, die die Kosten für ein BGE übersteigen (je nach Modell).

    Der m.E. entscheidende Unterschied beim BGE ist, dass die Gesellschaft damit eine Risiko-Investition in jedes einzelne ihrer Mitglieder macht, und damit ein Grundvertrauen signalisiert, dass im Durchschnitt die Mitglieder einen Beitrag leisten. Dies im Unterschied zu einem Misstrauen, dass jedes Mitglied im Grunde die Allgemeinheit betrügen wolle, und deshalb nur nach aufwendigem Nachweis von Unglück Hilfe gewährt.

    Wahrscheinlich ist ein explizites BGE erst in einer hocharbeitsteiligen Gesellschaft notwendig – weil da kein implizites Grundeinkommen (z.B. wörtlich, in ländlichen Gebieten, oder in Grossfamilien etc.) mehr existiert.

  63. @Magda:
    „… und klar: natuerlich bleiben wir hier im theoretischen. studien gegen studien aufwiegen bringt wohl nichts ;-)“

    Naja, ich habe ja aus „Deiner“ Studie zitiert..

    Mit Strukturen meinte ich eher informelle Strukturen, viele kennen ja nicht einmal ihre Nachbarn. Ich halte es aber auch für besser, staatlicherseits Dienstleistungen anzubieten als Transferleistungen zu gewähren bzw. diese zu erhöhen. Gerade im Bildungssektor muss nmE sehr viel passieren, untrennbar dazu gehören für mich aber auch gute Freizeitangebote und auch Angebote für Eltern – Und seien es Spieletreffs, Kochevents oder Hobbyräume, Hauptsache viele Eltern werden erstmal aus ihrer Lethargie und Isolation geholt. Das würde vieles in Gang setzen, denke ich.

    Das kostet einen Haufen Geld, wäre aber eine Zukunftsinvestition. Ob da noch etwas für ein allgemeines BGE übrig bleibt? Wenn das BGE kostenneutral wäre, dann ginge das natürlich. Das wäre dann ein staatlich verordneter Transfer von den im produktiven Bereich Arbeitenden zu den im reproduktiven Bereich abeitenden oder evtl. auch gar nicht arbeitenden.

    Böse Zungen würden das vielleicht eine staatlich verordnete Zwangsversorgungsehe nennen, ich könnte damit freilich leben. Ich würde meine produktive Arbeit auf ein absolutes Minimum reduzieren. Luxus ist mir persönlich ziemlich egal.

    Dem Ziel, mehr Frauen in den Produktiven Bereich zu bringen kommt man so nicht näher, fürchte ich.

  64. @Luz: Ich wäre sehr zuversichtlich, dass die meisten etwas leisten wollen (notorische Faulpelze wie ich sind ja eher die Ausnahme ;)
    Aber der Markt hat ja auch eine Koordinierungs- und Organisationsfunktion. Gerade deshalb ist es doch so schwierig, Alternativen zum Kapitalismus zu finden.

  65. @mat:

    Ich wäre sehr zuversichtlich, dass die meisten etwas leisten wollen (notorische Faulpelze wie ich sind ja eher die Ausnahme ;)

    Solange Du in solchen Disputen so aktiv bist, habe ich keine Bedenken :-)

    Aber der Markt hat ja auch eine Koordinierungs- und Organisationsfunktion. Gerade deshalb ist es doch so schwierig, Alternativen zum Kapitalismus zu finden.

    Es geht ja wirklich nicht darum, den einen -ismus durch den nächsten abzulösen. Wir brauchen keine Komplettalternative zum Kapitalismus, bloss einige Gegengewichte, um ihn in die Schranken zu weisen. Der Kapitalismus und die Marktideologie kranken an ihrem absoluten Gültigkeitsanspruch, nicht an den Mechanismen an sich – diese sind durchaus nützlich.
    Ein BGE wäre ein Bekenntnis der Gesellschaft dazu, dass ihre Mitglieder nicht *nur* Arbeitskräfte im kapitalistischen Sinn sind.

  66. @Magda: „Die Crux ist aber, dass keine/r auf Grund von Angst vor Verarmung dazu gezwungen ist und mit einem bescheidenen Lebensstil leben koennte UND zeit fuer persoenliche, soziale, sportliche, kulturelle etc. arbeit hat, die ja auch fuer andere wieder von nutzen sein kann.“ Das wäre allerdings der ganze grosse Vorteil des BGE’s! Auch vor Biografielücken und Brüchen müsste man sich weniger fürchten (Scheidung, Arbeitsplatzverlust u. ä.). Zudem liesse sich eine Rollenumkehr (sie Haupternährerin er Hausmann) materiell problemlos umsetzen! Aber eben: Diese ganze Diskussion hier (und auch anderswo zu diesem Thema) bewegt sich überwiegend im ökonomisch abstrakten Raum…

  67. Man müsste halt ein paar mios für Versuche/Studien lockermachen. Sieht aber vorläufig schlecht aus, ich fürchte unsere Kanzlerin wird uns noch eine ganze Weile erhalten bleiben.

  68. @Marcel

    „Wirtschaftshistorisch betrachtet, hat es den freien Markt während der letzten 250 Jahre noch keinen einzigen Tag lang gegeben: Staatliche Interventionen und protektionistische Massnahmen sind die Regel- und nicht etwa die Ausnahme.“

    Natürlich nicht, Gewerkschaften heute, sowie die früher viel einfacher möglichen Arbeitgeberabsprachen haben den freien Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Vom internationalen Arbeitsmarkt habe ich aber nicht gesprochen, das da Protektionismus herrscht, ist offensichtlich. Aber der Protektionismus weicht mit den Jahren auf Beispiel EU, und wird auch in Zukunft schwächer, selbst wenn die Finanzkrise die Prozesse vorerst verlangsamt oder rückgängig macht, das ist der Lauf der Dinge dem kann man sich nicht verschliessen.

    „Die negative Einkommenssteuer, wie sie Milton Friedman 1962 in “Kapitalismus und Freiheit” beschrieben hat da schon eher Zukunftschancen.“

    Verbindet man die negative Einkommensteuer mit einer Arbeitspflicht, so dass es die volle Höhe nur bei einer Vollzeittätigkeit gibt (sofern Empfänger dazu fähig 40h zu arbeiten), ist es einfach ein Kombilohn (nur das er vom Finanzamt ausgezahlt wird). Und den sehe ich ebenfalls als die Zukunft.

    @Magda

    „auf der anderen seite ist das namibische dorf so richtig aufgeblueht, als keine/r mehr angst vor armut haben musste – das gleiche koennte auch vielen hier in deutschland (oder weiter gefasst europa) passieren, die momentan noch in prekaeren verhaeltnissen leben (und ehe wir darueber eine nebendiskussion beginnen: ich finde, dass armut relativ und nicht absolut gemessen werden sollte)“

    Auch deine Meinung das Armut relativ gemessen werden sollte und nicht absolut ändert nichts daran das sich namibische Verhältnisse nicht auf Deutschland übertragen lassen.

    Nebenbei: Interpretiere ich deine Aussage korrekt wenn ich daraus schliesse das du das Leben eines absolut armen in Namibia mit dem Leben eines relativ armen in Deutschland gleichsetzen würdest?

    @luz

    Hat ein bisschen gedauert…

    „Wie lösen wir den Widerspruch, dass einerseits die Wirtschaftstätigkeit und Technikentwicklung durch Rationalisierung die notwendige menschliche Arbeitsleistung laufend reduzieren, andererseits aber Vollbeschäftigung erreicht werden soll?“

    Was du ansprichst ist eine wesentliche Begründung welche die Notwendigkeit des BGE rechtfertigen soll. Die menschliche Arbeitskraft würde nicht mehr wirklich benötigt, bzw ihr Bedarf sich jedes Jahr verringern. Das ist richtig wenn man „notwendig oder nicht“ lediglich daran misst was für die reine Aufrechterhaltung des jetzigen Lebensstandards notwendig wäre. Die Gesellschaft ALS GANZES (einzelne ausgenommen) scheint aber ein Interesse daran zu haben den Lebensstandard ständig zu steigern, das zieht sich durch die ganze Geschichte und ist meines Erachtens ein bzw wenn nicht sogar der zentrale Punkt (bei der blossen Rechtfertigung des BGE) der fast immer vergessen wird.

    Wenn ich Arbeitslosenquoten betrachte sehe ich das in kaum einem entwickelten Land weniger als 90% der arbeitsfähigen Arbeit haben. Und wenn ich (allein bei uns in Deutschland) die Klassengröße in den Schulen, die Arbeitssituation in Krankenhäusern, die Schlaglöcher in den Straßen und Bürgersteigen, die notwendigen Sanierungsmassnahmen (auch aber nicht nur in Richtung mehr Energieeffizienz) bei Häusern, und öffentlichen Gebäuden sehe, sowie all die anderen Ansprüche/Wünsche (Autos, Reisen, Inneneinrichtung etc) welche die Menschen an die Entwicklung der Gesellschaft stellen, dann sind wir noch viele viele (weit über 100 ) Jahre davon entfernt sagen zu können die menschliche Arbeit wäre unnötig geworden.

    PS: Ein Kobilohn Modell welches sich aus Steuern finanziert wird im Laufe der Zeit (je unnötiger menschliche Arbeitskraft wird, desto mehr Leute fallen unter diese Regelung, da ihre Arbeit nicht mehr ausreichend entlohnt wird) automatisch eine Art Grundeinkommen darstellen. Hierfür ist aber notwendig das (langfristig) internationale Vereinbarungen über höhere Unternehmensteuern getroffen werden (da Lohnarbeit an Anteil verliert). Und sollte sich anhand einer „gesellschaftlichen Sättigung“ abzeichnen das es Konsens ist einen gewissen Stand zu halten, und nicht nach Steigerung des materiellen Standards zu streben, können Arbeitszeiten dann langsam reduziert werden, bei gleichbleibender (absoluter) Höhe des Lohnzuschusses.

    @Al

    So nun auch die Antwort an dich, wie versprochen.

    Warum werden Frauenberufe häufig schlechter bezahlt als Männerberufe, ein kleiner ökonomischer Erklärungsansatz:
    (Die Reihenfolge ist frei gewählt. Alle Angaben Beziehen sich auf durchschnittliche Tendenzen innerhalb der Gruppe Männer/Frauen. Es geht hierbei nicht um die Verdienstunterschiede innerhalb ein und desselben Berufes)

    1. Frauen achten bei der Berufswahl sowie bei der Planung der Karriere weniger stark auf die monetäre Bezahlung, substituieren bereitwilliger Lohn durch Freude (unsichtbare Bezahlung), Männer tun dies seltener. Daher wählen sie die schlechter bezahlten Berufe auch dann, wenn sie eigentlich einen besser bezahlten wählen könnten.

    2. Die Berufe die von Frauen angestrebt werden befinden sich überproportional häufig im sozialen Bereich. Dieser wird ja aus Gründen der „sozialen Fürsorge“ größtenteils vom Staat oder staatsfinanzierten Einrichtungen unterhalten. Der Lohn scheint hier (was die Arbeitslosenquote bei Frauen zeigt) je nach Berufssparte nicht so stark über dem Gleichgewichtspreis, oder teilweise (möglicherweise) auch darunter zu liegen.

    2.1. Die Gewerkschaften können nicht so leicht mehr Lohn aushandeln bei vielen typischen Frauenberufen, wie es bei den Männern der Fall ist. Soziale Einrichtungen machen keinen Gewinn im klassischen Sinne, der verteilt werden könnte, und mit dessen Höhe man moralisch stärkere Lohnerhöhungen fordern kann. Der Staat ist notorisch „pleite“, die Gewinnveränderung nur sehr schwer (wenn überhaupt) messbar.

    2.1.1. Die Produktivität eines weiblichen Beschäftigten steigt weniger stark an als die eines männlichen da Maschinen nicht im selben Masse eingesetzt werden (können). Gestiegene Produktivität (das berühmte Stück vom Kuchen) ist neben dem Gewinn sowie der Inflation ein wesentliches Standbein bei der Gewerkschaftsargumentation nach mehr Lohn.

    2.1.2 Männerberufe sind im Schnitt körperlich zehrender und gefährlicher als Frauenberufe. Dreischichtdienst häufiger der Fall. Ebenfalls wichtige Argumentationspunkte für Gewerkschaften und die moralische Lohnbemessung.

    3. (Vermutung, keine gesicherte Tatsache) Es ist möglich das die Gewerkschaften der eher weiblichen Beschäftigungszweige weniger kämpferisch sind, die IG Metall ist z.B. als äusserst harter und gieriger Verhandlungspartner bekannt.

    Gibt bestimmt noch weitere Punkte, aber das ist alles was mir spontan zu den reinen Berufsunterschieden in der Entlohnung einfällt. Ich wiederhole zur Sicherheit nochmal das es mir nicht um Unterschiede innerhalb der selben Berufsgruppe ging.

  69. @Udo: Da Du offenbar BWL oder VWL studierst: Hast Du noch nützliche und sachlich interessante Links zur negativen Einkommenssteuer, wie sie Milton Friedman (von dem ich allerdings gar kein Anhänger bin, aber er lag nicht einfach überall falsch) skizziert hat?

    Vielen Dank für Deine Antwort!

  70. @Marcel,

    sarkasmus ist absolut unnoetig; ich stimme lediglich folgendem satz zu:

    „Auch vor Biografielücken und Brüchen müsste man sich weniger fürchten (Scheidung, Arbeitsplatzverlust u. ä.). Zudem liesse sich eine Rollenumkehr (sie Haupternährerin er Hausmann) materiell problemlos umsetzen!“

    vielleicht stehst du aber auch auf unnoetige konfrontation.

    @ udo

    „Interpretiere ich deine Aussage korrekt wenn ich daraus schliesse das du das Leben eines absolut armen in Namibia mit dem Leben eines relativ armen in Deutschland gleichsetzen würdest?“

    das ist irrefuehrend formuliert. es gibt auch in deutschland absolute (im sinne von frappierender) armut. sicherlich muessen nur wenige in deutschland hungern (kommt aber durchaus vor, sonst gaebe es nicht die stetig anwachsende zahl an suppenkuechen und tafeln), dennoch werde ich mich auf keine diskussion einlassen á la „man muss hungernd am boden liegen, um staatliche hilfe zu verdienen“. weil ich sage, dass armut relativ gemessen werden muss, vergleiche ich gerade nicht eine/n arme/n namibier/in mit einem/einer deutschen.

    „2.1. Die Gewerkschaften können nicht so leicht mehr Lohn aushandeln bei vielen typischen Frauenberufen, wie es bei den Männern der Fall ist. Soziale Einrichtungen machen keinen Gewinn im klassischen Sinne, der verteilt werden könnte, und mit dessen Höhe man moralisch stärkere Lohnerhöhungen fordern kann. Der Staat ist notorisch “pleite”, die Gewinnveränderung nur sehr schwer (wenn überhaupt) messbar.“

    fehlende rentabilitaet und der bankrotte staat rechtfertigen nicht die ungerechte entlohnung von insbesondere frauen im sozialen bereich. mit moral kommen wir da leider auch nicht weiter. da gilt es eher, gesellschaftliches ansehen von (komischerweise haeufig von frauen ausgefuehrten) berufen zu aendern und sich nicht blind der logik des kapitals zu unterwerfen.

    „2.1.2 Männerberufe sind im Schnitt körperlich zehrender und gefährlicher als Frauenberufe. Dreischichtdienst häufiger der Fall. Ebenfalls wichtige Argumentationspunkte für Gewerkschaften und die moralische Lohnbemessung.“

    naja. eine krankenschwester bettet auch andauernd ihre patientInnen um und leistet ebenfalls drei schichten. eine putzfrau arbeitet oft auch im schichtdienst und ist 8h in Bewegung. davon abgesehen leisten frauen haufig zusaetzliche schichten zu hause – stichwort kindererziehung, haushalt. das maenner effektiv mehr und haerter arbeiten, halte ich fuer ein schlechtes geruecht. arbeit ist eben nicht nur auf erwerbsarbeit zu reduzieren.

  71. Ein paar Zahlen aus dem Genderdatenreport:

    Schichtarbeit Männer/Frauen: 60/40%, Nachtarbeit: 70/30%
    S. 126

    Unbezahlte/bezahte tägl. Arbeit (7 Tage),

    Paare mit Kindern:
    Frauen: 6:16/1:55 insgesamt: 8:11
    Männer: 3:10/5:13 insgesamt: 8:23

    Ein bischen mehr arbeiten Männer also insgesamt also schon.
    Paare ohne Kinder:
    Frauen: 4:07/3:08 insgesamt: 7:15
    Männer: 2:51/4:33 insgesamt: 7:24

    S.318

    http://www.bmfsfj.de/Publikationen/genderreport/01-Redaktion/PDF-Anlagen/gesamtdokument,property=pdf.pdf

  72. @udo Danke für die Antwort!

    Die Gesellschaft ALS GANZES (einzelne ausgenommen) scheint aber ein Interesse daran zu haben den Lebensstandard ständig zu steigern, das zieht sich durch die ganze Geschichte und ist meines Erachtens ein bzw wenn nicht sogar der zentrale Punkt (bei der blossen Rechtfertigung des BGE) der fast immer vergessen wird.

    Ich stimme Dir zu, dass die Gesellschaft ein Interesse daran hat, den Lebensstandard zu steigern. Es scheint mir aber, dass wir zwar ein gut funktionierendes System für den materiellen Teil haben (die Marktwirtschaft), aber ganz offensichtlich allein damit die Verbesserung des Lebensstandards immer weniger gelingt.

    Es gäbe sehr viel gesellschaftlich wünschbare, ja dringend notwendige Arbeit, die nicht gemacht wird, weil die gesamten personellen Ressourcen der Marktlogik untergeordnet werden.

    Das ist so, weil insbesondere dem Einzelnen nur eine einzige Perspektive für eine substantielle Anerkennung durch die Gesellschaft anbietet: Erfolg auf dem Markt. Hat man den nicht, muss man um Dach über dem Kopf und Essen betteln. Nur wer eine gewisse Menge Markterfolg als Basis hat oder daran partizipieren kann (als Erbe, Kind, PartnerIn, SubventionsempfängerIn), kann sich „obendrein“ noch andere Arten Anerkennung erarbeiten – Zuwendung, Erziehung, Pflege, Kunst, Forschung…

    Das BGE ist für mich eine Massnahme (deren Dosierung ein sehr wichtiger Punkt ist, wie schon weiter oben geschrieben!), um von der totalen Markthörigkeit soweit wegzukommen, dass nicht weniger sondern mehr für den echten Nutzen der Gesellschaft gearbeitet wird, und zwar in Bereichen wo die Marktlogik nicht funktioniert.

    Denn spätestens wenn die an sich effiziente Produktion durch künstlichen Verbrauch (Abwrackprämie etc.) ineffizient gemacht werden muss, um Arbeitsplätze zu schaffen, dann sollte klar sein, dass diese Arbeitsplätze die Entwicklung der Gesellschaft als Ganzes hemmen, nicht fördern.

    Reine Marktlogik plus Sozialstaat degradiert alles, was nicht innerhalb des Marktes funktioniert zum Problem, und versucht Schadensbegrenzung zu leisten. Das ist eine extrem motivationstötende Grundhaltung, egal welche Unsummen in die Schadensbegrenzung investiert werden.

    Ein BGE (mit Betonung auf dem „B“) macht hingegen eine grundsätzlich andere, vorbehaltslos motivierende Aussage – es spricht ein unbedingtes Grundvertrauen der Gesellschaft in jedeN EinzelneN aus, für die Gesellschaft nützlich zu sein, ohne vom Markt dazu gezwungen zu werden.

    Um diesen Unterschied geht es meiner Meinung nach in erster Linie. Eine Gesellschaft, die kein unbedingtes Vertrauen in sich selber hat, ist nicht überlebensfähig.

  73. @Magda

    „fehlende rentabilitaet und der bankrotte staat rechtfertigen nicht die ungerechte entlohnung von insbesondere frauen im sozialen bereich. mit moral kommen wir da leider auch nicht weiter.“

    Warum kommt man mit Moral nicht weiter, was du als ungerecht empfindest ist ja auch nur eine subjektive moralische Wertvorstellung und keine objektive Tatsache.

    „naja. eine krankenschwester bettet auch andauernd ihre patientInnen um und leistet ebenfalls drei schichten. eine putzfrau arbeitet oft auch im schichtdienst und ist 8h in Bewegung. davon abgesehen leisten frauen haufig zusaetzliche schichten zu hause – stichwort kindererziehung, haushalt.“

    Eine kleinklein Diskussion bringt niemanden weiter wenn man über generelle gesellschaftliche Tendenzen spricht. Typische Männerberufe sind IM SCHNITT körperlich anstrengender und gefährlicher als typische Frauenberufe und für Gewerkschaften ist das ein gutes Argument mehr Lohn zu fordern.

    Wenn du das nicht glaubst schau dir die Statistiken zu meldepflichtigen Arbeitsunfällen (80% Männer), tödlichen Arbeitsunfällen (über 90% Männer) Betroffenheit anerkannter Berufskrankheiten (70% Männer) sowie die Statistik zur Lebenserwartung an.

    „davon abgesehen leisten frauen haufig zusaetzliche schichten zu hause “

    Was hat der Arbeitgeber damit zu tun was manche Arbeiter/innen zuhause noch machen? Gar nichts.

    „arbeit ist eben nicht nur auf erwerbsarbeit zu reduzieren.“

    Wenn man über Erwerbsarbeit (Löhne) spricht ist das sehr wohl der Fall.

    „das maenner effektiv mehr und haerter arbeiten, halte ich fuer ein schlechtes geruecht. “

    Da Frauen im Schnitt 6 Jahre länger Rente beziehen als Männer und die Arbeitszeiten (bezahlt und unbezahlt) laut der von Mat verlinkten Studie des Familienministeriums während der Erwerbsphase nahezu gleich sind, kann man (auch unter Berücksichtigung von Nachtarbeit, Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) sehr wohl davon sprechen das Männer im laufe ihres Lebens länger und härter arbeiten, wenn man schon ein „Battle“ Männer vs Frauen führen will.

  74. @Luz

    „Es gäbe sehr viel gesellschaftlich wünschbare, ja dringend notwendige Arbeit, die nicht gemacht wird, weil die gesamten personellen Ressourcen der Marktlogik untergeordnet werden.“

    „Das BGE ist für mich eine Massnahme (deren Dosierung ein sehr wichtiger Punkt ist, wie schon weiter oben geschrieben!), um von der totalen Markthörigkeit soweit wegzukommen, dass nicht weniger sondern mehr für den echten Nutzen der Gesellschaft gearbeitet wird, und zwar in Bereichen wo die Marktlogik nicht funktioniert.“

    Ich habe das weiter oben schon einmal kurz angeschnitten: Dort wo die Marktlogik nicht funktioniert (Individuen müssen Nachfragen, der Nutzen entsteht aber der Gesellschaft als ganzes, daher fragen sie nicht ausreichend nach, und einzelne könnten mangels Mittel nichteinmal nachfragen), gibt es ja bereits eine Lösung die für die gesamte Gesellschaft den höchsten Nutzen bringt.

    Die Lösung ist: Der Staat als Vertreter aller Menschen tritt als Nachfrager auf dem Markt auf.

    Daher gibt es Schulen auch für sozial schlecht gestellte, Strassen werden gebaut und repariert, die philosophischen und geschichtlichen Fakultäten an den Universitäten, und vieles andere mehr.

    Das Problem mit dem BGE ist das jeder einfach das anbieten würde (sofern überhaupt mehr unentgeltliches angeboten würde (für alle, nicht nur für persönlich nahestehende Personen) wäre ja auch ersteinmal zu beweisen) wozu er gerade Lust hat. Dies deckt sich aber in den meisten Fällen nicht mit dem was die Gesellschaft am dringendsten will. Und wenn man sagt die Mittel um diese Dinge in ausreichendem Masse nachzufragen stünden dem Staat nicht zur Verfügung: Warum sollte sich das mit dem BGE auf einmal ändern? ;-)

  75. @Udo (2): Da Du offenbar BWL oder VWL studierst: Hast Du noch nützliche und sachlich interessante Links zur negativen Einkommenssteuer, wie sie Milton Friedman (von dem ich allerdings gar kein Anhänger bin, aber er lag nicht einfach überall falsch) skizziert hat?

    Vielen Dank für Deine Antwort!

  76. Ich will kein BGE – weil ich davon überzeugt bin, dass es Frauen weiter in die Abhängigkeit eines patriarchalen undpaternalistischen Staates treibt.

    Das BGE kann nur aus Steuermitteln finanziert werden – wer die Steuern zahlt, entscheidet also auch über die Höhe. Alle Debatten um bisherige staatliche Transferleistungen zeigen, dass diese immer zu niedrig sind, weil der Bedarf auf Wunsch der SteuerzahlerInnen immer zu gering angesetzt wird.
    Wenn das BGE allerdings den aktuellen Hartz IV-Satz nicht nennenswert übersteigt, ist frau auf Zusatzeinkünfte angewiesen (und das BGE als „Sprungbrett“ ungeeignet). Diese „Zusatzeinkünfte“ können das Einkommen eines gutverdienenden (Ehe)Manns sein oder Jobs, die jetzt schon für „Zuverdienerinnen“ reserviert sind: prekäre Teilzeitstellen, die zwar die volle Übernahme der Care-Arbeiten ermöglichen, allerdings jeden Aufstieg in relevante (weil mit gesellschaftlicher Macht ausgestattete) Posten verhindern, genauso wie die Kumulation materieller Ressourcen (zB fürs Alter).

    Schon in der Debatte ums BGE wird immer wieder deutlich, dass Menschen das Leben ohne Erwerbsarbeit als wahre Freiheit verkuft wird- in Bezug auf Frauen könnte das kein Kardinal Meißner oder CSU-Landrat schöner herbeten.

    Wenn Frauen in nennenswerter Zahl den Rückzug ins Familiäre, Private, Prekäre antreten, weil dann die work-life-balance so schön austariert ist und die Rechnungen ja big daddy zahlt (ob er nun Klaus, Eberhard, Simone oder Staat heißt) – dann ist alles in Gefahr, was Frauen über Jahrzehnte erarbeitet haben.

    Stattdessen: Kostenlose flexible, verlässliche und top ausgestattete Krippen bis Oberstufen, günstige Freizeit- und Kulturangebote, preiswerter ÖPNV (inklusive bezahlbaren DB-Tickets!), niedrige Sozialabgaben für Alleinerziehende (hier liegen wir im OECD-Rum an der Spitze!) und niedrige Eingangssteuersätze bei hohen Freibeträgen gerade für Kinder. Abschaffung der Witwenrente mit Stichtagregelung und dafür angemessene Berücksichtigung von Kindern (nicht Erziehungszeiten!) bei der Rentenberechnung. Das Recht von Teilzeit auf Vollzeit zurückzukehren. Und Bewerbungen nach internationalem Standard ohne Foto und Geburtsdatum. GründerInnenförderung vervielfachen.
    Das wäre politisch. Statt durch ein Traumschloss namens BGE wieder alle Risiken zu privatisieren und ständig die Bedeutung von Erwerbsarbeit für finanzielle Unabhängigkeit und gesellschaftliche Anerkennung kleinzureden.

  77. @ Udo

    Auch die Gewerkschaften haben längst erknnt, dass Frauenberufe in Bezug auf psychische Belastungen, aber auch physische Belastungen häufig völlig unangemessen bezahlt werden.
    Dazu passt auch, dass Frauen häufiger psychisch krank (v.a. Depression, v.a. Alleinerziehende) sind als Männer, häufiger tablettenabhängig (die Sucht derer, die funktionieren müssen) und die längere Lebenserwartung von Frauen leider nicht mit einem allgemeinen besseren Gesundheitzustand korreliert (Ärztejargon: men die quicker, women sicker).
    Die Gewerkschaften sind bloß in den typischen Männerberufen entstanden, die typischen Frauenberufe (Pflege und Betreuung rauf und runter) sind erst viel später dazugekommen und dann (das waren ja alles bloß Zuverdienerinnen) auch noch später ins Zentrum gewerkschaftlicher Aufmerksamkeit gerückt. Nun wachsen die Löhne von Frauen in körperlich und emotional anstrengenden Jobs also langsamer und von einem deutlich niedrigeren Niveau aus – und weil die Gewerkschaften keinen Mann schlechter stellen wollen, kommen sie da auch nicht wirklich ran, denn eine ernsthafte Neubewertung aller Frauenberufe wäre nur mit massiver Umverteilung von typischen Männer- zu typischen Frauenberufen zu bezahlen.

  78. @Luz:
    „Das Problem mit dem BGE ist das jeder einfach das anbieten würde (sofern überhaupt mehr unentgeltliches angeboten würde (für alle, nicht nur für persönlich nahestehende Personen) wäre ja auch ersteinmal zu beweisen) wozu er gerade Lust hat. Dies deckt sich aber in den meisten Fällen nicht mit dem was die Gesellschaft am dringendsten will.“

    Genau das Problem sehe ich auch, und das meinte ich mit der Allokationsfunktion des Marktes, und mit den nicht vorhandenen Stukturen, innerhalb der sich Engagierte betätigen könnten.

    „Und wenn man sagt die Mittel um diese Dinge in ausreichendem Masse nachzufragen stünden dem Staat nicht zur Verfügung: Warum sollte sich das mit dem BGE auf einmal ändern?“

    Auch hier muss ich Udo zustimmen, am Ende würde dringend benötigtes Geld für Bildung etc. verwendet werden müssen, da das Potential für Steuerabschöpfung ja begrenzt ist.

    @Katja: Ich habe im Moment keine Quellen, aber ich meine die in der Industrie tätigen Frauen waren durchaus gewerkschaftlich organisiert. Ebenso die Dienstmädchen (was die Frauenbewegten der ersten Welle oft gar nicht passte) Die typischen Pflegeberufe im öffentlichen Bereich wurden meines Wissens gar nicht bezahlt, dies wurde oft von privilegierten Damen als Wohlfahrt geleistet. Privat wurde dies von Dienstmädchen geleistet (natürlich bei miserabelster Bezahlung, Kost + Logis auf dem Hängeboden + Taschengeld)

    Depressionen werden bei Männern meistens gar nicht erkannt – man vermutet eine gleichverteilte Betroffenheit, und an Stelle der Tablettensucht bei Frauen (70% von ca. 1,6 mio) tritt bei Männern Alkoholismus (70% von 2,5 mio)

  79. OT: Frag mich nicht, wie es dem Bruder des vom Lande geflüchteten Dienstmädchens ergangen ist, keine Ahnung. Wäre aber eine interessante Frage.

  80. @ Mat

    Mir ging es nicht darum, das Leiden von Männern in bestimmten Berufen kleinzureden, sondern aufzuzeigen, dass Frauen eben nicht so sehr von Arbeitsunfällen, sondern häufiger von psychischen Störungen auf Grund psychischen Belastungen in pflegerischen Jobs und auf Grund der häufigen Doppel- und Dreifachbelastung (Erwerbsarbeit, Kinder, Pflege von Angehörigen) erkranken.

    Für Deine Behauptung, Männer litten wahrscheinlich genauso häufig wie Frauen an Depressionen gibt es m.W. nicht einen empirisch oder wissenschaftlich sonstwie relevanten Hinweis. Im Gegenteil, Frauen gelten hormonell als auch auf Grund ihrer häufig niedrigeren gesellschaftlichen Anerkennung als doppelt so gefährdet wie Männer.

    Die Zahlen, die ich zu Medikamentenabhängigkeit kenne, lauten übrigens 2 Mio, Tendenz steigend.

    In meiner Familie ist meine Großtante damals mit 14 in Stellung gegangen (Dienstmädchen), mein Großvater fuhr im gleichen Alter erstmals zur See.
    Ich sprach übrigens von gewerkschaftlicher Organisation in typischen (aktuell noch relevanten) Frauenberufen: Erzieherinnen, Pflegekräfte in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Familien. Und da ist gewerkschaftliche Organisation relativ neu, weil die Gewerkschaften (ähnlich wie Du schreibst) die Frauen als Zuverdienerinnen nicht ernst genommen haben; das „Familieneinkommen“ erwirtschaftete nach Gewerkschaftverständnis trotz Kriegswitwen auch in den 60er und 70er Jahren immer der Mann.
    Auch gesundheitliche Spätfolgen sind in typischen Frauenberufen wenig erforscht, psychische Berufskrankheiten außerdem weniger eindeutig festzustellen und zuzuordnen als ein abgetrennter Finger, eher vergleichbar mit Krebserkrankungen.

  81. @udo: jetzt wird es IMHO interessant:

    Ich habe das weiter oben schon einmal kurz angeschnitten: Dort wo die Marktlogik nicht funktioniert (Individuen müssen Nachfragen, der Nutzen entsteht aber der Gesellschaft als ganzes, daher fragen sie nicht ausreichend nach, und einzelne könnten mangels Mittel nichteinmal nachfragen), gibt es ja bereits eine Lösung die für die gesamte Gesellschaft den höchsten Nutzen bringt.

    Die Lösung ist: Der Staat als Vertreter aller Menschen tritt als Nachfrager auf dem Markt auf.

    Ich bin nicht einverstanden – das funktioniert eben nicht gut genug um „die Lösung“ sein zu können.

    Der Staat als Nachfrager beinhaltet zwei Dinge:

    1) Abschöpfen von Produktivitätsgewinn über Steuern um Mittel für die staatliche Nachfrage zu haben

    2) die Mittel für die „Allgemeinheit einsetzen“.

    Das Problem ist der zweite Schritt, denn er beinhaltet eine Bevormundung der Einzelnen. Ernsthaft gegen jegliche Steuern ist kaum jemand, aber aus der Warte der einzelnen SteuerzahlerInnen sind immer ein Grossteil der Aufwendungen des Staates unnötig oder sinnlos, weil er oder sie nicht daran teilhat. Das ist über die Gesellschaft gemittelt zahlenmässig natürlich Unsinn, aber politisch ungemein wirksam. Der spürbare Verlust (an Geld) trifft jedeN sofort, der gesellschaftliche Nutzen hingegen ist für die Wähler schwer nachvollziehbar und der dauernde Verdacht, dass die Falschen alimentiert würden, nährt schnell ein Gefühl der Ohnmacht. Dieses lässt sich politisch trefflich ausnützen, um Steuererleichterungen für Wenige als Fortschritt zu verkaufen – obwohl sie für die Mehrheit eine Einbusse sind.
    Das zeigt sich bei den Abstimmungen bei uns in der Schweiz sehr schön – z.B. bei der Erbschaftssteuer reichte die Vorstellung vom Staat geschröpft zu werden, würde man denn unverhofft viel erben, um die Steuer zu kippen. Obwohl rechnerisch ganz klar eine Mehrheit der Bevölkerung sich damit geschadet hat.

    Das BGE hingegen lässt die Bevormundung weg und überlässt es jedem Mitglied der Gesellschaft, aus der so gesicherten Existenz etwas Sinnvolles zu machen. Der Output ist ebenso klar wie der Input, es gibt keine Entscheide des Staates über die effektive Verwendung des Geldes über den Beschluss hinaus, ein BGE auszurichten.

    Man kann das auch so sehen: der Staat tritt auch mit dem BGE noch als Nachfrager auf, aber was er damit nachfragt ist Eigeninitiative und Verantwortung. Ich muss mich schwer täuschen, wenn es nicht gerade das ist, was wir unbedingt brauchen.

    Das Problem mit dem BGE ist das jeder einfach das anbieten würde (sofern überhaupt mehr unentgeltliches angeboten würde (für alle, nicht nur für persönlich nahestehende Personen) wäre ja auch ersteinmal zu beweisen) wozu er gerade Lust hat. Dies deckt sich aber in den meisten Fällen nicht mit dem, was die Gesellschaft am dringendsten will.

    Niemand bietet längerfristig etwas an, ob gegen Bezahlung oder nicht, wofür er oder sie kein Interesse bzw. Anerkennung der Umwelt kriegt. Klar – würden wir ab morgen plötzlich ein hohes BGE auszahlen, würden viele ihren Traumjob umzusetzen versuchen, und erst nach einer Weile merken, dass die Anerkennung ausbleibt. Die meisten würden ihre Tätigkeit anpassen, die verbleibenden wirklich gesellschaftlich sinnlosen Dinge würden mittelfristig nicht mehr Ressourcen binden als bisher.
    Aber wie gesagt – eine schockartige Einführung eines BGE ist sowieso keine Option.

  82. @luz: „Ernsthaft gegen jegliche Steuern ist kaum jemand, aber aus der Warte der einzelnen SteuerzahlerInnen sind immer ein Grossteil der Aufwendungen des Staates unnötig oder sinnlos, weil er oder sie nicht daran teilhat. Das ist über die Gesellschaft gemittelt zahlenmässig natürlich Unsinn, aber politisch ungemein wirksam. Der spürbare Verlust (an Geld) trifft jedeN sofort, der gesellschaftliche Nutzen hingegen ist für die Wähler schwer nachvollziehbar und der dauernde Verdacht, dass die Falschen alimentiert würden, nährt schnell ein Gefühl der Ohnmacht. Dieses lässt sich politisch trefflich ausnützen, um Steuererleichterungen für Wenige als Fortschritt zu verkaufen – obwohl sie für die Mehrheit eine Einbusse sind.
    Das zeigt sich bei den Abstimmungen bei uns in der Schweiz sehr schön – z.B. bei der Erbschaftssteuer reichte die Vorstellung vom Staat geschröpft zu werden, würde man denn unverhofft viel erben, um die Steuer zu kippen. Obwohl rechnerisch ganz klar eine Mehrheit der Bevölkerung sich damit geschadet hat.“

    Selten eine dermassen treffende Analyse gelesen, Kompliment! Das wurde mir seinerzeit nicht nur bei der Erbschaftssteuer klar, sondern noch etwas vorher mit dem Anliegen, die Bundessteuer abzuschaffen (Weniger Steuern zahlen!)- das mit einer Rethorik betrieben wurde, die das subjektive Gefühl, breiter Bevölkerungskreise, vom Staat nur abgezockt zu werden und damit „Scheininvalide“ und „Sozialschmarotzer“ zu alimentieren, im Kern trifft.

    „Taxes are the price we pay for a civilized society“ Justice Oliver Wendell Holmes

  83. @mat

    (udo:) “Das Problem mit dem BGE ist das jeder einfach das anbieten würde (sofern überhaupt mehr unentgeltliches angeboten würde (für alle, nicht nur für persönlich nahestehende Personen) wäre ja auch ersteinmal zu beweisen) wozu er gerade Lust hat. Dies deckt sich aber in den meisten Fällen nicht mit dem was die Gesellschaft am dringendsten will.”

    Genau das Problem sehe ich auch, und das meinte ich mit der Allokationsfunktion des Marktes, und mit den nicht vorhandenen Stukturen, innerhalb der sich Engagierte betätigen könnten.

    Der Grund für ein BGE ist die Einsicht, dass die Allokationsfunktion des Marktes eben nicht hinreichend ist, weil sie gesellschaftlich unabdingbare Funktionen wie kreative Beiträge, Sorgfalt, Sorgen für Mitmenschen, Eigeninitiative, Verantwortung nicht fördert, sondern hemmt.
    Es geht nicht darum, den Markt zu ersetzen, dort wo er funktioniert, aber zu ergänzen, wo das nicht der Fall ist. Wer den Menschen zu 100% als marktgesteuert begreift, braucht in der Tat kein BGE.

    Auch hier muss ich Udo zustimmen, am Ende würde dringend benötigtes Geld für Bildung etc. verwendet werden müssen, da das Potential für Steuerabschöpfung ja begrenzt ist.

    Bei den konkreten Modellen eines BGE die ich kenne, geht es nicht um eine Zusatzausgabe, sondern darum, bisher an Bedingungen geknüpfte Sozialleistungen durch eine bedingungslose Grundsicherung zu ersetzen, mit der These, dass das gesamtgesellschaftlich nützlicher ist als einen Bedürftigkeitsnachweis für jede staatliche Zuwendung zu verlangen.

  84. @luz:
    „Der Grund für ein BGE ist die Einsicht, dass die Allokationsfunktion des Marktes eben nicht hinreichend ist, weil sie gesellschaftlich unabdingbare Funktionen wie kreative Beiträge, Sorgfalt, Sorgen für Mitmenschen, Eigeninitiative, Verantwortung nicht fördert, sondern hemmt.“

    Das würde ich ja nicht prinzipiell verneinen. Wenn der Staat (als Nachfrager für „gesellschaftlich unabdingbare Funktionen wie kreative Beiträge, Sorgfalt, Sorgen für Mitmenschen“) für die Bürger ein Rundum-Sorglospaket anbietet, dann sieht sich natürlich niemand mehr in der Pflicht seinem Nachbarn zu helfen. Wenn ihn selber irgendwas trifft, kann er sich ja auf den Staat verlassen, „hilfst Du mir, so helfe ich Dir“ ist außer Kraft gesetzt.

    Vieviele Jahrzehnte willst Du denn aber warten, bis sich Strukturen etablieren, in denen Engagierte sich so einbringen können dass sie dies auch sinnvoll tun? Warum sollte ein BGE das Entstehen solcher Strukturen jenseits des Marktes (incl. den Markt, bei dem der Staat als Nachfrager von Kultur, sozialen Dienstleistunen etc.) zwangsläufig fördern? Warum sind solche Strukturen, die es früher zweifelsohne eher gab als heute, im Zuge zunehmenden Wohlstands und zunehmender Freizeit so gut wie völlig verschwunden?

    Die Alternative wäre, wenn auf möglichst niedriger Ebene (z.B. Gemeinden, Kietze) Entscheidungen über die konkrete Verwendung von Mitteln getroffen würden. Dann könnte sich jeder einbringen und mitgestalten. Im Rahmen dessen könnten die Communities z.B. auch Engagierte bezahlen. Das hätte viel größere Multiplikatoreffekte, und wäre alles Andere als eine Bevormundung.

    Sozialleistungen zusammenzufassen, und dabei nicht von der Grundannahme auszugehen dass die Menschen Arbeitsscheu sind, halte ich für sinnvoll. Wenn sich in Versuchen zeigt, dass die Zahl der Empfänger dadurch nicht explodiert dann kann man diese meinetwegen bedingungslos gewähren.

    Und nochmal: Ich begreife Menschen gerade nicht als Homo Oekonomi, dieses Modell bildet nur einen Teilaspekt menschlichen Verhaltens ab. Das weiß aber eigentlich jeder halbwegs informierte Ökonom.

  85. @Katja:
    „Mir ging es nicht darum, das Leiden von Männern in bestimmten Berufen kleinzureden, sondern aufzuzeigen, dass Frauen eben nicht so sehr von Arbeitsunfällen, sondern häufiger von psychischen Störungen auf Grund psychischen Belastungen in pflegerischen Jobs und auf Grund der häufigen Doppel- und Dreifachbelastung (Erwerbsarbeit, Kinder, Pflege von Angehörigen) erkranken.“

    Die Doppel- und Dreifachbelastung sehe ich – wohlgemerkt für das statistische Mittel bei Paaren – durch die o.g. Zahlen aus dem Genderdatenreport als widerlegt an, da Männer insgesamt (bezahlte+unbezahlte Arbeit) ein wenig mehr arbeiten. Bei dem Vergleich Single-Mann / Alleinerziehende Frau mag das anders aussehen.

    Bei Frauen werden psychische Störungen häufiger diagnostiziert, weil Frauen sehr viel häufiger professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Das ist doch eigentlich bekannt. Männer versuchen häufiger, das Problem alleine zu lösen, und vollenden am Ende 70% der Suizide. Man vermutet, dass 90% der Suizide aufgrund einer psychischen Erkrankung erfolgen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Suizid#Ursachen

  86. @Katja: Die widersprüchlichen Erwartungen „supermutter“/“perfekte Karrierefrau“ führen häufig zu psychischem Streß, der als häufige Ursache für Depressionen bei Frauen vermutet wird – Das ist, soweit ich weiß, neben hormonellen Ursachen der Stand.

  87. Vieviele Jahrzehnte willst Du denn aber warten, bis sich Strukturen etablieren, in denen Engagierte sich so einbringen können dass sie dies auch sinnvoll tun?

    Ich will eben nicht nur warten :-)

    Warum sollte ein BGE das Entstehen solcher Strukturen jenseits des Marktes (incl. den Markt, bei dem der Staat als Nachfrager von Kultur, sozialen Dienstleistunen etc.) zwangsläufig fördern? Warum sind solche Strukturen, die es früher zweifelsohne eher gab als heute, im Zuge zunehmenden Wohlstands und zunehmender Freizeit so gut wie völlig verschwunden?

    Weil mit dem Ausbau des Sozialstaats tatsächlich die Bevormundung durch diesen zugenommen hat, und simple Eigeninitiative wirklich schwierig geworden ist. Das geht natürlich über den Auszahlungsmodus von Sozialleistungen hinaus, aber wurzelt im selben generellen Misstrauen des Staates seinen Mitgliedern gegenüber.

    Den Sozialstaat deswegen einfach abzubauen, ist keine Lösung. Das Problem sind nicht die Transferleistungen an sich, aber die misstrauische Art, wie sie verabreicht werden ein massives Problem. Deshalb denke ich dass ein BGE sehr wohl einen Unterschied machen würde.

    Die Alternative wäre, wenn auf möglichst niedriger Ebene (z.B. Gemeinden, Kietze) Entscheidungen über die konkrete Verwendung von Mitteln getroffen würden. Dann könnte sich jeder einbringen und mitgestalten. Im Rahmen dessen könnten die Communities z.B. auch Engagierte bezahlen. Das hätte viel größere Multiplikatoreffekte, und wäre alles Andere als eine Bevormundung.

    Die möglichst niedrige Ebene wären ja gerade die Einzelnen :-)

    Im Ernst, ich verstehe nicht, weshalb die möglichst kleine Gemeinde a priori bessere Entscheide fällen soll als die Einzelnen? Der Unterschied ist nur, dass die Mittel von unten, nicht von oben kommen.

    Sozialleistungen zusammenzufassen, und dabei nicht von der Grundannahme auszugehen dass die Menschen Arbeitsscheu sind, halte ich für sinnvoll. Wenn sich in Versuchen zeigt, dass die Zahl der Empfänger dadurch nicht explodiert dann kann man diese meinetwegen bedingungslos gewähren.

    Die Bedingungslosigkeit zu bedingen wird nicht funktionieren (bzw. nichts Neues ergeben über das was wir von anderen Transferleistungen längst kennen). Die Versuche müssen anders abgegrenzt wreden als über eine Empfängerselektion.

  88. @luz:
    „Im Ernst, ich verstehe nicht, weshalb die möglichst kleine Gemeinde a priori bessere Entscheide fällen soll als die Einzelnen? Der Unterschied ist nur, dass die Mittel von unten, nicht von oben kommen.“

    Weil ein einzelner mit alleine-für-sich-herumfuhwerken jenseits der ihm nahestehenden Personen nicht viel bewirken kann, irgendwie muss er ja sein Handeln mit anderen koordinieren, und vor Allem muss er sich irgendwie über den Bedarf informieren können.

    Im Produktiven Bereich regelt das alles der Markt, wenn man ausserhalb des Marktes etwas zustandebringen will, dann müssen andere Mechanismen her, um Bedarf und Angebot, aber vor Allem eine Zusammenarbeit zu regeln.

  89. @luz: Vielleicht habt ihr Schweizer einfach andere Probleme. Sowas wie z.B. die Deindustrialisierten ex-DDR-Gebiete habe ich bei Euch noch nicht gesehen.

  90. Weil ein einzelner mit alleine-für-sich-herumfuhwerken jenseits der ihm nahestehenden Personen nicht viel bewirken kann, irgendwie muss er ja sein Handeln mit anderen koordinieren, und vor Allem muss er sich irgendwie über den Bedarf informieren können.

    Erstens: schon etwas mehr Freiheit, sich für die nahestehenden Personen Zeit nehmen zu können wäre alles andere als ein Detail am Rande!

    Zweitens: Wieso sollte ich mich weniger und schlechter mit anderen koordinieren, mich weniger für den Bedarf meiner Gemeinde interessieren wenn ich selber Mittel habe? Das impliziert irgendwie doch wieder den totalen homo oeconomicus – der setzt sich nur dann ein, wenn er dadurch an einen Profit herankommt.

  91. @luz

    Du sagst niemand würde dauerhaft etwas anbieten wofür er keine Anerkennung erhalten würde, wenn dem so wäre bräuchten wir gar keinen Markt, egal für was. Auch nicht für Güter. Firmen werden letzten endes auch von Menschen gesteuert die für das was sie in Gemeinschaft als Unternehmen tun dann ja anerkannt werden wollen.

    Du setzt vorraus das sich das Interesse des Individuums schon irgendwie im laufe der Zeit mit dem der Allgemeinheit decken würde, das dem nicht so ist zeigt ja gerade dein Beispiel mit den Steuern. Jeder will das sie gezahlt werden, aber keiner will sie zahlen.

    Genauso wird es beim BGE auch sein, jeder will das ein paar zusätzliche Löcher in der Straße vorm Haus ausgebessert werden, aber keiner (fast keiner) geht dorthin und macht es. Die meiste zusätzliche Zeit würde der EIGENEN Familie und danach Freunden gewidmet werden. Der Durchschnittsmensch wird nicht plötzlich gemeinnützig, bloss weil die Gemeinschaft ihn teilweise oder voll finanziert.

    Früher hatte man auch immer gedacht Spenden wäre ein Beitrag den diejenigen vermehrt leisten, welche eben keine gemeinnützige unbezahlte Arbeit leisten. Sozusagen als moralischer Ersatz. Heute hat man herausgefunden das diejenigen die schon das meiste unentgeltlich in Vereinen tun, auch am meisten Spenden, während diejenigen die „körperlich“ nichts tun auch materiell weniger abgeben.

    Überleg doch mal: Wenn du sagst die Menschen würden im laufe der Zeit das anbieten was die Gemeinschaft will, warum braucht es dann überhaupt den Staat als Nachfrager? Was der Staat ausgibt KOMMT aus den Taschen der Menschen (mehr Geld kommt auch nicht durch BGE/mehr Arbeitszeit die sich in Geld umrechnen lässt auch nicht), aber wenn man ihnen das Geld lässt finanzieren sie trotzdem nicht von selber das Gesundheistssystem, das Bildungssystem etc. KÖNNTEN sie ja alles jetzt schon tun, aber statt den finanziell schlechter gestellten Kindern Nachhilfelehrer über einen Fonds zu finanzieren damit sie wenigstens einen Abschluss haben investiert man es in die eigenen Sprösslinge damit das Abi mit 2,1 statt 2,4 bestanden wird. Daher muss der Staat den Menschen das Geld mit Zwang aus der Tasche ziehen. Es gibt für mich keinen nachvollziehbaren Grund warum man beim BGE den Menschen dann nicht die „Zeit“ mit Zwang aus der Tasche ziehen müsste, wenn man es jetzt schon beim Geld so machen muss.

    Und selbst wenn der Staat das nicht perfekt macht (was unbestreitbar natürlich der Fall ist, da hast du recht), es ist immer noch besser wenn der Staat von 1000 Euro 700 weitestgehend interessenkonform ausgibt, als wenn von den tausend Euro 800-900 versickern…

    Wenn ich mich ins Auto setze habe ich auch das Risiko bei einem Unfall zu sterben, perfekte Sicherheit gibt es also nicht, aber deswegen fange ich ja nicht an zu rasen und fahre ohne Gurt, also vollkommen unkontrolliert statt nur teilweise unkontrolliert.

    PS: Ich kenne ein paar „Anarcho Kapitalisten“ die begründen ihre Auffassung ähnlich.Der Staat ist nur ein Störfaktor, Steuern und Sozialsystme bräuchte es GAR NICHT weil die Menschen sich untereinander viel besser helfen würden WENN MAN SIE NUR LIESSE…Stichwort „Charity“, und im erweiterten Sinne auch Stichwort BGE. Was bei zuviel Charity (und die Hoffnung durchs BGE würde zusätzliche Zeit im allgemeinen Interesse verwendet ist ja nichts anderes als Charity denken) passiert kann man in den USA bewundern. Die Menschen behalten die zusätzliche Kohle einfach bzw bedenken ihre Familie damit.

    Und ich möchte im Alter nach einem langen Arbeitsleben (mitunter habe ich trotz BGE Vollzeit gearbeitet und somit überproportional zur Finanzierung beigetragen) nicht darauf angewiesen sein mich bei irgendwelchen Fremden einzuschleimen damit auch mir (und nicht nur der eigenen Familie) „großzügigerweise“ geholfen wird, weil der Staat für mich keine Pflegeleistungen mehr gezielt nachfragen kann. Und wenn sich dann einer erbarmt müsste ich dem noch jedesmal auf Knien danken obwohl die Person die ansonsten käme normalerweise mir für ihren Arbeitsplatz danken müsste wenn der Staat denn noch das Geld haette ihn gezielt für mich zu zahlen nachdem ich ihm eigentlich das Geld dafür gegeben habe.

    Tut mir leid aber so will ich nicht leben.

  92. @Katja

    „und die längere Lebenserwartung von Frauen leider nicht mit einem allgemeinen besseren Gesundheitzustand korreliert (Ärztejargon: men die quicker, women sicker).“

    Wenn du dir die Zahlen der Weltgesundheitsorganisation ansiehst dann korreliert die längere Lebenserwartung sehr wohl mit einer längeren GESUNDEN Lebenserwartung, der sogenannten „Healthy Life expectancy“.

    Frauen in Deutschland leben laut den Zahlen nicht nur 5 Jahre absolut länger, sondern auch 4 Jahre länger gesund. M: 70y F: 74y.

    http://www.who.int/countries/deu/en/

    Und selbst wenn sie länger krank leben würden (was ja nicht der Fall ist), änderte das nichts an der Tatsache das Männer bezogen auf ihre absolute Lebenszeit mehr arbeiten müssen.

    Auch der Verweis auf vermeintliche Doppel und Dreifachbelastungen ändert nichts daran das Frauen nicht mehr in der Woche arbeiten, wie ja die Studie des Bundesfamilienministeriums belegt. Der Begriff Doppelte Belastung ist daher irreführend und falsch, ein selbständiger mit 10 Auftraggebern der genauso seine 40 Stunden Woche macht wie ein Angestellter kann sich schliesslich auch nicht sich auf eine Zehnfachbelastung berufen da er für jeden Auftraggeber 4 Stunden arbeitet.

    „und weil die Gewerkschaften keinen Mann schlechter stellen wollen, kommen sie da auch nicht wirklich ran, denn eine ernsthafte Neubewertung aller Frauenberufe wäre nur mit massiver Umverteilung von typischen Männer- zu typischen Frauenberufen zu bezahlen.“

    Sag mal was hast du für eine Vorstellung wie die Wirtschaft abläuft? Das ist doch kein Geburtstagskuchen den es nach Wunsch zu verteilen gilt, wo man dem einen ein Stück nimmt um es dem anderen zu geben.

    Schlechterstellung von Männerberufen in einem regulierten Arbeitsmarkt wie unserem bringt Frauenberufen gar nichts, es schadet sogar häufig, da diese zu einem größeren Anteil als Männerberufe vom Staat durch die Abgaben der eher Männerberufe finanziert werden.

    @Marcel

    Tut mir leid aber weitere Links (ausser der bereits verlinkten Studie) kenne ich spontan nicht.

    Normalerweise sollte aber bei einer google Suche auf englisch was gutes zu finden sein.

  93. „Erstens: schon etwas mehr Freiheit, sich für die nahestehenden Personen Zeit nehmen zu können wäre alles andere als ein Detail am Rande!“

    Die Zeit kann sich jeder nehmen, denke ich. Das ist kein Argument gegen Teilzeitarbeit.

    „Zweitens: Wieso sollte ich mich weniger und schlechter mit anderen koordinieren, mich weniger für den Bedarf meiner Gemeinde interessieren wenn ich selber Mittel habe? Das impliziert irgendwie doch wieder den totalen homo oeconomicus – der setzt sich nur dann ein, wenn er dadurch an einen Profit herankommt.“

    Nö. Nach meinem Modell hättest Du ja selber Mittel. Ich würde ja nur verlangen, dass Du Dich mit den Menschen Deiner weiteren Umgebung darüber einigst, wie sie verwendet werden, damit das Ganze ein Ziel hat. Und ein Ziel zu definieren, z.B.: „Wir wollen nicht, dass junge Menschen ohne Bildungsressourcen ins Leben entlassen werden, und wir wollen in unserer Gesellschaft einen hohen Stand an beruflicher Qualifikation hat, damit es „Abgehängte“ möglichst nicht mehr gibt“ – Dazu hat die Gesellschaft ein Recht. Nenne es meinetwegen Bevormundung, Du musst ja bei dem Programm nicht mitmachen. Dann kannst Du allerdings nicht verlangen, dass die Gesellschaft Dir Ressourcen zur Verfügung stellt.

    Meine Meinung, soweit ich über die Vergabe meiner gezahlten Steuern bestimmen darf. Der Punkt ist ja auch, dass Du mir a priori unterstellst, ich wäre ein unsozialer homo oekonomicus, dem man von Staats Wegen einen Teil meines verdienten Geldes wegnehmen muss – Um Kultur, Soziales etc. zu ermöglichen. Wer bevormundet wen? Wer hat kein Vertrauen?

    Mir kommt das Ganze langsam echt vor wie ein staatlich garantierter Künstlerlohn. Um die sozialen Probleme geht es jedenfalls offenbar nicht.

  94. @mat: tut mir leid wenn ich Dich jetzt offenbar irgendwie beleidigt habe. War überhaupt nicht meine Absicht Dir etwas zu unterstellen, ich will nur die Argumente genau verstehen.

    Also: zur Provokation „Staatlich garantierter Künstlerlohn“ – ja, ein Stück weit tatsächlich, und zwar in dem Sinn dass der Staat (d.h. wir uns gegenseitig) explizite (durch Tat – Zahlung des entsprechenden Steueranteils) zugestehen, freiwillig konstruktiv zu sein und etwas schaffen zu wollen und zu können, wenn wir nicht um die Existenz bangen müssen.

    Damit wir uns nicht missverstehen – Ich weiss für mich noch nicht, ob das BGE funktionieren kann, und unter welchen Umständen ich eine Einführung wirklich wollte. Ich prüfe durchs Diskutieren die Idee, und bin froh um Einwände wie Deine.

    Ich muss aber zugeben, dass mich die BGE Idee fasziniert, weil sie ein Vertrauen der Gesellschaft in sich selbst bzw. ihrer Mitglieder untereinander auf eine moderne Art manifestiert. Mit modern meine ich, dass das BGE akzeptiert, dass wir arbeitsteilig leben, und den Ausgleich nicht wie früher in der Grossfamilie auf dem Bauernhof implizit vornehmen können.

    Das ist einfach nicht das Gleiche wie die übliche (auch nützliche, von mir nur in ihrer Ausschliesslichkeit kritisierte) staatliche Nachfrage. Da gibt es immer die Zahler, die Lenker und die Empfänger. Dass es für eine Existenzsicherung besser keine Lenker dazwischen geben soll, leuchtet mir halt einfach ein. Dass die richtige Bemessung dieses Anteils eine schwierige Frage ist, allerdings auch. Aber jeder Anteil unlgleich Null hätte meiner Meinung nach eine positive Wirkung, die anders nicht zu erzielen ist.

  95. @ Udo:

    Health Life Expectancy für Mädchen und Jungs, die 2003 geboren wurden, eignet sich wohl kaum als Argument, wenn es um jetzt lebende Frauen und Männer geht. Diese Zahlen sind alleine schon deshalb äußerst zwifelhaft, weil die längere Lebenserwartung wahrscheinlich mit einer Explosion an Demenzerkrankungen, aber auch Krebserkrankungen etc. einhergeht, für die der menschliche Körper (auch der weibliche) einfach nicht gemacht sind.

    Die Doppeltbelastung oder Dreifachbelastung lässt sich doch nicht einfach in Stunden messen! Was damit gemeint ist (und zwar auch in Paarbeziehungen) sind ja bspw. die Tatsache, dass es statistisch die Frauen sind, die mit dem kranken Kind zu Hause bleiben, Elternabende besuchen, Kindergeburtstage vorbereiten und bei den Hausaufgaben helfen. Und zwar auch, wenn sie eine vergleichbare Stundenzahl mit Erwerbsarbeit verbringen wie ihre Männer. Oder neben der Teilzeitstelle noch mit der pflegebedürftigen Schwiegermutter unter einem Dach leben, deren Pflege, aber auch Beschäftigung und Organisation der Pflege sie übernehmen.
    Diese doppelte Verantwortung (für die eigene Erwerbsarbeit und für das soziale Funktionieren der Familie) ist es, was als Doppelbelastung (Dreifachbelastung, wenn statt Kinder auch noch Pflege von Angehörigen zur Erwerbsarbeit dazukommt) genannt wird. Und da kenne ich keine Studie des Familienministeriums, die zum Ergebnis kommt, Männer würden da genauso doppelte Verantwortungen übernehmen. Im Gegenteil, es gibt klare Hinweise, dass Männer nach der Geburt eines Kindes, mehr Zeit im Erwerbsleben verbringen und weniger in der Familiensphäre (Studie Zeitverwendung).

    Bewertung Frauen- und Männerberufe: Ich hab das mit diversen Gewerkschaftsfrauen über Jahre immer wieder durchgesprochen. Und das Problem ist, dass eine konsequente Neubewertung von Faktoren, die Frauenberufe so belastend machen (Umgang mit Schmerzen, Sterben und Tod, Verantwortung für das körperliche und geistige Wohlergehen von Menschen und nicht nur die korrekte Handhabung großer, komplexer Maschinen, Umgang mit körperlichen Ausscheidungen) wohl nicht ohne eine Abwertung zumindest einiger Tätigkeiten in typisch männlichen Berufen zu machen ist v.a. in Fragen, was für Tätigkeiten „komplex“, „verantwortungsvoll“ etc sind. Eine Abwertung führt aber dann auch zu Gehaltseinbußen, und das soll natürlich auf jeden Fall vermieden werden. U.a. deshalb kommen die Neubewertungen von Frauenberufen so schwer in Fahrt. Es könnte übrigens auch eine Abwertung der (männlich dominierten) Führungsaufgaben geben, das will natürlich von allen EntscheidungsträgerInnen im öffentlichen Dienst erst recht niemand…

  96. Doppelbelastung bezieht sich immer auf Zeitbudgets. Wenn Belegt ist, dass die Summe aus unbezahlter Arbeit und bezahlter Arbeit bei Männern und Frauen fast identisch ist, dann kann wohl nicht behauptet werden dass Frauen mehr arbeiten. („Müßige Männer, fleißige Frauen“, s.o.)

    Ich wage zu bezweifeln, dass die unmittelbare Verantwortung für Menschenleben (z.B. große Maschinen) oder Millionenbudgets weniger belastend ist, als die mittelbare Verantwortung in Pflegeberufen. So viel kann man da auch nicht falsch machen.

    Weiterhin haben Frauen für den Häuslichen Bereich zwar meist die Hauptverantwortung, aber nicht die alleinige Verantwortung. Umgekehrt gilt dies für den Erwerb des Familieneinkommens. Dementsprechend sind dann auch die meisten Paare mit der Arbeitsaufteilung untereinander zufrieden.

    Das heißt ja nicht, dass man daran nichts ändern sollte, ca. 40% der Männer würden gerne mehr Zeit für ihre Kinder haben.

  97. @ Mat: „Doppelbelastung bezieht sich immer auf Zeitbudgets.“

    Es bezieht sich nicht nur auf Zeitbudgets, sondern auch auf die doppelte Verantwortung für eigene Erwerbsarbeit und Familie, nachzulesen z.B. hier http://www.wissenschaft.de/sixcms/detail.php?id=151542. Und hier (Deutsche Bank Research): http://tinyurl.com/yjpk74s kannst Du nachlesen, dass selbst wenn es sich ausschließlich auf Zeit beziehen würde, Frauen schlechter abschneiden als Männer.
    Wenn man sich dann noch klar macht, dass 80-90% aller Alleinerziehenden Mütter sind und davon nach Mikrozensus 2007 über 60% berufstätig finde ich diese Abwehrreaktion auf die Erkenntnis, dass es in ihrer Mehrheit Frauen sind, die von Doppelbelastung betroffen sind, fast schon putzig.

    Außerdem wage ich zu bezweifeln, dass ein Mensch, der einen Sachschaden im Job verantworten muss, ähnlich belastet ist wie ein Mensch, der auf Grund der gleichen Ursachen (Arbeitszeitverdichtung, Stress, etc) einen Menschen in seinem Kot liegen lassen muss, eine Sonde legt, weil die Zeit zum Füttern nicht reicht, einen Dekubitus zu verantworten hat, weil alleine das Umlagern zu aufwendig war, einen Oberschnekelhalsbruch melden muss, weil die Patientin alleine aufstehen wollte (ein Bettgitter wäre Freiheitsberaubung gewesen) und und und.
    Gerade in jüngster Vergangenheit habe ich den Eindruck gewonnen, dass der Verlust eines Millionenbudgets bei gleichzeitigem Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes als nicht allzu belastend wahrgenommen wird. Ist ja nicht das eigene Geld und die maximale Drohung ist der Verlust der Boni.

  98. @Katja: Ich finde in beiden Links nur die Tatsache, dass Frauen mehr Hausarbeit leisten, und dass Männer als Ernährer gelten. In beiden Fällen ist aber nichts zur größeren Gesamtbelastung benannt.
    (Natürlich hat die Konzentration auf das häusliche Folgen für die Karriere, aber davon spreche ich ja nicht)
    Unbezahlte Arbeit ist übrigens nicht nur Hausarbeit.
    Und ich spreche auch nicht von Sachschäden, sondern von Personenschäden. Weiterhin ist ja der Investmentbänker gerade nicht für die Millionen verantwortlich, mit denen er rumzockt. Bei einem Projektverantwortlichen sieht das anders aus, der kann ohne weiteres z.T. hunderte von Arbeisplätzen vernichten.

  99. @ Mat:

    Ich zitiere mal für Dich aus der Zusammenfassung der internationalen Studie von 2001:
    „Hausarbeit und Kinderbetreuung bleibe die zentrale Aufgabe der Frau, der Mann unterstützt sie dabei nur wenig.“, als exemplarisches Beispiel aus dem Text (also eine individuelle Situation, die nach Meinung des Studienleiters eine gefundene Struktur veranschaulicht): „Dörte und Jan aus Stockholm: Beide sind vollzeitbeschäftigt, und Jan ist sehr stolz auf den beruflichen Erfolg seiner Partnerin. Aber die Hausarbeit erledigt sie allein. Wenn das Kind krank ist, bleibt sie zu Hause.“

    Aus der Studie der Deutschen Bank die ersten Sätze:
    „Vollbeschäftigte Frauen verwenden an einem durchschnittlichen Werktag immer noch annähernd doppelt soviel Zeit auf Hausarbeit wie berufstätige Männer. Wenn vollbeschäftigte Frauen mit einem Partner in einem gemeinsamen Haushalt leben, steigt ihre Belastung durch Haushaltsaktivitäten stark an, während sie bei Männern im Vergleich zu allein lebenden Männern abnimmt. Die Kluft ist noch größer, wenn Kinder vorhanden sind. Deutsche Mütter, die Vollzeit arbeiten, verwenden (im Durchschnitt pro Werktag) 1,5 Std. mehr auf bezahlte und unbezahlte Arbeit als vollzeitbeschäftigte Väter. Obwohl die Beschäftigungsquote von Frauen deutlich ansteigt, bleibt Hausarbeit nach wie vor hauptsächlich an den Frauen hängen.“

    1,5 Stunden mehr auf bezahlte und unbezahlte Arbeit zuverwenden als der Vater scheint mir eine eindeutig größere Gesamtbelastung. Dir nicht? Außerdem geht es (ich glaube, das schrieb ich schon) darum, dass Frauen eine doppelte Verantwortung tragen, die für ihren Job *und* die für die Organisation der Familie/des Haushalts.
    Das unbezahlte Arbeit nicht nur Hausarbeit ist, habe ich versucht anhand meiner Beispiele (Pflege, Elternabende, Kindererziehung etc) deutlich zu machen.

    Die Personenschäden in der Industrie (gerade die Personenschäden, die nicht durch eigenes Verschulden ausgelöst wurden) sind statistisch doch wahrscheinlich gering im Vergleich zu der Anzahl an Menschen, die jeden Tag in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Familien vernachlässigt und teilweise misshandelt werden.

    Aber letztendlich zeigt Deine Argumentation sehr anschaulich, welches Denken bisher verhindert hat, dass die Arbeit mit und am Menschen den Stellenwert einnimmt, die sie einnehmen müsste.

    Zuguterletzt hätte ich gerne mal ein Beispiel für einen Projektverantwortlichen, der „hunderte von Arbeitsplätzen“ vernichtet hat und deshalb heute arbeitslos ist. Ich halte das für maßlos übertrieben.

  100. „1,5 Stunden mehr auf bezahlte und unbezahlte Arbeit zuverwenden als der Vater scheint mir eine eindeutig größere Gesamtbelastung. Dir nicht?“

    Ja, durchaus. Nur sagt der Genderdatenreport etwas ganz anderes, und der erscheint mir glaubwürdiger. In fast allen westlichen Industrieländern haben Frauen mehr Freizeit. (sofern man „shopping“ aufteilt zwischen Einkaufen für die Familie und Freizeit-Shopping)

    „Die Personenschäden in der Industrie (gerade die Personenschäden, die nicht durch eigenes Verschulden ausgelöst wurden) sind statistisch doch wahrscheinlich gering im Vergleich zu der Anzahl an Menschen, die jeden Tag in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Familien vernachlässigt und teilweise misshandelt werden.“

    Wieviele Menschen sterben täglich auf der Straße? Bei Arbeitsunfällen? Die tatsache, dass wenig passiert sagt auch nicht viel über die Verantwortung aus. Und es gibt auch -zig Männerberufe, bei denen man mit menschlichem Elend tagäglich konfrontiert ist.

    Wenn man ein „Gerechtes“ Lohnsystem installieren wollte, dann müsste man die ganze Wirschaft komplett umbauen.

    „Zuguterletzt hätte ich gerne mal ein Beispiel für einen Projektverantwortlichen, der “hunderte von Arbeitsplätzen” vernichtet hat und deshalb heute arbeitslos ist. Ich halte das für maßlos übertrieben.“

    Die Tatsache ist trivial. Es gehen hunderte Firmen (zumeist Mittelständler) pleite, weil Projekte scheitern. Un das liegt sehr oft an dem Projektverantwortlichen.

    Die

  101. @Katja

    Also ich verstehe wirklich nicht warum du so hartnäckig von Doppelbelastung sprichst, deine Meinung erscheint mir da sehr festgefahren, die Wirkung auf den Zuhörer ist manipulativ.

    Doppelbelastung bedeutet doppelte Belastung, sprich „doppelt so schwer“. Das ist das woran jede/r durchschnittliche Mann/Frau denkt wenn er/sie das Wort hört, und auch ich habe den Eindruck du möchtest suggerieren Frauen wären stärker belastet als Männer. Das dem im Durchschnitt nicht so ist belegt die Studie des Bundesfamilienministeriums.

    Sicher gibt es diese Frauen die Vollzeit arbeiten und danach noch die Hausarbeit inklusive Kinder beinahe komplett alleine machen müssen, obwohl der Partner auch nicht länger auf der Arbeit bleibt, keine Frage und wird auch niemand bestreiten, aber der Durchschnitt ist das nicht, der Durchschnitt ist Gleichverteilung der kombinierten Arbeitszeiten. Und das Leben hat immer zwei Seiten, denn da unbezahlte und bezahlte Arbeit bei Frauen und Männern gleich hoch sind, kann es nicht nur fleissige Frauen mit faulen Männern geben, und der Rest ist gleichverteilt (denn dann könnte das Durchschnittsergebnis nicht gleich sein) sondern es gibt genauso häufig faule Frauen mit fleissigen Männern wo er Vollzeit mit Überstunden arbeitet, und sie nicht daran denkt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen obwohl ihre Tätigkeit im Hause sich auf wenige Stunden beschränkt. Du scheinst aber nur die eine Seite zu sehen zu wollen, da du nur diese erwähnst.

    „Die Doppeltbelastung oder Dreifachbelastung lässt sich doch nicht einfach in Stunden messen! Was damit gemeint ist (und zwar auch in Paarbeziehungen) sind ja bspw. die Tatsache, dass es statistisch die Frauen sind, die mit dem kranken Kind zu Hause bleiben, Elternabende besuchen, Kindergeburtstage vorbereiten und bei den Hausaufgaben helfen.“

    Zeiten wie das zuhause bleiben beim Kind sowie das besuchen von Elternabenden oder vorbereiten von Geburtstagen lassen sich selbstverständlich in Stunden messen, und das wird bei einer seriösen, teuren und aufwändigen Studie (was ich bei dem Auftraggeber mal unterstelle) auch so gemacht —> X Stunden weniger Erwerbsarbeit und/oder X Stunden mehr unbezahlte Arbeit. Wenn 100 oder wer weiß wie viele Paare untersucht werden gibt es kranke Kinder, Elternabende die alleine besucht werden, Geburtstage etc. Als ob da nur Staubsaugen, Essen machen und kochen zählen würde…Wenn dem so wäre haetten Paare da auch nicht mehr unbezahlte Arbeit stehen als zwei Singles zusammen, akzeptier doch einfach das wir nicht mehr in den 50ern Leben und das Einzelbeispiele nicht repräsentativ sind!

    „Health Life Expectancy für Mädchen und Jungs, die 2003 geboren wurden, eignet sich wohl kaum als Argument, wenn es um jetzt lebende Frauen und Männer geht.“

    Die Healthy Life expectancy eignet sich sehr gut als Argument, denn da Wissenschaftler keine Hellseher sind wird die aktuelle Situation zugrunde gelegt, und ein gewisser u.a. medizinischer Fortschritt addiert, da dieser Fortschritt beiden Geschlechtern zugute kommt ist die aktuelle Situation vergleichbar vom Verhältnis, nur mit anderen absoluten Zahlen.

    Und wenn ich sage das Männer bezogen auf ihre Lebenszeit länger arbeiten müssen muss ich noch nichtmal mit Gesundheit oder Krankheit argumentieren, da reicht es einfach die Lebenszeit zu kennen.

    „Diese Zahlen sind alleine schon deshalb äußerst zwifelhaft, weil die längere Lebenserwartung wahrscheinlich mit einer Explosion an Demenzerkrankungen, aber auch Krebserkrankungen etc. einhergeht, für die der menschliche Körper (auch der weibliche) einfach nicht gemacht sind.“

    Ja sicher geht die längere Lebenserwartung mit Krankheiten daher, die werden auch in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich behandelt, daher waren in paar Leute mal so schlau die gesunde Lebenserwartung zu vergleichen, denn Lebenserwartung ist nicht gleich Lebenserwartung, und Frauen haben im Schnitt nunmal 4 gesunde Jahre mehr als Männer, und 5 Jahre mit welcher Gesundheit auch immer mehr.

    Habe jetzt nochmal google bemüht und gesehen das Frauen und Männer unter gleichen Bedingungen im Kloster auch annähern gleich alt werden (6 Monate Vorsprung für die Frau), es gab da wohl mal eine Studie zu.

    Zu der Sache mit den Gehältern kann ich dir nur nochmal sagen das der einzige Weg eine Gleichverteilung bei den Geschlechteranteilen in den Berufen ist. Ich habe keine Ahnung wie sich die Damen und Herren von der Gewerkschaft eine „Neubewertung“ vorstellen, aber sie untermauern damit meinen Eindruck den ich im Laufe der Zeit leider von vielen Gewerkschaftsvertretern erhalten habe (Keine Ahnung haben aber hauptsache fordern).

    Es geht auch nicht nur um Dinge wie die Bewertung der reinen Arbeitsbelastung (wo man tatsächlich bei BESTIMMTEN Berufen nachbessern müsste (Bsp Hospiz)/ allerdings ohne Betrachtung des Geschlechts welche die Tätigkeit ausübt, denn Geschlechtergleichheit ist nicht Ziel eines „erschwerniszuschlages“, sondern der Ausgleich der höheren Belastung), ich habe in meinem ersten Beitrag zum Thema Lohnfindung im jetzigen System bereits geschrieben das die stärker steigende Produktivität (durch die stärkere Verwendung von Technik) bei eher männlichen Berufen die Löhne stärker steigen lässt.

    Das dir eine Gewerkschaftsfrau (oder merehre) davon nichts erzählt hat und immer nur von Bewertungen der Belastung als Grund der Unterschiede spricht, ist schon blamabel, Produktivitätsgewinne sind mit das wichtigste Argument der Gewerkschaften, der berühmte „Schluck aus der Pulle“ ist das. Es zählt dabei auch nicht das der Angestellte dafür nichts tun musste (er arbeitet einfach nur mit Leistungsfähigeren Maschinen, hat also objektiv nicht mehr „verdient“) sondern nur das die Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber steigt und man die Arbeitgeber daran beteiligen will und kann.

    Und Führungsposten werden ausser Tarif vergütet, da ist nichts mit Abwertung.

    PS: Der einzige Bereich wo verteilt werden kann wie bei einem Kuchen ist der öffentliche Dienst, aber da arbeitet nur die Minderheit. Ansonsten kann Branche A nicht mehr bekommen weil Branche B herabgesetzt wird, die Ziege gibt auch nicht mehr Milch wenn man der Kuh das Milch geben verbietet.

  102. @ Mat und Udo / Doppelbelastung

    Ich spreche hartnäckig von Doppelbelastung, weil es ein Phänomen ist, dass sich für eine bestimmte Gruppe von Frauen, die zahlenmäßig deutlich größer ist als die vergleichbare Gruppe von Männern Realität ist, die es zu berücksichtigen gilt, wenn man Aussagen u.a. über die Wirkung eines BGE treffen will.

    Wenn ich Dich und Mat richtig verstehe, bezieht Ihr Euch beide ausschließlich auf den Gender Datenreport des BMFSFJ vom Nov 2005. Und dort auf die Tabelle, in der steht, dass Männer im Schnitt 12 Minuten mehr für bezahlte und unbezahlte Arbeit aufwenden.

    Das geht aber am Kern der jahrelangen politischen Debatte um die Doppelbelastung durch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorbei. Diese Debatten wollt oder könnt Ihr aus irgendeinem Grund nicht zur Kenntnis nehmen, aber ich versuche Euch nochmal darzulegen, warum dieser Aspekt für Betrachtungen des Arbeitsmarktes und der Geschlechtergerechtigkeit wichtig ist.

    „Festzuhalten bleibt, dass Kinder die Lebensgestaltung von Vätern im Durchschnitt weit weniger als die von Müttern beeinflussen. Es sind nach wie vor fast ausschließlich Mütter, die ihre Erwerbsarbeit reduzieren, um unter den gegebenen Rahmenbedingungen die Betreuung eigener Kinder zu gewährleisten.“ Genderreport 5.6, S. 3
    Der Genderreport folgt in Bezug auf Fragen der Verantwortungsübernahme der verschiedenen Sphären auch eindeutig der Argumentation, dass berufstätige Frauen zusätzlich in weitaus höherem Maße als ihre Männer für die Haus- und Familienarbeit verantwortlich sind.
    Vielleicht mal ein Beispiel: Er arbeitet Vollzeit (8.30-17.00 Uhr), sie Teilzeit (9.00-15.00). Morgens stehen beide gemeinsam auf und versorgen die Kinder (3 und 5). Während er auf dem Weg zur Arbeit im Stau steht (unbezahlte Arbeit, weil Wegstrecke) bringt sie die Kinder zum Kindergarten. Sie holt die Kinder auch wieder ab und während die Kinder spielen, bereitet sie das Abendessen zu, wäscht Wäsche und putzt (klassische Frauendomänen auch nach dem Genderreport). Er kommt zum Abendessen nach Hause (wieder Stau) und tobt noch mit den Kindern. Ihre Gesamtsumme ist immer noch gleich verteilt. Um 18.45 macht er sich auf den Weg zum CDU-Ortsverband, sie bringt ab 19.00 Uhr die Kinder zu Bett. Ab 20 Uhr macht sie es sich auf dem Sofa bequem (Freizeit), er bleibt bis 21.00 auf der Sitzung (unbezahlte Arbeit), danach geht er mit den Leuten noch ein Bier trinken (Freizeit). Die Fahrt zurück ist allerdings wieder unbezahlte Arbeit (Wegstrecke).

    Statistisch gesehen hat er an dem Tag (deutlich) mehr Zeit mit unbezahlter Arbeit verbracht als sie. Allerdings war er kaum zu Hause, die Verantwortung für die Kinder und den Haushalt lag komplett bei seiner Frau. Seine unbezahlte Arbeit ist ein gesellschaftlich anerkanntes Hobby mit vielen Kontakten, ihres die gemeinsamen Kinder und der gemeinsame Haushalt. Sie kann zwar Fernsehen, was genauso als Freizeit gilt wie das Bier in der Kneipe, aber während er zum Fernsehen hätte nach Hause kommen können, kann sie nicht die Wohnung verlassen, weil die Kinder im Nebenzimmer schlafen.

    Das sind wichtige Aspekte, wenn man verstehen will, warum Doppelbelastung als wichtiges Gleichstellungsthema gesehen wird. Schließlich kriegen Frauen diese saubere Trennung wie ich sie exemplarisch skizziert habe, nicht immer hin. Sie werden auf der Abreit angerufen, wenn was im Kindergarten passiert, sie bleiben zu Hause, wenn das Kind krank ist, wenn sie länger in der Arbeit bleiben müssen, müssen sie Betreuung für das Kind organisieren – wenn er länger bleibt, dann ruft er kurz zu Hause an und kriegt die Überstunden noch voll auf seine Statistik angerechnet, auch wenn er ihr mit seinen Überstunden unmöglich macht, selber Prioritäten neben der Familie zu setzen. Dazu reduziert sie ihre Arbeitszeit nach der Geburt und verzichtet freiwillig oder unfreiwillig zu Gunsten der Mutterschaft wahrscheinlich auf Karrierechancen. Ihm stellt sich dieser Konflikt gar nicht, weil das ja (statistisch) ihr Konflikt ist.

  103. @ Udo / Lebenserwartung

    Du hast die niedrigere Lebenserwartung von Männern, wenn ich Dich richtig verstanden habe, als Beweis für ihre höhere Belastung durch Arbeit herangezogen.
    Berufstätige Männer leben aber länger als nicht-berufstätige. Dazu kommt, dass es eher „typisch männliches“ als „typisch berufstätiges“ Verhalten ist, dass zur höheren Sterblichkeit beiträgt (Rauchen, Alkohol, Ernährung, riskantes Verhalten z.B. im Straßenverkehr). Verhalten ist in über 80% der tödlichen gewerblichen Arbeitsunfälle übrigens auch die Unfallursache.
    Aus dem Genderdatenreport wird jedenfalls nicht ersichtlich, dass Frauen gesünder sind als Männer, ich würde sagen eher das Gegenteil ist der Fall.

  104. @Katja: Deine leicht polemisch gefärbte Wertung des bürgerschaftlichen Engangements und der Beschäftigung mit seinen Kindern eines von Dir konstruierten „typischen Mannes“ finde ich einigermaßen irrelevant. Der freiwillge Feuerwehrmann betreibt nur ein Hobby? Geht Dein typischer Mann etwa jeden Abend zur CDU-Ortverbandssitzung? Die Aufteilung der Verantwortungssphären hat nun mal leider erstmal nichts mit Doppelbelastung zu tun.

    Fakt ist, dass Frauen im OECD-Raum seit 1960 ihre Lebenserwerbstätigkeitszeit nur leicht, seit 1970 praktisch gar nicht gesteigert haben. Eine Korrellation mit der in dem Zeitraum erheblich gesunkenen Geburtenrate kann ich nicht erkennen.

    (Männer haben die Lebenserwerbstätigkigkeitszeit im gleichen Zeitraum deutlicher reduziert)
    Seite 25, Figure 2.2

    http://www.sourceoecd.org/pdf/societyataglance2009/812009011e-02.pdf

    Betrachtet man die Freizeit, haben Männer ein Plus von wenigen Minuten, wobei aber jede Form von „Shopping“ als unbezahlte Arbeit zählt. Es ist lt. oecd-Studie zu vermuten, dass Frauen einen größeren Anteil ihrer Freizeit mit Shoppen verbringen. (Da wäre ich gar nicht drauf gekommen ;)

    S. 33 Figure 2.11

  105. @Mat: Shopping = Shoppen oder Shopping = Einkaufen?

    Gestern war ich nämlich dann auch ca. 1h beim Shopping: Erst beim Metzger, dann in die Apotheke, anschließend zum Gemüsehändler, dann war ich noch beim Bäcker und dann war ich noch im Supermarkt.

  106. @ Mat

    Ach so, Deine polemisch gefärbte Wertung vom weiblichen „Shoppen“ ist aber relevant, oder was?
    Mein Beispiel war nur die Illustration des Satzes aus dem Genderreport 6, Einleitung „Andererseits beeinträchtigt auch die Arbeitsteilung in der Familie die zeitlichen Spielräume für Frauen, sich gesellschaftlich oder politisch in einem größeren zeitlichen Umfang zu engagieren.“
    Bloß dass dieses Engagement eben ein viel freier gewähltes ist als die Zeit mit den Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen. Ich kann mein Hobby wechseln, aber nicht meine Kinder.

    Dein ständiges Zurückkehren zur Lebenserwerbsarbeitszeit nervt. Erwerbsarbeit ist eben nur eine Form der Arbeit, die geleistet werden muss, im Gegensatz zu der ganzen Care Arbeit bringt die gesellschaftliche Anerkennung, soziale Kontakte und im besten Fall eine sichere finanzielle Basis.
    Wenn Du Dich aber partout weigerst die Bedeutung unentgeltlich geleisteter Care Arbeit und die Tatsache, dass diese Arbeit auch in Deutschland mehrheitlich von (berufstätigen) Frauen geleistet wird, dann wirst Du mir natürlich auch nie in Bezug auf Doppelbelastung durch doppelte Verantwortung für die berufliche und familiäre Sphäre folgen können.
    1,5 Stunden/Woche in einem CDU-Ortsverband, in einem Kaninchenzüchterverein, bei der freiwilligen Feuerwehr oder als Trainer in einem Sportverein, während die Frau zu hause hockt und den Schlaf ihrer Kinder bewacht reichen übrigens schon, um die 12 Minuten Vorsprung, die Männer bei ihrer Arbeitszeit im Genderreport ihren Frauen voraus haben zu erklären.
    Und, ja, ich bin mir der gesellschaftlichen Bedeutung von Parteien, Vereinen und der Freiwilligen Feuerwehr bewusst. Trotzdem ist man dort deutlich leichter ersetzbar als in der eigenen Familie – was die Verantwortung, die man dort trägt, relativiert.

    Und: Wenn Männer arbeiten und Frauen zu Hause bleiben, haben diese Frauen selbstverständlich keine Doppelbelastung. Es geht ausschließlich um berufstätige Frauen, die außerdem Kinder oder pflegebedürftige Angehörige betreuen.

  107. @Matt:.. und eben solche Einkäufe sehr ich durchaus als unbezahlte Arbeit und nicht als Spiel, Spaß und Erholung..

  108. „Aus dem Genderdatenreport wird jedenfalls nicht ersichtlich, dass Frauen gesünder sind als Männer, ich würde sagen eher das Gegenteil ist der Fall.“

    Dort steht auch ganz klar, dass Frauen im allgemeinen ihren Gesundheitszustand schlechter einschätzen als Männer – Bei gleicher tatsächlicher Gesundheit.

    Weiterhin ist die Erkenntnis, dass 80% der Arbeitsunfälle auf Verhalten zurückzuführen sind trival – Es gibt selbstverständlich kaum Arbeisunfälle die nicht auf menschliches Versagen zurückzuführen sind.

  109. „Dort steht auch ganz klar, dass Frauen im allgemeinen ihren Gesundheitszustand schlechter einschätzen als Männer – Bei gleicher tatsächlicher Gesundheit.“

    Der erste Teil des Satzes stimmt, der zweite nicht. Es wird im Report deutlich darauf hingewiesen, dass es jenseits des subjektiven Empfindens keine „objektive“ Gesundheit gibt, die man messen kann, sondern dass es das Verhältnis ist, dass über die Gesundheit entscheidet.

    Außerdem zeigt der Report genau wie die Statistik über tödliche Arbeitsunfälle, dass Männer häufig durch ihr eigenes risikoreiches, nicht situationsangemessenes Verhalten Unfälle verursachen, die sowohl ihre Lebenserwartung als auch ihre Gesundheit negativ beeinflussen.
    So hat „Unterlassener/ unsachgemäßer/ unbefugter Gebrauch von Arbeitsmitteln“ einen Anteil von 33-40% an allen tödlichen Unfällen in der gewerblichen Wirtschaft.
    Das ist nicht trivial, sondern ein Zeichen dafür, dass der in Deutschland besonders große Gender Gap in Bezug auf Lebenserwartung und Erwartung gesunder Lebensjahre u.U. von Männlichkeitsbildern herrührt, die männliche Selbstüberschätzung und Risikobereitschaft zu ihrem eigenen Schaden fördert.
    Das Ziel hieße dann also nicht „weniger Erwerbsarbeit“ oder „andere Erwerbsarbeit“ für Männer, sondern „Förderung der Fähigkeit zum Selbstschutz bei (erwerbstätigen) Männern“.

    Vielleicht wären dann technisches Versagen und höhere Gewalt (Sturm, Unwetter etc.) irgendwann die Hauptursachen für Arbeitsunfälle.

  110. „Ach so, Deine polemisch gefärbte Wertung vom weiblichen “Shoppen” ist aber relevant, oder was?“

    Das war nicht meine Wertung, sondern eine Vermutung der Verfasser der OECD-Studie. Ich habe nur angedeutet, dass sich das mit meiner Lebenserfahrung deckt.

    „Wenn Du Dich aber partout weigerst die Bedeutung unentgeltlich geleisteter Care Arbeit und die Tatsache, dass diese Arbeit auch in Deutschland mehrheitlich von (berufstätigen) Frauen geleistet wird, dann wirst Du mir natürlich auch nie in Bezug auf Doppelbelastung durch doppelte Verantwortung für die berufliche und familiäre Sphäre folgen können.“

    Ich erkenne doch die Bedeutung an, ich finde nur Deinen Begriff von „Doppelbelastung“ zweifelhaft. Der gängige Begriff von Doppelbelastung bezieht sich darauf, dass berufstätige Frauen insgesamt erheblich mehr arbeiten. Was soll denn bitte „doppelte Verantwortung“ sein? Hat ein Vater etwa gar keine Verantwortung für seine Kinder? Die klassische Rollenteilung gibt der Frau die Hauptverantwortung für Haus und Kinder, und dem Mann die Hauptverantwortung für den Erwerb des Lebensunterhalts. Ist der Mann etwa dann nicht in einer „doppelten Verantwortung“?

    Wenn Du freilich alles, was Männer tun grundsätzlich als Verantwortungslos betrachtest, dann können wir dieDiskussion tatsächlich beenden.

    „1,5 Stunden/Woche in einem CDU-Ortsverband, in einem Kaninchenzüchterverein, bei der freiwilligen Feuerwehr oder als Trainer in einem Sportverein, während die Frau zu hause hockt und den Schlaf ihrer Kinder bewacht reichen übrigens schon, um die 12 Minuten Vorsprung, die Männer bei ihrer Arbeitszeit im Genderreport ihren Frauen voraus haben zu erklären.“

    1,5 Stunden/Woche Kaffekränzchen mit den Müttern aus der Nachbarschaft..

    Es gibt auch zig Beschäftigungen von Frauen, die in etwa den gleichen Stellenwert haben wie Kaninchenzüchtervereinsmeierei. Und der Trainer im Sportverein ist ganz klar dem erzieherischen Beriech zuzuordnen. Nur willst Du das offenbar als Freizeit deklarieren, weil ein Mann dies tut.

    „Und, ja, ich bin mir der gesellschaftlichen Bedeutung von Parteien, Vereinen und der Freiwilligen Feuerwehr bewusst. Trotzdem ist man dort deutlich leichter ersetzbar als in der eigenen Familie – was die Verantwortung, die man dort trägt, relativiert.“

    Wenn Hausfrauentätigkeit für Dich die Wertvollste aller Tätigkeiten überhaupt ist, dann ist das Deine Bewertung. Dann habe ich aber eben nicht den Eindruck, dass Du Dir der Bedeutung z.B. der Freiwilligen Feuerwehr bewußt bist. Verantwortung hat erstmal nicht viel mit ersetzbarkeit zu tun.

    Die Lebensarbeitszeit habe ich deshalb angeführt, weil Berufstätigkeit von Frauen demzufolge offenbar wenig mit der familiären Belastung zu tun hat. Die Statistik berücksichtigt freilich nicht Teilzeitarbeit.

  111. „Außerdem zeigt der Report genau wie die Statistik über tödliche Arbeitsunfälle, dass Männer häufig durch ihr eigenes risikoreiches, nicht situationsangemessenes Verhalten Unfälle verursachen, die sowohl ihre Lebenserwartung als auch ihre Gesundheit negativ beeinflussen.“

    Die Forschung zeigt genau, wie Frauen durch ihr unangemessenes Selbstbild und durch die Unfähigkeit zur angemessen Konflikt- und Streßbewältigung in depressive Zustände geraten

  112. @Mat: Das ist genau das, was ich NICHT behauptet habe:
    Im Bericht wird vom englischen Wort „Shopping“ gesprochen, was nicht equivalent zu dem deutschen Wort „Shoppen“ ist. Auch der tägliche Lebensmitteleinkauf, der imho keine lustige Freizeit ist, ist „shopping“.

  113. „So hat “Unterlassener/ unsachgemäßer/ unbefugter Gebrauch von Arbeitsmitteln” einen Anteil von 33-40% an allen tödlichen Unfällen in der gewerblichen Wirtschaft.“

    Schon mal praktisch in einem Betrieb gearbeitet? Das verhält sich so ähnlich wie mit der Altenpflege, wie sie sein müsste und dem, was zeitlich machbar ist.

  114. @Steve: Klar. Im OECD-Bericht steht, dass jede Form von „Shopping“ als unbezahlte Arbeit gewertet wurde, wobei aber zu vermuten ist, dass „Shopping“ bei Frauen als Freizeitbeschäftigung häufiger auftritt als bei Männern. Von daher sei die Aussagekraft der Zahlen begrenzt.

    Siehe Link.

  115. @ Mat

    Zum Shoppen: In Deutschland werden ca. 80% aller Kaufentscheidungen von Frauen getroffen. Ist doch klar, dass Frauen dann mehr einkaufen (und wie Steve richtig bemerkte) nicht automatisch „Shoppen“.

    „Hat ein Vater etwa gar keine Verantwortung für seine Kinder? Die klassische Rollenteilung gibt der Frau die Hauptverantwortung für Haus und Kinder, und dem Mann die Hauptverantwortung für den Erwerb des Lebensunterhalts.“
    Vielleicht kommen wir jetzt mal zum Punkt. Du redest von klassischer Rollenteilung, ich nicht. Ich rede von Frauen, die ebenso wie ihre Männer erwerbstätig sind (oder alleinerziehend) und deren Erwerbseinkommen (auch wenn es vielleicht geringer ist) notwendig für die Familie ist. Oft sogar auch vollzeit erwerbstätig. In diesen Familien hat der Mann eher eine theoretische hälftige Verantwortung für die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige, die sich aber nicht in hälftiger Übernahme aller mit der Kinderbetreuung oder Pflege aufzubringenden Zeit ausdrückt. Stattdessen sieht der Mann sich als Ernährer (der er statistisch in den meisten Familien gar nicht mehr ist, weil sein Einkommen gar nicht zum Ernähren einer Familie reicht) – und meint, damit habe er seinen Teil erledigt.
    Die Doppelbelastung der Frau äußert sich darin, dass sie 1. ihren Job nicht verlieren darf, weil er für das Familieneinkommen unverzichtbar ist, 2. aber die gesamte Organisation des Haushalts und der Familie (Kinder/Pflege) an ihr hängt. Das ist damit gemeint, wenn im Genderreport steht, dass Kinder die männliche Lebensgestaltung nicht besonders beeinflussen. Der Mann ist nicht verantwortungslos im Sinne der Vernachlässigung, sondern der losgewordenen, weil an seine (ebenfalls berufstätige Frau übertragene) Verantwortung.
    Und so wird Doppelbelastung / Vereinbarkeit auch diskutiert – als Problem der doppelten Verantwortung, nicht der doppelten Zeitaufwendung.

    Kaffeekränzchen gelten nach dem Genderreport eindeutig als Freizeit, Dein Vergleich ist also polemisch und unangebracht. Zumal Du sicher sein kannst, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutter ihre Kinder mit zum Treffen mit Freundinnen nimmt um ein Vielfaches höher ist als die Wahrscheinlichkeit, dass der Vater seine Kinder mit zum Bier in die Kneipe schleppt.

    Übrigens Wikipedia zum Thema Verantwortung: „Verantwortung bedeutet die Möglichkeit, dass eine Person für die Folgen eigener oder fremder Handlungen Rechenschaft ablegen muss.“
    Ich glaube daraus wird ersichtlich, dass die Verantwortung für Kinder eine komplett andere und auch schwerwiegendere ist, als die Verantwortung, die ich für das Gemeinwesen übernehme, wenn ich mich gesellschaftlich oder ehrenamtlich engagiere.

    Die Vorstellung „Hausfrauentätigkeit“ (womit ich putzen, waschen, einkaufen und kochen verbinde) sei für mich „die wertvollste aller Tätigkeiten“ erheitert mich übrigens sehr. Ich finde Hausarbeiten einigermaßen ätzend, drücke mich davor, wo immer ich kann und verbringe die eingesparte Zeit gerne im Job, sowie mit meiner Familie und Freunden. Allerdings habe ich mich auch schon vor Jahren von der Idee verabschiedet, jemals das Klischee einer „guten“ Hausfrau und Mutter zu erfüllen. Ich bin froh, dass ich in einer Großstadt lebe, in der keine Dorfgemeinschaft guckt, ob ich auch die Kehrwoche eingehalten habe oder ob die Unterhosen, die ich zum Trocknen auf die Wäscheleine hänge, auch wirklich schneeweiß sind. Und ich habe mir einen Lebenspartner ausgesucht, dessen Männlichkeit nicht an Risikoverhalten und Überstunden, Ernährerstatus und Biologismen hängt.

  116. „Die Forschung zeigt genau, wie Frauen durch ihr unangemessenes Selbstbild und durch die Unfähigkeit zur angemessen Konflikt- und Streßbewältigung in depressive Zustände geraten.“

    Schade, dass das ironisch gemeint war. Denn genau darum muss es natürlich auch gehen: Dass Frauen nicht mehr versuchen perfekte Mutter, Hausfrau, Geliebte und Arbeitnehmerin in einem zu sein. Ihre Konfliktfähigkeit stärken, damit sie als unpassend empfundene Rollen ablegen können. Depressionen verhindern, indem Frauen lernen, Freiräume und Unterstützung zu beanspruchen.
    Gesellschaftlich müssen aber Strukturen geschaffen werden, die solche Veränderungen unterstützen. Also Infrastruktur, Institutionen, die Kinderbetreuung und Pflege flexibel, bezahlbar und trotzdem auf hohem qualitativen Niveau anbieten.
    Deshalb halte ich ja (aus feministischer Sicht) auch nichts vom BGE. Das Geld für Institutionen und Infrastruktur wird fehlen, weil es in die direkten finanziellen Transfers fließt. Und die privatisieren die Probleme wieder nur.

  117. „Zum Shoppen: In Deutschland werden ca. 80% aller Kaufentscheidungen von Frauen getroffen. Ist doch klar, dass Frauen dann mehr einkaufen (und wie Steve richtig bemerkte) nicht automatisch “Shoppen”.“

    Nochmal: In der Studie wurde jedes Einkaufen als Freizeit gewertet. Es wurde aber vermutet, dass Frauen ihr Freizeitbudget häufiger mit „shoppen“ im deutschen Sinn verbringen, und dass deshalb die genannten Differenzen der Freizeit dahingehend relativiert werden müssen, dass Männer tatsächlich weniger Freizeit haben. Lies bitte die Seite im OECD-Bericht.

    „Kaffeekränzchen gelten nach dem Genderreport eindeutig als Freizeit, Dein Vergleich ist also polemisch und unangebracht. “

    Nö. Ich rede im Moment von der OECD-Studie, und es ist tatsächlich die Frage ob das Kaffekränzchen Freizeit oder Arbeit ist. Nowendig ist es ja, dass sich die Eltern der Nachbarschaft austauschen, wenn ihre Kinder zusammen spielen.

    „Vielleicht kommen wir jetzt mal zum Punkt. Du redest von klassischer Rollenteilung, ich nicht. Ich rede von Frauen, die ebenso wie ihre Männer erwerbstätig sind (oder alleinerziehend) und deren Erwerbseinkommen (auch wenn es vielleicht geringer ist) notwendig für die Familie ist. Oft sogar auch vollzeit erwerbstätig. In diesen Familien hat der Mann eher eine theoretische hälftige Verantwortung für die Kinder oder pflegebedürftige Angehörige, die sich aber nicht in hälftiger Übernahme aller mit der Kinderbetreuung oder Pflege aufzubringenden Zeit ausdrückt.“ (hervorhebung von mir)

    Siehst Du, auch Du verwendest die Zeitliche Definition von Doppelbelastung ;)

    Er hat in dem Maße Verantwortung, wie die Frau die Verantwortung für das Einkommen übernimmt. Siehe Gender-Datenreport.

    Aus nicht ohne weiteres zu erklärenden Gründen bleibt es aber dabei, dass Männer mehr Verantwortung fürs Einkommen, und Frauen mehr Verantwortung für Haushalt/Kinder übernehmen. Ist doch ein alter Hut.

    „Die Doppelbelastung der Frau äußert sich darin, dass sie 1. ihren Job nicht verlieren darf, weil er für das Familieneinkommen unverzichtbar ist, 2. aber die gesamte Organisation des Haushalts und der Familie (Kinder/Pflege) an ihr hängt.“

    Das stimmt so nicht, wenn sie ihren Job verliert dann kann der Gürtel meistens enger geschnallt werden, das Haus muss deshalb meistens nicht verkauft werden. Das ist der Klassische Zuverdienst, ebenso wie die Hilfe des Mannes im Haushalt meistens nicht so einen hohen Stellenwert hat.

    „Ich glaube daraus wird ersichtlich, dass die Verantwortung für Kinder eine komplett andere und auch schwerwiegendere ist, als die Verantwortung, die ich für das Gemeinwesen übernehme, wenn ich mich gesellschaftlich oder ehrenamtlich engagiere.“

    Du wertest Familienarbeit höher als jede andere Arbeit, und dieser Auffassung kann ich nicht folgen. Die Verantwortung ist sehr speziell, aber deshalb nicht höher zu werten als die direkte und unmittelbare Verantwortung in vielen Berufszweigen. Und die Mutter ist in aller Regel auch niemanden gegenüber Rechenschaftspflichtig. Was ich da so manchmal auf dem Spielplatz beobachte lässt mir die Haare zuberge stehen.

    „Und ich habe mir einen Lebenspartner ausgesucht, dessen Männlichkeit nicht an Risikoverhalten und Überstunden, Ernährerstatus und Biologismen hängt.“

    Dann hoffe ich, dass er niemals eine Depression bekommt. Offenbar würdest Du das dann als „Männlichkeitswahn“ interpretieren.

  118. „Schade, dass das ironisch gemeint war. Denn genau darum muss es natürlich auch gehen: Dass Frauen nicht mehr versuchen perfekte Mutter, Hausfrau, Geliebte und Arbeitnehmerin in einem zu sein. Ihre Konfliktfähigkeit stärken, damit sie als unpassend empfundene Rollen ablegen können. Depressionen verhindern, indem Frauen lernen, Freiräume und Unterstützung zu beanspruchen.“

    Und da unterliegst Du für mein Empfinden dem klassischem Gender-Bias, indem Du Frauen die Eigenverantwortung absprichst, und Männern sie voll zuschreibst. Du hast die Ironie nicht verstanden.

    Aber in Punkto BGE und Staatliche Dienstleistung sind wir uns ja wenigsten einig.

  119. Das stimmt so nicht, wenn sie ihren Job verliert dann kann der Gürtel meistens enger geschnallt werden, das Haus muss deshalb meistens nicht verkauft werden. Das ist der Klassische Zuverdienst, ebenso wie die Hilfe des Mannes im Haushalt meistens nicht so einen hohen Stellenwert hat.

    Diesen klassischen Zuverdienst gibt es doch in ganz vielen Familien überhaupt nicht mehr! Selbst die Teilzeitjobs der Frauen sind meistens absolut notwendig und zwar um nicht in die Schuldenfalle zu rasen (von HausbesitzerInnen rede ich überhaupt nicht, wer genug Ressourcen hat, um Wohneigentum zu realisieren, spielt in einer anderen Liga). Bei gleich hohem Einkommen ist die Zuweisung, wer „Zuverdienst“ verdient und wer „Ernährer“ ist, natürlich auch sinnlos.
    Trotzdem zeigt der Genderreport genauso wie die Deutsche Bank-Studie, dass selbst bei vergleichbarem Einkommen und/oder vergleichbarer Arbeitsbelastung die Frauen einen deutlich größeren Anteil der familiären Arbeit übernehmen.

    Mütter sind niemandem gegenüber rechenschaftspflichtig?! Da verkennst Du aber die soziale Kontrolle von Müttern sowohl durch andere Mütter als auch Krippe, Schule, Familie, Freunde, Väter…

    Ich spreche Frauen überhaupt keine Eigenverantwortung ab. Aber genau wie Männer haben sie ein Recht auf gesellschaftliche Unterstützugn bei Überwindung der einschränkenden und krankmachenden Geschlechternormierung. Das Problem ist nur, dass Männer in dieser Gesellschaft mehrheitlich den Ton angeben, ich also beide Male Männer auffordern muss, die Lebensbedingungen der Geschlechter in den Blick zu nehmen und zu ändern (helfen). Warum allerdings Männer ihre Führungspositionen immer nur dazu nutzen, überholte Männlichkeitsmodelle fortzuschreiben – das ist mir tatsächlich einigermaßen rätselhaft. Dagegen ist jede Frau in hohen Führungspositionen schon in sich eine Abweichung von der Norm und damit ein weiterer Schritt zur Veränderung der Normen.

    Deinen total überflüssigen Satz zu Depressionen bei Männern in meinem persönlichen Umfeld kannst Du Dir übrigens sonstwo hinstecken. Ich habe ehrlich gesagt den Eindruck, dass ich im Gegensatz zu Dir wenigstens weiß, was es konkret bedeutet, Familie und Beruf vereinbaren zu müssen, inklusive aller Probleme wie Arbeitslosigkeit, Krankheiten etc.

  120. „Deinen total überflüssigen Satz zu Depressionen bei Männern in meinem persönlichen Umfeld kannst Du Dir übrigens sonstwo hinstecken. Ich habe ehrlich gesagt den Eindruck, dass ich im Gegensatz zu Dir wenigstens weiß, was es konkret bedeutet, Familie und Beruf vereinbaren zu müssen, inklusive aller Probleme wie Arbeitslosigkeit, Krankheiten etc.“

    Okay, das war vielleicht unter der Gürtellinie, aber allgemein anerkannte Symptome männlicher Depression als selbstverschuldetes rekurrieren auf „Männlichkeit“ abzutun, und 80% der Arbeitsunfälle ebenfalls mit „selbst schuld“ abzutun finde ich nicht auch nicht sehr fein.

    „Trotzdem zeigt der Genderreport genauso wie die Deutsche Bank-Studie, dass selbst bei vergleichbarem Einkommen und/oder vergleichbarer Arbeitsbelastung die Frauen einen deutlich größeren Anteil der familiären Arbeit übernehmen.“

    Der Artikel über die Deutsche Bank-Studie bezieht sich in der Benennung von Zahlen nicht auf familiäre Arbeit, sondern auf unbezahlte Arbeit. Und die unbezahlte Arbeit neben der familiären muss auch erledigt werden, insofern ist die Herleitung einer „Doppelbelastung“ fragwürdig, wenn die Freizeit bei Männern und Frauen etwa gleich hoch ist. Dass man innerhalb der Bereiche eine ausgeglichenere Verteilung anstreben sollte habe ich hier in diesem Thread von Anfang an deutlich gemacht.

    Gut, es ist offenbar Dein Weltbild, dass die Männer das Problem sind, und Frauen keine andere Wahl haben als so zu handeln wie sie handeln. Denke bitte nicht, dass Du da für „Frauen“ sprichst.

    Deine Analyse der Beharrungskräfte hat seit ca. 40 Jahren so gut wie gar nichts bewegt.

  121. Und wenn ich mir das nochmal durchlese, dann muss ich festellen dass die ad-Personam Aussagen die ganze Zeit von Dir kommen. Gut, Ende.

  122. Udo, danke für Deine Erläuterungen zum Thema Niedrigere Frauenlöhne.

    Vielleicht hab ich was übersehen, aber mir scheint, dass Deine anfängliche Frage

    WARUM ABER WILLST DU DENJENIGEN DER FREIWILLIG GEGEN GELD ARBEITET DANN ZWINGEN DIE ZWANGLOSIGKEIT ANDERER ZU FINANZIEREN?

    noch nicht beantwortet wurde. Luz sagte irgendwo: „Ein BGE repräsentiert ein Grundvertrauen der Gesellschaft in die Einzelnen.“ Wahrscheinlich ist damit auch das Grundvertrauen in diejenigen gemeint, die auch bisher schon viel arbeiten und viel Steuern bezahlen. Man geht halt stillschweigend davon aus, dass die das auch weiterhin tun.

    Ich weiß, ich nutze hier permanent gemeinschaftliche Infrastruktur, und der Dorfpolizist schützt mich vor Terroristen und so. Trotzdem gelingt mir diese Abstraktion nicht durchgängig. Immer mal wieder beiße ich in die Tischkante, etwa wenn ich wie letztens 10 Euro an das mir kein bisschen Grundvertrauen schenkende Finanzamt überführen darf, weil ich die Umsatzsteuer sieben Stunden zu spät erklärt habe.

    Weil Steuerzahler nicht pausenlos dankbar sind für das, was mit ihren Steuergeldern Sinnvolles angestellt wird, und weil Nicht-Steuerzahler nicht pausenlos dankbar sind für das, was die Gemeinschaft ihnen zugute kommen lässt, haben wir Zuckerbrot-und-Peitsche-Systeme wie etwa unser Staatswesen.

  123. @Al

    Das mit dem Grundvertrauen meinte ich so:

    Mit der Prämisse, dass wir eine Gesellschaft wollen, wo niemand tatsächlich verhungert (davon gehe ich mal aus), bleibt die Frage, wie wir das organisieren.

    Dein Beispiel mit den 10 Euro zeigt aber gerade doch, was an den Abgaben nervt – dass der Staat entscheidet was mit all diesem Geld passiert.

    Hingegen die Tatsache an sich, dass ich für den Erhalt der Gemeinschaft, die ich für mein Leben inklusive Erwerbsarbeit brauche, zahlen muss, nervt mich kein bisschen.

    Der Punkt ist – der Staat(sapparat) verlangt das Vertrauen des Einzelnen dass mit den Abgaben dann schon das Richtige passiert, aber drückt selber ein wachsendes Misstrauen denselben Einzelnen gegenüber aus, wenn es um Auszahlung geht. Das wiederum fördert das Misstrauen gegenüber den Abgaben, und die Bereitschaft, Steuern zu optimieren oder Bezüge zu schmarotzen.

    Ein BGE bricht aus diesem Teufelskreis aus. Zurück auf Feld 1. Was wollen wir eigentlich? Eine Gesellschaft, in der sich leben lässt. Was brauchen wir dafür? Infrastruktur, Rechtssicherheit, Polizei, Koordination gemeinsamer Aufgaben (aka Regierung) aber auch – vor allem – die Existenz mündiger, aktiver Bürger und Bürgerinnen, die das Ganze tragen.

    Das zweite könnte man m.E. durch einen (sorgfältig bemessenen, gewiss) Vertrauensvorschuss in Form eines BGE massiv fördern. Diesen Teil der Steuern würde der Staat nur noch treuhänderisch verwalten, aber nicht über die Verwendung bestimmen.

    Solange wir obige Prämisse nicht antasten wollen – d.h. uns als Ganzes lebensfähige Gemeinschaft verstehen und nicht tatsächlich wieder zu sagen beginnen „sollen die Armen halt verrecken“ – aktzeptieren wir so oder so die Notwendigkeit von gewissen Transferleistungen für eine menschenwürdige Existenz aller.

    Deshalb fehlen mir bisher schlüssige Argumente, wieso der Abbau bedingter Transferleistungen zugunsten eines Bedingungslosen GE die Gesellschaft in den Abgrund der Untätigkeit stürzen sollte.

    Jetzt unterbezahlte anstrengende Jobs würden ordentlicher bezahlt damit sich dafür noch Leute fänden, dafür käme etwas Lohndruck dorthin, wo die Arbeit an sich schon motivierend und erfüllend ist, anstatt diese Posten ungesund zu überzahlen.

    Nur wenn man von einem generellen Misstrauen in alle Mitmenschen ausgeht („ich würde natürlich schon was Sinnvolles machen, aber viel zuviele andere würden sich in die Hängematte legen“), kann es nicht klappen.

    Das halte ich aber für Unsinn – wer tatsächlich rücksichtlos auf Kosten anderer leben will, tut das schon heute ohne BGE (und auch unabhängig von der Einkommensklasse!); die meisten wollen das von sich aus nicht. Mit BGE würde aber zusätzlich das Potential jener besser ausgeschöpft, die sich jetzt redlich viel zu sehr mit dem Nachweis ihrer Existenzberechtigung erschöpfen.

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