Schaute man sich vor einiger Zeit in den Schlagzeilen amerikanischer Webseiten um, gab es nur ein Thema: Sex als Währung. Die des Umgangs zwischen Männern und Frauen natürlich und dann mal wieder als etwas, das Männer wollen und Frauen ihnen „verkaufen“. Dabei seien sie „billig“ geworden, statt der Ehe als Endziel ginge es heute nur noch um feste Beziehungen. Die die Frauen damit nicht erkaufen können, stattdessen würden sie von den Männern gnadenlos ausgenutzt.
Natürlich stehen dahinter einige frauenfeindliche Annahmen – etwa die, dass Frauen keinen Sex mögen und jede Frau eigentlich nur hinter einem Ring am Finger her sei. Oder zumindest einem dauerhaften Lebenspartner. Von der Männerfeindlichkeit (chronische Versager mit emotionalen Bindungsproblemen und ausschweifendem Sexdrang) mal ganz zu schweigen. Zitiert wird dabei gern eine alte Studie. Danach würden drei-viertel aller Studenten mit einer Unbekannten mitgehen, die ihnen unverbindlichen Sex anbietet, aber keine einzige Studentin.
Eine kürzlich erschienene Studie im Journal of Psychology and Human Sexuality hat sich dieses Themas nun erneut angenommen. Das Yes means Yes-Blog hat sich die Ergebnisse ausführlich angeschaut. So spielten Terri Conley und ihre Student_innen das ursprüngliche Szenario noch einmal durch – allerdings nicht real, sondern in schriftlichen Umfragen. Unter „einer attraktiven Person des anderen Geschlechts“ konnte sich so hoffentlich jede_r der Proband_innen etwas vorstellen. So zeigte sich tatsächlich, dass Männer häufiger an unverbindlichem Sex interessiert waren, für unverbindliche Kurzbeziehungen stieg das Interesse noch weiter, dann übrigens auch bei den Frauen. Große Unterschiede zeigten sich aber bei einer Reihe von Fragen, die den Teilnehmer_innen darüberhinaus gestellt wurde.
So wurden die potentiellen männlichen Sexpartner von den Frauen als gefährlich, gesellschaftlich wenig anerkannt und wenig sexuelle Befriedigung versprechend eingestuft. Männer sahen die potentiellen Partnerinnen genau umgekehrt. In einer Kontrollfrage mussten dann Männer die Sex-Angebote anderer Männer an Frauen beurteilen, bzw. Frauen die Angebote anderer Frauen an Männer. Dabei zeigte sich, dass auch Männer ihren Geschlechtsgenossen wenig sexuelle Kompetenz zusprachen und sie als eher als gefährlich ansahen, Frauen ihre Geschlechtsgenossinnen aber ebenfalls positiv beurteilten.
Danach wurden aus den „attraktiven Personen“ Prominente und egal ob Mann oder Frau: Mit attraktiven Promis gehen wir eher ins Bett als mit unattraktiven. Männer nehmen es dabei auch mit dem Alter nicht so genau. Richtig interessant wird es dann im letzten Teil der Studie. Hier wurden die Teilnehmer_innen nach ihren bisherigen Erlebnissen befragt. Dabei gaben immerhin 40% der Frauen an, sich auf Angebote zu unverbindlichem Sex eingelassen zu haben, mit 73% liegen die Männer dagegen fast genau im Wert der alten Studie.
Insgesamt wurden noch einige weitere Szenarien durchgespielt und Schwule, Lesben und Bisexuelle befragt, allerdings nur als Kontrollen der heterosexuellen Angaben. Insgesamt folgert Conley, dass der einzig signifikante Indikator, ob wir ein Angebot zu unverbindlichem Sex annehmen, das Versprechen von Befriedigung ist. Wenn, dann mögen Frauen also keinen schlechten Sex.
Ein zweiter Punkt war die empfundene Bedrohung. Dabei schätzten Frauen Bekannte, die ihnen Sex anboten als weniger gefährlich ein als „den Fremden auf der Straße“. Dies ist stimmig mit unserem generellen Gesellschaftsbild und den immer wiederkehrenden Warnungen vor Unbekannten, die schon kleine Mädchen erhalten. In Anbetracht der Tatsache, dass vor allem Familienangehörige und Bekannte sexuelle Gewalt ausüben aber nicht unbedingt die sinnvollste Annahme. Und auch, dass Männer Frauen soetwas gar nicht zutrauten, spricht wieder Bände.
Ich finde es heikel, im Zusammenhang mit Sex von ‚gut‘ oder ’schlecht‘ zu sprechen. Das impliziert einen Leistungsanspruch, den Sex meiner Meinung nach nicht erfüllen kann. Ich erinnere mich da an ein Erlebnis, bei dem mir das Gerubbel des unverbindlichen Sexualpartners ein ‚Aua‘ entlockte, woraufhin er sagte: „Andere Frauen bekommen davon einen Orgasmus“. Typischer Fall von sexueller Inkompatibilität. Was ich als unagenehm bis schmerzhaft empfand, schien aber anderen Frauen offensichtlich gefallen zu haben (oder sie waren bessere Schauspielerinnen ;-)). Damals war ich leider noch sehr unerfahren, so dass ich nicht wirklich beurteilen konnte, was da konkret schiefgelaufen war, heute würde ich so jemandem gewaltig den Marsch blasen, wenn er/sie mir Orgasmusunfähigkeit vorwerfen würde… Aber deshalb muss dieser Mensch ja kein schlechter Liebhaber sein, nur er und ich als ‚Team‘, das war eben eine schlechte Kombination.
Ich stelle zur Diskussion ob die unbestritten falsche Behauptung „Männer wollen nur Sex“ und „Frauen wollen nur Ehe/Beziehung“ auch gleichzeitig schon männerfeindlich oder frauenfeindlich ist.
Nicht jedes falsche Klischee oder jede falsche oder überholte Studie erfolgt ja in „feindlicher Willensrichtung“.
@Miriam:
Für mich (bisexuell) besteht schon ein Gefühl beim Sex ob es mir gefällt (gut) oder eben nicht (schlecht). Das Aussprechen ist eine andere Seite. Vor allem dann, wenn ER sich kritisiert fühlt, damit können nämlich die wenigsten Männer umgehen. Mit Frauen habe ich damit wesentlich bessere Erfahrungen gemacht. Alleine wie wir uns darüber unterhalten haben, war wesentlich entspannter. Und auch dein „Aua“ kommt mit Frauen so gut wie nie vor. Fehlende Empathie ist für mich des Rätsels Lösung und weniger Inkompatibilität. ;)
@all:
Zum Thema kann ich nur sagen, dass ich keinen verbindlichen Sex mag. Denn verbindlich wäre ja wieder eine exklusive Verfügbarkeit über mich. Und da ich die nicht will, gilt das auch für meine(n) Partner_In.
Solche Studien spiegeln ja nur die allgemeinen Erwartungshaltungen wider und sagen wenig aus. Ich erinnere mich da immer wieder ein eine meiner besten Freundinnen, bei der, folgt man ihren eigenen Aussagen, die Anzahl bisheriger Sexualpartner mit ansteigendem Alter abnimmt:-) Nichts ist so verfälscht wie Umfragen über die Sexualität.
Dies führt auch zu einem ausgeprägten Jagdtrieb der Männer, jedes Wochende landauf, landab in allen Clubs zu beobachten. Ein Mann soll gefälligst einer Frau imponieren, damit sie sich überzeugen lässt, mit ihm ins Bett zu gehen. Da ich solche Rollenbilder nicht mag und mir gerne hole, was ich will, kollidiere ich häufig mit den Erwartungshaltungen. So hat ein Mann den ich nach einem kurzen Flirt gefragt habe, ob er Lust habe, mich gefragt, ob ich denn schon so betrunken sei – als ob eine Frau nur ab 1,5 Promille einen ONS sucht.
Dass weniger Frauen mit einem unbekannten attraktiven Mann mitgehen wollen um unverbindlichen Sex zu haben als Männer mit einer Frau, liegt doch auch daran, dass es schlichtweg gefährlich ist, bzw. Frauen es als gefährlich empfinden. Der Unbekannte könnte ja schließlich zu weit gehen und der Frau Gewalt antun. An sich hat diese Entscheidung mal nichts damit zu tun dass Frauen weniger unverbindlichen Sex möchten. Unverbindlicher Sex funktioniert ja auch wunderbar mit bekannten Männern.
Der Unbekannte könnte ja schließlich zu weit gehen und der Frau Gewalt antun.
Das stimmt leider immer noch. :(
Danke Inge, dass du darauf noch hingewiesen hast.
Eine solche Studie würde wohl ganz anders aussehen, wenn z.B. Männer die Erfahrung machen würden, beim Sex mit einer Unbekannten nicht auf ihre Kosten zu kommen. Wenn Männer z.B. täglich in der Zeitung lesen würden, dass wieder mal ein Mann von einer Frau belästigt oder zum Sex gezwungen wurde. Wenn z.B. Frauen Männern in der U-Bahn zwischen die Beine fassen würden, usw. Bei all dem wundere ich mich, dass wir Frauen immer noch Lust haben mit Männern ins Bett zu gehen und schreib das einer gewissen Stärke zu, die sich im Laufe der Zeit entwickelt hat.
Ich kann nicht nachvollziehen, dass Frauen weniger triebhaft sein sollen als Männer. Nur würde ich aus Gründen der Vorsicht nie mit einem unbekannten Mann einfach mitgehen.
Miriam: Ich glaube nicht, dass Ihr nicht zueinander gepasst habt und der Typ anderen Frauen tolle Orgasmen entlockt hat. Meiner Erfahrung nach lügen Männer wenn es um Bettgeschichten geht meist wie gedruckt. Schon so eine Bemerkung ist unsensibel, setzt den Partner unter Druck und zeugt von schlechten Liebhaberqualitäten.
Hier eine schöne Geschichte über weibliche Sexualität und Selbstbefriedigung, die euch interessieren könnte: http://karinkoller.wordpress.com/2011/04/16/dinge-die-wir-lieben-selbstbefriedigung/