Schamesröte im Gesicht …

In der Serie “Der Kommentar” veröffentlichen wir eure Gedanken zu einem Thema eurer Wahl. Heute schreibt Ani K. über plastische Chirurgie im Intimbereich:

Freitagabend in der Berliner U-Bahn: Mein Blick schweift über die allgemeine Werbeflut an Wänden, Hängebildschirmen und Fenstern. Ein Plakat wirbt, neben dem nackten Oberkörper einer langhaarigen Frau, mit den Worten: „Keine falsche Scham!“ – und zwar für … ja genau: für „Schönheits“-Operationen im Intimbereich. „Eine Korrektur der Schamlippen kann Frauen zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen“, erfahre ich auf der Internetseite. Dr. Schneider, angeblich ein anerkannter operativer Gynäkologe, verkleinert und vergrößert nicht nur Schamlippen, Brüste und Venushügel, wenn’s sein muss, näht er auch für 3.000 Euro das Jungfernhäutchen wieder zusammen.

Ich frage mich aber: Welche Frau zieht ihr Selbstbewusstsein aus Farbe und Größe ihrer Schamlippen? Was muss da eigentlich „korrigiert“ werden? Und welche Frau ist so bescheuert und blättert („je nach Umfang des Eingriffs“) 1.500 – 3.000 Euro hin, um eine OP zu erleiden, nach der sie sich drei Wochen lang 15 Mal täglich mit Desinfektionsmittel einsprühen muss, zwei bis drei Wochen keinen Sex haben und keinen Sport treiben kann? Ganz abgesehen davon, dass ihr ein Teil des Körpergewebes entfernt wird und sich die ganze Sache also wahrscheinlich ziemlich schnell entzünden bzw. verkomplizieren kann.

Warum ist das Aussehen der Scheide wichtig für das Selbstbewusstsein? Seit wann haben Frauen mit großen oder kleinen Schamlippen besseren oder schlechteren Sex? Ist das nur ein weiterer Schritt in Richtung einer absoluten Normierung des menschlichen Körpers? Warum wird bei solchen Eingriffen immer von einer „Korrektur“ gesprochen, und warum ist eigentlich kein Mensch mehr mit dem eigenen, gut funktionierenden Körper und seinen Eigenschaften zufrieden?

Und warum, um alles in der Welt, wird so ein Mist in der U-Bahn beworben?

ANI K.

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24 Kommentare zu „Schamesröte im Gesicht …

  1. Würde ich zumindest teilweise auf Pornografie zurückführen. Die erzeugt bei den KonsumentInnen ein völlig falsches Körperideal. Erst völliger Kahlschlag, und wenn sie dann feststellen, dass sie unten rum immer noch nicht „perfekt“ aussehen, muss das natürlich auch noch verändert werden.

  2. Naja, das ist aber auch nur ein gradueller Unterschied zu Modefotos, Hollywoodfilmen etc.
    Nicht daß ich jetzt unbedingt Mainstreampornographie in Schutz nehmen will, aber es ist doch so: uns wird überall ein überzogenes Körperideal vorgeführt und mit der Illusion geworben, man könne selber auch so aussehen. Und da animiert die H&M Werbung eben dazu, sich auch so eine Figur anzuhungern, Cameron Diaz dazu, sich die Zähne bleichen zu lassen und selbs die Spülmittelwerbung veranlasst einen kritischen Blick auf die eigenen runzligen Hände.
    Und Pornos setzen eben unrealistische Maßstäbe für Genitalien. Unter anderem.

  3. Ich halte es jedenfalls für ziemlich unwahrscheinlich, dass ein Mann mit dem Aussehen des Intimbereichs seiner Freundin unzufrieden ist. Das ist mir jedenfalls noch nicht mal ansatzweise in den Sinn gekommen.

  4. was Patrick schreibt finde ich einen wichtigen Gedanken.
    Es ist ja wirklich nicht auszuschließen, dass Frauen einfach selber und für sich Bock haben ihr Aussehen zu modifizieren…
    Und Mode, Make-Up, Warzen-Entfernung, Tatoos und Piercings könnte man unter Umständen auch als weniger extreme Ausprägungen des selben „Selbstverhübschungs“-Phänomens sehen, was zugegeben in Schamlippenkorrekturen ein ziemlich krasses Ausmaß annimmt.
    Mit anderen Worten finde ich es wichtig, die Kritik nicht an der Körpermodikation an sich anzusetzen oder zu kritisieren wieviel Geld jemand in sein Aussehen steckt,
    sondern eher Schönheitsideale und -normen als solche zu hinterfragen.
    Das Problem sehe ich also eher in „Korrektur“ und Vorstellungen von „besseren“ oder gar „idealen“, Nasen, Brüsten, Schamlippen etc..
    (Wenn ich meinem e-mail-Spamordner Glauben schenke, ist das Thema Intimbereich-Optimierung übrigens nun wirklich kein reines Frauenthema)

  5. @Michiko: Werden Darstellerinnen in Mainstream-Pornos wegen des Aussehens ihrer Vagina gecastet? Ich hätte daran Zweifel.

    (Männer zweifellos, aber Frauen?)

  6. In einem Forum bezueglich des Themas Schamlippenkorrektur habe ich leider erkennen muessen, dass es den meisten Frauen, die dort eine solche OP in Erwaegung zogen, ausschliesslich darum ging, Maennern zu gefallen. Oft waren es junge Maedchen, die noch nie Sex und Angst vor der Reaktion eines Jungen hatten, der ihre inneren Schamlippen als haesslich weil zu lang empfinden koennte. Es waren aber auch Frauen vertreten, die „ihren Freund ueberraschen“ wollten, obwohl der uebrhaupt kein Problem mit den zu langen Schamlippen hatte. Oder Frauen, die sich beim Sex endlich „gehen lassen“ wollten und nicht immer Angst haben wollten, Maennern zu offenbaren, was sich das „haessliches“ zwischen ihren Beinen befand. Das Schlimme: Was die Frauen da als so haesslich und fies beschrieben, waren in Wahrheit keine Monster, die zwischen ihren Schenkeln lauerten, sondern lediglich innere Schamlippen, die nach eigenen Aussagen 1-3 Zentimerter aus den aeusseren herauslugten. Oh mein Gott!

    Dass Maenner wirklich eine Mitschuld an der Entwicklung dieses Trends tragen, denke ich jedoch nicht. Mir ist jedenfalls von maennlicher Seite noch nie zu Ohren gekommen, dass dieses Thema ueberhaupt eine Rolle spielt und auch in besagtem Forum waren es vor allem Maenner, die versuchten, den Frauen mit sehr feinfeuhligen Kommentaren eine solche OP auszureden. Schade nur, dass viele der Frauen, das gerne „uberlasen“, sich von ihren Vorhaben und falschen Idealen nicht abbringen lassen und untenrum endlich „normal aussehen“ wollten.

    Da frage ich mich: Woher koennen heterosexuelle Frauen diesen Vergleich ueberhaupt nehmen und denken, dass fast alle Vaginas ‚perfekt‘ aussehen, ausser der eigenen? Um eine Vagina „genau“ zu sehen badarf es ja nun mehr, als nach dem Sport zusammen zu duschen, und wenn ich so zurueck denke, sahen die handvoll Vaginas, die ich in meinem Leben wirklich gesehen habe, alle verschieden aus, nicht wie in Pornos. Ganz einfach Vaginas eben. Hat mich auch nie weiter beschaeftigt, Ohren sehen ja auch nicht alle gleich aus.
    Bleibt aber dann doch im Endeffekt wirklich nur noch der Porno, der ein solch falsches Bild von richtig vermittelt.
    Dass es nun auch noch ueberfluessige Werbungen wie diese in der U-Bahn, gibt, die das Thema so unnoetig aufpuschen, in der Hoffnung, die oeffentliche Meinung so zu beeinflussen, dass sich bald alle Frauen fragen „Sehe ich eigentlich untenrum normal aus?“, macht mich krank.

  7. hm.. woher dieser Wahn mit den Schamlippen kommt, frage ich mich auch schon was länger… Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass die (vor allem jungen) Mädchen schon so massenweise Pornos gesehen haben, dass sie sich damit vergleichen… Außerdem sahen in den Pornos, die ich bisher sehen durften, keineswegs alle Vaginas gleich und perfekt aus.
    vielleicht liegt es wirklich daran, dass man so wenig weibliche Geschlechtsteile wirklich sieht (dass soll nun kein Aufruf sein, viele Vaginas zu zeigen) sondern immer nur „diskrete“ Andeutungen, die alle „glatt“ und weich aussehen.
    größer innere Schamlippen machen diesen „gleichen und weichen“ Eindruck kaputt, sie haben eine dunklere Farbe, die man auf keinem „erotischen“ Foto von Frauen sieht

  8. vielleicht liegt’s ja auch einfach an den möglichkeiten bzw. der werbung der „schönheits“-chirurgie? solche werbung bringt einen oft dazu, erst mal darüber nachzudenken, dass da vielleicht was „falsch“ sein könnte. ich weiß, dass es mir als jugendliche so ging mit den ganzen enthaarungsprodukten oder werbung für laser-epilation – erst dann habe ich angefangen, mir über meine körperbehaarung gedanken zu machen. wo ich aufgewachsen bin, hatten die erwachsenen frauen nämlich auch welche, also die direkte umwelt hatte damit nicht viel zu tun.
    klar geht es dabei um völlig verschiedene dinge. ich will nur darauf hinaus, dass werbung bekanntlich nicht immer auf ein vorhandenes bedürfnis reagiert, sondern dieses erst schaffen könnte. auf perfide art ein sicher sehr lukrativer bereich. über die vagina wird ja wenig gesprochen und es wird auch schwierig sein, eine nicht dem gängigen schönheitsideal entsprechende vagina mit selbstbewusstsein vor sich her zu tragen, wie es etwa mit sichtbareren körperteilen geht – dass brüste ganz unterschiedlich aussehen, ist ja bekannt.

  9. Naja, aber es ist doch auch so, dass in jedem Biobuch, in dem Anatomie erklärt wird, eine „klassische“ Scham gezeichnet wird. Das heißt, um bei diesem Beispiel zu bleiben, kleine innere Schamlippen, die zwischen den äußeren nicht zu sehen sind. Mit viel Glück wird dann noch in einem Nebensatz erwähnt, dass „jede Frau anders“ aussieht.
    Sprich, was dargestellt ist, ist die Norm, alles andere ist ja, „anders“ eben. Und aus „anders“ wird eben auch schnell „falsch“.

    Das geht in die gleiche Richtung, wie dass Brüste immer gleich groß dargestellt werden, auch wenn keine Frau identische Brüste hat. Nur dass sich das inzwischen mehr rumgesprochen hat.

  10. Ja, darum geht es ja auch bei dem ganzen Quatsch, glaube ich: Zur Gruppe der „Normalen“ zu gehören. Da kann Mann 1000x sagen „du bist voll ok, wie du bist“ – Nützt nix, weil die Privatmeinung in dem Fall nicht zählt.

  11. Ganz einfach auf den Punkt gebracht: Den meisten Mädels wird ihre Leben lang beigebracht, dass sie sich hübsch machen MÜSSEN, gefallen sollen und von Natur aus anscheinend das nicht können, weshalb Föhn, Haarspray, Rasierer, Wimperntusche und Bauch-Beine-Po-Gymnastik ein MUSS sind. Nun gibt’s endlich die Möglichkeit, auch noch das letzte Stück, was einen vom perfekten Körper trennt, korrigieren zu lassen. Und wenn in so einem Form hundert Männer sagen, dass denen nicht mal auffällt, wie lang oder kurz innere Schamlippen sind, wie sollen die Mädels überzeugen, die ihr ganzes Leben lang unterbewußt auf „Schönheit“ gedrillt worden sind?

    Es geht dabei nur selten um einzelne Personen, die das bewußt machen. Viel zu oft sind es unbewußt ausgeführte Handlungen, dumme Sprüche, althergebrachte Traditionen. Im Endeffekt wird jedem eingebleut, inadäquat zu sein. Männern, die vielleicht lieber brotloser Künstler als überbezahlter Manager werden wollen genauso wie Frauen, denen die eigenen Geschlechtsorgane viel zu unkonform aussehen, im Vergleich zum Anatomiebuch. Wir alle könnten besser sein, klüger, erfolgreicher, hübscher… Die vielen Möglichkeiten des modernen Lebens spielen keine Rolle, wenn nur bestimmte akzeptiert, bzw. noch gefördert werden. Was dagegen hilft… darüber muss ich mit den meisten Leuten hier wohl nicht streiten ;)

  12. (unqualifizierter plumper beitrag:)
    soweit ich das bisher mitgekriegt hab gilt bei männern: muschi ist muschi ist immer toll, vor allem wenn man eigene körperteile reinstecken darf. da ist das aussehen zu 100 prozent egal.
    hat irgendjemand mal ernsthaft gedacht „ich find meine freundin toll und, oh, super, wir haben jetzt gleich sex aber OH MEIN GOTT IHRE SCHAMPLIPPEN SIND ZU LANG ICH WILL JETZT KEINEN SEX MEHR MIT IHR HABEN.“

    aber schamlippenkorrektur ist wohl auch wieder nur eine methode, um frauen das letzte bisschen würde (und geld…) zu nehmen, um sie zu makellosen wesen zu machen.

    zusatz: hat jemand mal nen „hübschen“ penis gesehen? uff.

  13. ^^Oha, da frag mal Frauen aus den USA, was sie von unbeschnittenen Männern halten.

    Und stimmt schon, ich glaube auch, daß die fiese Indokrination (und das vergleichen mit den anderen unter der Dusche) sich auf das bezieht, was man *nicht* sieht.

    Und Pornodarstellerinnen werden am Anfang nicht direkt nach dem Aussehen ihrer Geschlechtsteile gecastet, aber später hat das durchaus Einfluss darauf, wie die Karriere weitergeht.

  14. ähem nur fürs protokoll: „vagina“ ist der innenliegende teil, die road to uterus quasi.
    um deren aussehen geht es hier wohl weniger (wär ja interessant^^), sondern um das der _vulva_ *schlaumeier off*
    wollts nur gesagt haben, das wird ja häufig verwechselt bzw gleichgesetzt ;)

  15. Also eines kann ich euch aber mal sagen. Wie man sich gerade in diesem Bereich freiwillig und ohne medizinische Indikation operieren lassen kann, ist mir ein Rätsel. Aber wenn man schon von Natur aus mit solchen Schammlippen und einer perfekten Vagina gesegnet ist. Und dann auch noch einen Partner hat, der das nicht nur erkennt sondern auch noch damit umzugehen weiß, ist das schon ziemlich geil. Ihr solltet nicht alles verteufeln, nur weil ihr es nicht kennt. Es gibt Dinge auf dieser Welt, die lohnen sich auszuprobieren.

  16. Hab am Samstag in der U-Bahn auch so eine Werbung gesehen und dabei ist mir folgendes durch den Kopf gegangen: Da wird auf der einen Seite überall gegen Genitalverstümmelungen bei Frauen in Afrika demonstriert und gleichzeitig für Schamlippenkorrektur geworben. Manchmal muss man sich wirklich wundern…

  17. ich weiß, der beitrag ist schon etwas älter, aber ich habe auf the f-word eine lesenswerte rezension zu einem dokumentarfilm im britischen fernsehen zum thema gefunden und dachte, das interessiert vielleicht jemanden hier: „the perfect vagina“

  18. Ich finde die Idee ziemlich bizarr und hoffe nur, es setzt sich nicht durch.
    Nach dem von elbu verlinkten Text ist mir klar geworden, dass es anscheinend wirklich Nachfrage danach gibt…

    Doch aus Frauensicht muss ich hinzufügen, dass mir solche absurden Ideen bislang nur aus dem email-spam bekannt waren, wo mir täglich diverse Mittel und Apparaturen zur Penisverlängerung oder als Erektionshilfe angeboten werden. Ein Problem, dass ich nun nicht habe. Ich habe die armen Männer immer bedauert – denn wo ein Angebot, da auch eine Nachfrage, oder?

  19. Das is so krank. Wenn man dagegen sieht wie noch immer alle 11 Sekunden ein kleines Mädchen genitalverstümmelt wird, wobei auch Teile der Schamlippen entfernt werden, kann man, finde ich, leicht die Verbindung beider perverser Praktiken sehen.
    Die Genitalverstümmelung zieht auf die Unterdrückung der weiblichen Sexualität ab, eine unbeschnittene Frau gilt als unrein, und hier ist es offensichtlich auch so, dass Fraue einem bestimmten Ideal -sogar im Genitalbereich- entsprechen sollen, notfalls per OP.
    sicher ist es ein drastischer Vergleich und ich kann meine Meinung gerade kaum in Worte fassen, aber beide Methoden dienen doch der Unterdrückung der natürlcihen Sexualität der Frau und der Beschaffenheit ihres Körpers, wobei die OP immerhin freiwillig und unter Narkose und hygienischn Bedingungn durchgeführt wird, was bei FGM selten der Fall ist.
    Ich bin nur empört, für mich ist es eine Art Respektlosigkeit den Opfern dieser Verstümmelung gegenüber, wenn sich Frauen, die nicht Opfer dieser Prozedur wurden, freiwillig verstümmeln lassen…

    lg

  20. Hallo! Dass ich mich nicht nach Aussehen der Genitalien für Partner entscheide, sollte eigentlich selbstverständlich sein, aber ist mir auch nicht „zu 100 prozent egal“. Ausgeprägte Geschlechtsmerkmale, die sich nicht verstecken müssen, sind sogar durchaus reizvoll. Und Geld zu machen, in dem man in der U-Bahn Teens verunsichert, ist dermaßen unsittlich, dass man über ein Verbot dieser Werbung nachdenken sollte. Gruß OG

  21. Hallo! Mich wundert das in keiner Diskussion zu diesem Thema (welches ja mittlerweile überall diskutiert wird) das naheliegendste Gegenargument gebracht wird. Die inneren Schamlippen sind ein stark durchblutetes Gewebe, in welchem unzähligen Nervenenden liegen. Es ist doch geradezu paradox sich etwas entfernen zu lassen, was relativ mittelbar am Lustempfinden beteiligt ist! Ich hätte Angst mich durch solch einen Eingriff um 2-3 cm „Lust“ zu beschneiden!

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