Die FKK-Kultur stirbt aus. Dafür blüht das Geschäft mit der Pornografie. Wie tragisch, dass uns das natürliche Verhältnis zu nackten Körpern abhanden gekommen ist!
Früher bin ich sehr ungezwungen nackt zwischen vielen nackten Menschen herumgetobt: Am FKK-Strand. Heute kann ich mir das nicht mehr vorstellen. Nacktheit ist etwas sehr Intimes für mich geworden, ich möchte nicht, dass alle möglichen, mir unbekannten Menschen einen Blick auf meine sekundären Geschlechtsmerkmale werfen können.
In einer Gesellschaft, in der alle Menschen tagtäglich mit nackten Menschen zugespammt werden, ist persönliche Nacktheit ein schwierigeres Objekt geworden. Denn während ich doch ein wenig wehmütig werde, wenn ich an meine ungezwungene FKK-Vergangenheit denke, sammle ich für unser feministisches Weblog sexistische Werbung, um sie zu brandmarken. So nicht, liebe Werbeindustrie! Sage ich dann.
In den USA sei das mit der sexistischen Werbung nicht so verbreitet, schrieb einst ein User in einem Blog-Kommentar. Man würde kaum auf Nacktheit stoßen in der Öffentlichkeit. Wenngleich das zunächst begrüßenswert erscheint, so weiß ich im gleichen Moment ebenso: Das sind die gleichen USA, in denen Menschen andere Menschen anzeigen, deren Kleinkinder im Garten nackt herumtoben. Der Preis für die Freiheit von Sexismus ist leider allzu oft: Die Prüderie.
In Schweden zum Beispiel gab es noch in den Siebzigern eine sehr freizügige Kultur des Nacktseins. Man fand daran weder etwas Sexistisches, noch etwas Anstößiges oder gar Pädophiles. Nein, man war geradezu stolz auf diese Freiheit, die man auch mit einer gewissen Freiheit des Geistes verbunden sah. Heute sind auch die Schweden verklemmt. Eine Frau, die dort oben ohne, oder gar komplett nackt am Strand entlangliefe, wäre wahrscheinlich binnen kürzester Zeit als „Schlampe“ abgestempelt. Damit scheint sich die Gesellschaft in eine ziemlich schwierige Lage manövriert zu haben:
Einerseits ist sie völlig „oversexed“. Sexistischer Werbespam so weit das Auge reicht. Eine besonders große Sorge ist die „sexuelle Verwahrlosung“ der heutigen Jugend. Und Frauen wollen zu recht nicht bloß als Sexobjekte und Dekoration von Autos herhalten. Bei You Porn kann man Sex und im gesamten Internet Bilder von nackten Menschen ohne Grenzen bekommen.
Gleichzeitig stirbt die FKK-Kultur aus, nur ein paar restliche „Oldies“ leben sie noch, beklagen das Ausbleiben der Jungen. Waren früher in einem Bildband von Schweden noch viele nackte Frauen am Strand zu sehen, so sind sie heute komplett verschwunden. Währenddessen operiert eines der größten europäischen Pornofilm-Imperien von Schweden aus. Es gibt kein dazwischen mehr, zwischen Porno und Prüderie. Das ist tragisch.
Denn das perfide an diesen Entwicklungen ist, dass ein nackter Körper sofort und nur noch mit „Porno“ assoziiert wird. Früher war ein nackter Mensch ein nackter Mensch. Nicht mehr. Die Beziehung zu dieser natürlichen, asexualen Nacktheit ist verloren gegangen. Sie bleibt nur noch den Kindern – in den USA nicht einmal ihnen.
(Dieser Text erschien ursprünglich als Kolumne auf Freitag.de)
Ich merke gerade, wie mich diese „oversexed“ Gesellschaft beeinflusst, wenn mir bei Textstellen wie
„Gleichzeitig stirbt die FKK-Kultur aus, nur ein paar restliche „Oldies“ leben sie noch, beklagen das Ausbleiben der Jungen.“
schelmische Gedanken in den Kopf kommen.
Und jetzt schaue ich grad raus und denke mir, von deinem Artikel und vom Wetter inspiriert, hmm, heute könnte ich mal wieder nackig in die Sauna gehen.
Schöner Artikel, by the way.
Guter Text, Katrin …
Ist das eigentlich ein spezifisch weibliches Problem? Ich habe nämlich so den Eindruck. Bei meinen wöchentlichen Saunabesuchen ist es so, dass die meisten Männer ohne Bademantel oder „Handtuchschleier“ durch die gegend trapsen. Frauen tun das nur selten.
Meine Freundin meinte, das sei so, weil die Männer so auf die nackten Frauen starren würden. Und ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich nicht auch gerne den ein oder anderen Blick riskiere. Habe aber auch kein Problem damit, wenn die Frauen bei mir schauen.
Die zwangsläufige Assoziation von Nacktheit mit Sex ist wirklich ein interessanter Punkt. Persönlich empfinde ich manche Frau in langer Schlabberhose, Kapuzensweater und Teva-Sandalen als sehr sexy. Und da schaue ich dann auch gerne mal etwas länger hin.
Aber das ist ein neuer Aspekt für mich, dass Frauen sich ungern nackt zeigen, weil nackte Frauen bzw. bilder von (halb)nackten Frauen von der Industrie zum als Verkaufsobjekt eingesetzt werden und Frauen sich nicht als Objekt sehen wollen.
Wie siehst du das mit typisch weiblich angezogenen oder gestylten Frauen? Oder Frauen in Bikinis? Die werden ja auch gerne als Werbeträger eingesetzt aber einen ähnlichen Effekt wie bei der Naktheit gibt es nicht.
Das spricht meiner Ansicht nach aber eher gegen die Abstempler als gegen die Frau — zeigt es doch, daß sie glauben, Nacktheit habe unbedingt etwas mit Sex zu tun.
Ich unterstelle sogar, daß sie dann auch gleich entsprechende Vorstellungen haben. Sie schämen sich für diese Vorstellungen und verurteilen die Frau dann dafür, daß sie sich für ihre unzüchtigen Gedanken schämen müssen.
Gruß, Frosch, ganz un-verschämt :-)
Ich glaube ein anderer wichtiger aspekt (der auch im zusammenhang mit werbung etc hängt und den du, katrin, vielleicht auch gemeint hast) ist das empfinden des eigenen körpers als schön..
menschen deren körper vielleicht nicht genau dem suggerierten standard entsprechen ziehen sich eben nicht in der öffentlichkeit aus.
normale körper mit kleinen „fehlern“ werden öffentlich als unästhetisch wahrgenommen (auch wenn das privat dann wieder ganz anders aussieht).
ich persönlich habe z.B. privat keinerlei probleme mit meinem bauch, meiner beginnenden cellulitis und kleinen brüsten, in der öffentlichkeit würde ich mich dafür schämen (übrigens nicht nur nackt sondern auch im bikini) weil man einfach mehr verglichen wird oder zumindest das gefühl hat.
Hey Katrin,
entspricht weitgehend meiner Beobachtung, wenn ich auch den expliziten FKK-Bezug nicht unbedingt ziehen würde. Ich denke, daß das generell ein Problem des konservativen Backlashes ist in einer Zeit, in der es nur noch wenig zum Festhalten gibt (siehe „Silbermond“). Da wird Nacktheit halt recht schnell zum Tabu erklärt, vor allem, wenn der gesellschaftliche Druck sowohl aus den USA kommt (facebook – Nacktheit quasi gleich Porno, Stillen verboten) als auch von nicht wenigen Feministinnen, die ja die Gleichsetzung zum Teil aktiv betreiben, und der sozialkonservativen Rechten.
Ähnliches, würde ich behaupten, gilt auch für Sexualität insgesamt, allerdings ist es natürlich auch so, daß die zunehmende Heterogenität unserer Gesellschaft den konservativen Backlash (noch) erträglicher erscheinen läßt und wirkliche soziale Kontrolle noch nicht (wieder) ausgeübt wird.
ich würde nicht unbedingt sagen, dass Nacktheit auf direktem Weg zum Tabu erklärt wird, sondern auf indirektem: Nacktheit = Sex/Porno. Eine Nacktheit, die nicht mit Sex assoziiert wird ist rar geworden und deswegen ist die Nacktheit an sich zum Tabu geworden. Und genau das meine ich, ist das, was extrem schade ist. Ich sehe hier ein kulturelles „Gut“ verloren gehen, ein Stück Menschlichkeit. Und wie gesagt: Mein Eindruck ist schon, dass dies weniger mit einer „Verklemmtheit“ insgesamt einhergeht (ich stelle mich sogar hin und behaupte, sexuelle Verklemmtheit wird stigmatisiert), sondern dass dies mit einer Übersexualisierung geschieht, die sich eben auch und vor allem darin manifestiert, den nackten Körper als per se sexuell anzusehen. Ich denke da zum Beispiel auch an das entfernen von Bildern stillender Mütter auf Facebook… Wie absurd, oder? Eine nackte Brust ist sexuell – selbst wenn da ein Kindermund dran hängt!
Also These: Ohne die ÜBERsexualisierung gäbe es diese Prüderie gar nicht.
Katrin,
ich stimme Dir da im wesentlichen zu (das fb Beispiel hatte ich ja auch erwähnt) – vielleicht habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Ja, Nacktheit wird tendenziell mit Sexualität gleichgesetzt und Sexualität hat im allgemeinen Diskurs einen tendenziell pornösen (und Porno hat ja auch, im Gegensatz zu den 70ern und 80ern einen sehr problematischen Ruf mittlerweile) Charakter bekommen – „we’re oversexed and underfucked“.
Das Problem sehe ich wirklich in der impliziten Koalition aus institutionell einflußreichen Altfeministinnen, die weibliche Nacktheit generell als sexuell *und* sexistisch und damit als Ausdruck männlicher „Gewalt“ sehen und Altkonservativen, die Nacktheit generell als sexuell und damit als potentiell sozial disintegrierend sehen.
Will sagen, hätten wir nicht ein vom negativen Bild von Pornografie als Gewalt geprägtes gesellschaftliches Bild von Sexualität, dann würden wir als Gesellschaft Nacktheit auch nicht quasi-zwangsläufig sexualisieren: die zweite Reaktion erscheint mir als Sicherung – so als ob Nacktheit als Einstiegsdroge zu betrachten wäre.
Der 68er Impus, Nacktheit und Sexualität als gesellschaftliche Subversion und zur individuellen Befreiung einzusetzen (wenngleich auch auf historisch fagwürdigem Fundament), folgt jetzt eine vermutlich zyklische Gegenbewegung, glücklicherweise aber in einer heterogeneren Gesellschaft, in der Charlotte Roche nicht mehr auf dem Index landet.
(Alt-)Feministinnen spielen hier aus meiner Sicht eine ganz entscheidende Rolle, weil sie an den für diesen Diskurs entscheidenden Stellen sitzen. Meine Sicht: Würden sie sich gedanklich von der Grundhaltung Sex=Gewalt verabschieden, bräche die implizite Koalition zusammen, und der Trend zu Prüderie dürfte sich auflösen.
welche „Altfeministinnen“ meinst du denn jetzt genau? Denn gerade in den 68ern gab es sicherlich nicht wenige Feministinnen, die genau anders drauf waren, als du es jetzt „Altfeministinnen“ unterstellst. Da muss man schon genau schauen…
Aber genau das ist es, was mich ja umtreibt: Der Spagat zwischen: Sexismus anprangern und trotzdem nicht nackte Körper dramatisieren und an der Sexualisierung mitarbeiten – eine wirkliche Herausforderung für uns Feministinnen.
Katrin,
ja sicher. Es gab auch Frauen, die mit dem feministischen 2nd-wave Mainstream à la Schwarzer und Dworkin nicht konform gegangen sind und die
http://de.wikipedia.org/wiki/Feminist_Sex_Wars
ausgefochten haben. Daß sie nicht der Mainstream waren erkennt man schon daran, daß man sie (immer noch) in Abgrezung zu „Feministinnen“ als solchen als „sex-positive Feministinnen“ qualifiziert und nicht die anderen als „sex-negative Feministinnen“.
Shere Hite ist sogar nach Deutschland geflüchtet aus Angst vor der kombinierten medialen Macht der Steinems, Dworkins und der konservativen Kräfte in den USA. Aber auch hier war die für viele heute in für den Gender-Diskurs verantwortlicher Stellung arbeitende Feministinnen prägende Phase gekennzeichnet von einer „Vergewaltigung“ männlicher Sexualität.
Hier ist ein ziemlich guter Artikel von Bettina Röhl (und damit ja quasi einer der tatsächlichen individuellen „Erbinnen“ der 68er-Geschichte) in Cicero – „Die Sex-Mythen des Feminismus“ –
http://www.cicero.de/97.php?item=549&ress_id=7
„Schwarzer erklärte jetzt die „Penetration“, ein Wort, das es bis dahin nicht im allgemeinen Sprachgebrauch gegeben hatte, expressis verbis oder dem Sinne nach als einen für die Frau grundsätzlich demütigenden, vergewaltigenden Akt: „Hier wird der Geschlechterkampf entschieden. Ganz offen geht es bei den diktierten Normen um die Unterwerfung der Frau und die Machtausübung des Mannes.“ Oder an anderer Stelle: „Auch ist die psychologische Bedeutung dieses in sich gewaltsamen Aktes des Eindringens für Männer sicherlich nicht zu unterschätzen.“ Mit dem Wort „penetrieren“ wurde der Beischlaf endgültig von einer höchst interaktiven Handlung zu einer kalten Operation des Mannes, die er an der Frau vornahm.
…
Dass sie dabei über das Ziel hinausschoss und den Mann, der genauso unschuldig geboren wird wie die Frau, der genauso überrascht im Alter von zwölf, dreizehn Jahren vor seiner erwachenden Sexualität steht und der genauso wenig weiß, wo es in der Sexualität langgeht wie eine junge Frau, derartig dämonisierte und seinen Penis gleich als angeborenen und zugleich erlernten Quäler verdammte, und die Sehnsucht der Frauen, mit ihren Männern zu schlafen gleich ganz negierte – und dies alles mit massenmedialer Assistenz –, das war die Kröte, die wir alle mitschlucken mussten, und dies ist, denke ich, die Kröte, von der sich die Gesellschaft getrost wieder befreien darf.“
Auch ich habe als Kind lange Sommer nackt verbracht, das war normal, ich hätte wohl geschrieen, wenn mich Mutti in ein Badekleid gepackt hätte oder in einen Bikini (was ich an Kindern ganz schlimm finde). Nachdem ich aus dem Gröbsten raus war, sah ich auch keinen Grund, anders als nackt zu baden. Aber mir ist schon damals der hohe Altersdurchschnitt der Nacktbader aufgefallen.
Zum Glück gab es auch noch den einen oder andern jungen Mann, der ebenfalls nachkt am Strand lag, ich habe das aber nie in Verbindung mit Sex gebracht. Sicher checkte ich auch die Attraktivität der Männer, aber das war nichts anderes als ich es auch mit Badehosenträgern gemacht habe. Es kam auch nie zu üblen Orgien, ich würde sogar sagen, auf Nacktferien war ich zurückhaltender als etwa in Spanien, wo Badehosen Pflicht sind.
Seit einigen Jahren findet man mich nicht mehr an FKK-Stränden. Was sind die Gründe? Ich kann nur für mich persönlich sprechen. Aber ich hatte das zunehmende Gefühl, die Strände werde von Gaffern bevölkert, von älteren Herren, die sich nicht mit FKK identifizieren, sondern nur eine Gelegenheit suchen, um umsonst nackte Frauen zu sehen. Meine Cousine meinte immer, wenn einer gaffte: Schau mal, ein Wessi! So würde ich es nicht pauschalisieren.
Auch wenn ich Kinder hätte, würde ich es mir gut überlegen, ob ich mit denen an einen FKK-Strand gehe. Aufgrund zahlreicher Berichte in den Medien hat man natürlich Angst, jemand der entsprechend veranlagt ist, könnte gerade an einem FKK-Strand Ausschau nach Kindern halten.
Was am Ende der von Katrin beschriebenen Entwicklung stehen wird, mag ich nicht absehen. Prinzipiell gab es ja eine Tendenz zu immer weniger Kleidern über Bikini und Oben ohne bis zur Nacktheit. Streben wir vielleicht doch dem Ganzkörperbadeanzug zu? Bei Männern ist die Entwicklung in eine solche Richtung ja schon zu erkennen, und ich staune, was besonders sich die Jungen antun, wenn sie Stoff bis zu den Knien tragen, neuerdings sogar mit Unterwäsche darunter.
@Johannes:
vielen Frauen geht es nicht nur um die Schönheit ihres Körpers, ob der eigene Körper anderen gefällt oder nicht ist erst mal egal. Vielmehr spielen auch Erfahrungen mit sexueller Gewalt und Macht von Männern gegenüber Frauen eine Rolle. Und sei dies Gewalt in Form von Gaffen oder Sprüchen. So ist es ok in einer großen Gruppe nackt zu baden, während man sich alleine oder mit nur wenigen (2-3) nackt sehr schutzlos und leicht angreifbar fühlt.
Nicht jeder Blick auf den Busen ist ein kompliment oder wird als eines empfunden,
sondern kann auch als veletzend bis bedrohlich empfunden werden.
Natürlich gibt es den. Ich werde im Bikini mehr angegafft als am FKK-Strand. Das könnte natürlich auch andere Ursachen haben (volles bayerisches Freibad vs Ostseestrand in MekPomm), aber es schwirren im Alltag wesentlich mehr Bilder von Bikinifrauen herum als von nackten Frauen. Es gibt also mehr „Bikiniobjekte“, was dann auf die lebendigen Frauen in diesem Kleidungsstück übertragen wird, d.h. die Frau wird genauso angeschaut wie das Werbeplakat.
Vielleicht haben manche auch weniger Hemmungen hinzugucken, wenn die Frau zumindest ein paar Bändchen und drei Briefmarken trägt. „Sie hat ja was an, ist also nicht so schlimm, wenn ich gucke.“
Zum Thema „feminine Kleidung“: Überaus die meisten Frauen sind sich sehr bewusst, dass sie in rosa Spitzenkleidchen oder sehr sexy Kleidung deutlich weniger respektiert werden, als in schwarzen Hosenanzügen. Und mangelnder Respekt führt ganz schnell dazu, wie ein Objekt behandelt zu werden.
@Ariane:
Die gaffen also so auffällig, dass es offensichtlich ist, dass sie nur des Gaffens wegen am FKK-Strand sind?
Wobei ich die Gaffer auch nicht so ganz verstehe. Wenn ich nackte Frauen sehen will, brauche ich doch nicht an den FKK-Strand gehen. Das Netz ist doch sowas von voll von nackten Frauen.
@liskat:
Ich kann so ein wenig nachvollziehen, was du meinst. Und ich muss sagen, das verunsichert mich. Genauso wie mich verunsichert, wenn hier gesagt wird, dass jede Berührung, der von Frauenseite nicht explizit zugestimmt wurde, ein sexueller Übergriff ist. Gott was war ich heute mal wieder übergriffig. Drei Frauen angefasst ohne zu fragen.
Ich sehe nun mal gerne Frauen an, auch nackte. Nicht dass ich mit Stielaugen irgendwohin starre, aber so der ein oder andere zusätzliche Blick kommt durchaus vor. Ich bin geneigt zu sagen, dass das ja ihr Problem ist, wenn eine Frau das als bedrohlich empfindet. Schließlich habe ich noch nie eine Frau irgendwie bedroht oder zu etwas genötigt und denke auch nicht, dass ich sowas mal tun werde. Allerdings fände ich es auch schade, wenn eine Frau wegen meiner Blicke sich nicht mehr nackt in die Sauna traut. Also wegschauen?
Nein, ich denke nicht. Ich halte es da wie beim Anlächeln und Anfassen mit Kant: Ich behandle andere Leute so, wie ich von anderen Leuten behandelt werden will und das unabhängig vom Geschlecht.
Männliche Blicke auf weibliche Körper: Wurde Herr Palomar von Italo Calvino in diesem Zusammenhang schon erwähnt?
Eine Zusammenfassung der relevanten Geschichte gib es hier.
Johannes Mueller, das ist ein schwieriges Feld. Es ist für die 90 % Männer, die wirklich anständig sind, eine ziemliche Kröte, aber jeder Ausdruck von Interesse an einer Frau kann als Bedrohung empfunden werden.
Kann, wohlgemerkt.
Aber du machst einen typischen Fehler der anständigen Männer: „Sie empfindet den Blick auf den Busen als Bedrohung, oh Gott, ich hab heute sogar drei Frauen angefasst, war das jetzt Belästigung?“ Manche denken dann weiter „Nein, die drei Frauen hatten nichts dagegen, also hat die andere maßlos übertrieben.“
Ein Versuch der Erklärung: Es kommt nicht auf die einzelne Handlung (Blick, Anfassen) an, sondern auf die Art.
Wenn in der Sauna eine hübsche Frau sitzt, kannst du sie anlächeln und von oben bis unten mustern. Wenn du vorher/dabei Kontakt mit ihr aufgenommen hast (nonverbal), wird sie das im Regelfall nicht als Bedrohung empfinden. (Es gibt überempfindliche Frauen, die auch das nicht toll finden, aber das ist eine kleine Minderheit)
Oder du kannst mit einem aggressiven Gesichtsausdruck ihren Körper anstarren, ohne sie vorher als Person anerkannt zu haben. Das geht dann in die Schiene Objektivierung und Bedrohung.
Ach ja, und „angeregt“ ist absolut nicht der freundlichste Gesichtsausdruck, den ein Mann haben kann.
Dieses Anerkennen als Person ist der Unterschied zwischen hingucken/gaffen und anfassen/belästigen.
Und Gaffen kontere ich mit Drohstarren. Es gibt Studien darüber, wie lange man andere Menschen anschauen muss, bis die sich unwohl fühlen.
Gaffer gucken auch zu lange hin, eben wie auf ein Plakat und nicht wie auf einen anderen Menschen.
Zitat liskat: „Nicht jeder Blick auf den Busen ist ein kompliment“
Sowas wäre in den Neunzigerjahren völlig unmöglich gewesen: WAS? Ich als Mann blicke einer Frau auf den Busen- und die betrachtet das auch noch als Kompliment??!! Als triebhaftes Tier das nur etwas im Kopf hat, wäre man damals abgestempelt worden.
Und heute… solche Sätze. Unglaublich.
Manchmal fühle ich mich hier drinnen uralt- dabei habe ich noch nicht mal graue Haare- und sah 1989 sogar noch the Clash live in Originalbesetzung… soviel zum Alter.
Befreiend!
@Marcel
Es ist angenehm, begehrt zu werden. Abstoßend wird es, wenn man (frau) lediglich als Fleisch (Ding, Objekt, Eigentum) angesehen wird.
Mir ist aufgefallen, dass auch in der Frauensauna die meisten Frauen mit Bademantel oder „Handtuchschleier“ unterwegs sind. Und da gibt es nun wirklich keine Männer, die einen anstarren würden.
Meist sind es die älteren Damen, die hier noch komplett nackt durch die Gegend laufen – auch wenn die Beine nciht perfekt rasiert sind und Cellulite vorhanden ist.
Bei den jüngeren hingegen ist es so, dass der Körper ziemlich perfekt hergestylt ist und jedes Körperhaar, außer auf dem Kopf, entfernt wurde und der Körper durchtrainiert und sportlich ist – trotzdem sind es meist dann die Frauen, die sich dann komplett umhüllen, sobald es geht.
Ich habe auch einige Freundinnne, die sich weigern selbst in die Frauensauna zu gehen, weil sie meinen, dass sie dann dort, von den anderen Frauen, ja angesehen und quasi begutachtet und bewertet werden und ihr Körper dieser Bewertung niemals stand hält.
Vielleicht liegt es daran, dass ich kurzsichtig bin, aber ich bin ehrlich gesagt in der Sauna noch nie so richtig angestartt worden, weder in der Frauensauna noch in der gemischten Sauna und ich laufe schon nackig durch die Gegend – solange es warm genug ist.
@Neeva: „Es ist angenehm, begehrt zu werden.“
*wortlos*
Sagenhaft.
Manchmal frage ich mich, in was für einer Konservendose ich bisher gelebt habe.
In diesem Blog gehen einem ja buchstäblich die Augen auf.
Dass der dinghafte Blick- das Starren schlechthin- abstossend auf eine Frau wirkt, ist einleuchtend.
Das Starren wirkt auch auf Männer abstoßend.
Ich habe das mal in der UBahn ausprobiert. Dabei habe ich MÄnner so angestarrt, wie „Gaffer“ Frauen anschauen. 90 % der Männer haben sich weggesetzt und allen war es merklich unangenehm.
Ich gehöre übrigends zur Kategorie „Nette junge Frau“, die fast täglich nach dem Weg gefragt wird und oft von Leuten um HIlfe gebeten wird. Bin also sonst nicht bedrohlich.
…oder war das mit den Clash ein paar Jahre früher (lese da gerade: Auflösung 1985). Auf jeden Fall Mitte / Ende 80er.
Das Starren ist in der Tat auch für Männer wiederwärtig.
Meine Frau und ich werden häufig angestarrt. Im Grunde genommen bin ich auch ein Anständiger.
In letzter Zeit sind wir aber zum Gegenangriff übergegangen: Wir laufen dann jeweils beide zusammen zurück, bleiben vor diesen Menschen stehen- und starren wortlos und etwas primatenhaft zurück.
Das wirkt.
@ Marcel, das mit dem zurückgaffen finde ich gut. Aber bei wirklich ekligen Männern, die sich beim gaffen auch noch einen runterholen, ist das sehr schwer. (als ich jünger war (14-19) mußte ich das ab und zu in der U-Bahn mit ansehen.) da ist die einfachere Lösung so schnell wie möglich weg zu gehen. Andere Lösungen gehören, denke ich in ein anderes thread.
Mit Amis kann man lustige Gespräche über dieses Thema führen… cultural gap immer noch — trotz aller Amerikanisierung.
Eine Ami-Freundin hält Frauen, die sich nicht total rasieren für totale Schlampen. Aber, so frage ich, wer sieht das denn überhaupt? Naja, Boyfriend und sie selbst. Ich erzähle, dass wir im Sommer gern nackig an der Ostsee herumliegen und dass ich bei diesen FKK-Anlässen ein kleines Restchen gepflegter Haarbedeckung ganz angenehm empfinde. Punkt 1 kann sie sich überhaupt nicht vorstellen. Der Ami-Mann im Gespräch findet FKK ganz schön kinky und kriegt glasige Augen. Punkt 2 ist für die Amerikanerin nun schon der dreifache moralische Rittberger. Der Ami-Mann sagt, ein paar Haare untenrum findet er ganz schön kinky und kriegt glasige Augen. (Lach)
Ich kann Steve the pirate nur zustimmen. Je mehr Bohei die Damen um ihr Rasieren, ihr Tanning, die geforderte körperliche Zurichtung machen, umso unentspannter wird anscheinend der Umgang. Oberflächensex rules. Schön fand ich die Formulierung: oversexed und underfucked.
@liskat: „(als ich jünger war (14-19) mußte ich das ab und zu in der U-Bahn mit ansehen.) da ist die einfachere Lösung so schnell wie möglich weg zu gehen.“
Und wenn man sich nicht getraut, weg zu gehen? Ich musste einmal, wesentlich jünger (neun oder zehn), etwas über mich ergehen lassen- als Junge, wohlgemerkt… Zurückerinnern kann ich mich heute interessanterweise nur noch bis zu einem Punkt- danach kommt nichts mehr.
Jaja, die Köperlichkeiten nach der sexuellen Revolution… und während der digitalen: Offenbar sind da die Bilder aus einem Leben, das niemand lebt, ziemlich verbindlich geworden.
Schade- das geht auf Kosten von so manchem.
Katrins ursprünglicher Gedanke ist unter diesen Umständen durchaus nachvollziehbar.
Mittagspause.
@Marcel: Deshalb „einfachere Lösung“, ich würde auch das Weggehen niemals als einfach bezeichnen.
Den Rest den du schreibst, das mit der Revolution und so vertsehe ich nicht.
@liskat: Die sexuelle Revolution während der Sechzigerjahre hatte die Befreiung der Sexualität aus dem verkrampft-verklemmten Bereich zur Folge. Und die digitale Revolution eine Explosion von Bildern: Bilder aus der Werbung, aus den Medien, aus Filmen, Fernsehserien- Bilder von perfekt aussehenden Menschen sind allgegenwärtig geworden (im Gegensatz zu den Sechzigern, da gab es eine Tageszeitung und vier Fernsehsender, wenn überhaupt). Für mich sind das sehr häufig Bilder aus einem Leben, das niemand lebt: Niemand ist so, wie uns diese Bilder zu suggerieren versuchen (ich zumindest nicht und viele KommentatorInnen hier offenbar auch nicht). Die Folge: Man wird unzufrieden mit sich selbst- obwohl der Nachbar und die Nachbarin, der- oder diejeinige, die vor einem an der Kasse steht, ebenfalls nicht perfekt ist. Dieser ständige Vergleich, der sich einem da aufdrängt, hat natürlich Konsequenzen. So meinte ich das.
„Früher war ein nackter Mensch ein nackter Mensch.“
Seltsamer Satz – seit wann ist das denn anders und wie war das denn vorher genau? Hm.
Hallo allerseits.
Netter artikel.
Ich habe eine philosophie gelesen „über die signifikanz sexueller signale“, die dazu passt und es eigentlich auch erklärt.
Demnach sind frauen daran interessiert, die signifikanz ihrer weiblichen sexuellen signale zu erhöhen.
Damit ist gemeint, das die wirkung, die es entfachen soll, wenn eine frau bsp. ihren busen entblößt, auf einen spezifischen mann möglichst hoch sein soll.
Eine solche wirk-macht zu haben hat eine reihe von vorteilen, sowohl in der partnerschaft als auch in der partnerschafts-anbahnung.
Damit es aber dazu kommt, dürfen die weiblichen signale nicht mit „harmlos“ assoziiert sein. Und schon gar nicht mit „witzig“. Sie müssen signifikant sein. Und sie müssen mit „sex“ assoziiert sein.
Eine interessante beobachtung dazu aus Amsterdam, wo ja bekannter maßen ein freizügiges rotlicht milieu existiert.
Nackte busen sind dort als werbung für bordelle und sexuelle dienstleistungen völlig gebräuchlich und keine frauenbeauftragte oder sonstige offizielle seite stört sich daran.
Dies ist nach der theorie auch logisch da ein nackter busen als werbung für sexuelle dienstleistung in einklang steht mit dem ziel, die signifikanz weiblicher signale aufrechtzuerhalten oder zu erhöhen.
Hingegen als eine Amsterdamer bäckerei einmal backwaren in busenform anbieten wollte wurde zeter und mordio geschriehen! Das gleiche passierte, als eine barbusige frau als zierde auf eine zugbrücke gemalt werden sollte. Empörung von weiblicher seite pur!
Nun sollte man meinen in einer stadt wie Amsterdam ist man doch nicht prüde. Weit gefehlt. Warum?
Weil die letzten beiden beispiele dazu geeignet sind, die signifikanz der weiblichen sexuellen signale zu verwässern, da sie im harmlosen oder witzigen kontekt passieren.
Natürlich läuft das ganze unbewusst ab, also die frauen denken nicht ‚jetzt ist die signifikanz meiner sexuellen signale bedroht‘ sondern fühlen nur dass ihnen etwas nicht passt, aber die theorie erklärt sehr schön die beobachtung.
Nur soviel zur signifikanz sexueller signale.
oiwawoili! wat so allet signifikanz als sexuellet sing-nal zukommt! det nenn ich wirklich ne echte pilosofie! – wobei: ich könnte mir vorstellen, dass auch amsterdamer jungs da was gegen hatten. zwar sind signifikante reize ja nett, aber immer und überall, da könnten doch leicht die energien am falschen ort verschleudert werden. das nennte sich dann selbstschutz oder so ähnlich.
Meinetwegen.
Solange du meinen punkt verstanden hast, will ich mich mal zufrieden geben.
Über die Sache mit der Signifikanz weiblicher Reize gibt es einen interessanten Artikel über die Wirkung von Pornographie auf das sexuelle Verhalten der Menschen untereinander. Geht so ein bisschen in die Richtung, dass Pornographie aus feministischer Sicht insofern schlecht sei, weil es den „Marktwert“ der realen Frauen senke. Auch vor dem Hintergrund der Kopftuchdebatte ist der Artikel interessant zu lesen:
http://nymag.com/nymetro/news/trends/n_9437/
da möchte ich denn doch noch dieses in die debatte werfen, aus Sarah B. Pomeroy: Frauenleben im klassischen Altertum (Stuttgart 1985), S.71. „Die korai- und kouroi-Plastiken gehen auf das Vorbild ägyptischer Statuen zurück, die stehende und mit Gewändern angetane Männer und Frauen zeigten. Die griechische Adaption stellte Männer nackt dar, während die Frauenfiguren weiterhin bekleidet blieben. Einige korai tragen den dorischen peplos, der den Körper zeigt, die meisten jedoch sind mit dem schweren ionischen chiton bekleidet, der die Figur mit seinen unzähligen Tuchfalten vollständig verbirgt. Trotz dieses Faltenwurfs wird das Gesäß der Mädchen – wie auch bei den kouroi – häufig in üppiger Weise betont. Im homosexuellen Klima der griechischen Antike wurden nicht die Brüste, sondern das Gesäß als der attraktivste Teil des weiblichen Körpers empfunden.“
außerdem erinnere ich an die Statue der Aphrodite von Knidos, welcher ein, wenn nicht das, attribut von weiblichkeit fehlt, nämlich das schamdreieck! das ist z.B. hier zu besichtigen: http://penelope.uchicago.edu/~grout/encyclopaedia_romana/greece/hetairai/aphrodite.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Knidische_Aphrodite
bei alt-orientalischen figurinen hingegen war dies schamdreieck noch vorhanden! brüste auch….
… ach, und zur kopftuchdebatte hätte ich auch noch diesen hinweis: http://kommentare.zeit.de/article/2009/04/30/kopftuch-der-sauna
allerdings: der fällt vielleicht eher unter ordnungsdenken und humor?
marktwert, Johannes Mueller, Ludwigsburg, lese ich bei Naomi Klein erst mal nicht. und schon garnicht marktwert der realen frauen. sondern erst mal lese ich dieses:
„But the effect is not making men into raving beasts. On the contrary: The onslaught of porn is responsible for deadening male libido in relation to real women, and leading men to see fewer and fewer women as “porn-worthy.” Far from having to fend off porn-crazed young men, young women are worrying that as mere flesh and blood, they can scarcely get, let alone hold, their attention.“
falls mein englisch noch in ordnung ist, schreibt Naomi Klein also etwas über das verhältnis von männlicher libido, männlichem blick und weiblichen selbst-bildern.
ergänzend noch dieses zitat aus Naomi Kleins artikel:
„So Dworkin was right that pornography is compulsive, but she was wrong in thinking it would make men more rapacious. A whole generation of men are less able to connect erotically to women—and ultimately less libidinous.
The reason to turn off the porn might become, to thoughtful people, not a moral one but, in a way, a physical- and emotional-health one; you might want to rethink your constant access to porn in the same way that, if you want to be an athlete, you rethink your smoking. The evidence is in: Greater supply of the stimulant equals diminished capacity.“
wenn ich es richtig lese, steht hier nichts vom marktwert realer frauen sondern etwas von der libidinösen/sexuellen kapazität von männern!
und, zur kopftuchdebatte, etwas über mystery, geheimnis.
klingt alles nicht nach: sex sells. sondern ganz im gegentum.