Heute lief auf dem Fernsehsender „Ki.Ka“ eine neue Folge der Dokumentationsserie „Ich“, in der das Thema Homosexualität am Beispiel von zwei sich als schwul definierenden, männlich markierten Jugendlichen verhandelt wurde. Dass solche Perspektiven für den „Ki.Ka“ im Jahr 2011 absolutes Neuland sind, ist eigentlich schon beschämend genug.
Problematisch ist allerdings auch, dass Lesben/lesbisch lebende Menschen – wie so häufig in den Medien – wieder einmal unter „schwul“ und „Mann“ subsumiert werden. FrauenLesbenTrans* und/oder queere Lebenskonzepte werden somit unsichtbar und verschwinden aus dem Blickfeld der Zuschauer_innen als mögliche Perspektiven auf die Themen Geschlecht, Gender, Körper, Sexualität und sexuelle Identität. Das „Schwulsein“ von Männern in den Fokus einer medialen Auseinandersetzung mit Homosexualität zu rücken, konstruiert diese als hauptsächliche Betroffene von Ausgrenzung und Diskriminierung beziehungsweise als hauptsächlich Betroffene einer heterosexuellen, binär vergeschlechtlichten Dominanzkultur.
Von der stereotypen Darstellung der zwei Jungen als diffus „tuntig“ beziehungsweise „weniger tuntig“ einmal abgesehen, zeichnet auch der Kinderkanal kein differenziertes Bild von Jugendlichen, die sich (zeitweise oder langfristig) für eine nicht-heterosexuelle Lebensweise entschieden haben. Weitere Aspekte von Intersektionalität oder Mehrfachzugehörigkeiten wie beispielsweise Behinderung, Hautfarbe, Religiösität werden darüber hinaus völlig selbstverständlich ausgeblendet. Diese Sichtweisen sind mitnichten akademische Luxusprobleme, sondern Lebensrealität von Millionen Menschen hierzulande.
Nicht unerwähnt bleiben soll der absurde Fakt, dass das Konzept der Serie „Ich“ darin besteht, Jugendkulturen oder popkulturelle Codierungen von Jugendlichen aufzuzeigen. Bisher vorgestellt wurden unter anderem Skater_innen, Models und Hip Hopper_innen. Homosexualität ist selbstredend nicht nur eine Facette von Popkultur. Homophobie, Heteronormativität und andere Unterdrückungsmechanismen, denen marginalisierte Gruppen täglich ausgesetzt sind, in solch einem Kontext vorzustellen, lässt diese unproblematisch und beliebig erscheinen.
Ich stimme im Grunde zu, finde aber: Sollte so etwas zur Folge haben, dass kikaschauende Kinder Homosexualität genauso akzeptieren können wie dass jemand HipHop mag, wäre das schon mal nicht das schlechteste Ergebnis.
Sicher fehlt es da noch an so manchem, aber anscheinend gibt es (in Deutschland?) noch nicht so viele Erfahrungen mit Kindersendungen zu dem Thema. Der Kika sollte deshalb trotz allem erst mal beglückwünscht werden und dann ermutigt und unterstützt beim Tiefer-Einsteigen.
Hab’s leider nicht gesehen, würde mich aber interessieren, ob kika der deutschsprachigen TV-Unsitte gefolgt ist und Homosexualität, als einziges deutsches Wort das auf der zweiten Silbe betont wird, führt – also hoMOOsexualität. Hat’s eine_r gesehen?
Hmm, ich finde nicht, dass ein Fernsehsender dazu beglückwünscht werden muss, Lebensrealität abzubilden. Schon gar nicht, wenn bis vor kurzem die Wörter „schwul, lesbisch, homosexuell“ in der Suchanfrage geblockt wurden.
Von vornherein davon auszugehen, dass Homosexualität Akzeptanzprobleme bei Kindern auslöst, halte ich außerdem für eine schwierige Herangehensweise.
@Stephanie
Die Links im Text dürfen gerne angeklickt werden :) Dort kann sich jede_r die Sendung noch mal anschauen.
Ich denke, es ist gut, dass mal ein Anfang gemacht wurde. Angesichts der fast allgemein eher katastrophalen Lage kann ich es verschmerzen, dass offenbar einiges im Argen liegt beim KIKA. Aber offensichtlich ist ihnen das zumindest ansatzweise bewusst, sonst hätten sie ja die Sendung nicht gemacht. Und bei anderen Sendern ist es wohl wahrlich nicht besser. Also gut, dass es sie gab und bitte ab sofort noch besser machen.
Es ist ja nicht so, als würde das erste Mal Homosexualität im Fernsehen thematisiert werden. Von „mal einen Anfang machen“ kann also keine Rede sein.
Und „Hauptsache es wird das Homothema aufgegriffen, egal wie“? Och nö. Das ist mir zu einfach.
„Dass solche Perspektiven für den “Ki.Ka” im Jahr 2011 absolutes Neuland sind“
Das meinte ich.
Verständlicher?
Schon der Anfang: „Phil braucht eine Stunde im Bad. Styling ist ihm extrem wichtig. Was sagt und das, Kinder? Richtig: Er ist schwul.“
Natürlich hängen die beiden auch nur mit Mädchen rum und haben passende Hobbys wie Shoppen und Cheerleading. Ganz cool ist immerhin, dass die Eltern den Sport ablehnen, weil er „zu gefährlich“ ist. Die Geschichte mit den Großeltern ist noch das Beste. Dass die Gespräche extrem gestellt wirken, ist wahrscheinlich in der Sendung immer so. Insgesamt deutlich zu klischeebelastet.
@Stephanie: Kannst du mir das mit der zweiten Silbe noch mal erklären? Am besten mit einem Hörbeispiel? Ich versuche gerade erfolglos, Homosexualität auf dem zweiten O zu betonen – das geht doch gar nicht!?
ich hab’s auch noch nicht gesehen, bin aber jetzt schon voreingenommen. hätte es auch sinnvoller gefunden, wenn das thema schon in diesem format aufgegriffen wird, vielleicht einen schwulen jugendlichen und eine lesbische jugendliche zu porträtieren.
ein paar von euch kennen vielleicht schloss einstein? hab das immer ganz gern geschaut und in der sendung wurden ja schon allerlei themen behandelt (neo-nazitum, teenie-schwangerschaften, diskriminierung von übergewichtigen etc.), aber ewig kamen keine homosexuellen schüler_innen vor. ich war dann ganz aus dem häuschen, als es endlich mal eine lesbische beziehung gab. die gipfelte dann (leider) darin, dass sich eine der beiden schlussendlich doch in einen jungen verliebte. kann ja durchaus vorkommen, aber die andere reagierte merkwürdig gelassen und hat am nächsten tag schon mit dem neuen paar gescherzt. hmpf. na ja. auf jeden fall ist da noch entwicklungsbedarf.
Zum Kika:
http://www.kika.de/fernsehen/a_z/k/kika_live/sendung/dienstag/index.shtml
Da wundert mich ja eigentlich garnichts mehr – auch nicht, dass das Kate-Perry-Phänomen bei Schloss Einstein auftaucht (und ärgere mich, dass ich GEZ-Gebühren zahle :-( )
Ich habe die Sendung auch gesehen und fand sie sehr klischeelastig (Schwule verbringen Stunden im Badezimmer, haben x kichernde beste Freundinnen, wollen shoppen und sich stylen – äh, what?)… und wenn du schreibst, diese „Ich“-Serie soll PopKultur zeigen, dann weiß ich nicht so ganz, was das mit Homosexualität zu tun haben soll. :/ Das war eher eine Sendung à la „Mein schwuler bester hübscher Freund, hihi. *händchen halt*“…
Dennoch: Wären die von dir (Nadine) angesprochenen Themen nicht eher was für gesonderte Beiträge (im Rahmen der „Ich“-Sendung, oder was KiKa halt sonst noch so bringt)? Das alles in einen Topf zu mischen, wäre wohl etwas zu viel des Guten. Zudem hieß der Beitrag „Ich bin schwul“ und nicht „Ich bin lesbisch“, „Ich bin XY“ – es wäre natürlich wünschenswert, dass KiKa solche dann auch bringt. Oder sich überhaupt einmal mit diesem Thema realistisch auseinandersetzt, denn diese Sendung war ja nicht mal ein wirklicher Beitrag zum Thema Homosexualität.
Oh je, der Beitrag trieft ja vor Klischees!
Es hätte einfach mal „Ich bin homosexuell“ heißen können und wenn sie nun eh schon zwei Porträts zeigen, dann auch bitte eine Frau und einen Mann. Was Ki.Ka zu Trans* und/oder queeren Lebenskonzepten zu zeigen hätte, will ich mir gar nicht vorstellen.
Und das hier schwul sein in der Reihe „Jugendkulturen oder popkulturelle Codierungen von Jugendlichen“ geschildert wird, lässt mich nur zu der Aussage kommen: finde den Fehler! Es passt überhaupt nicht in diese Serienreihe hinein.
@lua: Die selbe Frage habe ich mir damals bei Schloss Einstein auch schon gestellt und mich überrascht um so mehr, dass sie doch mal ein lesbisches Pärchen hatten, auch wenn eine von ihnen „natürlich“ wieder den Weg in die Heterosexualität gefunden hat.
Entschuldigung, aber hier wird null Realität abgebildet. Die Sendung bedient einfach die gängigen Klischees und schönt den gesellschaftlichen Umgang.
@Nadine,
ups, ich hatte hinter den Links Texte vermutet und ja, nicht geklickt. Sorry und danke für den Hinweis.
@Alba
Nicht zweites O, sondern zweite Silbe. Hörbeispiel, hmm. Ich glaube, zuletzt habe ich es im privaten Fernsehen gehört. Hmm… Vllt. macht’s kika ja auch… guck’s mir gleich mal an.
@Alba
bei kika war nur dieses „Luftholen vorher“ drin – z.B. bei etwa Minute 10. „diskutieren über …. Homo sexualität.
Es geht in dem Beitrag doch garnicht um Homosexualität, sondern um Jungs, die sich als schwul definieren.
Mit Homosexualität als Aufhänger könnte man dann halt einen schwulen Jungen und ein lesbisches Mädchen zeigen. Queers, Bisexuelle und Transmenschen wären dann immernoch außen vor.
Außerdem geht es doch um die schwule Jugendkultur, die es als Subkultur doch sehr real gibt, und die sich auch sehr deutlich von einer lesbischen Subkultur unterscheidet.
Achso? Was ist denn genuin schwul oder lesbisch? Was ist eine Subkultur? Homosexualität als Jugendkultur. Völlig neue Welten für mich. Na dann mal her mit den Quellen :)
Darüber hinaus scheinst du mich missverstanden zu haben. Ich weiß, dass dort zwei schwule Jungs präsentiert werden. Schwul jedoch als einzige „Variante“ von Homosexualität zu konstruieren ist doch genau der Punkt, worum es mir in meinem Text geht. Ursprünglich suchte der Sender nämlich homosexuelle Jugendliche für diese Folge.
@Nadine:
Ein besonders typisches Beispiel für schwule Subkultur ist zum Beispiel Karaoke… Such mal in Deutschland nach Karaoke-Parties, die nicht innerhalb der Schwulenszene stattfinden… Gibt es meiner Erfahrung nach selten.
Genuin schwul/lesbisch klingt mir arg essentialistisch. Es geht ja um die jeweiligen Szenen. Szene und Subkultur verwende ich grad ziemlich gleichbedeutend, falls das Missverständnisse ausräumt…
Ich finde aber schon, dass jede marginalisierte Identitätsform notwendigerweise über eine eigene Subkultur verfügt. Allein schon durch das gemeinsame Betroffensein. Bei Schwulen und Lesben kommt noch das Motiv hinzu, dass sie in heterosexuell dominierten Räumen nur schwer flirten können und deshalb oft Räume aufsuchen, die sich speziell an sie richten. Mit solchen Räumen sind verschiedene Verhaltenserwartungen verbunden. Und sie unterscheiden sich deutlich: Innerhalb der Schwulenszene gibt es doch eine riesige Industrie mit Gaybars, Saunas, Sex-Shops etc. Die Lesbenszene dagegen findet viel stärker privat und selbstorganisiert statt. Oder täuscht mein Eindruck?
Ich finde auch nicht, dass es „die schwule Subkultur“ gibt, sondern eher ein Überlappen zwischen verschiedenen kulturellen Räumen und Formen.
Abgesehen von den in der Sendung bedienten Stereotypen hat mich die Tatsache, dass „Ich bin schwul“ in einer Reihe steht mit „Ich bin Skater“, „Ich bin Sprayer“, „Ich bin Emo“, etc., extrem verwirrt und zum Lachen gebracht.
Versucht KiKa hier ernsthaft, Homosexualität als Jugend-/Subkultur und Hobby, bzw. Freizeitbeschäftigung abzustempeln?
Ich würde zu gerne eine Folge über „Ich bin hetero“ sehen.
@Ekelbaron
Meine Fragen waren absichtlich überspitzt formuliert. Mit deiner ausführlicheren Antwort verstehe ich, was du meinst. Denke jedoch, dass das wenig mit dem zu tun hat, was uns der KiKa näher bringen soll. Schließlich lassen sich LGBT*I und/oder queere (Sub)Kulturen, Szenen, Codes in ihrer Differenziertheit nur schwer an zwei schwulen Jugendlichen darstellen und genau das ist doch das Problem.
Dass hier zwei Einzelschicksale völlig stereotyp und kontextlos als homosexuelle Lebensrealität präsentiert werden und letztlich doch nicht in Ansätzen das angekratzt wird, womit Homosexuelle, Trans*, Intersex und Menschen mit queeren Lebensweisen täglich zu tun haben. UND: Diskriminierung bleibt durch das Einzelfallbeispiel wieder nur dort diskursiv verhaftet, wo Diskriminierung eh vom Gros der Gesellschaft vermutet wird: Als Nichtakzeptanz von Individuen untereinander.
Ich möchte anmerken, dass nicht alle LGBT*I oder Menschen in queeren Kontexten zwangsweise über ein gemeinsames Betroffensein verfügen, geschweige denn über eine gemeinsame Identität oder Identitätsmuster und sich trotzdem in den von dir genannten Subkulturen bewegen können oder eben vorrangig in der Dominanzgesellschaft.
PS: Ich flirte viel in Heteroräumen. So als Lesbe ;)
@Sophie:
Word!
Generell finde ich es schwierig, eine bestimmte sexuelle Orientierung fundiert und mit allen Aspekten darzustellen, auch Diskriminierung und Vorurteilen. Denn kaum ist die Kamera an, sind ja alle superlieb…
@Ekelbaron
Nun, es gibt genügend Sex-Shops und alles was dazugehört auch für Frauen bzw Lesben. „Sex“ an sich wird ja mehr mit Männern in Verbindung gebracht als mit Frauen und ich denke, dies ist mal ein Grund wieso Lesben(sex)shops im Dunkeln verschwinden- die meisten werden als Erotikshop getitelt (nein, das ist nicht dasselbe).
Wenn ich mal ganz naiv-provokant zurückfragen darf: Was ist denn eigentlich der Unterschied zwischen einer schwulen (oder lgbt) Subkultur und einer „Hobbysubkultur“ wie zB HipHop? Beziehungsweise, warum ist Schwulsein keine subkulturelle Lebensform?
Ich find die Reihe übrigens echt gut gemacht und hab mir grad schon wieder zwei Folgen angeschaut… Die Kinder bekommen Jugendkulturen von Insidern vorgestellt, die weitgehend selbst definieren können, was sie da eigentlich seltsames machen… Diese seltsamen Scripted-Reality-Anteile (zB nachgestellte Diskussionen mit den Eltern) stören diesen Eindruck natürlich… Genauso wie das Casting von möglichst typischen und gutaussehenden Personen.
Dafür bemühen sie sich immerhin weitgehend gleichviele Jungs wie Mädels zu zeigen… Und das obwohl die meisten Sub- und/oder Jugendkulturen leider immernoch einen deutlichen Männerüberschuss haben…
@Ekelbaron
Naiv-provokante Fragen, die nichts weiter tun, als bestimmte Herrschaftsverhältnisse zu verharmlosen, sind nicht gut für mein Gemüt. Es hat niemand geleugnet, dass Homosexualität auch popkulturelle Facetten hat bzw. Homosexualität und Popkultur zusammengehen können. Trotzdem reitest du jetzt schon mehrere Beiträge darauf rum, dass es doch so sei. Wissen wir. Habe auch schon erklärt, warum ich eine solche Darstellung als primäre in den Medien problematisch finde. Nächste Frage oder zurück zum Thema, bitte.
@Der Ekelbaron: Na, ich kann doch heute HipHop hören und dann morgen Computernerd werden, und das alles völlig unabhängig von meiner sexuellen Orientierung (lesbische Computernerdin, schwuler HipHoper…). Dann könnte man ja auch Menschen mit roten Haaren vorstellen, einige entsprechen sicher den Klischees der Hexe mit roten Haaren oder dem trinkfesten Mann irischer Abstammung.
Und wenn in den vorgestellten Jugendkulturen wenig Mädels sind… schauen die entweder die falschen Subkulturen an oder Mädels sitzen nur zu Haus und haben keine Hobbies.
@Der Ekelbaron:
Dass es eine „schwule Subkultur“ gibt, da würde ich dir nicht widersprechen – es gibt ja durchaus schwule Männer, die nahezu 100% „in der Szene“ leben und arbeiten und auch überwiegend schwule Kontakte haben… so etwas würde ich z. B. als (bewusst gewählte) Subkultur durchgehen lassen. Ebenso gibt es eine ähnliche „lesbische Subkultur“
Aber Schwulsein an sich ist doch keine Kultur bzw. „subkulturelle Lebensform“, denn vielen homosexuellen Männern merkst du doch gar nicht an, dass sie homosexuell sind. Es sei denn, du setzt „männliche Homosexualität“ nicht mit „Schwulsein“ gleich. Dann redet ihr hier aber aneinander vorbei, denkst du nicht?