Gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartner_innen hatten in den letzten 10 Jahren mit Forderungen nach Gleichbehandlung mit Ehepaaren sehr häufig Erfolg. So auch bei der Besteuerung – Finanzgerichte wie zuletzt das Finanzgericht Köln sprechen immer häufiger von verfassungswidriger Ungleichbehandlung, wenn das Finanzamt die Zusammenveranlagung mit Splittingtarif und die Ausstellung der für Verheiratete vorgesehenen Lohnsteuerkarten für eingetragene Lebenspartner_innen ablehnt. Eine endgültige Entscheidung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage steht noch aus, wird aber im Jahr 2012 erwartet.
In diesem Beitrag geht es darum, wie die jüngsten Entscheidungen der Finanzgerichte einzuordnen sind, wem das Ehegattensplitting eigentlich nützt und wie beurteilt wird, ob es einen Unterschied macht, ob gleichgeschlechtliche oder verschiedengeschlechtliche Paare (rechtlich gesehen) „den Bund fürs Leben“ eingehen. An der Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaft kommt die Politik nicht mehr vorbei – denn es ist kaum zu begründen, warum bestimmte Vorteile auf verschiedengeschlechtliche Ehepaare beschränkt werden dürfen. Damit darf die Diskussion aber nicht beendet werden – die Privilegien der Ehe müssen grundsätzlich überdacht werden.
Ehegattensplitting und eingetragene Lebenspartnerschaft
Mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Jahr 2001 erhielten gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit, eine rechtlich institutionalisierte Form der Partnerschaft einzugehen, die in vielen Punkten der Ehe nachgebildet wurde. Steuerlich wurden eingetragene Lebenspartner_innen aber der Ehe nicht gleichgestellt, auch in anderen Rechtsgebieten (zum Beispiel bei der Beamtenversorgung, der Hinterbliebenenrente ect.) blieben viele Privilegien der Ehe vorbehalten.
Das Ehegattensplitting ist ein solches Privileg. Wie funktioniert es? In der Bundesrepublik können Eheleute, die nicht dauernd getrennt leben, seit dem Jahr 1958 bei der Einkommensbesteuerung die getrennte steuerliche Veranlagung oder die Zusammenveranlagung wählen (§ 26 EStG). Die Zusammenveranlagung bedeutet, sie werden als „ein Steuerpflichtiger“ behandelt, die Einkommen addiert und den Ehegatten gemeinsam zugerechnet (§ 26 b EStG). Das gemeinsame zu versteuernde Einkommen wird im Splittingverfahren durch zwei geteilt, und die Steuerlast dieses hälftigen Betrages errechnet und verdoppelt (§ 32a Abs. 5 EStG).
Dieses sehr komplizierte Splittingverfahren hat verschiedene Wirkungen, am wichtigsten ist aber der sogenannte Splittingeffekt (oder auch Splittingvorteil). Dieser bedeutet eine Steuerersparnis gegenüber der individuellen Besteuerung und ist abhängig von zwei Faktoren: Der Höhe des gemeinsamen Einkommens und der Einkommensdifferenz zwischen Frau und Mann. Aus diesem Grund wird schon seit Jahrzehnten kritisiert, dass das Ehegattensplitting letztlich ein Steuerprivileg für Alleinernährerehen (mit hohem Einkommen) darstellt.
Weil es rechtlich gesehen so ist, dass Regelungen in denen „Ehe“ steht nicht automatisch auch auf eingetragene Lebenspartner_innen angewendet werden, lehnen die Finanzämter Anträge auf Zusammenveranlagung ab. Die betroffenen Paare müssen dann Jahr für Jahr Widerspruch einlegen und später klagen. Der LSVD bietet hierfür ausführliche Beratung und Musterwidersprüche bzw. Klagen im Netz.
Gleich und gleich – Warum sollen nur Ehepaare splitten?
Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) besagt, dass vergleichbare Sachverhalte gleich zu behandeln sind. Die Gerichte mussten sich also damit auseinandersetzen, ob eine Ungleichbehandlung von Meike und Maria gegenüber Mike und Maria im Steuerrecht verfassungsrechtlich zulässig ist. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die übernommenen Pflichten (zum Beispiel Unterhaltspflichten) bei Eheschließung und Verpartnerung gleich sind.
Zu Beginn dieser Auseinandersetzung argumentierte zum Beispiel das Finanzgericht des Saarlandes, das Splittingverfahren käme nicht in Betracht, weil bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft im Unterschied zur Ehe „die steuerliche Gleichbewertung einer geschlechtsverschiedenen Arbeitsleistung naturgemäß nicht zur Beurteilung steht.“ (Entscheidung vom 21.01.2004, Aktenzeichen: 1 K 466/02). Inzwischen ist die Argumentation etwas differenzierter und es wird immer klarer, dass kaum noch Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung denkbar sind.
Im Jahr 2010 entschied der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschafts- und Schenkungssteuer und sagte, mit der Förderung der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) sei die Beschränkung von Vorteilen auf Ehegatten jedenfalls nicht zu begründen. Unter Anwendung der in dieser Entscheidung aufgestellten Maßstäbe kommen viele Finanzgerichte nun zu dem Ergebnis, dass auch eine Beschränkung des Ehegattensplittings auf Ehepaare verfassungswidrig ist. Die endgültige Entscheidung in dieser Frage durch den 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts steht aber noch aus. Jedes Gericht kann sich in der Zwischenzeit auch anders entscheiden als zuletzt das FG Köln und zu dem Ergebnis kommen, die Ablehnung des Splittings für gleichgeschlechtliche Paare sei korrekt.
In einer aktuellen Veröffentlichung von zwei Mitarbeiter_innen im Bundesfinanzministerium zur Frage der Ausweitung des Ehegattensplittings auf eingetragene Lebenspartnerinnen, welche vermutlich auch die Grundlage der Stellungnahme der Bundesregierung im aktuellen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bildete, wird argumentiert, der Gesetzgeber habe aus demographischen Gründen das Ehegattensplitting auf Ehepaare beschränkt, die Ehe habe nach den Vorstellungen des Verfassungsgebers eine „grundlegende gesellschaftliche Funktion zur Sicherung der demographischen Entwicklung“ (Löhr/Serwe 2011: Das Ehegattensplitting auf dem Prüfstand, Baden-Baden, S. 78).
Die Gesetzgebung hatte in den 1950er Jahren noch wenig Sorgen um die Demographie, wie der berühmte Konrad Adenauer zugeschriebene Satz „Kinder kriegen die Leute immer“ schön illustriert – es handelt sich also eher um eine Neuinterpretation der Ziele der Regelung. Denn das Ehegattensplitting, ein weiterer Kritikpunkt, knüpft ja keineswegs an das Vorhandensein von Kindern an und heute kann man von Einkommensdifferenzen nicht mehr ohne weiteres auf diese schließen. Es spricht also viel dafür, dass auch der konservativere 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts zu dem Ergebnis kommen wird, dass auch eingetragene Lebenspartner_innen splitten dürfen können müssen. Das Urteil könnte natürlich aber auch anders ausfallen.
Wem das alles nichts nützt
Alleinerziehende und Paare, die sich gegen ein Leben mit Trauschein entscheiden, profitieren ebenfalls nicht vom Ehegattensplitting und haben im Unterschied zu eingetragenen Lebenspartner_innen keine Chance auf Gleichbehandlung mit Ehepaaren. Aber auch verheiratete oder verpartnerte Paare, die gleich oder annähernd gleich verdienen, haben vom Ehegattensplitting nicht so viel. Die nachvollziehbaren und richtigen Kämpfe gegen Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare könnten so den paradoxen Effekt haben, dass die normative Bedeutung der Ehe sogar noch gestärkt wird. Dann wäre das emanzipatorische Potenzial der individuellen Erfolge vor den Gerichten für die Gesamtgesellschaft eher gering. In Gesprächen mit Frauenpolitikerinnen höre ich aber auch häufig eine andere Lesart: „Bevor Lesben und Schwule das Ehegattensplitting kriegen, wird die CDU es lieber abschaffen“, ist die Hoffnung so mancher überzeugten Gegnerin des Ehegattensplittings.
Es ist der falsche Grund, um endlich diesen Schritt zu tun, aber wenigstens die richtige Maßnahme!
Schön, dass endlich Bewegung in die Sache kommt. Aber genau wie in dem Artikel steht, werden weiterhin Unverheiratete und Ehepaare mit ähnlich hohem Einkommen diskriminiert. Paare, die sich gegen einen Trauschein entscheiden, werden doppelt bestraft: Die bekommen nämlich nicht einmal den Alleinerziehendenausgleich (so eine „Wilde Ehe“ ist ja auch echt böse!). Das Ehegattensplitting unterstützt ein veraltetes und vor allem westdeutsches Lebensmodell. Siehe auch: http://maedchenmannschaft.net/70-000-euro-fuer-einen-trauschein/
Gibt es eigentlich gesetzgeberisch ernstzunehmende Initiativen, die das Ehegattensplitting durch ein Erziehungsberechtigter- / Kind-Splitting ersetzen wollen?
Oder geht das rehtssystematisch sowieso nicht, weil ja Kinder kein Einkommen haben?
(Ich bin juristische Laiin.)
Wären die mit ihren demographischen Aussagen konsequent, dürften auch heterosexuelle Paar ohne Kinder kein Splitting anwenden… Insofern ist die gesamte Argumentation schon hinfällig.
@Frau Doktor: Es gibt zwei grundsätzliche Reformpfade, die man einschlagen könnte: Die Individualbesteuerung aller Erwachsenen (mit Freibeträgen für Kinder und das steuerfreie Existenzminimum, sowie Freibeträgen für Unterhaltsleistungen an Erwachsene) und dann gibt es die Variante des sogenannten Familiensplittings, in Frankreich gibt es z.B. ein Familientarifsplitting, wo die Kinder auch einen „Faktor“ haben. Beim Familiensplitting würde sich dann die Frage stellen, ob EhegattInnen und bald eingetragene LebenspartnerInnen weiterhin einbezogen bleiben, dann wäre es quasi eine Erweiterung des Ehegattensplittings um die Kinder. Es wurde mal für Deutschland durchgerechnet, was dieses französische Modell übertragen auf unser hiesiges System bringen würde – damals wurde festgestellt, dass es nur Familien mit hohen Einkommen etwas bringen würde gegenüber dem Status Quo. http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_02.c.232408.de
Wie genau die Verteilungswirkungen wären, hängt natürlich stark davon ab, wie man es genau ausgestalten würde. Mehrkosten für ein Familiensplitting wären mindestens 6 Milliarden Euro.
Danke Maria!
Problematisch aus rechtlicher Sicht ist vor allem, dass man in solchen Fragen verfassungsrechtlich nicht einfach Artikel 3 prüfen kann, anschließend einmal über die Regelung drüber bügelt und damit alles erledigt hat; hier spielen noch wesentlich andere Fragen mit hinein. Wenn man die gleichgeschlechtliche Partnerschaft nicht als zulässige „Ehe“ im verfassungsrechtlichen Sinne anerkennt (was anscheinend die überwiegende Auffassung ist), ist diese auch nicht von Art. 6 GG geschützt. Aus dieser Norm wird aber meines Wissens nach abgeleitet, dass die Ehe als Institution erhalten bleiben muss und nicht ausgehöhlt werden darf,, indem sämtliche Vorzüge der Ehe auf andere Partnerschaftsmodelle übertragen werden. Vor dem Hintergrund müsste also die Frage gestellt werden, ob die gleichgeschlechtliche Partnerschaft überhaupt in allen Einzelheiten der Ehe gleichgestellt werden kann oder wo ggf. die Grenzen wie gezogen werden müssen.
@karpatenhund Das BVerfG prüft diese Frage, zum Beispiel in der oben von mir verlinkten Entscheidung durchaus an Art. 3 Abs. 1 GG. Lies mal die verlinkte Entscheidung, da wird der verwendete Maßstab gut deutlich. Die Frage, ob die Ehe immer besser stehen muss als andere Lebensgemeinschaften, das sogenannte Abstandsgebot hat der 1. Senat des BVerfG in der Entscheidung zur Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft verneint. Es gibt also kein Abstandsgebot, man muss seitdem immer im Einzelfall schauen und die Gesetzgebung kann auch für verschiedengeschlechtliche unverheiratete Paare neue rechtliche Möglichkeiten schaffen. Im Übrigen ist der Schutz der Ehe meiner Meinung nach nicht tangiert, wenn eingetragene Partner_innen neue Rechte kriegen. Denn es ist ja kein Vorteil für ein Paar, wenn andere Paare etwas nicht bekommen.
@Maria: Das mit dem Abstandsgebot hatte ich so nicht mehr auf dem Schirm, danke. Dennoch stellt sich mir die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht diese Ansicht halten kann. Es macht damit nämlich einen sehr merkwürdigen Spagat. Einerseits differenziert es Ehe und (gleichgeschlechtliche) Partnerschaft; andererseits sagt es, dass diese beiden Institutionen sich so ähnlich sind, dass im Ergebnis eine Differenzierung bei der rechtlichen Behandlung im Regelfall nicht geboten ist. Dann muss man sich aber fragen, worin der besondere Schutz der Ehe liegen soll, wenn die Verfassung anscheinend nicht gebietet, dass sie gegenüber anderen Institutionen anders behandelt werden muss. Denn erweitert man das Schutzniveau anderer Institutionen, passt es an das der Ehe an, kann man nicht mehr davon sprechen, dass die Ehe „besonders“ geschützt wäre.
Früher oder später wird sich das Bundesverfassungsgericht also beim aktuellen Kurs sehr viel intensiver als bisher mit der Frage beschäftigen müssen, was genau die Ehe von anderen Partnerschaftsmodellen unterscheidet und unter welchen konkreten Umständen überhaupt eine Ungleichbehandlung/“Begünstigung“ (Wie sollen diese ohne Benachteiligung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft funktionieren?) möglich sein soll. Dass das Bundesverfassungsgericht eine solche Möglichkeit anerkennt, hat es ausformuliert, indem es Ehe und andere Partnerschaftsmodelle verfassungsrechtlich trennt und sagt, dass die Ehe verfassungsrechtlich gefördert werden muss; zudem akzeptiert es die Ungleichbehandlung etwa bei der künstlichen Befruchtung, was auch nicht wirklich überzeugend ist, wenn man davon ausgeht, dass ein Kind auch in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft wohlbehütet und unbeschadet aufwachsen kann.
Ich bin sehr gespannt darauf, was das Bundesverfassungsgericht aus der Sache auf Dauer macht.
@karpatenhund:
Selbst, wenn das BVerfG das Splitting abschießen sollte, müsste es immer noch von der dann amtierenden Bundesregierung umgesetzt werden.
Wie gut das klappt, kann man doch u.a. aktuell an der Zusammensetzung der H4-Regelsätze erkennen.
Bis das Problem der Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Ehen und Lebensgemeinschaften ggü. der Hetero-Ehe vor dem Steuerrecht behoben wurde, wird noch ne Menge Wasser die Flüsse entlang laufen.
Das das Splitting komplett fallen gelassen wird, sehe ich persönlich im Übrigen noch nicht. Dafür profitieren davon einfach zu viele potentielle Wähler/innen.
@ChP: Es geht mir weniger um die Abschaffung des Splittings, sondern um die Klärung, welche Alleinstellungsmerkmale im Bereich der Ehe verfassungsmäßig notwendig sein sollen. Irgendwie scheint sich die Ehe ja nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich von der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft zu unterscheiden und anscheinend muss die Ehe auch besonders geschützt werden. Wenn eine oder viele andere Institutionen plötzlich exakt identische Rechte hätten, bekommt das Bundesverfassungsgericht ein Problem. Daher muss es früher oder später klären, was die Ehe von anderen Institutionen abhebt.
Was die Hartz-4-Regelsätze angeht: Was kann man daran erkennen? Das Bundesverfassungsgericht hat gemacht, was seine Aufgabe ist; es hat gesagt, dass die Berechnungen fehlerhaft waren, aber die Höhe hat es zu Recht nicht kritisiert: Die ist nämlich nur eingeschränkt überprüfbar.
Bei Ehegattensplitting ist das erwas ganz anderes: Hier kann das Bundesverfassungsgericht das Splitting formell ohne Probleme abschießen, indem es die entsprechenden Regeln für verfassungswidrig erklärt. Da muss die Bundesregierung nicht mehr viel umsetzen, sondern das Splitting würde wegfallen; ob das Bundesverfassungsgericht argumentativ Probleme hätte, die Verfassungswidrigkeit zu bejahen, steht freilich auf einem anderen Blatt.