Heute antwortet die Journalistin Barbara Gärtner auf die Beiträge von Jana Hensel/Elisabeth Raether vorgestern und uns gestern. Ihr Hauptkritikpunkt: Feminismus würde zum Lifestyle-Aspekt verkommen, der nur noch Karriere-Coaching als Ziel hat.
Es freut mich wirklich, dass das Thema Feminismus wieder da ist. Was mich an dieser Antwort allerdings verärgert: Die Autorin blendet aus, dass es vielen jungen Frauen eben nicht mehr nur um das vordergründigste Problem „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ geht. Schade, dass für einen Debattenbeitrag absichtlich Themen ignoriert werden, die auch heute noch relevant sind, aber nicht in die These der Autorin zu passen scheinen: Abtreibung, Gewalt gegen Frauen, Frauenleben in aller Welt, Machtverhältnisse usw. Das nimmt dem Ganzen so leicht das Konstruktive.
P.S.: Für mich mittlerweile interessantester Halbsatz in den negativen Kritiken zu unserem Buch: „… ihr eigentlich fundiertes Buch …“ Erinnert mich an: „Ich bin ja keine Feministin, aber …“
„Die Norm, an der sich alles ausrichtet, ist immer noch männlich, hat einen Job und jemand, der ihm das Reinemachen vom Hals hält.“
Also mal ehrlich: erst eine transzendente Deutungslücke im „neuen Feminismus“ („nur Geld und Kinderfragen“) auszumachen, und dann gesellschaftliche „Gleichheit und Gerechtigkeit“ über „Job und Reinemachen“ zu definieren, das ist schon eine beeindruckende Argumentation…
„Ein Werkzeug, um Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen.“
Das hat der klassische soziologische Feminismus über eine notwendige (allerdings durch die Veränderung gesellschaftlicher Wertschöpfungsprozesse ohnehin angelegten) politische Agenda hinaus eben leider nie gekonnt, und das liegt an den Konstruktionsfehlern weiter Teile seiner Epistemologie. Als „Lügendetektor“ ist er erkenntnistheoretisch in der „klassischen Variante“ trotz aller „kritischen Theorie“ deswegen leider unbrauchbar.
„In der Maximalforderung ist Feminismus aber Teil eines unvollendeten humanistischen Projekts.“
Schön, daß das zumindest erkannt wird. Es wäre schön, wenn sich das auch rumsprechen würde (beim „neuen“ Feminismus, so scheint mir, ist diese Erkenntnis deutlich weiter verbreitet als beim alten).
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der oben zitierte Halbsatz aus Frau Gärtners Artikel nicht im “Ich bin ja keine Feministin, aber …”-Zusammenhang verstanden sein soll. Das macht sie selbst in den beiden ersten Absätzen deutlich.
Ihr „eigentlich“ bezieht sich meiner Meinung nach auf die zuvor zitierten Kapitelüberschriften aus „Alphamädchen“. Dass diese sehr nach Hedonismus und falscher Sexyness klingen, müsst ihr zugeben und habt ihr sicher auch schon oft gehört. Ich nehme an, sie wurden – wie auch der Titel des Buches – gewählt, um zu provozieren und zum Lesen zu animieren. Aber Kritik daran solltet Ihr zulassen. Auch mir stießen die Überschriften (unabhängig übrigens vom Inhalt, mit dem ich sehr viel anfangen konnte!) manchmal auf, ich finde mich nicht unbedingt in einem Bild vom „Alphamädchen“ wieder (weil ich mich als Frau fühle und zum Glück kein kleines Mädchen mehr bin!!!) und mich spricht auch die Wendung „Knaller-Sex“ im wörtlichen Sinne nicht wirklich an. Aber ich weiß was gemeint ist. Und das weiß Frau Gärtner sicher auch, sonst hätte sie den Halbsatz überhaupt gar nicht erwähnt…
Aber gleich jeder, die sich nicht als sexy Mädchen sieht und dies ablehnt, in die „…, aber…“-Schublade zu sortieren, ist ein großer Fehler!
Ihr müsst Kritik an eurem Buch auch zulassen!
@ anne: Wir lassen Kritik massenweise zu, ansonsten wären wir teilweise sehr deprimiert. Meine Anmerkung war so gemeint, dass viele Kritiken oberflächliche Verrisse sind, die sich kaum mit Sachargumenten unseres Buches auseinandersetzen. Dann wird an einer Stelle noch schnell eingeschoben, dass das Buch ja „eigentlich fundiert“ ist oder wir ja „eigentlich Recht haben“. Aber dass es ansonsten ja eben doch ein schreckliches Buch sei, weil „Mädchen“ auf den Titel steht, weil wir uns ein paar mehr oder weniger witzige Überschriften erlauben oder weil wir keinen wissenschaftlichen Ton anschlagen, wie es sich für ein „ordentliches“ deutsches Sachbuch gehören würde.
Da wünsche ich mir manchmal schon, dass, wenn wir doch „eigentlich mit der Sache ein wichtiges Anliegen“ vertreten, dieses auch dementsprechend differenziert von Form und Geschmäcklerischem besprochen wird. So passiert das aber in den wenigsten Rezensionen. Und eben dieses Einschränkende erinnert mich an das hundert Mal gehörte „Ich bin ja keine Feministin, aber…“ und dann eben doch ganz klar feministische Positionen vertreten.
Aber noch mal: Kritik ist natürlich immer willkommen, am liebsten aber eben welche, die sich auf die Inhalte des Buches beziehen und sachlich bleiben. Vieles von dem, was bisher erschienen ist, empfinde ich als destruktiv. Und das ist so schade. Nicht selten fühlte ich mich einfach schlecht begründet „abgewatscht“.