Weibliche Märchenfiguren – hach, auch so ein Thema. Junge gelangweilte Prinzessinnen, böse Stiefmütter, eingeschüchterte Stieftöchter: Schneewitchen putzt für Zwerge, Aschenputtel schiebt Küchendienst, Rapunzel kämmt sich ihr Haar und Dornröschen pennt. Aber alles nur, bis endlich der holde Prinz kommt, um sie aus ihrem kläglichen Dasein zu befreien. Jaja, die Erlösung ist immer noch ein Mann und Heirat das Beste, was so einem armen Märchenmädchen passieren kann.
(C) Eva Hillreiner, www.evahillreiner.de
Richtig cool dagegen ist Rotkäppchen. Allein und in Signalfarben gekleidet, läuft sie nachts durch den Wald, quatscht ne Runde mit dem Wolf und ist nicht feige, später nach Ohren, Nase und Mund der merkwürdig aussehenden Großmutter zu fragen. Ok, zwar landet Rotkäppchen im Wolfsbauch, wird aber später vom Jäger befreit, ohne mit dem bis an ihr Lebensende glücklich werden zu müssen. Und das ist auch nur die Version der Brüder Grimm. Andere und ältere Überlieferungen erzählen die Geschichte von Rotkäppchen auch mal anders.
An einer davon orientiert sich die italienische Kinderbuch-Illustratorin Chiara Carrer. In ihrer Geschichte „Der Wolf und das Mädchen“ trägt Rotkäppchen ihre Haare offen und kostet auch mal ein Stück von Oma, als der Wolf ihr das anbietet. Was aber viel wichtiger ist: Das Mädchen ist mutig genug, dem Wolf mit einem Trick zu entfliehen; ja ihm sogar die Tür vor der Nase zuzuschlagen, als er sie bis zu ihrem Haus verfolgt. Mit düsteren und akzentuierten Bilder hat Carrer das Märchen gezeichnet. Spiegel.de sieht die emanzipierten, kannibalistischen und sexuellen Tendenzen in diesem Märchen allerdings skeptisch:
Ob Carrers magisch-finsteres Bilderbuch sich als Vorlesebuch für kluge, kleine Mädchen eignet, ist schwer zu sagen. Es hat die Kraft schlechter Träume. Vielleicht kann es junge Zuhörer gerade deshalb vor schlechten Wirklichkeiten bewahren.
Alles klar, ein gewitztes Mädchen hat ein höheres Alptraumpotential als Wölfe, die Menschen oder Geißlein verschlingen, abgeschnittene Fersen oder im Ofen schmorende Hexen…
Dass es toughe Mädchen in Kinderbüchern schwer haben, darauf hat neulich schon Anatol Stefanowitsch im Bremer Sprachblog hingewiesen. Aber der Mann weiß Abhilfe zu schaffen:
Die Geschichte vom mutigen kleinen Fuchsjungen, der interessiert die Welt erkundet, während seine Schwestern lieber bei der Mutter bleiben (er wurde bei mir ein mutiges kleines Fuchsmädchen), die Geschichte von den Kindern aus der Krachmacherstraße, die mit der Bahn in den Urlaub fahren, weil „Mama natürlich nicht autofahren kann“ (sie wurde bei mir zur umweltbewussten BahnCard-Besitzerin), all die Geschichten von wilden, mit detektivischem Gespür und Abenteuerlust ausgestatteten Jungen, in deren Welt Mädchen höchstens als blöde ältere Schwestern vorkommen (diese Bücher sind bei mir gleich aus dem Bücherregal geflogen, oder ich habe beim Vorlesen wenigstens die blöden älteren Schwestern weggelassen).
Genau, den Märchen einfach mal in den Sack treten und Rotkäppchen zum Powergirl machen. Happy End 2009!
Naja Kannibalismus hat für mich schon irgendwie mehr Albtraumpotenzial als Tiere die Menschen oder andere Tiere verschlingen.
Ansonsten fällt mir zum üblichen Märchenklischee „22“ von Lily Allen ein:
„It’s sad but it’s true how society says
Her life is already over
There’s nothing to do and there’s nothing to say
Til the man of her dreams comes along picks her up
and puts her over his shoulder….“