Im Zuge des Shitstorms gegen den gewaltverherrlichenden und frauenfeindlichen Clip der E.on-Tochter „E“ gab es mal wieder ein paar „kritische“ Stimmen von außen, die da lauteten: „Ist doch witzig gemeint“, „Also ich fand’s lustig“, „Meine Freundin/Bekannte/Kumpeline fand das lustig“, „Das kann man sexistisch finden, muss man aber nicht“. Diese Stimmen wollen aussagen, dass es sich bei der Kritik an Sexismus und anderen -Ismen um ein von Gegner_innen hausgemachtes Problem handelt. Mücke und Elefanten, ein Problem, was eigentlich keines ist. Meist werden die Aussagen ergänzt mit „Kümmer‘ dich doch mal um die echten Probleme von Frauen“ oder „Komm‘ mal wieder runter“.
Die „Empörungsindustrie“ macht den Sexismusapologet_innen schwer zu schaffen. Mit aller Mühe wird versucht, die Kritik zu relativieren oder Sexismus zur Disposition zu stellen. Sexismus ist halt erst Sexismus, wenn er von allen Beteiligten in einer Diskussion als solcher identifiziert wurde, nicht, wenn die hysterischen Emanzen ihn als solchen definieren. Denn – so lassen sich die Abwehrmechanismen einordnen – die größte Angst der Mehrheit besteht darin, nicht mehr über dieses und jenes lachen zu dürfen. Ein Stück des selbstverständlichen Weltbildes als diskriminierend abqualifiziert zu bekommen.
Letztlich steckt immer der Wunsch dahinter nicht als schlechter Mensch zu gelten, der diskriminierende Inhalte lustig findet. Da die Sichtbarmachung von -Ismen in den meisten Fällen mit Tabus belegt wird, die zu durchbrechen angeblich den höchsten Frevel der Menschheit darstellt, werden Kritiker_innen mit allerlei rhetorischen Strategien beschäftigt gehalten, um ja nicht noch mehr Menschen vom diskriminierenden Inhalt des kritisierten Gegenstandes zu überzeugen. Eine Strategie neben Bildungsforderungen, Beschimpfungen und Alltagswissen ist die Degradierung der Kritiker_innen zu Menschen, die nicht mehr ganz bei Sinnen sind, mittels oben genannten Aussagen: Die Betroffenen haben einfach nicht verstanden, dass die sexistische Kackscheiße einfach nur witzig gemeint war.
Im US-amerikanischen Kontext gibt es dafür den Begriff des „Gaslighting„, eine Strategie, mit der in Form von emotionaler Manipulation (oft unintendiert) versucht wird, die_den Kritiker_in als „verrückt“ und deren Argumentation und Perspektive als invalid gelten zu lassen. Tatsächlich lösen diese Abwehrstrategien bei Betroffenen Trigger und Emotionen aus, die ihnen schmerzlich bewusst werden lassen, dass die eigenen Erfahrungen und Empfindungen von der abwehrenden, unsensibilisierten Mehrheit als ungültig oder nicht relevant eingestuft werden. Die eigene Verunsicherung, die jene spüren, deren Weltbilder durch die Kritik an -Ismen ins Wanken gebracht werden, wird auf die Betroffenen verlagert.
Die perfide Botschaft hinter Aussagen wie „Du hast den Witz nicht verstanden“ ist: Ich nehme deine Kritik nicht zur Kenntnis (weil ich’s kann/weil ich nicht muss) und unterstelle dir, dass du eine Perspektive auf den Gegenstand legst, die nicht der objektiven/neutralen/realitätsnahen entspricht. Der Zynismus hinter der Aussage könnte deutlicher nicht sein, denn Betroffene von Sexismus und anderen -Ismen sind in einer Welt sozialisiert worden, die ihnen täglich zu verstehen gibt, dass Unterdrückung Normalität ist und daher Witze darüber oder über bestimmte Gruppen völlig akzeptiert sind. Sie haben gelernt ihre Umwelt immer durch zwei Brillen zu sehen: die eigene und die der Mehrheitsgesellschaft. Sie haben gelernt, dass die „Default-Brille“ die der Mehrheitsgesellschaft ist.
Soll heißen: Die Betroffenen haben den Witz schon längst verstanden. Sie haben sich aber in diesem Fall dafür entschieden, es nicht witzig zu finden. Betroffene wissen auch stets, wie etwas „gemeint“ ist. Sie weisen die Perspektive lediglich zurück. Ergo ist „Gaslightening“ keine Form der Argumentation, sondern eine Form der Degradierung des_der Gegenüber_s, der Versuch Unterdrückung wieder in die Unsichtbarkeit zu verbannen und Problemverlagerung auf Betroffene. „Du hast den Witz nicht verstanden“ ist Gewalt, da die kritisierte Diskriminierung noch einmal auf die Betroffenen zurückfällt.
Allerdings wird mit „Du hast den Witz nicht verstanden“ deutlich, dass es nicht die Betroffenen sind, deren Weltsicht eingeschränkt ist. Denn wir beide haben den Witz verstanden, ich bin nur schon einen Schritt weiter als du.
Mal abgesehen davon, dass der Spot auch ohne die kritisierten Komponenten allerhöchstens eher so mittel lustig ist:
Mann haut quengelnde Frau bewusstlos.
Dass das irgendwie sexistisch ist, merke sogar ich, als nicht für das Thema sensibilisierter Mann. Der Sexismus ist sogar das einzig bemerkenswerte an dem Spot. Es wundert ehrlich gesagt, dass das niemandem beim Produktionsprozess aufgefallen ist.
Zuerst hatte ich geglaubt, dass der Sexismus und die dadurch hervorgerufene Empörung bewusster Teil einer viralen Marketingkampagne sind, aber das ist wohl eher nicht der Fall. Dafür ist der Spot einfach zu schnell zurückgenommen worden.
„…sind in einer Welt sozialisiert worden, die ihnen täglich zu verstehen gibt, dass Unterdrückung Normalität ist…“
Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass ihnen suggeriert wird, dass es keine Unterdrückung gibt, bzw. dieses und jenes einfach keine Unterdrückung ist. So ist vielleicht die Perspektive jeweils von Kritiker_innen und Kritisierten deutlicher.
Danke für den Artikel. Ich habe mich ebenfalls mit derlei Äusserungen auseinandergesetzt, da eine Freundin den „E wie ekelhaft“ Artikel auf diesem Blog mit ihren FacebookfreundInnen geteilt hatte, und ein paar es wieder mal nicht unterlassen konnten, feministischen Protest für Ungleichbehandlung und Unbequemlichkeiten verantwortlich zu machen und die ProtestiererInnen als humorlos anzupissen. Da wurden dann Filme ins Feld geführt, wo eine Frau einer anderen Frau eine Kopfnuss gibt und das ja lustig sei, und gefordert, man müsse die Werbung im Namen der Gleichstellung witzig finden, denn wenn die Frau dem Mann die Kopfnuss gegeben hätte, wäre es ja harmlos und witzig gewesen.
Alles in allem kommt diese nette Nachbereitung hier genau richtig und macht das geplagte Feministinnenherz froh!
Ich finde nicht eure Definitionsmacht in Bezug auf Sexismus, die ihr beansprucht, problematisch, sondern dass (wahrscheinlich ernstgemeinte) Nachfragen wie „Wo ist denn da Sexismus?“ mit „OMG, du raffst es einfach nicht.“ und „Ich will das nicht zum achtundzwanzigtausendsten Mal erklären.“ abgewiegelt werden. Ich weiß, ihr möchtet nicht immer die Erklärbär_innen spielen. Aber ihr stellt hier eine Plattform zur Verfügung, die versucht aufzuklären, aufmerksam zu machen. Auch für die Leute, die bei Themen wie Sexismus/Feminismus nicht automatisch eine so hohe Awareness haben wie ihr sie habt. Sich dann über vielleicht interessierte Leute aufzuregen, die „es noch nicht verstanden haben“, ist bestimmt etwas kontraproduktiv für eure Arbeit, weil sie dann nämlich genau in den informierten/aufgeklärten Kreisen hängen bleibt, in denen ihr euch bewegt.
„Ales nur Satire“ sagt eine der Macherinnen des Spots: http://twitter.com/SUPERSUPERSUPER/status/176583900771004416
Danke für die Analyse. Der entscheidende Punkt ist dabei dein letzter Satz, finde ich: „Denn wir beide haben den Witz verstanden, ich bin nur schon einen Schritt weiter als du.“ Denn dass die Mehrheitsleute nicht in der Lage sind, zwischen der „eigenen Brille“ und der der anderen zu unterscheiden (die ja nochmal viele Brillen von vielen verschiedenen anderen sind), ist ein Defizit, das sie sich nur leisten können, solange sie Macht haben bzw. Mehrheit sind. Deshalb verteidigen sie die auch so aggressiv.
Das Schwierige für die „Minderheit“ besteht darin, dass sie einerseits Wege finden muss, der eigenen Brille treu zu bleiben und sich nicht von der Mehrheitsmeinung verunsichern zu lassen, das aber – andererseits – ohne selbst wieder zu vergessen oder zu verleugnen, dass es eben immer auch „andere“ Brillen gibt, also ohne die eigene Brille default zu setzen.
Das geht nur, indem man sich mit anderen bespricht und diskutiert und dort sich gegenseitig vergewissert, dass das eigene Urteil richtig ist. Chiara Zamboni hat mal gesagt: Eine allein könnte glauben, dass sie verrückt ist. Wir müssen mindestens zu zweit sein.
Dieses „mindestens zu zweit“ finde ich sehr befreiend. Weil ich nämlich sozusagen nicht erst dann „recht“ habe, wenn ich alle anderen überzeugt habe, es genügen für den Anfang einige andere, genau genommen eine andere. Das ist die Basis, um das notwendige Selbstbewusstsein entwickeln zu können, dass es dann möglich macht, es mit den „Gegnern“, wenn man so will, aufzunehmen.
absolut treffende beschreibung eines leider fast allgegenwärtigen phänomens! für mich ist daher sei langem die frage, wie kritik an welchen -Ismen auch immer sinnvollerweise formuliert werden kann, ohne dass dabei lediglich Defensivreflexe geweckt werden. Zwar ist ein wichtiges Ziel bereits erreicht, wenn die Kritik geäußert und gehört worden ist, aber eigentlich geht es doch um mehr: darum zu überzeugen, Verständnis zu wecken und Tabus aufzubrechen, statt sie zu verstärken.
@Anna
Diskutierst du am Text oder willst du einfach nur Grundsatzkritik an der Mädchenmannschaft loswerden? Ich nehme mal höflicherweise erstes an.
von „OMG Ihr rafft es nicht“ ist oben im Text gar nicht die Rede. Auch nicht von Menschen, die interessiert nachfragen, warum dieses und jenes sexistisch ist, er_sie würde es gern verstehen wollen. Sondern von Menschen, die Perspektiven von Betroffenen leugnen. Bei denen ist die Lernbereitschaft erfahrungsgemäß sehr gering, das hat mit Unwissen eher weniger zu tun, sondern mit im Text benannter Abwehrhaltung. Dann ist es als Betroffene und Feministin nicht meine Aufgabe, diese sexismusverharmlosende Person noch freundlich darüber aufzuklären, warum mich so ein Verhalten extrem verletzt und nicht unbedingt – wie du es annimmst – in meiner theoretischen Elfenbeinturmehre kränkt.
Zum Rest kann ich leider nichts sagen, weil sich das nicht auf den Text bezieht, siehe auch Netiquette. Danke für dein Verständnis.
Eine Leserin hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass der verlinkte Text zu „Gaslighting“ nicht ganz unproblematisch ist. Wer sich dafür interessiert, kann gerne hier nachlesen, wieso:
http://www.feministe.us/blog/archives/2011/11/15/a-message-to-yashar-ali-from-a-woman/
Vielleicht ist es dafür noch zu früh, doch als jemand, der sich mit PR und Werbung befasst, glaube ich, dass es sich hierbei um ein ganz bewusstes „Stilmittel“ handelt. (Gott, nie kam mir eine Wortwahl so schlecht vor.) – Ok, anders: Ich bin sehr sicher, dass auch der Produktionsfirma bewusst war, was sie dort wie darstellen und dass diese Darstellung auch (begründete) Empörung hervorrufen wird. Ganz im Sinne des „bad news is good news“.
Um’s von der anderen Seite anzugehen: In einer Welt, in der Sexismus geächtet ist und im zwischenmenschlichen Alltag keine Rolle mehr spielt, würde die Werbung, das behaupte ich einmal, gut funktionieren; die Darstellung wäre als Witz zu erkennen, wenngleich dieser nicht jedem Geschmack entspricht. Das Perfide ist hier jedoch, dass das, was so dargestellt wird, leider noch immer und viel zu oft Alltag darstellt. Und dann wird’s eben geschmacklos.
Trotzdem: Schöner Artikel, wird empfohlen. Sensibilisierung ist leider noch nicht weit genug fortgeschritten. Was allerdings für ganz viele -ismen gilt. Traurige Welt.
@Anna: Ich habe zu genau diesem Thema eine laaange Debatte bei Twitter geführt – und wieder einmal feststellen müssen, dass selbst „Feministen“ (ich wähle hier bewußt die männliche Form) kein Problem sehen. Und selbst nach dem fünften Versuch der Erklärung nicht tun. Ärgerlicherweise wird einer dann schon locker nach zwei vergeblichen Ansätzen erklärt, sie müsse es nur „richtig“ versuchen. Man wolle „ja wirklich“ das Problem sehen…
Aber, wie Lantzschi bereits anmerkt: Das Thema hier ist genau die Abwehrhaltung dahinter, nicht die Erklärung des Spots. Dazu gibt es inzwischen auch Texte anderswo, z.B. http://klarheiten.tumblr.com/post/18611687271/noch-ein-punkt-zu-e-wie-ekelhaft
@Nadine zu dem Link den du erhalten hast wg. Gaslighting: Stimmt, so ein Gefühl hatte ich seinerzeit auch, als ich den Artikel von Yashar Ali las. Da präsentiert ein Mann stolz eine gaaaaaaaanz neue Erkenntnis, die Feministinnen zwar schon ewiglich kritisieren, aber egal – ihm ist’s neu und damit ist es generell neu und beachtenswert.
Diese Antwort an Yashar Ali fand ich lesenswert!
„the problem is that you don’t“ – herrlich, danke!
zweifellos das der clip aus der werbung gehörte.
aber ich frage mich ob es auch so einen „shitstorm“ gegeben hätte wenn eine frau einen mann bewusstlos geschlagen hätte?
so werbung gabs/gibts ja immer wieder.
lieber peter: Wenn eine Frau einen Mann bewußtlos geschlagen hätte, wäre das wahrscheinlich im Sande verlaufen. Das liegt ganz einfach daran, daß diese hypothetische „umgekehrte“ Version nicht an dieselben gesellschaftlichen Machtverhältnisse (siehe Statistiken zu häuslicher Gewalt etc) andockt und damit nicht zu einem verhöhnenden Abfeiern häuslicher Gewalt geeignet wäre. Und wo keine sexistische Verhöhnung tausender Opfer jahrelanger Gefangenschaft in Gewaltbeziehungen stattfindet, ist auch kein Protest gegen eine solche nötig. Alles klar?
Der Text bringt es auf den Punkt.
Die Sache mit e.on bzw. der Tochtergesellschaft erinnert mich an den Vorfall mit UniLad, einer Website, die die sogenannte ‚lad culture‘ (d.h. was ‚echte Kerle‘ machen/mögen) zelebriert: In einem Artikel wurden Vergewaltigungen trivialisiert (hier ein Bericht der Huffington Post dazu: http://www.huffingtonpost.co.uk/2012/01/31/unilad-magazine-forced-to-pull-surprise-rape-article-after-twitter-backlash_n_1244173.html) der dazu führte, dass die Website für geraume Zeit abgeschaltet worden ist. Damit aber nicht genug: Alle, die UniLad für den Artikel und den generell ziemlich sexistischen Inhalt der Website kritisierten, wurden von den Seiteninhabern, aber auch von UniLad-Fans auf Facebook usw. aufs Heftigste angegriffen (dokumentiert in tumblrn wie diesem: http://www.tumblr.com/tagged/unilad-fans). Das Argument „Du hast den Witz bloß nicht verstanden“ war dabei sogar noch harmlos. „It’s just banter“- mit dieser Ausrede werden hier immer mehr Geschmacklosigkeiten verteidigt.
Wie war das noch: „Die Jungen werfen zum Spaß mit Steinen nach Fröschen- die Frösche sterben im Ernst.“
Nur wenigen Menschen ist klar, das Witze eben oft ein Machtmittel sind und zugleich ein Machtverhältnis festlegen. Witze haben eine steinharte Aussage.
@peter Bei einem Werbespot in dem z.B. eine ‚aggressive Hausfrau‘ (am besten mit Lockenwicklern und Filzpantinen) ihrem Mann mit dem Nudelholz auflauert, wären Aufregung und Shitstorm vermutlich ähnlich. Auch das würde die Frau abwerten. Diesmal nicht als ‚unselbstständiges Dummchen‘, welches noch nicht einmal allein damit klar kommt, nicht einschlafen zu können, sondern als ‚irrationalen Hausdrachen‘, der einem jeden Spaß verdirbt, oä. Das macht’s irgendwie nicht besser.
@Lautsprecherin: Ja, haben sie, aber zuviel Adorno ist sicher auch nicht nützlich.
Und ein Nachtrag, weil für uns alle interessant: „Auf Facebook veröffentlichte das Unternehmen die Stellungnahme: „Wir haben die Wirkung, die unser TV Spot ‚Einschlafen‘ erzielt hat, scheinbar grundlegend falsch eingeschätzt. Es war nie unsere Absicht, mit dem Film die Gefühle der Zuschauer zu verletzen oder gar frauenfeindlich zu wirken. Wir nehmen eure Kritik ernst und nehmen den Spot umgehend aus den Medien. Euer E WIE EINFACH Team“.“
Quelle » http://www.ftd.de/it-medien/medien-internet/:sexismus-vorwurf-eon-tochter-verursacht-shitstorm-mit-kopfnuss/70003566.html#utm_source=rss2&utm_medium=rss_feed&utm_campaign=/
Danke für den Artikel.
„Sexismus….wenn er von allen Beteiligten in einer Diskussion als solcher identifiziert wurde nicht, wenn die hysterischen Emanzen ihn als solchen definieren.“
Nun ja, aber wer genau hat den DefinitionsHohenheit über solche Begriffe? Den Hinweis der Sexisten, auf die Mehrheitsmeinung könnte man die 3te Möglichkeit dagegen halten, das es für Normen und Werte keine einheitliche Interpretation gibt.
Dann müssten wir halt anfangen unser Normenverständniss abzugleichen.
P.S. Ja der Spot war sexistisch. Nein, ich fand ihn nicht lustig.
@BasementBoi
Nein, es gibt tatsächlich keine einheitliche Interpretation, weil die Sicht von Betroffenen und deren Wissensarchive immer wieder negiert und angefochten werden. Es ist ein Machtkampf um Deutungshoheit. Die einen wollen sie bekommen, weil es um Anerkennung, Repräsentation und Teilhabe und Umverteilung von materiellen Ressourcen geht, die anderen wollen ihnen das nicht zugestehen.
Im Zweifelsfall verlasse ich mich immer auf die Definitionen von Betroffenen und nicht auf die jener Menschen, die meinen für alle zu sprechen. Das kann mensch natürlich auch anders handhaben, ist dann aber nicht so der spannende Weg für mich. Ich meine (rhetorisch gefragt): Warum sollte ich mich von der Sexismus-Definition von Feminist_innen (&Bewegungsgeschichte&Geschlechterforschung) verabschieden, die dazu dient, die Verhältnisse zu kritisieren und radikal umzuformen (Stichwort: Gerechtigkeit), und mich jener anschließen, die genau das nicht will? Das macht keinen Sinn für mich. Ich gleiche meine Sexismus-Definition also nur mit jenen ab, die dasselbe Ziel verfolgen und Betroffenheitsperspektiven einen großen Raum geben, weil wir dann eigentlich gar nicht mehr über das ob, sondern mehr über das wie diskutieren können, Strategien und Bündnisse aushandeln. Wer sich damit nicht solidarisch zeigen kann, der_die ist eben nicht mein_e Bündnispartner_in.
@Nadine,
ich stimme mit Dir größtenteils überein. Leider konstruierst Du hier wiederum ein binäres Schema, das zwar die Grundvoraussetzung für eine gelungene Selbstbehauptung ist, aber wahrscheinlich Reaktanz zu folge hat:
Für Dich scheint es nur gutes oder schlechtes Verhalten zu geben.
Entweder die Leute sind für Repräsentation, Teilhabe, Umverteilung, Gerechtigkeit oder sie sind dagegen.
Fairness auf der einen Seite, Rücksichtslosigkeit als vermeintlich negativer Gegenpol der uneingeschränkt ablehnenswert erscheint, auf der anderen Seite.
Angesichts dieser konträren Gegensätze, habe ich nur noch die Wahl zwischen guten und schlechten Verhalten. Gut und richtig ist deshalb nur die Betroffenenperspektive. Gut und richtig ist nur deine Sexismusdefinition.
Eine ehrenvolle Gewichtsverschiebung zwischen dialektischen Gegensätzen :Fairness – Durchsetzungsfähigkeit bleibt dabei verborgen.
Damit tust Du also eigentlich genau dasselbe was du bei anderen (zurecht) anprangerst..
Und mir geht es auch nicht darum, das ich nicht mehr über sexistische Witze lachen sol (welche sowieso meine persönliche komik-Kompetenz unterschreiten)
Es geht darum, das ich mich durch solche einseitigen Übergriffe, in meiner Selbstachtung, meinen Selbstwertgefühl und meiner Selbstachtung gefährdet sehe.
@BasementBoi: Mir ist nicht restlos klar, worauf du hinaus willst und worin dein Einwand besteht. Könntest du das vielleicht nochmal zusammen fassen? Danke.
Wie man, ganz anders als Eon, durchaus mit Klischees arbeiten kann, zeigt immer noch der Klassiker von Perscheid: http://file1.carookee.de/forum/Yamaha-FJ/37/file/1599060/kopfschmerz.jpg?w – es kommt eben darauf an, _wer_ den Schlag ausführt.
@slowtiger Ja, Frauen wollen alle keinen Sex… Total lustig und furchtbar originell. Nicht.
@BasementBoi
Ich rede nicht von gutem und schlechtem Verhalten, sondern von Solidarität. Solidarität ist es nicht, Betroffenenperspektiven in Frage zu stellen, zu negieren oder zu trivialisieren. Solidarität ist es auch nicht, deren Kämpfe und Kritikformen zu bewerten. Wenn eine_r diesen Weg für sich selbst nicht für gangbar hält, in Ordnung, da finden alle ihre Wege zum erhofften Ziel. Es muss sich ja nicht auf „die richtige“ Widerstandsform geeinigt werden, auch die Ziele sind teilweise unterschiedlich.
Wenn du daraus allerdings eine Diskussion über deine persönlichen Gefühle/dein Wohlbefinden als Nicht-Betroffener machen willst, wenn andere ihre Stimme gegen Sexismus erheben und das nicht deiner Form der Kritik entspricht: Mach‘ das bitte woanders. Danke.
„Ergo ist “Gaslightening” keine Form der Argumentation, sondern eine Form der Degradierung des_der Gegenüber_s, der Versuch Unterdrückung wieder in die Unsichtbarkeit zu verbannen und Problemverlagerung auf Betroffene.“
Sehr gut auf den Punkt gebracht.
@Nadine: Diesen Ansatz zur Sexismusdefinition halte ich für problematisch, denn er enthält einen Zirkelschluss. Wenn man sagt, man wolle sich der Sexismusdefinition „der Betroffenen“ anschließen müsste man vorher definieren, wer betroffen ist. Das geht aber wiederum nur, wenn der Sexismusbegriff bereits vorher definiert wurde.
Genau das gleiche gilt für die Aussage, sich den Definitionen anschließen zu wollen, die der Betroffenheitsperspektive größten Raum geben wollen. Welche Perspektive soll das sein? Ermitteln kann man dies nicht, da auch hier wieder die Definition von Sexismus denklogisch vorher stattfinden muss.
Die Übernahme einer Definition unterliegt bei dem Ansatz der Beliebigkeit desjenigen, der sich anschließt. Im Prinzip wird so vorher ohne festgelegte Kriterien geschaut, wen man für betroffen hält; und dessen Definition dann übernommen und mit den eigenen Ansichten abgeglichen. Für eine brauchbare Definition fehlen bei diesem Vorgehen ganz klar die Argumente, warum ausgerechnet die ausgewählten Definitionen einzig richtig und brauchbar sein sollen.
(Was allerdings auch nicht heißt, dass damit zwingend falsche Definitionen übernommen würden; nur kann auf der oben genannten Basis keine Entscheidung darüber getroffen werden, ob die entsprechenden Definitionen brauchbar sind)
@karpatenhund
Das ist – mit Verlaub gesagt – Wortklauberei, die du hier betreibst. Welche Sexismusdefinition schwebt dir denn vor? Eine, die beinhaltet, dass alle Menschen – von Sexismen betroffen oder nicht – darüber diskutieren, was denn Sexismus ist? Das ist Quatsch und in der Realität kaum zu bewerkstelligen. Ich setze mich doch nicht mit offen frauenfeindlichen und sexistischen Menschen an einen Tisch und lasse die auswürfeln, ob sie jetzt einen Werbespot lustig oder sexistisch finden. Je nach Gemütslage, unabhängig davon, ob sie von Diskriminierung betroffen sind (oder nicht)! Das klappt nur, wenn du dir eine Welt mit Menschen vorstellst, die alle gleiche Ressourcen, Kräfte, Chancen, etc. haben. Gibt’s aber leider nicht!
Du tust so, als wären Sexismusdefinition in Stein gemeißelte auf Lebenszeit unveränderliche Wahrheiten. Feminist_innen haben aber schon immer über Definitionen diskutiert. So sind Definitionen selbstverständlich immer Veränderungen unterworfen. Dein Debattenbeitrag erhält aber keinen Anknüpfpunkt für eine Diskussion, weil du eigentlich nur sagst, dass Nadine unrecht hat – obwohl du nichts eigenes beiträgst.
Ich bin aber gespannt, von einer (Arbeits-)definition zu Sexismus von dir zu hören, so wiederhole ich meine Frage gerne: Was ist deine Sexismusdefinition? Vorher ist diskutieren eher wenig sinnvoll.
@Magda: Da muss ich widersprechen. Meine Aussage ist keineswegs Wortklauberei. Und ich setze mich aktuell für gar keine Sexismusdefinition ein, sondern sage, dass die Herangehensweise von Nadine problematisch ist. Natürlich kann ich mich einer x-beliebigen Definition anschließen und behaupten, diese Definition sei die richtige, weil ich glaube, dass sie die richtige ist und ich der Person oder Institution vertraue, die sie geschaffen hat. Möglicherweise ist die Definition auch tatsächlich richtig. Nur widerspricht diese Vorgehensweise sämtlichen wissenschaftlichen und logischen Standards zur Begründung der Richtigkeit einer Definition. Bei jedem Artikel, jeder Arbeit mit halbwegs wissenschaftlichem Anspruch bekäme man bei so einer Begründung der Richtigkeit einer Definition zu Recht scharfen Gegenwind.
Wohlgemerkt ist diese Bemerkung von mir alleine auf die Herangehensweise bezogen und stellt nicht die sexistische Ausrichtung des Werbespots oder die inhaltliche Richtigkeit der Definitionen in Frage, die Nadine bei der Beurteilung von Sexismus zu Grunde legt.
@karpatenhund: Aha interessant. Was waeren denn z.B. „wissenschaftliche[n] und logische[n] Standards zur Begründung der Richtigkeit einer Definition“? Ich kenne jetzt nur Definitionen aus der Mathematik, da kann eine Definition weder richtig noch falsch sein.. obgleich man darueber diskutieren kann ob man bestimmte Sachverhalte nicht anders nennen sollte.
Hallo Nadine,
vielen Dank für die messerscharfe und pointierte Analyse. Es tut gut, die Kommunikationsstrategie seziert auf dem Tisch liegen zu sehen. Manchmal habe ich in Diskussionen nämlich genau das Gefühl: ich bin hier der Depp, der alles dramatisiert und eigentlich hat es die Natur ja auch so gewollte und bla. Naja, kennst Du wahrscheinlich um einiges besser als ich.
Zusammenfassung: Dankeschön!
@karpatenhund
„Nur widerspricht diese Vorgehensweise sämtlichen wissenschaftlichen und logischen Standards zur Begründung der Richtigkeit einer Definition.“
Wenn ich schon „wissenschaftlicher und logischer Standard“ höre, muss ich nicht nur schmunzeln, sondern mich auch fragen, ob du das ernst meinst. Diese Gutgläubigkeit was Wissenschaftlichkeit angeht kann ich nicht nachvollziehen. Vor allen Dingen nicht aus feministischer Perspektive (und hey, wir sind ja auf einem feministischen Blog!). Das was uns als Wissenschaft verkauf wird, ist nämlich häufig sexistisch, biologistisch, rassistisch etc (darüber haben wir schon sehr oft gebloggt).
Ein paar Fragen: Hast du dich schon mal mit Wissenschafts- bzw. Objektivitätskritik auseinandergesetzt? Weisst du, dass Wissenschaft auch nicht im luftleeren Raum passiert und von gesellschaftlichen Strukturen beeinflusst ist? Hast du dich mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Methoden (und mit den Kritiken davon) befasst? Das sind jetzt keine Fragen, die du sofort beantworten musst, sondern eher Denkanstöße. Wir reden hier nämlich nicht von Zahlen, die du in einfache Definition quetschen kannst, sondern von Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind.
@Joe
Danke, das freut mich sehr zu lesen :)
@Dominik: Ich stelle immer noch nicht die Richtigkeit einer bestimmten Definition in Frage, wie ich bereits mehrfach geschrieben habe; sondern die Begründung der Richtigkeit einer bestimmten Definition und die Methode zum auffinden der richtigen Definition. Zu den wissenschaftlichen und logischen Standards: Die Berufung alleine auf eine Autorität oder Koriphäe auf einem Gebiet reicht niemals aus, um die Richtigkeit der Definition dieser Person zu begründen (zumindest wüsste ich nicht, in welcher Wissenschaft dies möglich ist; mir ist keine bekannt); dafür bedarf es vielmehr Argumente. Und der Logikfehler liegt in dem von mir bereits erwähnten Zirkelschluss: Die richtige Definition kann unmöglich bestimmt werden, indem man die Definition der Leute anwendet, die von dem definierten Begriff umfasst werden. Das ist logisch nicht möglich, weil man die Definition braucht, um die Leute zu bestimmen, die die Definition entwickeln dürfen.
Zur Mathematik: Ich bin in dem Thema nicht ganz drin und weiß nicht genau, wie der Begriff „Definition“ dort verwendet wird. Ich bin mir aber sicher, dass der Zirkelschluss in keinem Bereich, der auf Logik basiert, irgendwas bestimmtes beweisen kann.
@karpatenhund
Leider sind wir in der Debatte – wie schon von mir eingangs vermutet – nicht einen Schritt weitergekommen. Deine Analyse, warum Betroffene nicht Definitionsmacht über ihre Erlebnisse mit Diskriminierung haben sollten, erschließt sich mir gar nicht – eben weil du nicht mit Argumenten kommst, sondern mit deiner Zirkelschlußtheorie, die du unkritisch aus einem ganz anderen Feld übernimmst und auf ein Thema anwendest, welches nicht in einfache Theorien gequetscht werden kann, weil wir hier von Machtverhältnissen, Gesellschaft und Betroffene von Diskriminierung sprechen. Für mich ist die Diskussion nun beendet, wegen null interessantem gedanklichen Zugewinn.
@karpatenhund
Diskutierst du am Text? Sieht mir irgendwie nicht so aus. Hier ist kein Platz für deine Scheindiskussion zur Widerlegung feministischer Argumentationsführung ohne ein Argument deinerseits. Das nächste Mal, bevor du Mutmaßungen über meine Fantasie, mir die Welt so zusammen zu bauen, wie sie mir passt, anstellst, frag doch am besten nach, auf welcher Grundlage ich argumentiere. Dafür kannst du mir gern eine E-Mail schreiben, ich freue mich, wenn Menschen mehr über Sexismus und feministische Kritik erfahren wollen.
„Der Zynismus hinter der Aussage könnte deutlicher nicht sein, denn Betroffene von Sexismus und anderen -Ismen sind in einer Welt sozialisiert worden, die ihnen täglich zu verstehen gibt, dass Unterdrückung Normalität ist und daher Witze darüber oder über bestimmte Gruppen völlig akzeptiert sind.“
bitte gestatte speziell hierzu meine beobachtung/frage :
wie steht es um eine gesellschaft, die ein sog. grundrecht auf „körperliche unversehrtheit“ (hier : dt. grundgesetz/GG Art. 2 (2)) zwar aufm papier stehen hat, dieses sog. grundrecht jedoch mit verweis auf „ist doch nen witz“ missachtet und mittels gewalt-werbung (hier aktuell :
e wie ekelhaft) sowohl beauftragt (auftraggeber) als auch produziert (agentur) und entsprechend verbreitet ?
eine gesellschaft, i.d. zwar per strafgesetzbuch/StGB vorsätzliche/körperverletzung strafbar ist, diese (sexistische) gewalt- „witz-werbung“ jedoch konsumiert und dann auch noch „witz-mässig verteidigt“ – weil eine kleine gruppe von sog. feminist_innen darauf aufemrksam macht – wenn das grundrecht auf körperliche unversehrtheit doch eigentlich „uns alle“ angeht ?
nur nebenbei, den (verlinkten) gaslighting-artikel/Yashar fand ich schon letztes jahr ebenfalls aus diversen gründen problematisch (u.a. fauxminist, mansplaining); ist ja bei dem feministe.us-link zu lesen.
sog. gaslighting ist also immer manipulation; oft auch kombiniert mit u.a. emotionalem missbrauch/emotional abuse.
ganz klar : „Indifference is not an option.“