Nervige Frauen

Passend zu der ein oder anderen Diskussion, die hier im Blog gerade läuft, hier der Hinweis auf einen sehr interessanten Artikel in der Zeit: „Der Fluch der Nervensägen“

Im Kern geht es darum, warum ein Mann, der im Beruf vorwärts kommt, ja an der Spitze steht oder zumindest dorthin will „durchsetzungsstark“ ist, eine Frau hingegen „nervig“ oder „anstrengend“.

„Was verbirgt sich hinter dem abqualifizierenden kleinen Wort? Im Kern der Vorwurf, dem weiblichen Rollenbild nicht zu entsprechen. Das hat sich, trotz aller Emanzipationsgewinne, aller Bildungserfolge und Karriereleistungen der vergangenen Jahrzehnte, nicht wirklich verändert und wird auch von den meisten Frauen kaum infrage gestellt. Kein Wunder: Das vornehmlich von Männern verteilte Etikett „Nervensäge“ ist auch eine Warnung an die anderen Frauen: Wenn ihr euch nicht rollenkonform verhaltet, habt ihr mit Missachtung zu rechnen! Die Mehrheit entscheidet sich in dieser Lage gegen Frauensolidarität.“

„Und die Männer? […] Sie zeigen die klassische „verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“, die der Soziologe Ulrich Beck beschreibt […] Ganz abgesehen davon, dass viele Männer insgeheim natürlich froh sind, sich der neuen, stressigen Konkurrenz durch hoch qualifizierte Frauen mit einem Trick erwehren zu können.“

Die Grundthese ist also, dass das „nervige“ dieser Frauen in der angeblich fehlenden Weiblichkeit begründet ist. Diese wird aber weiterhin erwartet:

„Jutta Ditfurth, die hoch intelligente, aber oft als „verbohrt“, mitunter auch als „stalinistisch“ gebrandmarkte Grünen-Frau der ersten Stunde, hat in einem Zeitungsgespräch einmal von einem Test zur Weiblichkeitserwartung berichtet, den sie gern mache: Er bestehe darin, ein männliches Gegenüber im Gespräch einfach nicht anzulächeln. Das löse regelmäßig große Irritationen aus – weil von Frauen ein konziliantes (unterwürfiges?) Lächeln erwartet wird. Ähnliches kann man erleben, wenn man durch eine vollgestopfte Fußgängerzone geht und Entgegenkommenden nicht ausweicht: Zu 99 Prozent kollidiert man dann mit Männern.“

Lesen!

(…und testet mal das mit der Fußgängerzone, das stimmt wirklich…)

Nachtrag:
Da der Link am Ende des Artikels zumindest bei mir nicht funktioniert, hier der direkte Klick zur „Nervensägen? 12 Plädoyers für ungewöhnliche Frauen“ – Liste.

8 Kommentare zu „Nervige Frauen

  1. Ähnliches kann man erleben, wenn man durch eine vollgestopfte Fußgängerzone geht und Entgegenkommenden nicht ausweicht: Zu 99 Prozent kollidiert man dann mit Männern.“

    Genau das wird von vielen Männern energisch bestritten. In unserer Gesellschaft gelten noch immer allgemeine Höflichkeitsformen: Ein Mann hält einer Frau die Türe auf, macht ihr Platz, lässt ihr beim Einsteigen den Vortritt etc..

    Ein Mann beschwerte sich unlängst bei mir, wenn er auf einem engen Bürgersteig zwei Männern begegne, würde einer der beiden Männer (der in der Mitte) anhalten und ihn durchlassen, kämen ihm dagegen zwei Frauen entgegen, würden die erwarten, dass er auf die Straße trete.

    einmal von einem Test zur Weiblichkeitserwartung berichtet, den sie gern mache: Er bestehe darin, ein männliches Gegenüber im Gespräch einfach nicht anzulächeln.

    Die meisten Menschen möchten in einem Gespräch verstanden werden. Mich irritiert auch, wenn mich ein Mann in einem Gespräch nicht anlächelt. Dann denke ich beinahe auch, an mir würde was nicht stimmen. Den Männern geht das umgekehrt nicht viel anders. Aber ich glaube, Jutta Ditfurth musste sich in der Hinsicht auch nicht besonders anstrengen.

  2. Ich habe, wenn ich gerade mal in der freien Wirtschaft gearbeitet habe, eigentlich nur „unter“ weiblichen Vorgesetzten oder mit weiblichen Kunden gerbeitet. „Unter“ in Anführungszeichen, weil ich nie wirklich disziplinarisch eingebunden war, sondern immer als Experte von außen kam – eine Rolle, die mir sicher entgegenkommt. Das einzige Problem ist aus meiner Sicht das Folgende: Harry und Sally.

    Schaffen es Frauen gleichzeitig beruflich in einer dominanten Position zu sein während sie privat oft klassisch (dominante) Maskulinität bevorzugen – vielleicht gerade Frauen, die beruflich erfolgreich sind (so wie ja auch japanische Manager oft die Erniedrigung durch Dominas suchen). Der letzte „Elisabeth“-Film ist in diesem Zusammenhang interessant. Privat will sie Frau sein, von Rawley an die Wand gedrückt werden – aber sie ist seine Königin, und eine Königin drückt man(n) nicht gegen die Wand und küsst sie.

    Weibliche Führungskräfte finden tendenziell keinen, der sie an die Wand drückt, obwohl sie das wollen, und männliche Mitarbeiter unter Frauen haben oft das Problem, daß Rawley hat. Die Frage ist doch die – schaffen wir es, uns von diesen Attraktionsschemata zu befreien?

    Am Rande – ich rate jedem Mann, zu lächeln. Ist nicht immer einfach, aber es nimmt Frauen in der Regel die Angst vor einer Interaktion.

  3. Hmm. Sollen nicht gerade rollenkonforme Frauen die Unternehmenskultur auf ungeahnte Höhen hieven ?

    Nee, im Ernst: Nach meiner (sicherlich bescheidenen) Privatemperie gibt es im Mittelbau sehr viele nervige „Rüpel“. Eine Etage höher habe ich eher höfliche und lächelnde – dadurch sehr souverän wirkende – Männer angetroffen. Nicht nur, geht auch anders.

  4. Im privaten Kontext habe ich die Erfahrung gemacht, dass Männer in einem Gespräch mit mir ziemlich selbstverständlich lächeln. Beruflich ist das bei Männern – zumindest bei denen, mit denen ich arbeite / gearbeitet habe – eben keine Selbstverständlichkeit, bei Frauen aber schon.

  5. Hm, also mir weichen in Fußgängerzonen schon die meisten Leute aus. Auch Männer. Allerdings bin ich für eine Frau nicht eben klein (1,70 m) und kultiviere bewusst eine „männliche“ Gehweise, d.h. statt Hüften schwingen alles von den Schultern abwärts schwingen (bitte den Ausdruck nicht auf Lunge nehmen, die Herren).
    Kann also sein, dass meine Beobachtung eher für die Theorie spricht.

  6. Der Artikel über die 12 Nervensägen ist super.

    Und ich stimme mit der Feststellung hier sehr überein: Die „Nervensägen“-Attribution ist ziemlich verbreitet. Es ist (zu oft) ebendiese Zuschreibung bei durchsetzungsstarken Frauen.
    Männer sind charakterstark, Frauen sind eben (nur) Nervensägen.
    (Geringschätzung der Konkurrenz macht die Niederlage erträglicher)

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